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Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.002,07 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.12.2021 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 7.002,07 EUR festgesetzt.
für Recht erkannt:
2Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.002,07 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.12.2021 zu zahlen.
3Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
5Der Streitwert wird auf 7.002,07 EUR festgesetzt.
6Tatbestand:
7Der Kläger nimmt die Beklagte auf Herausgabe erlangter Zahlungen in Anspruch.
8Die Beklagte ist die Tochter von Frau L. Z. (im Folgenden: Schuldnerin). Mit Beschluss des Amtsgerichts Bielefeld vom 01.03.2019 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet; der Kläger wurde zum Insolvenzverwalter bestellt (43 IN 42/19).
9Die Schuldnerin hatte am 28.04.2018 einen Unfall erlitten. Für den Zeitraum vom 09.01.2019 bis zum 24.05.2019 hatte sie wegen unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Zahlung eines Verletztengeldes aus der gesetzlichen Unfallversicherung in Höhe von 51,11 EUR pro Tag. Die Schuldnerin wies die zuständige Berufsgenossenschaft, die BG-A., nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens an, die Zahlungen auf ein Girokonto der Beklagten zu überweisen. Dies war zwischen der Schuldnerin und der Beklagten, der das Insolvenzverfahren über das Vermögen ihrer Mutter bekannt war, zuvor abgesprochen worden. Die Berufsgenossenschaft zahlte im Zeitraum vom 17.04.2019 bis zum 06.06.2019 in vier Teilbeträgen insgesamt 7.002,07 EUR auf das Girokonto der Beklagten.
10Der Kläger ist der Ansicht, der Schuldnerin sei gegen die Beklagte ein Anspruch auf Herausgabe der erlangten Gelder aus § 667 BGB erwachsen, zu dessen Einziehung er als Insolvenzverwalter legitimiert sei und der nur ihm gegenüber wirksam erfüllt werden könne. Ein evtl. Pfändungsschutz für den Anspruch auf Verletztengeldzahlungen sei durch die Zahlung der BG-A. auf das Konto der Beklagten untergegangen und setze sich an dem Herausgabeanspruch nicht fort.
11Der Kläger beantragt,
12die Beklagte zu verurteilen, an ihn 7.002,07 EUR nebst 5-Prozent über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen.
13Die Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Die Beklagte behauptet, die Schuldnerin habe die Verletztengeldzahlungen vollständig zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes eingesetzt. Sie vertritt die Auffassung, sie sei nicht passivlegitimiert, da eine unwirksame Verfügung allenfalls die Schuldnerin getätigt habe. Die Verletztengeldzahlungen seien ferner nicht der Insolvenzmasse zuzuordnen, da sie vollständig unter der Pfändungsfreigrenze für tägliches Arbeitseinkommen lägen. Jedenfalls seien die Zahlungen für den Zeitraum vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens außer Betracht zu lassen. Ein Auszahlungsanspruch gegen sie aus § 667 BGB sei nicht nachzuvollziehen. Jedenfalls sei er durch Erfüllung erloschen. Für einen bereicherungsrechtlichen Anspruch gegen sie fehle eine Genehmigung der Verfügung der Schuldnerin durch den Kläger. Außerdem sei sie entreichert. Sie sei zu keinem Zeitpunkt bösgläubig gewesen.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
17Die Klage ist der Beklagten am 30.12.2021 zugestellt worden.
18Entscheidungsgründe:
19Die Klage ist zulässig und begründet.
20A.
21Der Kläger hat gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung von 7.002,07 EUR aus §§ 80 Abs. 1 InsO, 667 BGB. Die Schuldnerin hat gegen die Beklagte einen Herausgabeanspruch in dieser Höhe erworben, dessen Erfüllung der Kläger verlangen kann.
22I.
23Zwischen der Schuldnerin und der Beklagten ist ein Auftragsverhältnis im Sinne von § 662 BGB entstanden. Die Beklagte hat sich der Schuldnerin gegenüber vertraglich verpflichtet, für diese unentgeltlich ein Geschäft zu erledigen, indem die Schuldnerin und die Beklagte vereinbart haben, dass die Beklagte ihr Girokonto für die Überweisungen des der Schuldnerin gegen die BG-A. zustehenden Verletztengeldes zur Verfügung stellt, die überwiesenen Geldmittel aber weiterhin der Schuldnerin zustehen sollten.
24II.
25Nach § 667 Fall 2 BGB hat der Geschäftsführer das aus der Geschäftsführung Erlangte an den Auftraggeber herauszugeben.
261)
27Die Beklagte hat aus der Geschäftsführung 7.002,07 EUR erlangt. Diese Summe ist von der BG-A. in dem Zeitraum vom 17.04.2019 – 06.06.2019 insgesamt auf das Girokonto der Beklagten zur Erfüllung der Verpflichtung gegenüber der Schuldnerin überwiesen worden.
282)
29Das Erlangte stand der Beklagten nach normativen Wertungen auch zu (vgl. dazu BGH, Urteil vom 08.12.2019, IX ZR 257/15). Denn die BG-A. wurde durch die Überweisungen von ihrer Zahlungspflicht gegenüber der Schuldnerin befreit; die Beklagte ist keiner Rückzahlungspflicht gegenüber der BG-A. ausgesetzt.
