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Auf die Erinnerung der Klägerin vom 17.02.2023 wird der Zurückweisungsbeschluss vom 09.02.2023 aufgehoben.
Die Sache wird dem zuständigen Rechtspfleger zwecks Neubescheidung des Antrags der Klägerin vom 10.01.2023 unter Zugrundelegung der unten ausgeführten Rechtsansicht zurückverwiesen bzw. zurückübertragen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe:
2I.
3Die Kostenerinnerung der Klägerin vom 17.02.2023 gegen den Beschluss vom 09.02.2023 ist zulässig, insbesondere form- und fristgemäß eingereicht. Nach Nichtabhilfe durch den Rechtspfleger war gemäß § 11 Abs.2 S.6 RPflG richterlich zu entscheiden.
4II.
5Sie ist auch begründet.
6Hinsichtlich der hiesigen Anrechnungsproblematik ist der von der Klägerseite mit Erinnerung vom 17.02.2023 und weiterer Stellungnahme vom 21.03.2023 dargelegten Rechtsansicht zuzustimmen.
7Bei mehreren Angelegenheiten kann die Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen in jeder Angelegenheit anstelle der tatsächlichen Auslagen nach Nr. 7001 VV gefordert werden. Das Mahnverfahren und das streitige Verfahren stellen gemäß § 17 Nr. 2 RPflG dabei verschiedene Angelegenheiten dar (vgl. Kroiß, in: Mayer/Kroiß, RVG, 8. Aufl. 2021, VV 7000-7002 RVG, Rn. 15; Schneider, NJW-Spezial 2011, 475 – jew. zitiert nach beck-online). Eine Anrechnung der Postentgeltpauschalen kommt nicht in Betracht. Selbst wenn die zu Grunde liegenden Gebühren aufeinander anzurechnen sind, kann die Postentgeltpauschale jeweils gesondert verlangt werden. Mangels einer Anrechnungsvorschrift für Postentgeltpauschalen scheidet eine solche Anrechnung aus (vgl. Schneider, NJW-Spezial 2011, 475 –zitiert nach beck-online).
8In Anrechnungsfällen richtet sich das für die Berechnung der Auslagenpauschale maßgebliche Gebührenaufkommen – nach mittlerweile herrschender Meinung – aus den gesetzlichen Gebühren vor Anrechnung und nicht aus einem nach Anrechnung verbleibenden rechnerischen Differenzbetrag, selbst wenn nach Anrechnung keine Gebühren verbleiben (vgl. Schneider, in: Berz/Burmann, Handbuch des Straßenverkehrsrechts, Werkstand: 46. EL September 2022, B. Zivilrechtliche Angelegenheiten, Rn. 116; Enders, in: Hartung/Schons/Enders, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 3. Aufl. 2017, § 17, Rn. 26; Winkler, in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Auflage 2021, VV RVG Vorbem. 3, Rn. 49 m.w.Nw.; Ahlmann, in: Riedel/Sußbauer, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 10. Auflage 2015, RVG VV 7001, Rn. 5 m.w.Nw.; Schneider, NJW-Spezial 2011, 475 – jeweils zitiert nach beck-online).
9Diese Auffassung wurde letztlich durch die Einführung des § 15a I RVG gestärkt. Der Gesetzgeber hat die Eigenständigkeit der aufeinander anzurechnenden Gebühren hervorgehoben und klargestellt, dass keine zwingende Anrechnungsfolge besteht (vgl. Schneider, NJW-Spezial 2011, 475 – 2Z nach beck-online). Auch soll die Anrechnung dem geringen Arbeitsaufwand des Rechtsanwalts, der mit der Sache bereits befasst war, Rechnung tragen; die Vorbefassung führt aber nicht dazu, dass bei einem erneuten Tätigwerden geringere Auslagen anfallen (vgl. Ahlmann, in: Riedel/Sußbauer, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 10. Auflage 2015, RVG VV 7001, Rn. 5 m.w.Nw. – zitiert nach beck-online).
10Die Rückübertragung zur erneuten Entscheidung beruht auf § 11 Abs.2 S.7 RPflG iVm § 572 Abs.3 ZPO (entsprechend). Die Bindungswirkung an die rechtliche Beurteilung, welche der Aufhebung zugrunde liegt, ergibt sich aus der entsprechenden Anwendung des § 563 Abs. 2 ZPO und § 577 Abs. 4 ZPO, jeweils iVm § 11 Abs.2 S.7 RPflG (vgl. Wulf, in: BeckOK, ZP/, 47. Ed. 1.12.2022, § 572, Rn. 20).
11Die Kostenentscheidung beruht auf § 66 Abs. 8 GKG.
12Gemäß § 11 Abs. 4 RPflG ist das Erinnerungsverfahren gerichtsgebührenfrei. Anwaltsgebühren fallen im Erinnerungsverfahren gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 5 RVG nicht an, es sei denn, dass sich die Tätigkeit des Anwalts auf das Erinnerungsverfahren beschränkt (vgl. Hamdorf, in: MüKoZPO, 6. Aufl. 2020, § 11 RPflG, Rn. 8 – zitiert nach beck-online), was vorliegend jedoch gerade nicht der Fall ist, da das Mandat bereits außergerichtlich und gerichtlich bestand/besteht.