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1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von € 6.498,64 nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2019 Zug-um-Zug gegen Übergabe und Übertragung des Eigentums an den Faksimiles
„Leonardo da Vinci — Zeichnungen" Exemplar 831/950
und
„Boccaccio Decameron" Exemplar 955/999 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme der in dem Antrag zu Zifer 1) näher benannten Faksimiles seit dem 01.12.2019 in Annahmeverzug befindet.
3. Es wird weiter festgestelt, dass der Beklagten kein Anspruch gegen Kläger aus dem Vertrag vom 13.06.2019 über das Faksimile „Boccaccio Decameron" auf Zahlung des restlichen Kaufpreises in Höhe von € 99,36 zusteht.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
5. Die Widerklage wird abgewiesen.
6. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte
7. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Rückzahlung des Kaufpreises aus zwischen den Parteien geschlossenen Kaufverträgen über Faksimiles in Anspruch.
2Der Kläger war früher Kunde der A. Unternehmensgruppe. Unter anderem hat der Kläger vor etlichen Jahren die Brockhaus-Bibliothek erworben.
3Der zu diesem Zeitpunkt 87 jährige Kläger kaufte bei einem Besuch durch den Vertriebsmitarbeiter der Beklagten, Herrn B., im Rahmen eines Haustürgeschäfts von der Beklagten im April 2017 das Faksimile „Leonardo da Vinci - Zeichnungen" zu einem Kaufpreis von € 4.499,00. Der Kaufpreis ist vollständig gezahlt worden.
4Im Juni 2019 kaufte der Kläger bei einem Besuch durch den Vertriebsmitarbeiter der Beklagten, Herrn C., im Rahmen eines weiteren Haustürgeschäfts von der Beklagten das Faksimile „Boccaccio Decameron" Exemplar 955/999 zu einem Kaufpreis von € 2.999,00. Bei diesem Kauf wurde eine Ratenzahlung vereinbart. Vom Kaufpreis hat der Kläger einen Betrag von € 999,36 (3. Rate) nicht bezahlt.
5Im Rahmen der Käufe haben die Vertriebsmitarbeiter der Beklagten dem Kläger u.a. die folgenden Erklärung (Anlagen B5, B6 Bl. 89,92 GA) zur Unterschrift vorgelegt (Hervorhebungen durch das Gericht):
6„Die Bedeutung eines Faksimiles
7…
8Ein Faksimile ist die möglichst originalgetreue Nachbildung wertvoller Dokumente unserer Geschichte und Kultur.
9Hintergrund eines Faksimiles
10… Selbst mit heutigen technischen Möglichkeiten hergestelltes hochwertiges Papier ist unter Umwelteinflüssen wie Licht, Trockenheit, Feuchtigkeit oder Rauch nicht ewig haltbar.
11…
12Perfekte Faksimile-Editionen aber machen heute die Höhepunkte Jahrhundertealter Kunst Wissenschaftlern, Sammlern und Bibliophilen gleichermaßen zugänglich. Ein Faksimile ersetzt das Original für bestimmte Bereiche der Forschung und Bibliophilie vollwertig. Dabei streben die darauf spezialisierten Buchdruckereien den maximal möglichen Perfektionsgrad an, um das Faksimile dem Original so ähnlich wie möglich zu machen. Der Einsatz von altem Handwerkszeug und Techniken sorgt für eine möglichst originalgetreue Nachbildung. So stellen diese Kunstwerke damals wie heute ein Zeichen der Fertigungskünste ihrer Zeit dar. Die Museen sind dankbar, weil durch die Faksimilierung die Erhaltung solcher Kulturgüter finanziert werden kann. Es ist eine Vorarbeit von einigen Jahren erforderlich, um ein Werk erfolgreich nachzubilden.
13…“
14Die Herstellung der Faksimiles erfolgte im Offsetdruckverfahren.
15Mit Schreiben seiner vormaligen Rechtsanwälte vom 01.10.2019 und 13.11.2019 (Anlagen K4, K5 Bl. 32 ff. GA) forderte der Kläger die Beklagte zur Rückzahlung der bezahlten Kaufpreise Zug-um-Zug gegen Rückgabe der streitgegenständlichen Faksimiles auf. Zugleich erklärte er die Anfechtung der Kaufverträge.
