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Beschluss vom BGH vom 07.07.2021 - 4 StR 141/21
Die Angeklagten sind der Körperverletzung mit Todesfolge schuldig.
Der Angeklagte A. C. wird zu einer Freiheitsstrafe von
acht Jahren und sechs Monaten
verurteilt.
Der Angeklagte B. C. wird zu einer Freiheitsstrafe von
sieben Jahren
verurteilt.
Die Angeklagten tragen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Nebenkläger.
Angewandte Vorschriften:
§§ 227, 25 Abs. 2 StGB
Gründe:
2I. Persönliche Verhältnisse
31.
4Der heute 00 Jahre alte Angeklagte A. C. wurde am 00.00.0000 in D. geboren. Er ist ledig, e. Staatsangehöriger, selbst Vater von 00 Kindern und das vierte von insgesamt elf Kindern seiner mittlerweile geschiedenen Eltern, die 0000 in die Bundesrepublik einwanderten. Die Familie lebte in J. zunächst in D., später auch in F., wo der Angeklagte eingeschult wurde, ehe sie in die Region G., namentlich nach H. und sodann nach I., umzog. Der Angeklagte verfügt in J. über eine unbefristete Niederlassungserlaubnis.
5In der hiesigen Region besuchte er zunächst die Grundschule in H.-K., ehe er auf die L.-Gesamtschule wechselte. Diese verließ er nach der neunten Klasse mit dem Abgangszeugnis. Seinen Hauptschulabschluss holte er später am M.-Berufskolleg nach. Ein Praktikum bei einer Firma für N. wurde durch seine erste Inhaftierung beendet. Im Vollzug einer am 00.00.0000 durch das Landgericht H. verhängten Jugendstrafe begann der Angeklagte eine Ausbildung zum O., die er jedoch nach seiner Haftentlassung insbesondere wegen der als zu groß empfundenen Entfernung zwischen Wohnort und Ausbildungsbetrieb nicht fortsetzte. Nach seiner Entlassung zog er zurück in den Haushalt seiner Mutter, wo er mit 00 seiner Geschwister wohnte. Beruflich zeigte er sich hinsichtlich seines weiteren Werdegangs antriebsarm und unorientiert. Er bezog zunächst Sozialleistungen, ehe er in Zeitarbeitsfirmen Arbeit fand. Ab September 0000 arbeitete er für rund ein Jahr für eine Zeitarbeitsfirma in P., ehe er erneut in Arbeitslosigkeit fiel. Ab September 0000 fuhr er als Auslieferungsfahrer für eine Firma in Q.. Im Jahr 0000 lebte der Angeklagte zeitweilig in R. bei S., wo er bis zu einem Arbeitsunfall erneut für eine Zeitarbeitsfirma tätig wurde. Bis Ende des Jahres 0000 arbeitete er dann als T. in S..
6Im Jahr 0000 „heiratete“ der Angeklagte nach U. Ritus Frau V. aus W., mit der er insgesamt 00 gemeinsame Kinder hat. 00 Söhne wurden im März 0000 und im November 0000 geboren, die Tochter im Mai 0000. Rund ein Jahr nach der „Hochzeit“ geriet die Beziehung in eine Krise, während derer der Angeklagte und seine Frau ein Jahr getrennt lebten und nicht miteinander sprachen. Nach erneuter Annäherung zogen der Angeklagte, seine Frau und der gerade geborene älteste Sohn im März 0000 gemeinsam nach W., wo Frau V. als X. arbeitete. Später zog die Familie dann in ein Mehrfamilienhaus nach S., wo der Angeklagte als T. tätig wurde. Dort kam auch der zweite Sohn zur Welt. Nach der Rückkehr in die Region G. betrieben der Angeklagte und seine Frau dann, Ende 0000, für kurze Zeit eine Y. unter dem Namen „…“ in H.. Im Februar 0000 scheiterten sowohl die Beziehung als auch die Selbstständigkeit und der Angeklagte lebte bis zu seiner Inhaftierung in dieser Sache überwiegend von Sozialleistungen, unterbrochen lediglich durch einige Monate der Beschäftigung als Z. sowie im AA.. Nach der Trennung kam die gemeinsame Tochter zur Welt, die der Angeklagte bis heute nicht gesehen hat. Die Kindsmutter kehrte mit den 00 gemeinsamen Kindern nach W. zurück. Ein Kontakt zu den Kindern bestand zuletzt auf Wunsch der Mutter nicht. Auch die von dem Angeklagten gewünschte rechtliche Anerkennung seiner Vaterschaft in W. kam nicht zustande. Der Angeklagte stand, auch wegen im Raum stehender Vorwürfe der häuslichen Gewalt, die er bestreitet, in der Zeit nach der Trennung, etwa bis April 0000, familiär isoliert da. Auch seine Herkunftsfamilie wandte sich in dieser Zeit von ihm ab.
7Der Angeklagte hat rund 15.000,00 € Schulden, entstanden insbesondere aus dem kurzzeitigen Betrieb der Y..
8Um die Jahre 0000/0000 erlebte der Angeklagte erstmals eine Konsumphase, in der er sowohl Cannabis als auch Ecstasy und Pep ausprobierte, der Konsum aber nur gelegentlich, insbesondere am Wochenende, erfolgte. Es folgte eine konsumfreie Zeit von 0000 bis 0000. Im Jahr 0000 begann der Angeklagte im Zusammenhang mit der ersten Trennung von der Mutter seiner Kinder und im Zuge eines Aufenthalts bei seinen Eltern in AB. Kokain zu nehmen. Nach seiner Rückkehr nach S. konsumierte er auch dort Kokain und nahm zumindest einmal unter dessen Einfluss am Straßenverkehr teil, was eine Verurteilung durch das Amtsgericht S. zur Folge hatte. Anfang 0000 sah er nach etwa einem Jahr der Unterbrechung seinen Sohn erstmals wieder, was nach Angaben des Angeklagten zu dem Entschluss führte, mit dem Kokain aufzuhören. Nach der endgültigen Trennung von seiner Frau, in der Phase der familiären Isolation 0000, begann der Angeklagte wieder in erheblichem Maße Kokain zu konsumieren. Für diese Zeit gibt er an, je nach Gesellschaft, zwischen 10 und 30 g pro Woche benötigt zu haben. Hierfür lieh er sich von Familienmitgliedern Geld, arbeitete teilweise ohne Anmeldung und verkaufte teilweise auch Drogen gewinnbringend weiter. Im Frühjahr 0000 ging der Angeklagte einer körperlichen Arbeit in der AC. nach. Während dieser Zeit konsumierte er nicht und hatte auch keine Konsumgedanken. Zuletzt, etwa ab Mai 0000, unternahm der Angeklagte, insbesondere am Wochenende, gerne Ausflüge in Spielhallen, etwa gemeinsam mit dem Zeugen AD.. Ebenso verfügte er über zumindest eine Bezugsquelle für Kokain und konsumierte dieses auch, wobei zur Regelmäßigkeit und zum Umfang des Konsums keine näheren Feststellungen getroffen werden konnten. Der Angeklagte sieht sich selbst nicht als süchtig oder therapiebedürftig an.
9Der Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 03.12.0000 weist für den Angeklagten A. C. sieben Eintragungen auf:
10Am 00.00.0000 verurteilte ihn das Landgericht H. wegen Beihilfe zum schweren Raub in zwei Fällen, davon einmal in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und das andere Mal in Tateinheit mit räuberischer Erpressung und wegen Beihilfe zum versuchten schweren Raub, „teilweise gemeinschaftlich handelnd“, zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Hintergrund war die Beteiligung des Angeklagten an Raubtaten seines jüngeren Bruders AE. C. und weiterer Beteiligter zum Nachteil von Tankstellen und einer Spielhalle, bei denen A. C. in Vertretung seines verhinderten älteren Bruders AF. C. als Fahrer fungiert hatte. Der Strafrest wurde zunächst bis zum 19.03.2011 zur Bewährung ausgesetzt, die Bewährungszeit dann verlängert bis zum 19.09.2011 und der Strafrest sodann erlassen mit Wirkung vom 13.12.2012.
11Mit Strafbefehl vom 22.11.0000 verurteilte ihn das Amtsgericht AB. wegen Betruges zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 30,00 €.
12Mit Strafbefehl vom 11.02.0000 verurteilte ihn das Amtsgericht AG. wegen vorsätzlichen Gebrauchs eines unversicherten Kraftfahrzeugs in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 30,00 €.
13Die beiden vorgenannten Strafbefehle vom 22.11.0000 und 11.02.0000 wurden mit Beschluss des Amtsgerichts AB. vom 25.07.0000 auf eine Gesamtgeldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 30,00 € zusammengeführt.
14Am 28.09.0000 verurteilte ihn das Landgericht H. wegen Raubes „im minder schweren Fall“ zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, deren Vollstreckung bis zum 05.10.0000 zur Bewährung ausgesetzt wurde. Hintergrund dieser Verurteilung war, dass der Angeklagte eine Zeugin, an die er drei Monate vor der Tat einen PKW verkauft hatte, bei einem erneuten Aufeinandertreffen gegen die Schulter gestoßen, sie so zur Seite geschubst, sich in das von ihm zuvor verkaufte Fahrzeug gebeugt und das CD-Radio aus dem Schacht gerissen hatte, mit dem er sich dann entfernt hatte. Die Strafe wurde mit Wirkung vom 24.11.0000 erlassen.
15Mit Strafbefehl vom 13.09.0000 verurteilte ihn das Amtsgericht S. wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr sowie unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtgeldstrafe von 65 Tagessätzen zu je 30,00 €. Daneben ordnete das Amtsgericht eine Sperre für die Fahrerlaubnis bis zum 12.06.0000 an und sprach ein Verbot zur Beschäftigung, Beaufsichtigung, Anweisung und Ausbildung Jugendlicher aus.
