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1) Die Klage wird abgewiesen.
2) Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
3) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand:
2Die Parteien streiten um das Bestehen eines Vermächtnisanspruchs in Höhe von 41.500,00 EUR zugunsten des Klägers gemäß einer Vermächtnisanordnung in dem auf den 12.04.2018 datierten Testament der am 10.06.2020 verstorbenen Frau M. O. (im Folgenden: Erblasserin).
3Der Kläger ist der Enkel der Erblasserin. Der Beklagte ist der Sohn und Erbe der Erblasserin.
4Die Erblasserin errichtete mit ihrem im Februar 2018 verstorbenen Ehemann am 08.01.1998 ein erstes gemeinschaftliches notarielles Testament vor dem Notar H. Z. (Anlage K 1, Bl. 8ff. d. A.). In diesem Testament setzten sich die Eheleute O. zunächst gegenseitig als Erben ein und bestimmten zugleich, dass nach dem Tod des Letztlebenden die Tochter C. I., geb. O., und der Sohn U. O. zu gleichen Teilen erben. Zudem enthält das Testament eine Öffnungsklausel für den Überlebenden, im Kreis der Abkömmlinge Änderungen vornehmen zu können. Wörtlich heißt es in dem Testament vom 08.01.1998 wie folgt:
5„[…] Wir setzen und gegenseitig als Erben ein.
6Nach dem Tode des Letztlebenden von uns sollen unsere Tochter C. I. geb. O. und unser Sohn U. O. zu gleichen Teilen erben.
7Der Überlebende von uns ist berechtigt, diese Bestimmung abzuändern. Bei einer eventuellen Abänderung ist er jedoch an den Kreis unserer Abkömmlinge gebunden. […]“
8Unter dem 09.01.2008 errichteten die Eheleute O. ein weiteres, handschriftliches und von beiden eigenhändig unterzeichnetes gemeinschaftliches Testament (Anlage K 2, Bl. 10 d. A.) mit dem Inhalt nachfolgenden Inhalt:
9„Es verbleibt dabei, daß der Überlebende von uns berechtigt ist, anderweitig zu verfügen. Bei einer eventuellen Abänderung ist er jedoch nicht an den Kreis unserer Abkömmlinge gebunden, sondern kann frei verfügen. Ansonsten bleibt unser gemeinsames Testament vom 08.01.1998 unverändert.“
10Am 14.09.2011 errichteten die Eheleute ein letztes gemeinschaftliches Testament in handschriftlicher Form (Anlage K 3, Bl. 11 d. A.). Darin bestimmten sie:
11„In Abänderung unserer letztwilligen Verfügung vom 08.01.1998 bestimmen wir, daß nach dem Letztlebenden von uns unsere Kinder – unsere Tochter C. I., geb. O. und unsere Söhne U. und B. O. – zu gleichen Teilen erben sollen.
12Auch dieses Testament ist von beiden Eheleuten eigenhändig unterzeichnet.
13Nach dem Tod des Ehemannes der Erblasserin im Februar 2018 errichtete die Erblasserin unter dem 12.04.2018 ein notarielles Testament vor dem Notar Dr. jur. M. (Anlage K 4, Bl. 11 ff. d. A.). In diesem Testament bezog sich die Erblasserin auf die vorherigen drei gemeinschaftlichen Testamente mit ihrem verstorbenen Ehemann vom 08.01.1998, 09.01.2008 und 14.09.2011. Sie legt darin zunächst dar, dass sie in den Testamenten vom 08.01.1998 und vom 09.01.2008 mit ihrem Mann vereinbart habe, dass der Überlebende von ihnen das Testament ändern könne. Im Testament vom 14.09.2011 sei in Abänderung der bisherigen Erbeinsetzung eine Änderung derart erfolgt, dass nun alle drei Kinder der Eheleute O. erben sollten. Ausdrücklich folgt sodann der Satz:
14„[…] Alle weiteren vorangegangenen Maßnahmen bleiben unverändert (also auch – wie mit meinem verstorbenen Ehemann abgesprochen – die Abänderungsmöglichkeit). Ich bin somit berechtigt, neu zu verfügen und bestimme Folgendes: […]“
15Sodann ordnete die Erblasserin über die Erbeinsetzung ihrer drei Kinder hinaus die Testamentsvollstreckung unter Benennung des Vaters des Klägers als Testamentsvollstrecker sowie Vermächtnisse zugunsten zehn ihrer Enkelkinder an.