16Der Kläger behauptet, der Vertriebsmitarbeiter B. habe ihm gegenüber bei seinem Besuch im April 2017 mitgeteilt, dass die A.-Gruppe den Verkauf von Büchern eingestellt habe und nunmehr der Verkauf durch die Beklagte erfolge. Herrn B. sei bekannt gewesen, welche Buchreihen der Kläger in der Vergangenheit von der A.-Unternehmensgruppe erworben hatte. Im Rahmen des Verkaufsgesprächs habe Herr B. den Kläger darauf hingewiesen, dass seine Sammlung nicht vollständig sei und der Erwerb des Faksimiles „Leonardo da Vinci - Zeichnungen" erforderlich sei, um ein - angeblich - werthaltiges Gesamt-Ensemble zu besitzen, welches dann für einen höheren Preis weiterverkauft werden könne.
17Auch der Vertriebsmitarbeiter Herr C. habe dem Kläger im Rahmen seines Besuches im Juni 2019 erklärt, dass mit dem Erwerb des Faksimiles der Wert der bisherigen Sammlung steige.
18Der Kläger behauptet weiter, die von der Beklagten an den Kläger verkauften Faksimiles haben bereits zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs nicht einmal 20% des tatsächlichen Verkaufspreises gehabt.
19Die von der Beklagten verkauften Faksimiles seien weder „dem Original so ähnlich wie möglich", noch seien diese durch den „Einsatz von altem Handwerkszeug und Techniken" hergestellt worden. Tatsächlich handele es sich bei den von der Beklagten verkauften Faksimiles um einfache Nachdrucke, deren Herstellung nicht besonders aufwendig sei. Die von der Beklagten an den Kläger verkauften Bücher seien mit hochwertigen Faksimiles nicht zu vergleichen.
20Der Kläger ist der Ansicht, bei dem streitgegenständlichen Kaufvertrag zwischen dem Kläger und der Beklagten über die Faksimiles handele es sich um ein Wuchergeschäft gemäß § 138 Abs. 2 BGB, sodass dieses nichtig seien. Bei der Wertermittlung sei auch der sogenannte Sekundärmarkt zu berücksichtigten.
21Die Kaufverträge seien wirksam angefochten worden. Dies u.a. weil der Kläger darüber getäuscht worden sei, dass es sich um besonders hochwertige, weil dem Original möglichst nahe kommende Faksimile handeln würde. Zudem weil die Vertriebsmitarbeiter der Klägerin im Rahmen des Verkaufsgesprächs darüber getäuscht hätten, dass die Faksimile erforderlich seien, um das Ensemble zu vervollständigen, damit dieses für einen deutlich höheren Preis weiterverkauft werden könne.
22Zudem sei der Kläger nicht ausreichend über sein Widerrufsrecht informiert worden.
23Der Kläger beantragt,
241. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von € 6.498,64 nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.12.2019 Zug-um-Zug gegen Übergabe und Übertragung des Eigentums an den Faksimiles „Leonardo da Vinci — Zeichnungen" Exemplar 831/950 und „Boccaccio Decameron" Exemplar 955/999 zu zahlen.
252. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme der in dem Antrag zu Ziffer 1) näher benannten Faksimiles seit dem 1.12.2019 in Annahmeverzug befindet.
263. Es wird weiter festgestellt, dass der Beklagten kein Anspruch gegen Kläger aus dem Vertrag vom 13.06.2019 über das Faksimile „Boccaccio Decameron" auf Zahlung des restlichen Kaufpreises in Höhe von € 999,36 zusteht.
274. Die Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, an den Kläger vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 729,23 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 % Punkten seit dem 1.12.2019 zu zahlen.
28Die Beklagte beantragt,
29die Klage abzuweisen.
30Widerklagend beantragt die Beklagte,
31den Kläger zu verurteilen, an die Beklagte einen Betrag in Höhe von 999,36 € zuzüglich Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
32Der Kläger beantragt,
33die Widerklage abzuweisen.
34Die Beklagte behauptet, die von ihr vertriebenen Faksimiles seien hochwertig. Bei dem für die Herstellung eingesetzten Offsetdruckverfahren handele es sich um die für den Zeitpunkt der Produktion technisch modernste und für die Qualität und Stabilität der Auflage für Drucke empirisch bestmöglich zu kontrollierende Drucktechnik für Faksimile-Editionen.
