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1.
Der Beklagten wird verurteilt, das Grundstück A.-Straße x, B. sowie sämtliche auf diesem Grundstück befindlichen Gebäude zu räumen und geräumt einschließlich sämtlicher in seinem Besitz befindlichen Schlüssel an den Kläger herauszugeben.
2.
Der Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.002,41 Euro zu zahlen.
3.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
4.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 55.000,- € vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger verlangt vom Beklagten Räumung und Herausgabe eines Hausgrundstücks.
Der Kläger ist Eigentümer des Hausgrundstücks A.-Straße x in B., das derzeit vom Beklagten zu Wohnzwecken genutzt wird. Entstehung, Hintergrund und Rechtsnatur des Nutzungsverhältnisses sind zwischen den Parteien streitig. Der Kläger forderte den Beklagten mehrfach, letztmals anwaltlich mit Räumungsfrist bis zum 15.03.2022 erfolglos zur Räumung und Herausgabe auf.
Der Kläger behauptet, der Beklagte habe sich ohne sein Einverständnis auf dem Grundstück eingenistet. Ein Mietverhältnis habe zu keinem Zeitpunkt bestanden.
Der Kläger beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, das Grundstück A.-Straße x, B. sowie sämtliche auf diesem Grundstück befindlichen Gebäude zu räumen und geräumt einschließlich sämtlicher in seinem Besitz befindlichen Schlüssel an den Kläger herauszugeben;
2. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.002,41 Euro zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er behauptet, mit ausdrücklichem Einverständnis des Klägers das streitgegenständliche Haus zu Wohnzwecken benutzt zu haben. Im Sommer 2020 hätten die Parteien vereinbart, dass der Beklagte das Gebäude, das sich in einem stark verwahrlosten, kaum bewohnbaren Zustand befunden habe, auf eigene Kosten repariere und renoviere. Entsprechend sei ein formloser Mietvertrag geschlossen worden, die Miete bestehe in der Erbringung von Werkleistungen. Das Mietverhältnis sei nicht formgerecht gekündigt worden. Das Landgericht sei sachlich unzuständig, da es sich um eine Streitigkeit wegen Wohnraummiete handele.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Das Gericht hat beide Parteien persönlich angehört und Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugin C.. Wegen des Beweisergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung vom 01.02.2023 verwiesen.
Entscheidungsgründe
2Die Klage ist zulässig und begründet.
3I.
4Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Landgericht gemäß § 71 Abs. 1 GVG sachlich zuständig. Nichts anderes folgt aus § 23 Nr. 2 a GVG, wonach die Amtsgerichte für Streitigkeiten über Ansprüche aus einem Mietverhältnis über Wohnraum oder über den Bestand eines solchen Mietverhältnisses ausschließlich zuständig sind. Denn im Streitfall ist für die Zuständigkeit die Rechtsnatur des Anspruchs maßgeblich, wie er sich aus Antrag und Tatsachenvortrag des Klägers ergibt, (vgl. Zöller-Lückemann, Zivilprozessordnung, 34 Aufl., 2022, § 23 GVG Rn. 8 m. w. N.).
5Da der Kläger seine Herausgabeansprüche ausschließlich auf Eigentum und gerade nicht auf ein beendetes Mietverhältnis stützt, war die Zuständigkeit des Landgerichts gegeben. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme das Bestehen eines Mietverhältnisses über Wohnraum feststünde (hierzu II.).
6II.
7Die Klage ist auch begründet.
8Der Kläger kann vom Beklagten gemäß § 985 BGB die Herausgabe seines Hausgrundstücks verlangen. Dem Beklagten steht gegenüber dem Kläger am streitgegenständlichen Hausgrundstück kein Recht zum Besitz im Sinne des § 986 Abs. 1 S. 1 BGB zu. Insbesondere haben die Parteien zu keinem Zeitpunkt ein Wohnraummietverhältnis geschlossen.
91.
10Zwar ist dem Beklagten darin zu folgen, dass ein Mietverhältnis auch formlos begründet werden kann und die Gegenleistung des Mieters nach § 535 Abs. 2 BGB nicht zwingend in einer Geldleistung, sondern auch in einer Sachleistung, insbesondere auch in der Erbringung von Reparatur- und Renovierungsleistungen liegen kann. Voraussetzung ist jedoch, dass die Höhe der Miete, also Umfang und Wert der zu erbringenden Leistungen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses konkret bestimmt oder bestimmbar ist (Grüneberg-Weidenkaff, Bürgerliches Gesetzbuch, 82. Aufl., 2023, § 535 BGB, Rn. 71, 74 m. w N.). Im Übrigen gibt es keinen Erfahrungssatz, dass Nutzungsverhältnisse über Wohnraum, für die keine Miete gezahlt wird, gleichwohl regelmäßig als Mietverhältnis anzusehen sind. Vielmehr ist von einem unentgeltlichen Nutzungsverhältnis als Leihverhältnis im Sinne des § 598 BGB auszugehen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Nutzende nicht einmal ein vertragliches Entgelt im Hinblick auf die Lasten des Eigentümers entrichtet, insbesondere keine Zahlungen auf die Nebenkosten erbringt (Grüneberg, ebenda, Einführung vor § 535, Rn. 17). Soweit der Mieter statt oder neben Entgeltzahlungen Sachleistungen auf die Mietsache vornimmt, werden hierzu regelmäßig Vereinbarungen getroffen, wonach diese als vorausbezahlte Miete auf eine fest vereinbarte Entgeltleistung angerechnet werden (abwohnbarer Baukostenzuschuss) oder aber der Vermieter zur Rückerstattung der Leistungen nicht verpflichtet werden soll (verlorener Baukostenzuschuss; vgl. Grüneberg, Einführung vor § 535, Rn. 109, 111).