16Mit Strafbefehl vom 11.01.0000 verurteilte das Amtsgericht AB. den Angeklagten wegen versuchten Betruges zu einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu je 15,00 €.
17Der Angeklagte wurde am 31.05.0000 vorläufig festgenommen und befindet sich aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts H. vom 01.06.0000 (Az.:) seitdem in dieser Sache in Untersuchungshaft in der JVA H.-AH., wobei die Untersuchungshaft vom 17.07.0000 bis 30.08.0000 zur Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe (AG AB., Az.) unterbrochen war.
182.
19Der heute 00 Jahre alte Angeklagte B. C. wurde am 00.00.0000 in AI. (AC.) geboren. Er ist u. AJ. und verfügt sowohl über die e. als auch über die j. Staatsangehörigkeit. Der Angeklagte ist ledig und Vater 00 Kinder im Alter von 00 und 00 Jahren.
20Der Angeklagte ist das 00 Kind unter insgesamt elf Geschwistern und einer der älteren Brüder des Mitangeklagten A. C.. Der Angeklagte besuchte in J. den Kindergarten und im Anschluss zunächst die Grundschule in H.-K.. Von dort aus ging er für sechs Monate auf die Gesamtschule in H.-AK., ehe er wegen des Umzugs nach I. auf die Gesamtschule I.-AL. wechselte. Diese besuchte er bis zur 9. Klasse und verließ sie dann mit einem Abgangszeugnis. Nach weiteren sechs Monaten auf der Berufsschule in AB. entschied sich der Angeklagte zunächst Geld verdienen zu wollen und arbeitete in der Folge für Zeitarbeitsfirmen, für die er u.a. Pakete ausfuhr. Im Jahr 0000 leistete der Angeklagte neun Monate Grundwehrdienst. Im Anschluss war er zunächst ein Jahr lang arbeitslos, ehe er erneut über eine Zeitarbeitsfirma als Auslieferungsfahrer für eine AM. tätig wurde. Da er Gefallen an der Arbeit fand, entschied er sich an einer Fortbildungsmaßnahme des Arbeitsamts zum AN. teilzunehmen, erwarb so den AP.-Führerschein und wurde im Anschluss im Wege der Zeitarbeit als AP.-Fahrer vermittelt. Nach einem erlittenen Bandscheibenvorfall und einer daraus resultierenden Unterbrechung der Tätigkeit für ein Jahr fing der Angeklagte dann bei der Firma AO. als AP.-Fahrer im Auslieferungsverkehr für X-möbel an. Dort arbeitete er, von einer kurzen Unterbrechung wegen eines beabsichtigten Wechsels in den Nahverkehr abgesehen, bis zu seiner Inhaftierung durchgängig. Er erhielt ein Bruttofestgehalt in Höhe von 2.300,00 € im Monat zuzüglich Spesen und Prämien, die nach Art und Dauer seiner Einsätze variierten.
21Im Jahr 0000 „heiratete“ der Angeklagte nach u. Art. Die Beziehung, aus der die Kinder des Angeklagten hervorgegangen sind, scheiterte nach fünf Jahren. Kontakt zur Kindsmutter hatte der Angeklagte zuletzt nicht, er stand aber in regelmäßigem Kontakt zu seinen Kindern, die mit der Mutter im Raum AQ./AR. leben.
22In der ferneren Vergangenheit konsumierte der Angeklagte zumindest gelegentlich Alkohol, der auf ihn eine enthemmende Wirkung entfaltete. Er redete dann mehr. Hinsichtlich seines Umgangs mit Alkohol oder etwaigem Umgang mit Betäubungsmitteln in der jüngeren Vergangenheit konnte die Kammer keine Feststellungen treffen.
23Der Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 03.12.0000 weist für den Angeklagten B. C. drei Einträge auf:
24Am 05.08.0000 verurteilte ihn das Amtsgericht AB. wegen „gemeinschaftlichen“ versuchten Diebstahls „im besonders schweren Fall“ zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 20,00 €. Der Angeklagte war gemeinsam mit dem Zeugen AS. AD. in das Gebäude einer Firma eingebrochen, für die der Zeuge AD. zuvor einige Monate gearbeitet hatte. Mit der entwendeten Geldkassette waren beide noch auf dem Firmengelände gestellt worden.
25Mit Strafbefehl vom 16.02.0000 verurteilte ihn das Amtsgericht AB. wegen falscher uneidlicher Aussage zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 15,00 €. Hintergrund war, dass der Angeklagte in dem gesondert geführten Verfahren gegen den Zeugen AS. AD., welches seine Veranlassung ebenfalls in dem zuvor geschilderten Einbruch hatte, wahrheitswidrig angegeben hatte, er selbst sei es gewesen, der einen der beteiligten Wachmänner geschubst habe.
26Beide vorgenannten Verurteilungen wurden mit Beschluss des Amtsgerichts AB. vom 05.09.0000 im Wege der nachträglichen Bildung einer Gesamtstrafe zu einer Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 20,00 € zusammengezogen.
27Der Angeklagte befindet sich in dieser Sache seit dem 07.06.0000 aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts H. vom selben Tage (Az.) in Untersuchungshaft in der JVA AG., wobei die Untersuchungshaft vom 31.07.0000 bis 27.08.0000 zur Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe (AG AB., Az.) unterbrochen war.
28II. Sachverhalt
291. Vortatgeschehen
30Der Angeklagte A. C. und das spätere Opfer, der am 00.00.0000 geborene AT. AU., waren sich in der Vergangenheit freundschaftlich verbunden, lagen aber jedenfalls in der Zeit vor Mai 0000 in Streit über eine durch den Angeklagten A. C. behauptete Forderung von 1.200,00 €, deren Bestehen AU. bestritt. Zum Hintergrund der Forderung konnte die Kammer keine konkreten Feststellungen treffen. A. C. wandte sich mit der Forderung wiederholt an AU., erzählte aber auch Personen aus seinem Umfeld davon. AT. AU., der alle etwaig früher bestehenden Schulden bei A. C. als getilgt betrachtete, zeigte sich über dessen Forderungen zunehmend erbost. So sendete er A. C. u.a. eine Sprachnachricht, in der er den Angeklagten als „kleiner j. Hund“ bezeichnete, dessen u. Religion beleidigte und ihn aufforderte, doch zu ihm zu kommen, wenn er ein Mann sei.
31Am 29.05.0000 kam es zwischen dem Angeklagten A. C. und AT. AU. zu einer körperlichen Auseinandersetzung vor der Haustür des AU.. Im Zuge dieser Auseinandersetzung versetzte AT. AU. dem Angeklagten A. C., der ihn zuerst geschlagen hatte, mit einem sog. Sandhandschuh zumindest einen Schlag in das Gesicht, der C. das Nasenbein brach. A. C. suchte zur Behandlung der Verletzung am frühen Abend des 29.05.0000 das Klinikum AB. auf, wo eine Nasenbeinfraktur diagnostiziert und eine stationäre Aufnahme empfohlen wurde. Der Angeklagte konsumierte dort ein halbes Gramm Kokain und verließ das Krankenhaus dann auf eigenen Wunsch. Am sog. BT., einem Sendemast außerhalb von AB., traf er sich mit dem Zeugen AD., einem gemeinsamen Freund der beiden Kontrahenten, der zuvor auch von AT. AU. über die handgreifliche Auseinandersetzung informiert worden war und sich verpflichtet fühlte, eine Vermittlerrolle einzunehmen. Dem Zeugen spielte A. C., der mit seinem PKW mit dem Kennzeichen XX-XX 0000 dorthin gekommen war, die Sprachnachrichten des AT. AU. vor. Im Anschluss begaben sich AD. und A. C. zunächst zu einer Notfallapotheke und von dort zum Krankenhaus in Q., wo sie jeweils Kühlpacks für die gebrochene Nase erhielten. Zumindest eines der Kühlpacks verbrachten sie in die Wohnung des Angeklagten A. C., wo dieser es im Kühlschrank kaltlegte. Dann begaben sie sich auf eine Tour durch die Nacht, auf der sie diverse Spielhallen aufsuchten, der Angeklagte A. C. auch wiederholt Alkohol und Kokain konsumierte und beide sich mit der Zeugin AV., der Freundin des Zeugen AD., trafen. Gemeinsam suchten sie auch einen nicht näher festgestellten Ort in AB. auf, an dem A. C. das Auto verließ und, wie zuvor telefonisch organisiert, Kokain erwarb, ehe er zum Konsum in das Fahrzeug zurückkehrte. Auch der Zeugin AV. berichtete der Angeklagte von der Auseinandersetzung mit AT. AU., zeigte ihr an seinem Fahrzeug, zu dem man zwischenzeitlich zurückgekehrt war, Röntgenaufnahmen von seiner Nase und äußerte ferner, dass er ein Messer dabeigehabt hätte, wenn er seinerseits von der Bewaffnung des AU. zuvor gewusst hätte. Am Morgen verabschiedete man sich und der Zeuge AD. fuhr A. C. zurück zu seiner Wohnanschrift, zu der man schon im Verlaufe der Nacht das Fahrzeug des C. verbracht hatte. Am Abend desselben Tages, des Tattages, rief A. C. um 21.14 Uhr den Bruder des AU., AW. AU., an und erklärte diesem gegenüber, von AT. die Zahlung eines Blutgeldes in Höhe von 5.000,00 € für die erlittene Verletzung zu fordern. Andernfalls werde es AT. büßen.