16Unter dem 15.08.2018 errichtete die Erblasserin ein letztes handschriftliches und eigenhändiges Testament (Anlage K 5, Bl. 15 d. A.). Es lautet wörtlich:
17„In Abänderung des notariellen Testaments vom 12.04.2018 erkläre ich meine Kinder C. I., geb. O., geb. 08.12.1957, U. O., geb. 23.02.1971 und B. O., geb. 20.12.1972 sollen zu gleichen Teilen erben.
18Mein Schwiegersohn, A. I., geb. 17.8.1963 soll als Vermächtnis € 20.000,00,- erhalten. Er war immer hilfsbereit und für mich da.“
19Die Erblasserin verstarb am 10.06.2020.
20Mitte Oktober 2020 wandte sich der Kläger schriftlich an die Erben und bat um Auszahlung des Vermächtnisses.
21Mit anwaltlichem Schreiben vom 20.10.2020 wies der Beklagte den vom Kläger geltend gemachten Vermächtnisanspruch zurück.
22Der Kläger wandte sich mit anwaltlichen Schreiben vom 27.11.2020 und unter Fristsetzung bis zum 10.12.2020 für die Zustimmung zur Erfüllung des Vermächtnisanspruchs erneut unter anderem an den Beklagten.
23Mit anwaltlichem Schreiben vom 01.12.2020 wies der Beklagte wiederum das Auszahlungsbegehren des Klägers zurück.
24Der Beklagte erhebt die Einrede des ungeteilten Nachlasses nach § 2059 Abs. 1 BGB.
25Der Kläger ist der Ansicht, dass die Vermächtnisanordnung in Höhe von 41.500,00 EUR in dem Testament vom 12.04.2018 wirksam sei und er daraus einen Anspruch auf Auszahlung habe.
26Die Änderungen des ursprünglichen Testaments vom 08.01.1998 seien sukzessive durch die zeitlich nachfolgenden Testamente erfolgt. Zunächst sei eine Änderung in Bezug auf die Schlusserben und die Erweiterung der Öffnungsklausel erfolgt. Danach sei die Aussetzung von Vermächtnissen erfolgt. Darüber hinausgehende Änderungen seien durch die Testamente nicht vorgenommen worden.
27Die Aussetzung des Vermächtnisses zugunsten des Klägers sei der Erblasserin auch nicht verwehrt gewesen. Das Testament vom 09.01.2008 sei lediglich eine Ergänzung zu dem Testament vom 08.01.1998. Eine Änderung des Testaments und der Schlusserbfolge sollte nicht mehr auf den Kreis der Abkömmlinge beschränkt sein. Erst recht wäre somit die Aussetzung eines Vermächtnisses zu Gunsten des Klägers als Enkel der Erblasserin von der Öffnungsklausel erfasst.
28Der Kläger ist weiter der Ansicht, dass sich die Eheleute mit den weiteren Abänderungen vom 14.09.2011 ausschließlich auf das vom 08.01.1998 erstellte Testament bezogen hätten. Es sei schlicht eine Abänderung der Schlusserben erfolgt. Ein Widerruf weiterer Bestimmungen sei hingegen nicht vorgenommen worden. Hätten die Erblasser die Abänderungsbefugnis widerrufen wollen, so hätten sie das Testament stattdessen vollständig aufheben können. Dies folge auch aus der Formulierung „in Abänderung“. Die verschiedenen Änderungen zeigten auch, dass die Erblasser sehr wohl genau gewusst hätten, was sie erreichen wollten und dies auch in den Ergänzungen zu formulieren gewusst hätten.
29In die letzte „Abänderung“ habe nicht aufgenommen werden müssen, dass die übrigen Verfügungen wirksam bleiben sollten. Dies ergebe sich von selbst aus der Formulierung und Nutzung des Wortes Abänderung.
30Der Kläger beantragt,
311. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 41.500,00 EUR nebst vier Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.12.2020 zu zahlen,
322. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger die vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe einer halben Geschäftsgebühr zzgl. Auslagen in Höhe von 20,00 EUR und Mehrwertsteuer, insgesamt 650,45 € EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 11.12.2020 zu erstatten.