112.
12Nach vorstehenden Grundsätzen, denen die Kammer folgt, war vorliegend von keinem Mietverhältnis über Wohnraum im Sinne der §§ 535 Abs. 1, 549 Abs. 1 BGB auszugehen.
13a)
14Zwar ist das Gericht davon überzeugt, dass sich der Beklagte nicht ohne Wissen und Wollen des Klägers in dessen Wohnhaus „eingenistet“ hat. Vielmehr spricht aufgrund der umfangreichen vorgerichtlichen WhatsApp-Korrespondenz vieles dafür, dass der Kläger bereits von Beginn an, spätestens aber nach kurzer Zeit erkannt hat, dass der Beklagte sein Haus zu Wohnzwecken nutzt. Anders ist nicht erklärbar, dass der Beklagte etwa den Einbau einer Küche, die Erneuerung von Kleiderschränken und Heizungen sowie die Anlegung von Beeten plant und durchführt und der Kläger dem zustimmt.
15b)
16Für die Entscheidung des Rechtsstreits ist dies jedoch ohne Belang. Maßgeblich ist, ob es sich tatsächlich um ein Mietverhältnis oder ein letztlich vom Kläger geduldetes unentgeltliches Nutzungsverhältnis handelt. Bereits nach den Angaben, die der Beklagte im Rahmen seiner persönlichen Anhörung gemacht hat, hatte das Gericht von einem unentgeltlichen Nutzungsverhältnis auszugehen.
17aa)
18Denn der Kläger hat eingeräumt, dass zu Beginn des Nutzungsverhältnisses der Nutzungszweck nicht klar umrissen war. Er hat hierzu ausgeführt, dass zunächst von der Nutzung des Gebäudes für Versammlungen eines noch zu gründenden Vereins die Rede war. Er hat weiter ausgeführt, dass zwar ein Teil der Reparaturarbeiten schon zu Beginn bekannt gewesen und auch mit dem Kläger besprochen worden seien, dass ein wesentlicher Teil der Arbeiten sich aber erst im weiteren Verlauf des Nutzungsverhältnisses nach und nach ergeben hätten. Bereits hieraus folgt, dass die Arbeiten in ihrer Gesamtheit nicht Gegenleistung aus einem Mietvertrag sein konnten. Konkrete Vereinbarungen mit dem Kläger, dass es sich bei den Reparatur-und Renovierungsarbeiten um eine Gegenleistung handele, die im Gegenzug den Kläger verpflichteten, die Nutzung des Gebäudes durch den Beklagten zu Wohnzwecken zumindest für eine gewisse Mindestdauer und in rechtsverbindlicher Weise zu gestatten, konnte der Beklagte zudem nicht benennen. Unstreitig ist der Entwurf einer verbindlichen Nutzungsvereinbarung, die der Beklagte am 19.07.2020 gefertigt hat, vom Kläger nicht angenommen worden. Der Beklagte hat auch nicht behauptet, dass der Kläger auf diesen Entwurf in einer Weise reagiert hat, die der Beklagte als Annahme hätte verstehen können.
19Letztlich hat der Beklagte eingeräumt, an den Kläger für die Nutzung des Hauses zu Wohnzwecken für die Dauer von über zwei Jahren auch keine Nebenkosten entrichtet zu haben, was maßgeblich gegen die Annahme eines Mietverhältnisses über Wohnraum spricht.
20bb)
21Auch die vom Beklagten benannte Zeugin C. konnte keine weitergehenden Umstände zum Abschluss eines mündlichen Mietvertrags, insbesondere zur Art und Umfang der erbringenden Gegenleistungen benennen und die Behauptungen des Beklagten insoweit nicht bestätigen.
22cc)
23Gegen die Annahme eines Wohnraummietvertrags sprachen letztendlich die Angaben des Klägers, soweit ihnen gefolgt werden konnte. Das Gericht ist hiernach davon ausgegangen, dass der Kläger die Nutzung seines Hausgrundstücks – auch und gerade zu Wohnzwecken – für einen unbestimmten Zeitraum geduldet hat, ohne sich jedoch in irgendeiner Weise rechtlich binden zu wollen.
24c)
25Nach alledem steht fest, dass die Parteien lediglich ein jederzeit und formlos zu beendendes unentgeltliches Nutzungsverhältnis im Sinne einer Leihe verbindet. Der Beklagte wird das Eigentum des Klägers geräumt herauszugeben haben.
26III.
27Der Anspruch auf Erstattung vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten folgt aus Verzug, §§ 286, 288 BGB.
28IV.
29Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 709 S. 1 ZPO.