32B. C. kehrte am frühen Morgen des 30.05.0000 von einer Auslieferungsfahrt mit seinem AP. an seine Wohnanschrift zurück, die sich lediglich rund 300 m vom Tatort entfernt befindet. Im Laufe des Abends führte er von seiner Wohnung aus mehrere Telefonate von seinem Mobiltelefon mit der Rufnummer 0000/0000000 sowohl mit dem Zeugen V. um 22.35 Uhr als auch zuvor mit dem Zeugen AX., dem Disponenten seines Arbeitgebers, um 21.37 Uhr. Bei dem früheren Telefonat erkundigte er sich nach den Möglichkeiten, über die BW. eine vergünstigte AY. beziehen zu können, während bei dem späteren Telefonat bei dem Zeugen V. der Eindruck entstand, B. C. suche nach einer Beschäftigung für den Abend und wolle sich mit ihm treffen. Um 22.17 Uhr erhielt B. C. ferner einen Anruf des Zeugen AZ., der mit ihm die Regulierung von Schulden besprach, die AZ. beim Vater der Brüder C. hat. In der Zeit zwischen 22.04 Uhr und 22.09 Uhr parkte B. C. die mit einem GPS-BT. versehene Sattelzugmaschine seines Arbeitgebers in der Nähe seiner Wohnanschrift um.
33In der kurzen Zeit nach Abschluss des letzten der drei Telefonate, im Zeitraum zwischen 22.35 Uhr und 22.42 Uhr, suchte der Angeklagte A. C., allein oder in Begleitung, was sich einer Feststellung durch die Kammer entzieht, seinen Bruder B. C. auf und bezog ihn in seine Pläne ein, sich an AT. AU. zu rächen. A. C. hatte in der Zwischenzeit aus Verärgerung und Kränkung beschlossen, die Auseinandersetzung vom Vortag, bei der er die leicht sichtbare, erhebliche Verletzung im Gesicht erlitten hatte, nicht auf sich beruhen zu lassen. Er wandte sich nun an einen seiner älteren Brüder, den Angeklagten B. C., und gewann zumindest diesen, möglicherweise aber auch eine oder mehrere weitere Personen, dafür, AT. AU. erneut aufzusuchen und nunmehr in Überzahl erneut das begehrte Blutgeld von ihm zu fordern sowie, gegebenenfalls abhängig von der Reaktion des AU., diesen für seine vorherige Tat handgreiflich zu bestrafen. Die Kammer kann insoweit nicht sicher feststellen, ob im Zeitpunkt der Tatplanfassung bereits ein voraussetzungsloser Vorsatz zur Körperverletzung an AT. AU. bestand oder ob die Körperverletzung noch von der Reaktion des Opfers abhängen sollte. Im Bewusstsein der zuvor erlittenen Schmach des A. C., bei der AT. AU. die Waffengleichheit verletzt und jedenfalls einen Sandhandschuh verwendet hatte, entschlossen sich die Beteiligten, dieses Mal ihrerseits vorbereitet zu sein und jedenfalls ein rundlich konfiguriertes Schlagwerkzeug zu dem Treffen mit AU. mitzunehmen. Inwieweit die übrigen Beteiligten auch von der tatsächlich erfolgten Mitführung eines Messers durch einen von ihnen wussten, konnte nicht festgestellt werden. Zur näheren Beschaffenheit der beiden mitgeführten Gegenstände konnte die Kammer auch keine Feststellungen treffen. Eine Tötung des AT. AU. planten die Angeklagten nicht.
342. Tatgeschehen
35Vor dem Hintergrund dieser Übereinkunft rief der Angeklagte B. C. oder ein Dritter unter Verwendung des noch kurz zuvor von B. C. genutzten Mobiltelefons mit der Rufnummer 0000/0000000 am 30.05.0000 um 22.42 Uhr bei AT. AU. an. Der Anrufer, möglicherweise B. C. selbst oder aber jemand mit dem Anfangsbuchstaben „…“, stellte sich als einer der älteren Brüder A. C. vor und bat AU., zwecks Aussprache über den Vorfall vom Vortag zu einem fußläufig von dessen Wohnanschrift erreichbaren Treffpunkt, dem Parkplatz der BA. in der BB.-Straße in I., zu kommen. Daraufhin verließ AT. AU. gegen 22.54 Uhr seine Wohnanschrift in der BC.-Straße 00 in I.. Es kam erneut zu mehreren Kontaktversuchen und einem rund fünfeinhalb Minuten dauernden Telefonat des AU. mit dem Mobilfunkanschluss des Angeklagten B. C.. Schließlich traf AT. AU., nun aber in der BD.-Straße Straße auf Höhe der Hausnummer 000, auf die Angeklagten, die nicht ausschließbar auch noch durch eine oder mehrere weitere, unbekannt gebliebene Personen begleitet wurden. Die Gruppe hatte den Bereich zuvor in dem PKW des Angeklagten A. C. aufgesucht und das Fahrzeug auf dem Parkplatz der angrenzenden AM. geparkt. Die Kammer kann keine Feststellungen zum Inhalt des geführten Telefongesprächs sowie zu den Hintergründen der Veränderung des Treffpunkts treffen. Die Tätergruppe, in der durch einzelne, nicht mehr konkret identifizierbare Mitglieder sowohl ein Schlagwerkzeug als auch zumindest ein Messer mitgeführt wurde, griff AU. an. Inwieweit es zuvor – über das Telefonat hinaus – noch zu einem kurzen Gespräch oder einem anderweitigen kommunikativen Kontakt mit dem Opfer kam, war nicht aufklärbar. Jedenfalls bestand der telefonische Kontakt zwischen den Mobilfunkgeräten von AT. AU. und B. C. bis unmittelbar vor Beginn des Angriffs, der etwa gegen 23.00 Uhr oder kurz danach erfolgte. Gemäß dem zuvor gemeinschaftlich gefassten Tatentschluss wirkten die Angreifer zunächst mit zumindest einem Schlagwerkzeug auf Kopf und Arme des AU. ein, die dieser schützend vor seinen Kopf hielt. Hierbei schrie einer der Angreifer eine Beschimpfung in deutscher Sprache, gefolgt von der Äußerung „…du kriegst jetzt, was du verdienst“. Welche konkreten Tatbeiträge jeder der beiden Angeklagten im Angriffsgeschehen jeweils eigenhändig verwirklichte, konnte die Kammer nicht feststellen.
36Durch die Schläge erlitt AT. AU. eine 3,3 cm lange Rissquetschwunde im rechten vorderen Scheitelbereich des Kopfes sowie eine Vielzahl an Hämatomen an den Innen- und Außenseiten beider Arme, u.a. eine sog. Doppelkontur an der Außenseite des rechten Oberarms. Dann fügte ihm, in Abweichung von dem gefassten Tatplan und für jeden der Angeklagten unter Zweifelsgesichtspunkten überraschend, zumindest einer der Angreifer mit mindestens einem Messer gezielt insgesamt 20 Stich-/Schnittverletzungen zu. Es erfolgten ein Stich in den hinteren Bereich der rechten Schläfe mit der Folge einer Kerbenbildung im Schädelknochen sowie zwei weitere Stiche im Bereich der rechten Flanke/Rumpfseite, wovon einer eine Stichkanaltiefe von 23 cm erreichte, eine Rippe vollständig durchtrennte, den rechten Lungenunterlappen und das rechte Zwerchfell durchstach und eine 15 cm lange Stichverletzung der Leber hervorrief. Ferner erfolgten zwei Stiche in die linke Seite des Körperstammes mit Durchstich des linken Lungenunterlappens sowie des linken Zwerchfelles, dreifachem Anstich der linken Niere, der Milz und des Dünndarms sowie einfachem Anstich des querverlaufenden Dickdarmes und der Bauchschlagader. Dabei kam es auch zu fünf Durchsetzungen der Magenwand. Nachdem AT. AU. infolge der Verletzungen schließlich auf der rechten Fahrbahnseite in Fahrtrichtung AB. auf dem Bauch zum Liegen gekommen war und sich nicht mehr bewegte, stach der Angreifer noch weitere zehnmal auf seinen Rücken ein. Dies führte zu einer Kerbenbildung in mehreren Rippen, der Eröffnung beider Brustkorbhöhlen, Durchstichen der Zwerchfelle und einem zweifachen Anstich der Leberrückseite. Ferner fügte er ihm im Bereich des Gesäßes, von dem er zuvor die durch das Opfer getragene Jogginghose hälftig herunterzog, fünf Stichverletzungen zu, die zu einer Knochenkerbe am Kreuzbein und einem Anstich der Enddarmhinterwand führten.
37Die Kammer kann nicht feststellen, ob einer der Angeklagten oder ein dritter Tatbeteiligter das Messer führte, ebenso kann die Kammer nicht feststellen, wo sich die Angeklagten zum Zeitpunkt der Messerstiche befanden, also ob sie noch eine Handlungsmöglichkeit hatten, sich bereits eine gewisse Strecke entfernt hatten oder noch weitere Handlungen vornahmen. Insgesamt kann die Kammer Einzelheiten des Kampfverlaufs ebenso wenig feststellen, wie sie Feststellungen zu dem Hintergrund der aus den Verletzungen insbesondere des Gesäßes ersichtlichen großen Emotionalität des Messerführers treffen kann. Über die geschilderten Verletzungen hinaus erlitt das Opfer auch eine Prellmarke im Bereich der Nase. Infolge der multiplen Messerstichverletzungen verblutete AT. AU. noch am Tatort, ohne das zwischenzeitlich verlorene Bewusstsein noch einmal wiederzuerlangen. Insbesondere die Stiche an den beiden Rumpfseiten waren bereits für sich genommen tödlich.