35Der Ansatz, möglichst mit altem Handwerkszeug zu arbeiten, entspreche nicht den Wünschen und Möglichkeiten einer hochwertigen, den heutigen Erwartungen entsprechenden Realisierung der Faksimile-Edition. Im Bereich der Reproduktion sei offensichtlich, dass hier nur modernste Technik die notwendigen Ergebnisse garantiere. Dies gelte ebenso für den Druck und die Veredelung. Für die Buchbindung würden dort, wo es sich kalkulieren und realisieren lasse, möglichst alte Techniken und auch zum Teil altes Handwerkszeug eingesetzt.
36Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung von Sachverständigengutachten der Sachverständigen Dr. D. und E.. Es wird insoweit auf die der Akte beiliegenden Gutachten Bezug genommen.
37Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 02.09.2022 Bezug genommen.
38Entscheidungsgründe
39Die zulässige Klage ist im tenorierten Umfang begründet. Im Übrigen ist sie unbegründet.
40I.
41Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 6.498,64 € Zug um Zug gegen Rückgabe der streitgegenständlichen Faksimiles nach wirksamer Anfechtung gemäß §§ 123, 142 BGB i.V.m. § 812 BGB.
421.
43Die ursprünglich zwischen den Parteien geschlossenen Kaufverträge sind wirksam durch die Anfechtungserklärungen der vormaligen Rechtsanwälte des Klägers in den Schreiben vom 01.10.2019 und 13.11.2019 (Anlagen K4, K5 Bl. 32 ff. GA) angefochten worden.
44a)
45Dem Kläger steht ein Anfechtungsrecht nach § 123 BGB zu, da die Vertriebsmitarbeiter der Beklagten diesen bei Vertragsschluss arglistig getäuscht haben:
46aa)
47Eine arglistige Täuschung erfordert die Erregung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums durch Vorspiegelung falscher Tatsachen (BeckOK BGB/Wendtland, 62. Ed. 1.5.2022, BGB § 123 Rn. 7).
48aaa)
49Die Beklagte hat dem Kläger im Rahmen der Verkaufsgespräche durch ihre Vertriebsmitarbeiter falsche Tatsachen hinsichtlich der Herstellung und Qualität der streitgegenständlichen Faksimiles vorgespiegelt:
50So haben die Vertriebsmitarbeiter der Beklagten dem Kläger im Verkaufsgespräch u.a. die folgenden Erklärung (Anlagen B5, B6 Bl. 89,92 GA) zur Unterschrift vorgelegt (Hervorhebungen durch das Gericht):
51„Die Bedeutung eines Faksimiles
52…
53Ein Faksimile ist die möglichst originalgetreue Nachbildung wertvoller Dokumente unserer Geschichte und Kultur.
54Hintergrund eines Faksimiles
55… Selbst mit heutigen technischen Möglichkeiten hergestelltes hochwertiges Papier ist unter Umwelteinflüssen wie Licht, Trockenheit, Feuchtigkeit oder Rauch nicht ewig haltbar.
56…
57Perfekte Faksimile-Editionen aber machen heute die Höhepunkte Jahrhundertealter Kunst Wissenschaftlern, Sammlern und Bibliophilen gleichermaßen zugänglich. Ein Faksimile ersetzt das Original für bestimmte Bereiche der Forschung und Bibliophilie vollwertig. Dabei streben die darauf spezialisierten Buchdruckereien den maximal möglichen Perfektionsgrad an, um das Faksimile dem Original so ähnlich wie möglich zu machen. Der Einsatz von altem Handwerkszeug und Techniken sorgt für eine möglichst originalgetreue Nachbildung. So stellen diese Kunstwerke damals wie heute ein Zeichen der Fertigungskünste ihrer Zeit dar. Die Museen sind dankbar, weil durch die Faksimilierung die Erhaltung solcher Kulturgüter finanziert werden kann. Es ist eine Vorarbeit von einigen Jahren erforderlich, um ein Werk erfolgreich nachzubilden.
58…“
59Hingegen führt die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 12.05.2022 aus, dass der Ansatz, möglichst mit altem Handwerkszeug zu arbeiten, gerade nicht den Wünschen und Möglichkeiten einer hochwertigen, den heutigen Erwartungen entsprechenden Realisierung der Faksimile-Edition entspreche. Im Bereich der Reproduktion sei es daher offensichtlich, dass hier nur modernste Technik die notwendigen Ergebnisse garantiere. Dies gelte ebenso für den Druck und die Veredelung. Lediglich für die Buchbindung würden dort, wo es sich kalkulieren und realisieren ließe, möglichst alte Techniken und auch zum Teil altes Handwerkszeug eingesetzt.