33Der Beklagte beantragt,
341. die Klage abzuweisen,
352. hilfsweise für den Fall der ganzen oder teilweisen Stattgabe der Klage, den Haftungsbeschränkungsvorbehalt nach § 780 ZPO in den Tenor des Urteils aufzunehmen mit dem Inhalt, dass dem Beklagten die Beschränkung seiner Haftung für Hauptanspruch, Nebenforderung und Kosten auf den Nachlass der Erblasserin, Frau Carla-Vera O., geb. am 21.04.1929, verst. Am 10.06.2020 in Herford, mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt in Herford, vorbehalten wird.
36Der Beklagte ist der Auffassung, dass sämtliche eröffneten Testamente lediglich formal, nicht jedoch inhaltlich wirksam seien.
37Mit dem gemeinschaftlichen Testament vom 14.09.2011 hätten die Eheleute O. dann im Ergebnis die vorhergehenden Testamente insgesamt aufgehoben und bestimmt, dass nach dem Tod des Längstlebenden die drei vorgenannten Kinder, C. I., geb. O., U. O. und B. O. Erben zu gleichen Teilen würden, da die Erblasser nicht wiederholten, dass die übrigen Verfügungen wirksam bleiben sollten. In diesem gemeinschaftlichen eigenhändigen Testament vom 14.09.2011 sei eine Abänderungsbefugnis nicht mehr enthalten. Die Abänderungsbefugnis sei damit entfallen, weil insgesamt neu verfügt worden sei.
38Die Erblasserin sei nach dem Vorversterben des Ehemannes an das gemeinschaftliche Testament gebunden gewesen und habe nicht mehr anderweitig testieren können. Mit dem Tod des vorverstorbenen Ehemannes der Erblasserin stehe damit fest, dass die drei vorgenannten Kinder Erben zu gleichen Teilen geworden seien. Durch die jüngere Verfügung, auf die sich der Kläger stütze, sei es der Erblasserin nicht mehr möglich gewesen, die ursprüngliche Verfügung aufzuheben oder abzuändern.
39Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17.12.2021 Bezug genommen.
40Entscheidungsgründe:
41Die zulässige Klage ist unbegründet.
42A.
43Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Auszahlung eines Vermächtnisses in Höhe von 41.500,00 € gemäß §§ 2174, 2147 BGB.
44Denn die Anordnung des Vermächtnisses zu Gunsten des Klägers durch die Erblasserin im Testament vom 12.04.2018 ist gemäß § 2289 Abs. 1 S. 2 BGB analog unwirksam, da die Bindungswirkung der gemeinschaftlichen Testamente der Eheleute O. der späteren Verfügung der Erblasserin gemäß § 2271 Abs. 2 S. 1 BGB entgegensteht.
45Dahinstehen kann, ob die Aussetzung des Vermächtnisses zu Gunsten des Beklagten durch die Abänderung des notariellen Testaments vom 15.08.2018 widerrufen wurde sowie ob die Bedingung des Vermächtnisses eingetreten ist.
46Im Einzelnen:
47I.
48Die Verfügungen der Eheleute O. im notariellen Testament vom 08.01.1998 stellen wechselseitige Verfügungen im Sinne des § 2270 Abs. 1 BGB dar.
49Wechselbezügliche Verfügungen gemäß § 2270 Abs. 1 BGB sind im Rahmen eines gemeinschaftlichen Testaments dann gegeben, wenn zwischen den Verfügungen ein synallagmatisches Verhältnis besteht. Ein solches liegt vor, wenn die eine Verfügung nicht ohne die andere bestehen kann und soll. Charakteristisch für die Wechselbezüglichkeit ist es, wenn korrespondierende Verfügungen der Ehegatten derart vorliegen, dass jede Verfügung nach dem Willen der gemeinschaftlich Testierenden mit der anderen stehen und fallen soll (BayObLG, Beschluss v. 29.08.1985 – BReg 1 Z 47/85 - ,juris Rn. 45 m.w.N.; Palandt/Weidlich, 80. Aufl. 2021, § 2270 Rn. 1).
50Mangels gegenteiliger/anderweitiger Anhaltspunkte ist gemäß § 2270 Abs. 2 BGB davon auszugehen, dass die gegenseitige Erbeinsetzung der Eheleute O. gegenseitig ist. Das Gleiche gilt für die Einsetzung der Abkömmlinge der Erblasser als Erben nach dem Tode des Letztlebenden.