383. Nachtatgeschehen
39Zumindest zwei der Täter entfernten sich nach der Tat in dem BE BF zügig in Fahrtrichtung AB.. Nach dem Notruf um 23.06 Uhr, abgesetzt durch den Auffindezeugen BG., traf um 23.16 Uhr der erste Streifenwagen der Polizei am Tatort ein.
40Beide Angeklagte begaben sich in der Folge zeitnah zur Wohnanschrift ihrer Eltern in der BH. Straße in AB.. Am Morgen des 00.05.0000 antwortete A. C. um 8.56 Uhr auf eine entsprechende Frage des Zeugen AD. im gemeinsamen WhatsApp-Chat, dass er noch geschlafen habe.
41A. C. stellte sich am 00.05.0000 um 14.35 Uhr bei der Polizei. B. C. wurde am Abend des 00.06.0000 nach Rückkehr von einer beruflichen AP.-Tour auf dem Firmengelände festgenommen.
42Die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit der Angeklagten war im Zeitpunkt der Tat nicht eingeschränkt.
43III. Beweiswürdigung
441. Feststellungen zur Person
45Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten A. C. beruhen auf seinen Angaben gegenüber dem Sachverständigen Dr. BI. sowie seinen ergänzenden Angaben gegenüber der Kammer. Ferner beruhen sie auf der teilweisen Verlesung des Urteils des Landgerichts H. vom 06.03.0000 (Az.), der Verlesung des Führungsberichts des Leiters der JVA BJ. vom 04.11.0000, des Aussetzungsbeschlusses des Amtsgerichts BK. vom 26.02.0000, des Strafbefehls des Amtsgerichts AB. vom 22.11.0000 (Az.), des Verlängerungsbeschlusses des Amtsgerichts AB. vom 07.02.0000, des Strafbefehls des Amtsgerichts AG. vom 11.02.0000 (Az), des Gesamtstrafenbeschlusses des Amtsgerichts AB. vom 25.07.0000 (Az.), des Urteils des Amtsgerichts AB. vom 17.01.0000 (Az.), des Berufungsurteils des Landgerichts H. vom 28.09.0000 in gleicher Sache, des Bewährungsbeschlusses vom 28.09.0000, des Erlassbeschlusses des Amtsgerichts AB. vom 13.12.0000 sowie der Verlesung des Auszugs aus dem Bundeszentralregister vom 03.12.0000. Weiterhin wurden die Berichte der Bewährungshilfe vom 18.05.0000, 13.10.0000, 22.12.0000 und 20.11.0000 (jeweils Az., AG AB.) sowie vom 04.08.0000, 11.03.0000 und 02.09.0000 (jeweils Az., AG AB.) verlesen. Ebenfalls verlesen wurden der Erlassbeschluss des Amtsgerichts AB. vom 12.11.0000 (Az.), der Strafbefehl des Amtsgerichts S. vom 13.09.0000 (Az.), das wissenschaftliche Gutachten zur chemisch-toxikologischen Untersuchung der Universitätsklinik BL. vom 28.07.0000, das Vollstreckungsblatt der JVA AB. vom 26.03.0000, die Entlassungsmitteilung der JVA AB. vom 27.03.0000, der Strafbefehl des Amtsgerichts AB. vom 11.01.0000 (Az.) sowie der Beschluss des Amtsgerichts AB. vom 21.02.0000 in gleicher Sache. Einzelne Feststellungen zum gemeinsamen familiären Hintergrund beruhen zudem auf den Angaben seines mitangeklagten Bruders B. C. sowie auf den Angaben des Zeugen AD.. Überdies wurde der Aufenthaltstitel des Angeklagten verlesen und in Augenschein genommen. Der Betrieb der Y. von Ende 0000 bis Anfang 0000 wird auch durch die polizeilichen Nachermittlungen gestützt, deren Ergebnis durch auszugsweise Verlesung des Aktenvermerks des KHK BM. vom 18.02.0000 eingeführt wurde.
46Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten B. C. beruhen auf der verlesenen Verteidigererklärung vom 05.05.0000, deren Richtigkeit der Angeklagte bestätigt hat, auf seinen weitergehenden Angaben, den Angaben der Zeugen AD. und AX. sowie der Verlesung des Auszugs aus dem Bundeszentralregister vom 03.12.0000. Darüber hinaus wurden das Urteil des Amtsgerichts AB. vom 05.08.0000 (Az.) sowie der Strafbefehl des Amtsgerichts AB. vom 16.02.0000 nebst Gesamtstrafenbeschluss vom 05.09.0000 (beides Az.) verlesen.
472. Feststellungen zur Sache
48a)
49Zum Vortatgeschehen beruhen die Feststellungen auf der Einlassung des Angeklagten A. C. gegenüber dem Sachverständigen Dr. BI., ausweislich derer er den AT. AU. zuerst geschlagen hatte, ehe dieser ihm mit dem Sandhandschuh die Nase brach. Dies korrespondiert auch mit den Schilderungen der übrigen Zeugen, soweit ihnen zuvor durch einen der beiden Beteiligten über den Vorfall berichtet worden war, also sowohl der Zeugin BN. als auch des Zeugen AD.. Die Kammer hat ferner das Attest des Klinikums AB. vom 29.05.0000 verlesen, ausweislich dessen sich der Angeklagte A. C. dort um 17.55 Uhr zur Behandlung der Nase vorstellte und eine angebotene stationäre Aufnahme ablehnte. Den Konsum eines halben Gramms Kokain, unter dem die Schmerzen weggegangen seien, hat der Angeklagte in glaubhafter Weise gegenüber dem Sachverständigen Dr. BI. geschildert und die Richtigkeit seiner Angaben in der Hauptverhandlung bekräftigt.
50b)
51Die Kammer ist von der Beteiligung des Angeklagten A. C. an dem tätlichen Angriff auf das Opfer AT. AU. überzeugt. Die Kammer zieht hier zunächst die noch unter c) darzustellenden Beweise für eine Beteiligung seines Bruders B. heran. B. C. hatte kein erkennbares eigenes Motiv zur Tatbegehung; seine Beteiligung weist vielmehr auf eine Verwicklung auch von A. C. aufgrund des Geschehens vom Vortag hin. Aber auch speziell in Bezug auf A. C. hat die Beweisaufnahme weitere Beweise ergeben.
52A. C. selbst hat sich gegenüber der Kammer nicht zur Sache eingelassen. Der Zeuge KHK BM. hat aber den Verlauf der Ermittlungen und insbesondere der Vernehmungen des Angeklagten A. C. bei der Polizei am 31.05.0000 detailliert und nachvollziehbar geschildert. C. gab bei der Polizei an, er habe am Tattag, dem 30.05.0000, seinen Vater gebeten, ihm ein Kühlpack wegen seines Nasenbeinbruchs zu besorgen, sich dann aber von dem Vater überzeugen lassen, ab etwa 17.00 bis 19.00 Uhr den restlichen Tag im elterlichen Anwesen zu verbringen, wo er gegen 22.00 Uhr im Bett seines Bruders BO. eingeschlafen und erst gegen 2.00 Uhr wieder erwacht sei. Zuvor abgeholt worden sei er durch mehrere Mitglieder seiner Familie, u.a. den Vater und den Mitangeklagten B. C.. Das elterliche Wohnhaus habe er erst am Nachmittag des 31.05.0000 wieder verlassen, um sich bei der Polizei zu erkundigen, was los sei. Über sein Mobiltelefon habe er am Tattag nicht verfügt, da er dieses in seiner Wohnung in der BP. Str. 000 zurückgelassen habe.
53A. C. nutzte sein Mobiltelefon (0000/0000000) indes nach dem Ergebnis der Ermittlungen sowohl am Abend vor der Tat als auch am Morgen des 31.05.0000, als er dem Zeugen AD. um 8.56 Uhr antwortete; die Kammer hat den sichergestellten Chat vom Handy des Zeugen AD. verlesen. Seine Angaben stehen nicht nur im Widerspruch zu dem Nutzungsverhalten seines Handys, auf das auch nach seiner Darstellung in der polizeilichen Vernehmung niemand anders plausibel Zugriff genommen haben konnte, sondern auch zu der Feststellung, dass im Kühlschrank der Wohnung des Angeklagten tatsächlich ein Kühlpack aufgefunden wurde. Das Fehlen eines solchen kann daher schwerlich den Hintergrund eines Standortwechsels ins elterliche Anwesen bilden. Seine Angaben stehen zudem auch im Widerspruch zur Schilderung des Mitangeklagten B. C., der seinerseits gegenüber der Polizei bekundete, er sei von seiner Wohnung am späten Nachmittag gemeinsam mit seinen Schwestern zum Haus der Eltern gefahren und habe A. dort bereits angetroffen.
54Das Ergebnis der ersten Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten A. C. am 31.05.0000 wurde durch Verlesung des Durchsuchungsberichts vom 03.06.0000, der Asservatenauflistung vom 06.06.0000 sowie des zugehörigen Sicherstellungsverzeichnisses vom 31.05.0000 eingeführt. Der Spurensicherungsbericht wurde verlesen und die Lichtbildmappe in Augenschein genommen. Eines der Lichtbilder zeigt am linken Bildrand ein Kühlpack im Gefrierfach des dortigen Kühlschranks. Ein Mobiltelefon des Angeklagten konnte zu diesem Zeitpunkt ebenso wenig aufgefunden werden wie im Rahmen der weiteren Durchsuchung, die später am selben Tage durchgeführt wurde und allein die Auffindung des in der polizeilichen Vernehmung angesprochenen Mobiltelefons zum Ziel hatte. Auch insoweit wurden der Durchsuchungsbericht verlesen sowie die zugehörige Lichtbildmappe unter Verlesung der Bildtexte in Augenschein genommen.