30Die Leistung an einen Dritten zum Zweck der Erfüllung ist wirksam, wenn sie mit Einwilligung des Gläubigers erfolgt, §§ 362 Abs. 2, 185 Abs. 1 BGB. Die Schuldnerin hat die Beklagte zum Empfang der Leistungen ermächtigt. Diese Ermächtigung ist im Ergebnis auch wirksam, obwohl sie erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin erfolgt ist.
31a)
32Mit der Einwilligung in die Leistung an die Beklagte hat die Schuldnerin allerdings eine Verfügung über ihr Vermögen getroffen. Gemäß § 80 Abs. 1 InsO ist nach Insolvenzeröffnung nur noch der Insolvenzverwalter zu Vermögensverfügungen befugt, soweit die Verfügung das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen des Schuldners betrifft. Zu der Insolvenzmasse gehört nach § 35 Abs. 1 InsO das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt. Eine dennoch erfolgte Verfügung des Schuldners über dieses Vermögen ist nach § 81 Abs. 1 S. 1 InsO unwirksam. Der Leistung eines Gläubigers an einen Dritten aufgrund einer unwirksamen Empfangsermächtigung durch den Schuldner kommt keine schuldbefreiende Wirkung zu (BGH, Urteil vom 09.10.2014, IX ZR 41/14).
33b)
34Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, gehören aber nicht zur Insolvenzmasse, § 36 Abs. 1 S. 1 InsO. Über pfändungsfreies Einkommen darf der Schuldner auch nach Insolvenzeröffnung verfügen. Das Verletztengeld aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach §§ 45 Abs. 1 Nr. 1, 46 Abs. 1 und Abs. 3 S. 1 Nr. 1, 47 SGB VII ist aufgrund seiner Funktion als Lohnersatz wie Arbeitseinkommen pfändbar, § 54 Abs. 4 SGB I (BGH, Beschluss vom 20.10.2016, IX ZB 66/15). Nach § 850c Abs. 1 S. 1 ZPO in der bis zum 30.06.2019 geltenden Fassung betrug die Pfändungsgrenze bei täglich gezahltem Arbeitseinkommen 52,19 EUR. Das Verletztengeld belief sich auf lediglich 51,11 EUR pro Tag.
35c)
36In der mündlichen Verhandlung wurde seitens des Klägers und des Prozessbevollmächtigten der Beklagten übereinstimmend ausgeführt, die Schuldnerin habe noch weiteres Einkommen bezogen, weshalb die Pfändungsschutzvorschriften wohl nicht das vollständige Verletztengeld umfassten und die Ermächtigung der Beklagten zur Empfangnahme des Verletztengeldes insoweit teilweise unwirksam war. Dies bedarf aber keiner näheren Aufklärung. Denn in der Klageerhebung eines Insolvenzverwalters gegen einen Nichtberechtigten liegt regelmäßig eine schlüssige Genehmigung der Verfügung, auch wenn dies nicht ausdrücklich erklärt worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 12.07.2012, IX ZR 213/11 zu der vergleichbaren Konstellation bei § 816 Abs. 2 BGB).
37III.
38Nach § 80 Abs. 1 InsO ist der Kläger als Insolvenzverwalter berechtigt, den Herausgabeanspruch der Schuldnerin gegen die Beklagte einzuziehen. Denn er gehört zur Insolvenzmasse. Durch die Überweisung des Verletztengeldes auf ein Konto der Beklagten wurde eine eigenständige Forderung der Schuldnerin gegen die Beklagte begründet. Diese Forderung fällt in die Insolvenzmasse (BGH, Beschluss vom 26.09.2013, IX ZB 247/11). Die Schuldnerschutzvorschriften der §§ 850 ff ZPO greifen nicht. Die Unpfändbarkeit des Anspruchs auf Zahlung von Verletztengeld setzt sich nicht an dem Herausgabeanspruch aus Auftragsrecht fort. Dem Verlust des Pfändungsschutzes hätte die Schuldnerin nur begegnen können, indem sie die Gelder auf einem eigenen Pfändungsschutzkonto nach §§ 850k, 899 ff ZPO hätte einzahlen lassen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 29.05.2015, 1 BvR 163/15).
39IV.
40Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, die Schuldnerin habe das Geld bereits vollständig zur Sicherung ihres Lebensunterhalts eingesetzt. Die Beklagte konnte den Herausgabeanspruch nicht wirksam gegenüber der Schuldnerin erfüllen, § 362 Abs. 1 BGB, da dieser die Verfügungsmacht über die Forderung durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens entzogen war. Empfangszuständig ist ausschließlich der Kläger als Insolvenzverwalter, § 80 Abs. 1 InsO. Es greift auch kein Gutglaubensschutz zugunsten der Beklagten nach § 82 S. 1 InsO ein. Zum einen war die Beklagte nicht gutgläubig; sie kannte die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zum Zeitpunkt der Leistung(en). Zum anderen beschränkt sich der Schutz der Vorschrift auf den Fortbestand einer ursprünglichen Empfangszuständigkeit des Schuldners (BGH, Urteil vom 09.10.2014, IX ZR 41/14), die hier aber nicht vorlag
41B.
42Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB. Das Gericht hat den Antrag des Klägers dahingehend ausgelegt, dass er ab Rechtshängigkeit den gesetzlichen Zinssatz von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz begehrt. Eine wörtliche Auslegung des Antrags – 5 Prozent über dem Basiszinssatz – ergibt keinen Sinn; hieraus würde sich ein negativer Zinsanspruch von -0,836 % (5 % über -0,88 %) ergeben.
43C.
44Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 709 ZPO.