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Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 500,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.11.2019 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 1.000,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
3Die Klägerin begehrt die Zahlung eines Schmerzensgeldes von 1.000 EUR aufgrund einer im Zuge eines Verkehrsunfalls behaupteten körperlichen Beeinträchtigung.
4Die Klägerin ist Halterin und Eigentümerin des PKWs mit dem amtlichen Kennzeichen DO- , die Beklagte ist Haftpflichtversicherin des PKW BOR- . Am 07.05.2019 ereignete sich ein Verkehrsunfall zwischen den vorgenannten PKWs an der Kreuzung Recklinghäuser Straße/Löringhofstraße in Waltrop. Dabei missachtete der Fahrer des bei der Beklagten versicherten PKWs die zu gewährende Vorfahrt, sodass die alleinige Haftung der Beklagten zwischen den Streitparteien nicht in Streit steht. Die Klägerin wurde durch den behandelnden Arzt für den Zeitraum vom 07.05. bis 24.05.2019 „arbeitsunfähig geschrieben“.
5Auf den Gesamtschaden leistete die Beklagte Zahlung wie folgt:
6begehrt |
gezahlt |
|
Fahrzeugschaden |
3.790,00 € |
3.790,00 € |
SV-Kosten |
721,54 € |
721,54 € |
Ab- und Anmeldekosten |
185,00 € |
185,00 € |
Auslagenpauschale |
25,00 € |
25,00 € |
Abschleppkosten |
311,65 € |
311,65 € |
Mietwagenkosten |
1.678,00 € |
1.167,39 € |
Schmerzensgeld |
1.000,00 € |
- € |
gesamt |
7.711,19 € |
6.200,58 € |
Mit Schreiben vom 04.11.2019 lehnt die Beklagte endgültig die Zahlung eines Schmerzensgeldes ab. Auf die Rechtsanwaltskosten leistete die Beklagte sukzessive einen Betrag von 728,03 EUR.
8Die Klägerin behauptet, unfallkausal eine HWS-Distorsion nebst Prellung erlitten zu haben. Dabei sei die HWS-Beweglichkeit schmerzhaft eingeschränkt, die passive Bewegung schmerzfrei gewesen; zudem sei ein Hartspann des Trapezmuskels beiderseits verursacht worden. Ihr sei zunächst schwindelig gewesen, wobei die eigentlichen Schmerzen am Folgetag eingesetzt hätten. Weiter sah sie nur unscharf. In der Folge habe sie 12 krankengymnastische Behandlungen verordnet bekommen, die sie allesamt wahrgenommen habe. Sie habe zunächst Schmerzmittel, sodann Muskelentspannungspräparate eingenommen.
9Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen
101) an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 1.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.11.2019 zu zahlen.
112) an die Klägerin Rechtsanwaltsgebühren aus vorgerichtlicher Tätigkeit zu Händen ihrer Prozessbevollmächtigten in Höhe von 25,20 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Die Beklagte ist der Auffassung, ein Schmerzensgeld stehe der Klägerin nicht zu. So seien die Diagnosen auf subjektive Beschwerdeangaben gestützt, zudem habe sie einen Mietwagen genutzt. Eine HWS-Distorsion führe jedoch zur Fahruntauglichkeit. Die kollisionsbedingt wirkenden Kräfte seien zur Herbeiführung der behaupteten Beeinträchtigung nicht ausreichend, sodass für den Fall der Feststellung der gesundheitlichen Beeinträchtigung eine solche nicht unfallkausal wäre.
15Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die zur Akte gelangten Schriftsätze sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen. Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines unfallanalytischen Sachverständigengutachtens des Dipl.-Ing. K. I. vom 25.03.2021 sowie eines medizinischen Sachverständigengutachtens des Prof. Dr. med. G. N. vom 07.02.2022.
16Entscheidungsgründe:
17Die zulässige Klage ist in dem austenorierten Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.
18Der Klägerin steht der austenorierte Anspruch aus §§ 7 StVG, 249, 253 BGB, 115 VVG gegen die Beklagte zu.
19Der streitgegenständliche Verkehrsunfall ereignete sich bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs, wobei die alleinige Haftung der Beklagten als Haftpflichtversicherer des unfallverursachenden PKWs (§ 115 VVG) unstreitig ist.