55Das Kommunikationsverhalten des auf den Angeklagten A. C. registrierten Mobilfunkanschlusses (Anschlussrufnummer 0000/0000000) im Zeitraum vom 30.05.0000, 21.03 Uhr bis 31.05.0000, 00.41Uhr wurde durch Verlesung des Vermerks des KHK BQ. vom 25.09.0000 eingeführt. Die Auswertung weist in diesem Zeitraum 27 Ereignisse aus, die belegen, dass sein Handy in dieser Zeit, in der er sich nach seinen Angaben ohne Handy bei seinen Eltern aufgehalten haben will, tatsächlich genutzt wurde.
56Die Angaben des Zeugen KHK BM. wurden auch durch die Zeugin KHK BR., die bei den Vernehmungen des Angeklagten A. C. am 31.05.0000 ebenfalls zugegen war, bestätigt. Sie erinnerte wie zuvor schon der Zeuge KHK BM., dass der Angeklagte angegeben hatte, dass er aus dem Nasenbeinbruch durch AT. AU. keine große Sache habe machen wollen. Die Relativierung der erheblichen Verletzung, die durch einen Sandhandschuh und damit objektiv nicht unter Wahrung der Waffengleichheit hervorgerufen worden war, erachtet die Kammer als Anzeichen für den Versuch, die eigene Motivlage zu relativieren. Dies gilt umso mehr, als sich die Relativierung auch in der polizeilichen Einlassung seines mitangeklagten Bruders B. C. vom 06.06.0000 findet. Auch dieser gab ausweislich der Aussage des Zeugen KHK BS. an, dass die bei A. C. festgestellte Verletzung kein großes Thema gewesen und zwischen den Brüdern nicht weiter darauf eingegangen worden sei. Dies erachtet die Kammer, zumal aufgrund der Offenkundigkeit der Verletzung, insgesamt als unglaubhaft.
57Der Zeuge AD., ein langjähriger Freund des Angeklagten A. C. und zudem auch befreundet mit dem Opfer AT. AU., hat nachvollziehbar geschildert, dass die beiden in jüngerer Zeit über vermeintliche Geldschulden des Opfers bei A. C. gestritten hätten. Er berichtete auch über die Umstände, unter denen er von dem Nasenbeinbruch durch AU. erfahren hatte, nämlich durch ein von A. C. auf sein Handy gesandtes Foto seiner gebrochenen Nase. Auch die Entstehung der Verletzung, wie sie ihm sowohl durch das Opfer als auch durch A. C. geschildert worden war, gab der Zeuge detailliert wieder. Der Zeuge berichtete dann davon, dass es auf seine Initiative hin, aufgrund eines Versprechens an AT. AU., zu dem Treffen mit A. am BT. in AB. gekommen sei, zu dem A. mit seiner BE BF. gefahren sei. An einen abgezogenen Fahrersitz erinnerte er sich nicht, bekundete aber – nachvollziehbar – dass er glaube, sich an einen solch ungewöhnlichen Umstand zu erinnern, wenn der Sitz abgezogen gewesen wäre. Im Werkstattbetrieb des Nebenklägers AW. AU., einem Bruder des Opfers, habe er auch einmal selbst am Steuer der BE BF von A. C. gesessen. Auch dort sei ihm am Fahrersitz des Fahrzeugs nichts besonderes aufgefallen. Am BT. habe er erstmals die Sprachnachrichten des Opfers an A. C. gehört, von denen die Kammer durch Inaugenscheinnahme ebenfalls Kenntnis genommen hat und in denen AT. AU. den A. C. verbal und teils mit religiösen Bezügen massiv angriff. Nachdem man vom BT. in AB. weggefahren sei, habe man gemeinsam in einer Notfallapotheke und sodann im Krankenhaus in Q. Kühlpacks für die Nase von A. geholt. Es seien jedenfalls zwei Kühlpacks gewesen, die sie zu A. nach Hause gebracht hätten, wo sie A. habe kaltlegen wollen. Die Nacht habe man dann in verschiedenen Spielhallen verbracht, wobei A. auch mehrfach Drogen, nach dem Eindruck des Zeugen Kokain in Form weißen Pulvers, durch die Nase konsumiert habe. A. und der Zeuge seien in der Vergangenheit häufig gemeinsam zum Glücksspiel gegangen, was auch Hintergrund ihrer jeweiligen Probleme gewesen sei. Erst am Morgen des Tattages habe er A. nach Hause gefahren. Während der Nacht habe A. auch mit der Freundin des Zeugen AD., der Zeugin BU. AV., gesprochen und dieser, wie sie ihm berichtet habe, gesagt, dass er selbst auch eine Waffe bzw. ein Messer mitgebracht hätte, wenn er von der Waffe bei AT. AU. gewusst hätte. Diese Aussage kündet von verletztem Stolz und widerspricht dem nach außen zur Schau getragenen Gleichmut, mit dem A. C. vorgeblich über die erhebliche Verletzung hinweggehen wollte.
58Der Zeuge AD. ist auch mit dem Mitangeklagten B. C. bekannt, mit dem ihn eine gewisse kriminelle Vergangenheit mit deutlich erheblicheren strafrechtlichen Konsequenzen für den Zeugen verbindet. Trotz dieser belastenden gemeinsamen Vergangenheit sowie des Umstands, dass der Zeuge nach der hier angeklagten Tat die Nähe der Familie des Opfers suchte, hat er weder im Hinblick auf B. noch im Hinblick auf A. C. überzogene Belastungstendenzen erkennen lassen. Er hat vielmehr B. als ruhig, respektvoll und zurückhaltend charakterisiert und auch A. in der Beschreibung der Nacht nicht als wütend oder ähnliches beschrieben. Anhaltspunkte für Rachegedanken habe er aus den Aussagen von A. C. nicht erhalten, er habe aber seinerseits gedacht, dass A., der isoliert dagestanden habe, sich verletzt fühle und sicher entsprechende Gedanken hege. Daher habe er auch versucht, auf A. im Sinne einer Deeskalation einzuwirken. Der damit korrespondierende Chatverlauf zwischen dem Zeugen AD. und dem Angeklagten A. C., beginnend am 26.04.0000, 11.54 Uhr, insbesondere aber bedeutsam vom 29.05.0000, 12.11 Uhr bis 31.05.0000, 09.19 Uhr wurde verlesen. Die enthaltenen Dateianhänge wurden durch Vorspielen in Augenschein genommen. Innere Tendenzen, welche einer unbefangenen Aussage des Zeugen AD. entgegenstünden, lassen sich auch nicht aus dessen zuletzt guter Beziehung zur Opferfamilie ableiten, für die der Zeuge nachvollziehbare Gründe benannt hat. Ihm sei daran gelegen gewesen, den Eindruck der Familie, er selbst könne aufgrund seines Kontakts zu A. C. auch an der Tat beteiligt gewesen sein, zu entkräften. Zudem habe er in ihrem Verlust mit der Familie gefühlt. Diese Motivationslage erscheint der Kammer nachvollziehbar, zumal auch der Zeuge BV. bestätigt hat, aufgrund seiner Nähe zum Opfer vor der Tat habe man ihn als den Lockvogel, der AT. AU. aus dem Haus lockte, im Verdacht gehabt. Der Zeuge AD. hat auch in seinem tatsächlichen Aussageverhalten keine anderen Motive abseits der Aufklärung des Sachverhalts erkennen lassen. Dass er sich vielmehr in einer Art Vermittlerrolle sah, belegen die verlesenen Chatnachrichten zwischen ihm und AT. AU. vom 29.05.0000, in denen AD. die von AU. in den Sprachnachrichten ausgesprochenen Beleidigungen thematisierte.
59Die Zeugin BU. AV., Lebensgefährtin des Zeugen AD., bezeugte zu ihrem Gespräch mit dem Angeklagten A. C. aus der Nacht vor dem Tattag, dass ihr A. gesagt habe, dass er ein Messer mitgebracht hätte, wenn er von dem „Todesschläger“ – tatsächlich handelte es sich zumindest um einen Sandhandschuh – bei AT. AU. gewusst hätte. Die Zeugin bekundete indes auch, dies nicht ernstgenommen und für einen schlechten Scherz gehalten zu haben. A., der massiv verärgert gewesen sei, habe ihr und AD. in der Nacht auch die Sprachnachricht von AT. an A. vorgespielt. Außerdem habe er ihr am BT. in AB. auch die Röntgenaufnahmen seiner Nase gezeigt, wozu sie in die BF hineingesehen habe. Der Fahrersitz habe zu dieser Zeit ganz normal ausgesehen. In der Nacht habe A. vor ihr telefoniert und versucht, sich Drogen zu organisieren. Man habe dann später auch einmal angehalten und A. sei allein ausgestiegen und habe Drogen erworben. Auch in der Vergangenheit habe er öfter vor ihren Augen Betäubungsmittel geschnupft. Die Angaben der Zeugin AV. decken sich mit den Angaben des Zeugen AD.. Anhaltspunkte für eine überzogene Belastungstendenz sind nicht erkennbar.
60Der Nebenkläger AW. AU., Bruder des getöteten AT. AU., hat im Rahmen seiner Vernehmung als Zeuge angegeben, dass ihn A. C. am Abend des Tages der Tat angerufen und gesagt habe, AT. müsse ihm für den Bruch seiner Nase 5.000,00 € „Blutgeld“ zahlen, sonst müsse er dafür büßen. Er habe die Aussage von A. C. aber nicht ernst genommen und nichts dazu gesagt. Die BE. BF. sei zweimal bei ihm in der Werkstatt gewesen, zuletzt keine zwei Wochen vor der Tat. Da sei der Zustand des Fahrersitzes normal gewesen. Das wisse er, weil er den Wagen aufgrund von Schaltproblemen selbst gefahren habe. Zuvor habe A. C. schon mehrfach versucht, Kfz-Dienstleistungen des Zeugen mit den angeblichen Schulden von AT. AU. zu verrechnen. Das Opfer AT. AU. hatte damit korrespondierend seiner Freundin, der Zeugin BN., ebenfalls berichtet, dass A. C. nach dem Nasenbeinbruch gegenüber Dritten geäußert habe, 5.000,00 € Schmerzensgeld von ihm zu fordern.