51Der Änderungsvorbehalt stellt demgegenüber keine weitere Verfügung der Ehegatten dar, sondern eine gegenseitige Ermächtigung entgegen von § 2271 Abs. 1 S. 2 BGB ausnahmsweise abweichend von den getroffenen Anordnungen zu verfügen und auch wechselbezügliche Verfügungen abzuändern (Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, Beschluss vom 30. August 2017 – 5 W 27/16 –, Rn. 11 m.w.N., juris).
52II.
53Der Änderungsvorbehalt bestand zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments der Erblasserin vom 12.04.2018, mithin bei Aussetzung des Vermächtnisses zu Gunsten des Klägers, noch fort. Denn die Auslegung der durch die Eheleute O. vorgenommenen Abänderungen des gemeinschaftlichen Testaments vom 08.01.1998 im Rahmen einer Gesamtschau unter Berücksichtigung des Wortlauts ergibt, dass ein Widerruf nicht erfolgt ist.
54Die Verfügung ist auslegungsbedürftig, da der Änderungsvorbehalt in dem gemeinschaftlichen Testament vom 14.09.2011 nicht ausdrücklich benannt ist.
55Die Auslegung eines jeden Testaments orientiert sich zuvorderst an dem festzustellenden wirklichen Willen des Erblassers, § 133 BGB. Dabei sind neben dem Wortlaut als Ausgangspunkt auch die Umstände außerhalb des Testaments zu berücksichtigen, die dem Wortlaut zugänglich sind und zumindest Anklang in dem auszulegenden Testament finden (st. Rspr., vgl.: BGH, Urteil v. 07.10.1992 – IV ZR 160/91 = NJW 1993, 256). Bei einem gemeinschaftlichen Testament ist, auch in Anlehnung an § 157 BGB, weiter zu berücksichtigen, ob ein nach dem Verhalten des einen Ehegatten mögliches Auslegungsergebnis auch dem Willen des anderen Teiles entsprochen hat (ebenda; BayObLG, Beschluss v. 12.03.1981 – BReg. 1 Z 3/81 = BayObLG 1981, 79).
56Bei dem bloßen „Weglassen“ und einer fehlenden Wiederholung einer Regelung in einem späteren Testament kann grundsätzlich nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass diese Regelung dadurch widerrufen werden soll. Etwas anderes soll jedenfalls für die Schlusserbeneinsetzung nur dann gelten, wenn die Auslegung ergebe, dass die Erbfolge durch das spätere Testament abschließend und ausschließlich geregelt sein solle, da dann ein Widerspruch im Sinne von § 2258 BGB angenommen werden könne (vgl. für die Schlusserbeneinsetzung: BayObLG, Beschluss v. 07.01.1991 – BReg. 1 a Z 68/89 = BayObLGZ 1991, 10; Palandt/Weidlich, 80. Aufl. 2021, § 2271 Rn. 2).
57Vorliegend sind jedoch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass das gemeinschaftliche Testament der Eheleute O. vom 14.08.2011 die Schlusserbeneinsetzung abschließend und ausschließlich regeln sollte.
58Entgegen der Ansicht des Beklagten ist die Verfügung vom 14.09.2011 nicht isoliert zu betrachten. Dies folgt aus der Historie der Verfügungen der Eheleute O. sowie aus dem Wortlaut des notariellen Testaments.
59Die Eheleute O. haben zunächst am 08.01.1998 ein gemeinschaftliches notarielles Testament errichtet. Dieses haben sie durch die Änderung vom 09.01.2008 (Anl. K 2) dahingehend abgeändert, dass der Überlebende weiterhin berechtigt ist anderweitig zu verfügen, dabei jedoch nicht an den Kreis der Abkömmlinge gebunden sei. Im Übrigen bleibe das gemeinschaftliche Testament vom 08.01.1998 unverändert.
60Durch die vorstehende Abänderung haben die Erblasser somit partiell in das ursprüngliche Testament eingegriffen und dieses verändert.
61Nichts anderes ist nach Ansicht der Kammer durch das „Testament“ vom 14.09.2011 erfolgt. Auch insoweit rekurrieren die Erblasser auf die Verfügung vom 01.08.1998 und statuieren, dass eine neuerliche Verfügung „in Abänderung“ der letztwilligen Verfügung vom 08.01.1998 erfolge.
