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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger begehrt Schadensersatz aufgrund eines Vorfalls, der sich am 20.10.2019 im Offroadpark A. ereignet hat.
2Der Kläger besuchte am Unfalltag gemeinsam mit dem Beklagten zu 1) sowie den Zeugen B., C., D., E., F. und G. den Offroadpark A., um dort mit eigenen Fahrzeugen das Gelände zu erproben. Dabei fuhr sich der Zeuge C. mit seinem Fahrzeug in einer Senke fest.
3Um das Fahrzeug des Zeugen C. wieder zu befreien wurde von der vorne am Fahrzeug verbauten Bergewinde ein Drahtseil am Fahrzeug des Beklagten zu 1) befestigt, welches als Fixpunkt dient. Der Kläger übernahm mittels einer kabelgebundenen Fernbedienung die Steuerung der Bergewinde und die Leitung der Bergung. Als das Fahrzeug des Zeugen C. wieder frei war quittierte der Kläger dies mit den Worten „Fahrzeug ist frei; gut“. Einige Zeit später fuhr der Beklagte zu 1) an, obschon das Seil der Bergewinde noch an seinem Fahrzeug befestigt war. Das Seil spannte sich und prallte in Kniehöhe gegen die Beine des Klägers. Der genaue Hergang der Bergungsaktion steht zwischen den Parteien im Streit.
4Der Kläger zog sich eine Tibiakopffraktur zu. Er befand sich vom 20.10.2019 bis zum 01.11.2019 zur stationären Behandlung im Klinikum in H., wo er operiert wurde, und absolvierte in der Folgezeit eine dreiwöchige Reha. Dem Kläger verblieb eine 20 cm lange Narbe. Er konnte über 10 Wochen das Knie nicht bzw. nur mit einer Kraft von 5 kg belasten. In dem Knie befinden sich drei Schrauben. Es ist ärztlicherseits noch nicht sicher festgestellt, ob diese Schrauben wieder entfernt werden müssen.
5Der Kläger leidet noch immer unter Schmerzen im Knie sowie unter erheblichen Beeinträchtigungen im Haushalt aber auch in seiner Freizeit. Wassersport, wie vor dem Vorfall, kann der Kläger nicht mehr betreiben. Er befindet sich fortlaufend in krankengymnastischer Behandlung.
6Der Kläger erachtet ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 10.000,00 € als angemessen. Dieses macht er mit dem Antrag zu 1) geltend.
7Mit dem Antrag zu 2) begehrt der Kläger Ersatz der Kosten der ärztlichen Behandlung. Diese beziffert er wie folgt:
8Dr. I. (13 x 5,00 € ) 65,00 €
9Dr. I. (3 x 10,00 €) 30,00 €
10Krankenkasse Zuzahlungsbescheid 130,00 €
11Medikamente Zuzahlung 16,05 €
12Reha-Klinik J. 15,00 €
13K.-Klinik 25,00€
14Gesamt 281,05 €
15Mit dem Antrag zu 3) begehrt der Kläger Erstattung der Kosten seiner vorprozessualen Rechtsverfolgung nach einem Gegenstandswert von 10.281,05 € und unter Zugrundelegung einer 1,3er Geschäftsgebühr. Wegen der Berechnung wird auf das Vorbringen in der Klageschrift (Bl. 4 e.A.) Bezug genommen.
16Der Kläger behauptet, weder er selbst noch jemand anderes habe dem Beklagten zu 1) gesagt, dass er wieder losfahren könne.
17Der Kläger hat zunächst auch die Beklagte zu 2) als private Haftpflichtversicherung des Beklagten zu 1) unmittelbar in Anspruch genommen. Vor Beginn der mündlichen Verhandlung hat der Kläger die Klage gegen die Beklagte zu 2) zurückgenommen. Die Beklagte zu 2) hat Kostenantrag gestellt. Der Kläger beantragt nunmehr,
181. den Beklagten zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.09.2020 zu zahlen;
192. den Beklagten zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 281,05 € nebst 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.09.2020 zu zahlen;
203. den Beklagten zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 985,19 € nebst Jahreszinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit Zustellung dieser Klage zu zahlen.
21Der Beklagte beantragt,
22die Klage abzuweisen.
23Er behauptet, nachdem das Fahrzeug freigeschleppt gewesen sei, sei F. zu ihm gekommen und habe ihm durch das Fenster auf der Fahrerseite das Seil, welches vorher vorne an seinem Fahrzeug montiert gewesen sei gegeben. Herr F. habe dann zu ihm „Los, Abfahrt“ gesagt.
24Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen B., D., E., F., G. und C.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der Sitzung vom 15.09.2022 (Bl. 158 ff. e.A.) sowie vom 13.10.2022 (Bl. 224 ff. e.A.) Bezug genommen.
25Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Sitzungsniederschrift, die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
26ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
27Die zulässige Klage ist unbegründet.
28I) Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu, sie folgen insbesondere nicht aus § 7 Abs. 1 StVG und § 823 Abs. 1 BGB.
291) Eine Haftung aus § 7 Abs. 1 StVG scheitert bereits daran, dass der Unfall nicht durch das Kraftfahrzeug des Klägers, sondern durch das Seil der Bergewinde ausgelöst worden ist und damit dem Betrieb des Kraftfahrzeugs nicht mehr nach dem Schutzzweck der Gefährdungshaftung zurechenbar ist (BGH, NJW 2017, 1173; Burmann, in; Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 27. Aufl. 2022, § 7 StVG Rn. 9). Vielmehr hat sich ein gegenüber der Betriebsgefahr eigenständiger Gefahrenkreis verwirklicht (BGH, NJW 2004, 1375).
302) Der Beklagte zu 1) haftet auch nicht aus § 823 Abs. 1 BGB. Nach dieser Vorschrift ist u.a. derjenige zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der den Körper und die Gesundheit eines anderen widerrechtlich und schuldhaft verletzt. Eine Haftung des Beklagten zu 1) scheitert daran, dass ihm nicht das hierfür erforderliche Verschulden zur Last gelegt werden kann. Eine solches liegt dann vor, wenn der Beklagte zu 1) vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat.
31a) Vorsätzliches Handeln liegt schon erkennbar nicht vor, da der Beklagte zu 1) den Kläger nicht wissentlich und wollentlich verletzt hat.
32b) Aber auch fahrlässiges Handeln ist nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme zu verneinen.
33aa) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass der Zeuge F., nachdem das Fahrzeug des Zeugen C. aus der Senke befreit war, um das Fahrzeug des Beklagten zu 1) nach vorne gegangen ist, das vorne am Fahrzeug befestigte Seil löste und dieses dem Beklagten zu 1) mit den Worten „Okay“ bzw. „Gut“ in das Fahrzeug reichte. Dies ergibt sich aufgrund der Aussage des Zeugen E., welcher die Kammer folgt. Der Zeuge vermochte die Ereignisse anschaulich zu beschreiben und hat dabei Erinnerungslücken offengelegt. Überdies wird die Aussage durch die Bekundungen des Zeugen F. gestützt.
34bb) Unter Zugrundelegung dieses Geschehens ist das Verhalten des Beklagten zu 1) auch nicht als fahrlässig zu bewerten. Fahrlässigkeit liegt vor bei der Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB). Dies setzt eine Erkennbarkeit (BGH NJW-RR 2006, 965; Grüneberg, in: Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, § 276 Rn. 20) sowie eine Vermeidbarkeit (Grüneberg, in: Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, § 276 Rn. 21) des schädigenden Erfolgs voraus, wobei auf einen objektiven Maßstab des jeweiligen Verkehrskreises (BGH NJW 2003, 2022 [2024]; Grüneberg, in: Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, § 276 Rn. 15) abzustellen ist. Geboten ist ein Verhalten, das ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren (BGH, NJW 2007, 762).
35Da der Kläger unstreitig gerufen hatte, „Fahrzeug ist frei; gut“ durfte der Beklagte zu 1) zu dem Zeitpunkt, als der Zeuge F. vorne um sein Fahrzeug gegangen war, das vordere Seil abgemacht und ihm mit den Worten „Okay/ gut“ das Seil zum Fenster reingegeben hatte davon ausgehen, dass nicht nur die Bergung abgeschlossen, sondern sein Fahrzeug auch wieder zur Abfahrt bereit gewesen ist. Denn den Abschluss der Bergung hatte bereits zuvor der Kläger mit den Worten „Fahrzeug ist frei; gut“ mitgeteilt. Daher konnte der Beklagte zu 1) die Äußerung des Zeugen F. nur so verstehen, dass das sein Fahrzeug nun zur Abfahrt bereit war. Dies gilt um so mehr, als dass der Zeuge F. nach vorne ging, also vom Heck des Fahrzeugs kam. Der Beklagte zu 1) konnte demnach davon ausgehen, dass nicht nur das vorne an seinem Fahrzeug befestigte Seil gelöst worden war, sondern auch das hinten an seinem Fahrzeug befestigte Seil der Bergewinde.
36II) Die Nebenforderungen teilen das Schicksal des Hauptanspruchs.
37III) Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet seine Grundlage in § 709 ZPO.