60Diese Einlassung widerspricht nach Auffassung des Gerichts der seitens der Vertriebsmitarbeiter der Beklagten im Rahmen der Verkaufsgespräche versprochenen Beschaffenheit der streitgegenständlichen Faksimile, deren schriftliche Kenntnisnahme sich diese sogar jeweils vom Kläger haben bestätigen lassen, eklatant:
61Die im Rahmen der Verkaufsgespräche abgegebene Beschaffenheitserklärung ist vom Empfängerhorizont des Klägers nur dahingehend zu verstehen, dass die Buchdruckereien um den maximal möglichen Perfektionsgrad der streitgegenständlichen Faksimile herzustellen, altes Handwerkszeug und alte Techniken benutzt haben, um eine möglichst originalgetreue Nachbildung zu gewährleisten. Die Faksimiles („Kunstwerke“) würden hierdurch damals wie heute ein Zeichen der Fertigungskünste ihrer Zeit darstellen.
62Vom Empfängerhorizont ist zur Überzeugung des Gerichts daher zu erwarten, dass der wesentliche Teil der Bücher, also die Wiedergabe des Inhalts, der Schrift und der Zeichnungen mit historischem Handwerkzeug nachgebildet wird, da gerade diese Punkte maßgeblich den Ausdruck der Fertigungskünste der damaligen Zeit widerspiegeln dürften.
63Diesem Anspruch werden die Faksimiles zur Überzeugen des Gerichts nach dem Vortrag der Beklagtenseite nicht gerecht. Vielmehr erklärt die Beklagte, wie aufgezeigt, dass entgegen ihrer Ausführungen in den Verkaufsgesprächen, in den Bereichen der Reproduktion, Druck und Veredelung nur modernste Technik verwendet wurde. Die Beklagte verwendet für die Herstellung der Faksimiles das sogenannte Offsetdruckverfahren. Hierbei handelt es sich um ein Massendruckverfahren zur Wiedergabe von Text und Abbildungen. Ein solches industrielles Massendruckverfahren ist aber ersichtlich nicht geeignet, um Kunstwerke herzustellen, die ein Zeichen der Fertigungskünste ihrer Zeit darstellen sollen. Also Bücher und Schriften, die zur Lebenszeit von Giovanni Boccacio (14. Jahrhundert) und Leonardo Da Vinci (15. Jahrhundert) hergestellt wurden.
64Nicht ausreichend für die vereinbarte Beschaffenheit ist daher auch die seitens der Beklagten (zum Teil verspätet (§296)) behauptete Nutzung von alten Werkzeugen zur Buchbindung, wie Kleister, Falzbein, eine Fadenheftmaschine. Ebensowenig die Herstellung der mit dem Faksimile gelieferten Box durch einen Schreiner: Eine Fadenheftmaschine ist bereits kein historisches Werkzeug aus der Zeit der Herstellung der streitgegenständlichen Faksimiles, sondern eine Maschine, mit der die Handheftung industrialisiert wurde. Auch die Benutzung von Kleister und Falzbein, welche auch heute noch in der Buchbindung verwandt werden, genügen den Voraussetzungen, die damaligen Fertigungskünste wiederzugeben nicht. Weiterhin lässt auch die Herstellung der Aufbewahrungsbox durch einen Schreiner das hiervon unabhängige Faksimile nicht als Zeichen der Fertigungskunst der historischen Buchherstellung erscheinen.
65Bei der vorstehenden Bewertung ist zu berücksichtigen, dass der Kläger hier ein sehr hochpreisiges Kunstwerk des Sammlermarktes erwirbt, welches viele tausend Euro kostet. Aus diesem Grund ist die Darstellung der Herstellungsart der Faksimiles durch die Beklagte nicht als einfache marktschreierische Anpreisung, sondern als Beschreibung des Herstellungsprozesses des konkreten Werkes zu verstehen (vgl. auch (BeckOK BGB/Wendtland, 62. Ed. 1.5.2022, BGB § 123 Rn. 9). Andernfalls würde der Kläger hier nur zwei Bücher zu einem Kaufpreis von insgesamt ca. 7.500,00 € erwerben. Die Frage der Herstellung des von der Beklagten selbst als „Kunstwerk“ bezeichneten Faksimiles dürfte demnach auch auf dem Sammlermarkt von erheblicher wertbildender Bedeutung sein, da selbstverständlich vor vielen hundert Jahren die Herstellung eines Buches – abseits der Buchbindung – erheblich versierterer und vor allem anderer Fertigungskünste bedurfte, als die Reproduktion mit einem modernen Massendruckverfahren.