62Da somit lediglich eine partielle Abänderung des Testaments erfolgen sollte, bestand für die Eheleute O. bereits keine Veranlassung, klarzustellen, dass das Testament im Übrigen unverändert bleiben sollte. Dies war der Verfügung, soweit nicht neu testiert wurde, inhärent.
63Durch die Wendung „in Abänderung“ findet ein dieser Wille der Erblasser zugleich im Wortlaut des Testaments Anklang.
64Weiterhin ist auch die Erblasserin selbst von einer entsprechenden Auslegung ausgegangen, da sie im streitbefangenen Testament vom 12.04.2018 angab, es seien alle weiteren vorangegangenen Maßnahmen – also auch die Abänderungsmöglichkeit – unverändert geblieben.
65III.
66Der Änderungsvorbehalt umfasst jedoch entgegen der Ansicht des Klägers nicht die Aussetzung des streitgegenständlichen Vermächtnisanspruchs in dem notariellen Testament vom 12.04.2018. Denn die Änderungsbefugnis ist ausschließlich auf die Schlusserbeneinsetzung bezogen.
67Maßgeblich für die insoweit gebotene (ergänzende) Auslegung ist der hypothetische Erblasserwille beider Ehegatten im Zeitpunkt der Testamentserrichtung. Das durch Auslegung gefundene Ergebnis muss dabei wegen der Formstrenge des Erbrechts im Testament wenigstens angedeutet sein (Burandt/Rojahn/Braun, 3. Aufl. 2019, BGB § 2271 Rn. 29 m.w.N.). Bei Divergenzen hat sich jeder Erblasser am objektiven Sinn seiner Erklärung festhalten zu lassen (BeckOGK/Braun, 1.10.2021, BGB § 2271 Rn. 160).
68Die Ausgestaltung des Umfangs der Änderungsbefugnis unterliegt der freien Vereinbarung der Ehegatten. Sofern – wie vorliegend – Zweifel bestehen, ist der Umfang durch Auslegung zu ermitteln, wobei bei einer Auslegung, die zu einer weitrechenden Änderungsbefugnis führt, Vorsicht angezeigt ist. Insbesondere kann der Änderungsvorbehalt inhaltlichen Beschränkungen unterliegen und auf bestimmte letztwillige Verfügungen beschränkt sein (Burandt/Rojahn/Braun, 3. Aufl. 2019, BGB § 2271 Rn. 30 m.w.N.; BeckOK BGB/Litzenburger, 61. Ed. 1.2.2022, BGB § 2271 Rn. 34).
69Zur Ermittlung des hypothetischen Willens der Erblasser im Zeitpunkt der Testamentserrichtung kann zunächst auf das notarielle Testament vom 08.01.1998 zurückgegriffen werden, da der beurkundende Notar nach § 17 BeurkG den Willen der Beteiligten erforschen, den Sachverhalt klären, die Beteiligten über die rechtliche Tragweite des Geschäfts belehren und ihre Erklärungen klar und unzweideutig in der Niederschrift wiedergeben soll. Vor diesem Hintergrund ist zudem bei der Verwendung juristischer Begriffe davon auszugehen, dass die Erblasser entsprechend der juristischen Bedeutung testieren wollten (BGH Urt. v. 14.6.1951 – IV ZR 10/50, BeckRS 1951, 31397621; OLG Hamm Beschl. v. 12.6.2001 – 15 W 127/00, BeckRS 2006, 4644).
70In dem notariellen Testament vom 08.01.1998 haben die Eheleute O. sich zunächst gegenseitig als Erben eingesetzt. Darüber hinaus haben sie nach dem Tode des Letztlebenden die Mutter des Klägers sowie den Bruder des Beklagten zu gleichen Teilen als Erben eingesetzt.
71Abschließend haben die Eheleute verfügt, dass der Überlebende berechtigt sei, „diese Bestimmung“ abzuändern.
72Durch die Verwendung des Singulars und des Begriffes „diese Bestimmung“ ist der ursprüngliche Änderungsvorbehalt seinem Wortlaut nach ausschließlich auf die vorstehende Schlusserbeneinsetzung bezogen, da durch „diese“ der Bezug zu dem vorhergehenden Absatz hergestellt wird, während „Bestimmung“ signalisiert, dass nicht beide Verfügungen umfasst sein sollen. Eine weitergehende Änderungsbefugnis ist dem Wortlaut demgegenüber nicht entnehmen.