61In unmittelbarer Nähe zu dem tödlich verletzten Opfer, in dessen Hosentasche sich ein Feuerzeug befand, kamen am Tatort zwei weitere Feuerzeuge, namentlich ein rotes sowie ein schwarzes mit einem Werbeaufdruck der BW. AO., Arbeitgeber des Angeklagten B. C., zu liegen. Die DNA des Angeklagten A. C. wurde an einem dieser Feuerzeuge nachgewiesen. Der Zeuge BX., Notarzt am Tatort, hat im Rahmen seiner Vernehmung geschildert, zwei Feuerzeuge in einer geschätzten Entfernung von einem bis zu zwei Metern zum Opfer liegen gesehen zu haben. Diese Angaben des allein professionell mit dem Sachverhalt befassten Zeugen sind glaubhaft und finden ihre Bestätigung in der Sicherstellung der zwei Feuerzeuge am Tatort. Auch der Zeuge BY., Rettungssanitäter und Fahrer des Notarztes, hat die Beobachtung zumindest eines Feuerzeugs am Boden, links neben dem Opfer in Richtung des Rinnsteins, erinnert. Die Ergebnisse der DNA-Untersuchung sowohl der am Tatort gefundenen beiden Feuerzeuge als auch der übrigen sichergestellten Gegenstände, insbesondere des Sandhandschuhs sowie der bei der Tat getragenen Schuhe des AT. AU., hat die Kammer durch Vernehmung des Sachverständigen Dr. BZ. vom Landeskriminalamt CA. eingeführt. Der Sachverständige hat unter detaillierter Erörterung der Anknüpfungstatsachen seine Befunde nachvollziehbar dargelegt. Danach konnte am Drücker sowie am Kopf des roten am Tatort sichergestellten Feuerzeugs ein Spurengemisch mit einer dominierenden Spur des Angeklagten A. C. gesichert werden. Nach dem sog. Likelihood-Quotienten (5,87 x 10²³) sei die Wahrscheinlichkeit, dass es sich bei A. C. um den Spurenverursacher handele, 18 Billionen Mal höher als dass er nicht der Spurenverursacher sei. Im Rahmen der Untersuchung wurden durch den Sachverständigen 16 Systeme untersucht und bei allen eine vollständige Übereinstimmung mit der DNA des Angeklagten A. C. festgestellt, womit die biostatistische Wahrscheinlichkeit individualcharakteristisch für den Angeklagten A. C. als Spurenverursacher spricht. Die CB. Herkunft des Angeklagten sei für die Auswahl der Vergleichspopulation ohne Bedeutung. Nach wissenschaftlichen Standards und zur Überzeugung der Kammer ist die Spurenverursachung durch ihn sicher. An einem der beiden Sandhandschuhe aus der Wohnung des Opfers konnte der Sachverständige überdies eine Blutspur des Angeklagten A. C. nachweisen, was die Überzeugung der Kammer stützt, dass dem Angeklagten am Vortag der Tat mit eben jenem Handschuh die Nasenverletzung beigebracht wurde. Hiermit korrespondiert auch, dass der Sachverständige am linken Schuh des Opfers eine Blut-Aufspritzspur festgestellt und ausgewertet hat, die dem Angeklagten A. C. zuzuordnen ist. Die DNA des Angeklagten war dort wiederum in 16 Merkmalssystemen vollständig nachweisbar. Das Spurenmuster ist gut in Einklang zu bringen mit dem ausgelösten Nasenbluten nach Bruch der Nase.
62Aus der örtlichen Lage der beiden Feuerzeuge am Tatort in ihrem Verhältnis zueinander zieht die Kammer keine Schlüsse, da im Zuge der Rettungsbemühungen durch die Auffindezeugen sowie den Rettungsdienst Lageveränderungen sehr wahrscheinlich sind. Ebenfalls verkennt die Kammer nicht, dass – betrachtet man die Feuerzeuge nur für sich – eines oder auch beide durch eine dritte Person zum Tatort verbracht worden sein könnten. In der Zusammenschau mit den übrigen Beweismitteln erachtet sie die Spur aber als ein wichtiges Beweisanzeichen für die Anwesenheit A. C. am Tatort, das sie für ihre Schlussfolgerungen hinsichtlich seiner Beteiligung heranzieht.
63Das Fahrzeug des Angeklagten A. C., die BE. BF., korrespondiert in seiner äußeren Gestaltung mit dem zur Tatzeit am Tatort beobachteten Fluchtfahrzeug. Die Zeugin CC. hat im Rahmen ihrer zeugenschaftlichen Vernehmung die Beobachtungen aus ihrer direkt gegenüber dem Tatort gelegenen Dachgeschosswohnung zur Tatzeit detailliert wiedergegeben. Danach sei sie auf dem Sofa eingenickt und durch eine Streiterei auf der Straße geweckt worden, in deren Rahmen vernehmbar der Ausruf einer Beschimpfung in deutscher Sprache, gefolgt von der Äußerung „…du kriegst jetzt, was du verdienst“, gefallen sei. Aus dem Badezimmerfenster habe sie dann ein dunkles Auto relativ schnell vom Parkplatz vor der AM. in Fahrtrichtung AB. wegfahren sehen. Für sie habe es sich in der Situation als ein kleiner, schwarzer Wagen mit 5 Türen dargestellt, wobei hinter dem Fahrer noch jemand im Fahrzeug gesessen habe. Auf Vorhalt der Lichtbilder der fünftürigen BE BF des Angeklagten A. C. erklärte die Zeugin, dass sie dieses Fahrzeug als einen solchen Kleinwagen beschreiben würde und es das Fahrzeug gewesen sein könne. Den Beifahrersitz habe sie wegen der schrägen Stellung des Autos zu ihrem Fenster nicht sehen können. Auf Vorhalt räumte die Zeugin ein, im Zuge der Ermittlungen und auch bei Dunkelheit durch die Polizei mit einem BE Vergleichsfahrzeug an gleicher Stelle konfrontiert worden zu sein und dieses als schwarz identifiziert zu haben. Insofern wurden durch die Kammer die Simulationsbilder vom 12.06.0000 unter Verlesung der Bildtexte in Augenschein genommen. Es sei in jedem Fall aber ein dunkles Fahrzeug gewesen, das sie in der Tatsituation beobachtet habe. Der Wagen habe zuvor mit den Lichtern zum Eingang der AM. CD. gestanden, was die Zeugin nachvollziehbar anhand der Lichtspiegelung in den Fenstern der AM. erkennen konnte. Das Fahrzeug habe sicher ein ABer Kennzeichen gehabt, was sie aufgrund der Beleuchtung des Platzes habe erkennen können. Die Zeugin war um eine neutrale Schilderung ihrer Erinnerungen bemüht, hat eigene Wahrnehmungs- bzw. Erinnerungsdefizite offengelegt und steht zu den Angeklagten in keinerlei Beziehung. Ihre Angaben waren insgesamt glaubhaft.
64Die BE. BF. sollte in der Zeit nach der Tat offenkundig einem Zugriff der Ermittlungsbehörden entzogen werden, wobei die Kammer nicht verkennt, dass die entsprechenden Bemühungen auch durch dritte Personen entfaltet worden sein können, die – gegebenenfalls ohne konkretes Wissen – eine Verwicklung des A. C. in das Tatgeschehen befürchteten. Das Fahrzeug wurde am 03.06.0000 durch eine Schwester der Angeklagten abgemeldet, war dann zunächst lange nicht auffindbar und tauchte erst im Herbst 0000 wieder auf. Zuvor war es am 11.06.0000 für lediglich 25,00 € an den Zeugen CE.verkauft worden. Der Zeuge war im Zuge des Ankaufs durch den unbekannt gebliebenen Verkäufer nach einem Export des Fahrzeugs nach CF. gefragt worden. Aufgrund erhöhter Exportkosten fand die geplante Ausführung des Autos dann jedoch nicht statt, was zu seiner Wiederauffindung beim Versuch der Neuanmeldung in J. führte. Im Zeitpunkt des Verkaufs an den Zeugen CE.und ebenso bei der Untersuchung des Fahrzeugs nach dessen Sicherstellung war der Bezug des Fahrersitzes, der am Tag vor der Tat noch vorhanden gewesen war, vollständig entfernt. Der Zeuge CE.konnte die Umstände seines Erwerbs, den außergewöhnlich niedrigen Ankaufspreis, die Wünsche des unbekannten Verkäufers hinsichtlich einer Ausfuhr nach CF. sowie den Zustand des Fahrersitzes noch bildhaft wiedergeben. Die Kammer hat die Lichtbilder aus dem Spurensicherungsbericht in Augenschein genommen, ausweislich derer der Sitzbezug des Fahrersitzes entfernt wurde. Sie schließt aus diesem Zustand wie aus den Gesamtbedingungen des Verkaufs auf das Bemühen, befürchtete Spuren einer Verwendung des Autos für die Tat zu beseitigen. Der handschriftliche Vertrag über den Erwerb des Fahrzeugs durch A. C., datiert auf den 26.05.0000, der für diesen noch nahen Zeitpunkt einen Kaufpreis von jedenfalls mehr als 300,00 € ausweist, wurde verlesen. Die weiteren Feststellungen zu dem Fahrzeug beruhen auf den Angaben der polizeilichen Zeugen, soweit diese dazu Angaben machen konnten, und im Übrigen auf der Verlesung des Antrags auf Außerbetriebnahme eines Fahrzeugs vom 03.06.0000.