66bbb)
67Die Täuschung ist auch arglistig erfolgt. Hierzu reichen bereits objektiv unrichtige Angaben aus, aus denen auf den erforderlichen subjektiven Tatbestand geschlossen werden kann (BeckOK BGB/Wendtland, 62. Ed. 1.5.2022, BGB § 123 Rn. 17 unter Verweis auf BGH NJW-RR 2005, 1082 (1083); 1998, 904).
68Die Beklagte geriert mit ihren Werkbeschreibungen (Anlagen B5, B6) in Kenntnis, dass allenfalls für einen Teil der Buchbindung historische Werkzeuge genutzt werden, dass die Faksimiles als möglichst originalgetreue Nachbildungen mit den Fertigungskünsten ihrer Zeit entstanden seien. Dies ist – wie vorstehend ausgeführt – aber gerade nicht der Fall. Eine Arglist ist somit zu bejahen.
69ccc)
70Der Kläger ist aufgrund der Ausführungen der Vertriebsmitarbeiter der Beklagten davon ausgegangen, er habe ein entsprechend den Anpreisungen beschaffenes Faksimile/Kunstwerk erhalten. Dies war jedenfalls auch willensbildend für die Eingehung der entsprechend hohen Verbindlichkeit von ca. 7.500,00 €.
71b)
72Die Kaufverträge sind somit als von Anfang an (ex tunc) nichtig anzusehen, § 142 BGB. Die Zahlung des Klägers erfolgte daher ohne Rechtsgrund. Die Beklagte ist demnach gemäß § 812 BGB zur Rückzahlung verpflichtet. Dies aufgrund des insoweit eingeschränkt gestellten Antrages nur Zug-um-Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung der streitgegenständlichen Faksimiles.
732.
74Der Kläger hat auch einen Anspruch auf Feststellung, dass der Beklagten gegen ihn aus dem Vertrag vom 13.06.2019 („Boccaccio Decameron“) kein Anspruch auf restliche Kaufpreiszahlung in Höhe von 999,36 € zusteht.
75Ein Feststellungsinteresse gemäß § 256 BGB ergibt sich bereits daraus, dass die Beklagte die Aufforderungen des Klägers hinsichtlich der Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises verweigert hat. Hieraus ist zu erkennen, dass die Beklagte an den Kaufverträgen festhält, der Kläger somit mit einer Inanspruchnahme zu rechnen hatte.
76Ein Anspruch der Beklagten gegen den Kläger besteht jedoch wie ausgeführt nicht, da der Kläger die Kaufverträge wirksam angefochten hat.
773.
78Hingegen hat der Kläger keinen Anspruch auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 729,23 € gegen die Beklagte. Ein solcher Anspruch ist seitens des Klägers bereits nicht schlüssig dargelegt. Nach dem Vortrag des Klägers hat vorgerichtlich eine andere Rechtsanwaltskanzlei als seine jetzigen Prozessbevollmächtigten den Anspruch gegen die Beklagte geltend gemacht. Ein eigenes vorgerichtliches Tätigwerden seiner jetzigen Prozessbevollmächtigten ist nicht vorgetragen.
794.
80Die Klage ist auch in Bezug auf das mit dem Klageantrag zu 3 geltend gemachte Feststellungsbegehren zulässig und begründet. Das nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich aus der Regelung des § 756 ZPO. Spätestens aufgrund des Abweisungsantrages der Beklagten hat diese das im Klageantrag enthaltene Angebot des Klägers auf Zug um Zug Rückübereignung der streitgegenständlichen Faksimiles ernsthaft und endgültig abgelehnt.
815.
82Die Zinsentscheidung folgt aus § 286, 288 BGB
83II.
84Die Widerklage ist zulässig aber unbegründet, da der Kläger die Kaufverträge - wie dargestellt - wirksam angefochten hat.
85Ein Anspruch auf Kaufpreiszahlung gemäß § 433 Abs. 2 BGB seitens der Beklagten besteht daher nicht.
86III.
87Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 2 ZPO.
88IV.
89Der Streitwert wird auf 7.498,00 € festgesetzt.