73Der Änderungsvorbehalt wurde zudem durch die Abänderung des gemeinschaftlichen Testaments vom 09.01.2008 ausschließlich in personeller Hinsicht erweitert.
74Die Eheleute waren sich einig, dass es dabei „verbleiben“ solle, dass der Überlebende berechtigt sein solle, anderweitig zu verfügen. Eine Erweiterung des Umfangs in dem verfügt werden kann, war demnach nicht erwünscht. Lediglich der Kreis innerhalb dessen verfügt werden konnte, wurde über die Abkömmlinge der Erblasser hinaus erweitert.
75Dem Auslegungsergebnis steht zudem nicht entgegen, dass die Erblasserin bei Errichtung des notariellen Testaments vom 12.04.2018 angab, die Abänderungsmöglichkeit sei unverändert geblieben und sie somit berechtigt, neu zu verfügen. Denn ein ausreichender Rückschluss auf den (hypothetischen) Willen der Eheleute bzw. der Erblasserin zum Zeitpunkt der Errichtung des ursprünglichen Testaments bzw. der Änderung vom 09.01.2008 kann hieraus nicht erfolgen, da diese Erklärung lediglich die Vorstellung der Erblasserin im Jahr 2018 wiederspiegelt. Vor dem Hintergrund der gebotenen zurückhaltenden Auslegung der Änderungsbefugnis muss sich die Erblasserin daher jedenfalls am objektiven Sinn der Erklärung vom 08.01.1998 festhalten lassen.
76Auch der Vortrag des Klägers, die Aussetzung eines Vermächtnisses sei jedenfalls als „minus“ von der Änderungsbefugnis mit umfasst, verfängt vorliegend nicht.
77Aufgrund der Beratung durch den beurkundenden Notar ist davon auszugehen, dass die Erblasser entsprechend der juristischen Bedeutung der gewählten Begrifflichkeiten testieren wollten. Der Begriff „erben“ ist demnach bewusst von den Eheleuten O. gewählt worden, um ihrem gemeinsamen Testierwillen Ausdruck zu verleihen. Zu diesem Zweck haben die Erblasser nach Ansicht des Gerichtes bewusst auf die Änderung der vorstehenden Regelung zur Schlusserbeneinsetzung abgestellt und nicht – was ihnen ebenfalls möglich gewesen wäre – eine umfassende allgemeine Änderungsbefugnis in das notarielle Testament aufgenommen.
78Darüber hinaus hat eine Abänderungsbefugnis über die Schlusserbeneinsetzung hinaus keinerlei Einschlag in die notariellen und handschriftlichen Testamente der Eheleute O. gefunden.
79IV.
80Da die Aussetzung von Vermächtnissen nicht von der Änderungsbefugnis umfasst ist, verbleibt es bei der mit dem Tod des Ehemanns der Erblasserin eingetretenen Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments vom 08.01.1998 in Gestalt der Nachträge vom 09.01.2008 und 14.09.2011, so dass die ausgesetzten Vermächtnisse entsprechend § 2289 Abs. 1 S. 2 BGB analog unwirksam sind.
81B.
82Mangels Begründetheit der Klage in der Hauptsache hat der Kläger darüber hinaus weder einen Anspruch auf Zinszahlungen in Bezug auf die Hauptsache noch auf die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten.
83C.
84Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1, 2 ZPO.
85Der Streitwert wird auf 41.500,00 EUR festgesetzt.
86Rechtsbehelfsbelehrung:
87Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
881. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
892. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Landgericht zugelassen worden ist.
90Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Oberlandesgericht Hamm, Heßlerstr. 53, 59065 Hamm, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils (Datum des Urteils, Geschäftsnummer und Parteien) gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
91Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Oberlandesgericht Hamm zu begründen.
92Die Parteien müssen sich vor dem Oberlandesgericht Hamm durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
93Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
94Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr:
95Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Auf die Pflicht zur elektronischen Einreichung durch professionelle Einreicher/innen ab dem 01.01.2022 durch das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 05.10.2021 wird hingewiesen.
96Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de.