65Schließlich ist festzustellen, dass der Angeklagte A. C. ein starkes Motiv hatte, sich an AT. AU. zu rächen. Nicht nur, dass seine finanziellen Forderungen weder vom Opfer noch von dessen Familie jemals ernstgenommen worden waren. Nunmehr war er am Vortag der Tat auch noch im Rahmen einer körperlichen Auseinandersetzung mit AT. AU. unterlegen gewesen. Dabei hatte AU. den Boden der Fairness verlassen und den Angeklagten unter Verstoß gegen die Waffengleichheit mit einem bereitgehaltenen Sandhandschuh so stark im Gesicht verletzt, dass dessen Niederlage für jedermann offenkundig war. Dass er sich mit der Niederlage gedanklich beschäftigte, bekundete A. C. im Laufe des Tages zu mehreren Zeitpunkten. Seine Verletzung war sowohl im Gespräch mit dem Zeugen AD., der Zeugin AV. als auch bei seinem Anruf bei AW. AU. bestimmendes Thema. Die Verletzungsfolgen in Form der gebrochenen Nase waren ihm im Zeitpunkt seiner Festnahme noch deutlich anzusehen. Den Zeitpunkt der Selbststellung des Angeklagten A. C. hat die Kammer durch Verlesung des Vermerks des PK CG. vom 31.05.0000 festgestellt. Der Vermerk belegt, dass die Nasenverletzung des Angeklagten nach wie vor gut sichtbar war. Davon hat sich die Kammer zudem durch Inaugenscheinnahme der Lichtbildmappen vom Tag der Festnahme nebst Verlesung der Bildtexte einen eigenständigen Eindruck verschafft.
66c)
67Die Kammer ist ferner von der Beteiligung des Angeklagten B. C. an dem Angriff auf den AT. AU. überzeugt.
68Der Angeklagte B. C. hat sich gegenüber der Kammer ebenfalls nicht zur Sache eingelassen. Seine Angaben im Rahmen seiner polizeilichen Vernehmung vom 06.06.0000, eingeführt durch Vernehmung der polizeilichen Vernehmungsbeamten, sind indes widersprüchlich zu den Angaben des Angeklagten A. C. in dessen polizeilicher Vernehmung sowie zum übrigen Beweisergebnis. Die Kammer hat bei der entsprechenden Bewertung den Vernehmungsteil aus der Fortsetzung vom 07.06.0000 wegen Verstoßes gegen das Gebot zur Verteidigerbenachrichtigung (§§ 163a Abs. 4 S. 3, 168c Abs. 5 S. 1 StPO) nicht berücksichtigt. Der Zeuge KHK BS. hat die polizeilichen Angaben des Angeklagten B. C. zur Gestaltung seines Tagesablaufs am Tattag zusammenfassend wiedergegeben. Nach seinen Angaben bei der Polizei sei er gegen 17.00 bis 18.00 Uhr mit zwei seiner Schwestern zu seinen Eltern gefahren und habe dort die Nacht verbracht. Der Angeklagte gab bei der Polizei weiter an, A. C. sei bei seinem Eintreffen bereits im elterlichen Anwesen gewesen. Dies steht im Widerspruch zu der Angabe des Angeklagten A. C., der angab, u.a. von dem Mitangeklagten zu Hause abgeholt worden zu sein. Die Angaben des Zeugen KHK BS. wurden durch die Aussage des Zeugen KHK CH., des zweiten Vernehmungsbeamten, bestätigt. Dieser gab ergänzend an, dass der Angeklagte B. C. ausgeführt habe, seine zwei Telefone habe er grundsätzlich bei sich und auch an jenem Abend mit zu seinen Eltern genommen.
69Diese Angaben des Angeklagten B. C. decken sich nicht mit dem übrigen Beweisergebnis.
70Der Anruf bei AT. AU., welcher diesen veranlasste, seine Wohnung zu verlassen und sich mit den Angreifern zu treffen, erfolgte vom Mobiltelefon des Angeklagten B. C., welches dieser noch kurz zuvor selbst mehrfach benutzt hatte. Die Feststellungen zur Nutzung des Mobiltelefons des Angeklagten B. C. (Anschlussrufnummer 000/00000000) beruhen auf der Verlesung der tabellarischen Aufstellung der Verbindungsdaten vom 30.05.0000, 21.37 Uhr bis 31.05.0000, 01.08 Uhr. Das Kommunikationsverhalten des Anschlusses im Zeitraum vom 30.05.0000, 22.08 Uhr bis 30.05.0000, 23.35 Uhr wurde ferner durch Verlesung des Vermerks des KHK BQ. vom 25.09.0000 eingeführt. Die Aufstellung sowie die Auswertung belegen, dass von dem Anschluss am 30.05.0000 um 21.37 Uhr der Disponent der BW. AO., der Zeuge AX., angerufen wurde. Ebenso gab es um 22.17 Uhr einen Kontakt zum Anschluss des Zeugen CJ. AZ. über 339 Sekunden sowie um 22.35 Uhr einen Kontakt zu dem der Zeugin CK. zugeordneten Anschluss über 65 Sekunden Dauer. Bei der Zeugin CK. handelt es sich um die Lebensgefährtin des Zeugen V., der den Anschluss tatsächlich nutzte. Auffällig ist ferner ein Anruf um 22.23 Uhr bei dem Anschluss des Vaters CL. C., bei dem sich der Angeklagte B. C. nach seiner polizeilichen Einlassung aber zu diesem Zeitpunkt aufgehalten haben will. Im weiteren Verlauf folgte um 22.42 Uhr ein Telefonat über 439 Sekunden Dauer mit dem Anschluss des Opfers, ausgehend von diesem, nachdem zuvor zwei eigene Anwahlversuche um 22.40 Uhr augenscheinlich erfolglos geblieben waren. Von 22.55 Uhr bis 22.56 Uhr erfolgten dann wiederum sechs erfolglose Anwahlversuche von dem Anschluss des Angeklagten in Richtung des AT. AU.. Dieser rief um 22.58 Uhr zurück. Das Gespräch dauerte 330 Sekunden, womit die Verbindung bis in die Tatzeit hinein aufrecht erhalten blieb. Die Kontakte zu AT. AU. finden ihre Entsprechung in dem auszugsweise verlesenen Vermerk des KHK BQ. vom 25.09.0000 über die Auswertung von dessen Telefonkontakten (Anschlussrufnummer 0000/0000000).
71Zu dem Telefonat mit dem Anschluss der Zeugin CK. wurde der durch das Mobiltelefon des Angeklagten B. C. zum Gesprächsaufbau angesprochene Funkmast ermittelt. Dieser befindet sich, korrespondierend u.a. zu seiner Wohnanschrift, in CM.. Das Telefon befand sich somit nicht wie von dem Angeklagten behauptet in AB.. Die Kammer hat das Ergebnis dieser Ermittlung durch Verlesung des Vermerks des KHK BQ. vom 08.07.0000 eingeführt. Die Wohnanschrift des Angeklagten B. C. in der CN. Str. 0 ist vom Tatort weniger als 300 Meter entfernt. Weitergehend wurden der Vermerk des KHK BQ. vom 04.07.0000 verlesen sowie die beigefügte Karte und die Grafik in Augenschein genommen. Die Auswertung der retrograden Daten der zehn Telekommunikationsereignisse zwischen den Anschlüssen des B. C. sowie des AT. AU. ergibt, dass das Mobiltelefon des Angeklagten B. C. auch zur Tatzeit den Funkmast in CM. kontaktiert hatte.
72Das Bewegungsprofil des von dem Angeklagten B. C. beruflich genutzten AP., welches über GPS nachgehalten und durch die Zeugen KHK BS. und AX. beschrieben werden konnte, steht ebenfalls nicht im Einklang mit der Angabe des Angeklagten, er sei bei seinen Eltern in AB. gewesen. Demnach wurde der AP. zwischen 22.04 Uhr und 22.09 Uhr wohnortnah einmal im Kreis gefahren, mutmaßlich erklärbar etwa durch eine Veränderung der Parksituation. Der Kartenausdruck über die Fahrzeugbewegung wurde durch die Kammer in Augenschein genommen. Da niemand sonst als der Angeklagte B. C. über die Berechtigung verfügte, das allein ihm überlassene Firmenfahrzeug zu bewegen, spricht auch die wohnortnahe Ortsveränderung des Lkw für seine Anwesenheit an seiner Wohnanschrift.
73Der Zeuge KHK BM. hat für den Zeitraum nach der Tat anhand der Funkzellendaten schildern können, dass erst kurz nach der Tatzeit ein Wechsel der Funkzelle erfolgte, hin zu der Funkzelle der elterlichen Wohnanschrift in der BH. Str. 00, 00000 AB..