20Dabei hat die Klägerin zur zweifelsfreien Überzeugung des Gerichts die behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen erlitten. So kommt der Sachverständige I. mit überzeugender Begründung zu der sachverständigen Feststellung, dass auf die Klägerin eine quergerichtete Geschwindigkeitsänderung von 9,7 km/h und damit eine quergerichtete Beschleunigung von 2,3 g auf diese wirkte. Aufgrund der Unfallschäden ermittelte der Sachverständige eine Kollisionsgeschwindigkeit von 10 km/h bei dem Beklagtenfahrzeug. Wegen der Einzelheiten der Stoßanalyse wird auf Anlage 5 des Gutachtens Bezug genommen.
21Aus den so ermittelten unfallkausal wirkenden Kräften gelangt der medizinische Sachverständige Prof. Dr. med. N. zu der Bewertung, dass die behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen „sehr gut begründbar“ sind, die Unfallkausalität der Beschwerdesymptomatik eindeutig gegeben ist. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich die behaupteten Beschwerden nicht chronifizierten. Das Hervorrufen geschilderten Beschwerden stimmt medizinisch plausibel mit den unfallkausal wirkenden Kräften überein. Auch die Arbeitsunfähigkeit vom 07. bis 24.05.2019 sei aufgrund der dokumentierten ärztlichen Befunde nachvollziehbar. Zweifel des Gerichts verbleiben vor diesem Hintergrund nicht, wobei herauszustellen ist, dass eine absolute Überzeugungsbildung des Gerichts zur Beweisführung nicht erforderlich ist. Denn ein Beweis ist gemäß § 286 ZPO erbracht, wenn das Gericht nach Durchführung der mündlichen Verhandlung und der Beweisaufnahme von der Richtigkeit der Tatsachenbehauptung überzeugt ist. Dies erfordert keinen absoluten Grad an Gewissheit. Vielmehr ist ein solcher Grad an Gewissheit ausreichend, der Zweifeln Schweigen gebietet. Dieser ist aufgrund der überzeugenden sachverständigen Feststellungen erreicht.
22Dabei erachtet das Gericht ein Schmerzensgeld in Höhe von 500 EUR als angemessen. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes ist dessen Doppelfunktion zu beachten. Dies soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für diejenigen Schäden bieten, die nicht vermögensrechtlicher Art sind und zugleich dem Gedanken Rechnung tragen, dass die Schädiger dem Geschädigten eine gewisse Genugtuung dafür schuldet, was bei ihm als Folgen eingetreten sind. Die wesentliche Grundlage für die Bemessung des Schmerzensgeldes bilden damit die Schwere der eingetretenen Verletzungen, das Maß und die Dauer der Lebensbeeinträchtigung, die Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen und Leiden sowie die Dauer der, Behandlungen, der gegebene und weitere zukünftige Krankheitsverlauf, ein möglicher Dauerzustand sowie die Fraglichkeit einer endgültigen Heilung und letztlich die Gesamtumstände des Falles.
23Das Ausmaß des Schmerzensgeldes muss in einem angemessenen Verhältnis zu Art und Dauer der Verletzung unter Berücksichtigung aller für die Höhe maßgeblichen Umstände stehen (BGH VersR 1988, 943; OLG Brandenburg NJWRR 2013, 1345, 1349; OLG Saarbrücken NJW-RR 2013, 1112 [1116]; Schubert Karlsruher Forum 2016, 3 [17 f.]). Gleichartige Verletzungen müssen annähernd gleiche Schmerzensgelder zur Folge haben (BGH VersR 1970, 281 [282]).
24Die behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin waren nicht schwerwiegend und sind in der Folge vollständig verheilt. Es war ein geringer Genesungsaufwand in Form der verordneten Krankengymnastik durch die Klägerin erforderlich. Weiter einzustellen war die Arbeitsunfähigkeitsdauer von gut zwei Wochen.
25Ein Anspruch auf Ersatz weiterer Rechtsanwaltskosten besteht nicht:
26Nr. 2300 RVG |
526,50 € |
Nr. 7002 RVG |
20,00 € |
ZS |
546,50 € |
Nr. 7008 RVG |
650,34 € |
2x Akteneinsicht |
24,00 € |
674,34 € |
|
gezahlt |
-65,69 € |
gezahlt |
-12,00 € |
gezahlt |
-650,34 € |
gesamt |
-53,70 € |
Die Zinsforderung folgt aus §§ 280, 286, 288 BGB.
28Die Nebenentscheidungen fußen auf §§ 92, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
29Rechtsbehelfsbelehrung:
30Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
311. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
322. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
33Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils bei dem Landgericht Bochum, Josef-Neuberger-Straße 1, 44787 Bochum, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
34Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils gegenüber dem Landgericht Bochum zu begründen.
35Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Bochum durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
36Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.