74Der Angeklagte B. C. suchte im Zeitraum kurz vor der Tatzeit nach einer Beschäftigung, wie sein Anruf beim Anschluss der Zeugin CK. belegt. Die Zeugen CK. und V., deren Wohnung in der gleichen Straße wie die des Angeklagten liegt und die mit ihm oberflächlich bekannt waren, haben bestätigt, dass bei dem Anruf vom Abend des Tattages um 22.35 Uhr, ausgehend vom Mobiltelefon des B. C., sich auf Rückfrage der Anrufer als „B.“ vorgestellt habe. Der Anrufer sei gut drauf gewesen und die Zeugen hätten vermutet, dass er jemanden zum Feiern bzw. Alkoholtrinken suchte. Weiter sei aber nichts besprochen worden, da die Zeugen bereits zur Nachtruhe im Bett gewesen seien. Dass es sich bei dem Anrufer tatsächlich um den Angeklagten B. C. handelte, ist zur Überzeugung der Kammer auch dadurch belegt, dass der Zeuge V. genau zu der Zeit des Anrufs einen Kontakt zu „B. XX“ anlegte. Diese Feststellung ist durch Verlesung des Vermerks des KHK BM. vom 27.02.2020 nebst angehängter tabellarischer Listen getroffen worden. Dabei ist bei der Bestimmung der Speicherzeit, die tabellarisch mit „30.05.0000, 20:36:40 [Uhr] (UTC+0)“ ausgewiesen ist, zu beachten, dass zur Ermittlung der mitteleuropäischen Sommerzeit zwei Stunden hinzuzuaddieren sind.
75Schließlich ist die Kammer auch aufgrund der weiteren Telekommunikationsereignisse des Abends davon überzeugt, dass B. C. selbst sein Mobiltelefon zu dieser Zeit nutzte und bis zu diesem Zeitpunkt um 22.35 Uhr noch keinerlei gedankliche Beschäftigung mit einem Angriff auf AT. AU. erfolgt war. Der Zeuge AX., Disponent in der BW., für die B. C. bis zu seiner Verhaftung tätig war, hat die Umstände seines Telefonats mit B. am Tattag um 21.37 Uhr geschildert. Er konnte sich erinnern, dass der Angeklagte am Abend des Vatertags in entspannter Stimmung angerufen und sich erkundigt habe, ob er über die BW., deren Kerngeschäft der Transport von X-Möbeln ist, vergünstigt eine neue AY. beziehen könne. Dass es sich bei dem Anrufer sicher um den Angeklagten B. C. handelte, konnte der Zeuge überzeugend bekunden. Zum einen rief er über die zu seinem Namen eingespeicherte Nummer an, zum anderen war es dem Zeugen, der beruflich viel am Telefon arbeitet, sicher möglich, ihn als den tatsächlichen Anrufer zu identifizieren. Die Angaben des Zeugen, der sich an den Anlass des Anrufs sowie dessen Umstände – er verließ für eine ruhigere Umgebung kurzzeitig eine Gartenparty – noch gut erinnern konnte, zeugen von Originalität und lassen keinerlei Belastungstendenzen erkennen. Der Zeuge beschrieb B. C. vielmehr als angenehmen Menschen, der auch mit seinen Tourpartnern nie Schwierigkeiten gehabt habe. Im Zuge seiner Aussage bestätigte der Zeuge auch die anhand der GPS-Daten festgestellte Bewegung der an den Angeklagten B. C. überlassenen Sattelzugmaschine. Auch der Zeuge AZ., der um 22.17 Uhr bei dem Mobilfunkanschluss des B. C. angerufen hatte, um mit diesem über die weitere Tilgung von Schulden beim Vater der Angeklagten zu sprechen, erklärte, dass er den Angeklagten am Telefon erkannt habe. In seinem Verhalten sei ihm nichts Besonderes aufgefallen, er habe vielmehr ganz normale Antworten gegeben. Das Telefonat sei mit über fünf Minuten von längerer Dauer gewesen, weil man zunächst Smalltalk gehalten und er erklärt habe, dass er in der Reha sei.
76B. C. lebte allein. Dieser Umstand schließt zur Überzeugung der Kammer aus, dass eine dritte Person, etwa aus einem gemeinsamen Haushalt, unbemerkt auf das Mobiltelefon hätte Zugriff nehmen können. Vielmehr musste der Angeklagte in seiner Wohnung aufgesucht und in die Situation, insbesondere den Plan betreffend AT. AU., eingeweiht werden. Für die Einbeziehung des B. C. in diesen Plan bestand, wie die beiden Kommunikationsereignisse um 22.35 Uhr von 65 Sekunden (Anruf bei Zeugin CK.) und 22.42 Uhr (Anruf beim Opfer) belegen, lediglich ein kurzes Zeitfenster von etwa sechs Minuten, was ein überaus vertrautes Verhältnis zwischen dem Eintreffenden und B. C. nahelegt.
77Die Zeugin BN., die Lebensgefährtin des Opfers, hat die Umstände des Anrufs eindrücklich geschildert, der AT. AU. veranlasste, die gemeinsame Wohnung in der BC.-Straße zu verlassen. Der Gesprächspartner des Opfers sei sehr laut und aufgebracht gewesen und AU. habe ihn gefragt, ob er der Bruder von A. C. sei. AU. und der Gesprächspartner hätten etwas klären wollen, wofür er zur BA. kommen sollte, die von der Wohnung aus ebenso wie der Tatort fußläufig erreichbar ist. AU. habe sehr beruhigend auf das Gegenüber eingeredet und gesagt, dass er das klären wolle. Zudem habe er fragend geäußert, warum er denn die Polizei rufen solle. AT. habe auch den Namen eines konkreten Bruders von A. C. am Telefon rückfragend genannt, die Antwort habe sie aber nicht gehört. Auch vermochte es die Zeugin auf mehrfache Nachfrage nicht, einen konkreten Namen zu bezeichnen, meinte aber, der von AT. genannte Name habe mit einem „X“ begonnen. Bei der Verabschiedung habe er dann zu ihr gesagt, dass es der „ältere Bruder“ sei.
78Schließlich wurde ein Abdruck des kleinen Fingers der rechten Hand des Angeklagten B. C. auf einem der am Tatort sichergestellten Feuerzeuge nachgewiesen. Die beiden sichergestellten Feuerzeuge, schwarz und rot, wurden auf Fingerabdrücke untersucht. Die Kammer hat das Ergebnis der Untersuchung durch Vernehmung der Sachverständigen CO., Sachverständige für Daktyloskopie beim Landeskriminalamt CA., sowie Verlesung ihres Gutachtens vom 28.06.0000 unter Inaugenscheinnahme der Lichtbilder eingeführt. Die Sachverständige hat anhand großer Lichtbildaufnahmen der Fingerabdrücke, gesichert auf dem am Tatort sichergestellten schwarzen Feuerzeug, die charakteristischen Merkmale des kleinen Fingers der rechten Hand des Angeklagten B. C. konkret aufgezeigt und der Kammer so die eigene Überzeugung vermittelt, dass es sich bei dem Spurenverursacher um den Angeklagten B. C. handelt. Im Rahmen der Begutachtung hat die Sachverständige die für eine Identifizierung erforderlichen 12 sog. Merkmale, das heißt charakteristische Abweichungen vom idealtypischen Verlauf der Papillarlinien – Gabelungen, Unterbrechungen pp. – aufgezeigt, wie sie nur der Fingerabdruck des Angeklagten B. C. aufweist. Darüber hinaus hat sie noch zwei weitere Merkmale identifizieren können. Zur Verdeutlichung der Lokalisation des auf dem schwarzen Feuerzeug gesicherten Fingerabdrucks wird auf die nachfolgend abgedruckten Lichtbilder verwiesen:
79pp.
80Auf den weiteren eingerückten Lichtbildern, den im Rahmen der Hauptverhandlung durch die Sachverständige erläuterten Großaufnahmen, sind im Bereich oberhalb des waagerechten schwarzen Strichs vor dem Buchstaben „W“ – es handelt sich um eine negativische Darstellung unter Umkehrung der Farben Schwarz und Weiß, so dass die tatsächlich weiße Beschriftung des Feuerzeugs nunmehr schwarz dargestellt wird – 12 Merkmalsübereinstimmungen durch rote Punkte kenntlich gemacht. Im Bereich unterhalb des schwarzen Strichs finden sich die beiden weiteren Übereinstimmungen, ebenfalls durch rote Punkte hervorgehoben. Die identische Verortung der Merkmale wird durch die letzte Darstellung, bei der die Spur auf dem Feuerzeug durch die Sachverständige leicht nach rechts geneigt wurde, deutlich. In den Lichtbildern ist jeweils links die Spur auf dem schwarzen Feuerzeug und rechts die Vergleichsprobe aus der erkennungsdienstlichen Behandlung abgebildet:
81pp.
82Im Bereich von überlagernden weiteren Fingerspuren hat die Sachverständige zudem nachvollziehbar dargelegt, dass es nicht möglich ist, hinreichend sichere Aussagen dazu zu treffen, ob die sich überlagernden Spuren von ein und derselben Person oder von unterschiedlichen Personen stammen bzw. welcher der überlagernden Abdrücke früher bzw. später entstanden ist. Die Angaben der Sachverständigen waren detailliert und widerspruchsfrei. Sie werden zudem getragen durch ihre fachliche Qualifikation, die die Sachverständige bereits seit dem Jahr 0000 angesammelt hat, zunächst beim Erkennungsdienst der Polizei in CP., acht Jahren Tätigkeit in der XX-Technik, schließlich auch beim LKA, belegt durch Prüfung durch das Bundeskriminalamt. Anhaltspunkte, welche die fachliche Qualifikation der Sachverständigen in Zweifel zögen, bestehen nicht. Die Kammer verkennt nicht, dass naturgesetzlich nicht auszuschließen ist, dass auch dieses Feuerzeug durch jemand anderen zum Tatort gebracht worden sein könnte. In der Zusammenschau mit den übrigen Beweismitteln erachtet sie die Spur aber als wichtiges Beweisanzeichen für die Anwesenheit B. C. am Tatort, das sie für ihre Schlussfolgerung hinsichtlich seiner Beteiligung heranzieht.
83d)
84Die Kammer ist davon überzeugt, dass sich die Angeklagten zu einer Körperverletzung zum Nachteil des AT. AU. verabredet hatten.
85Der Angeklagte A. C. hatte erst rund eineinhalb Stunden vor der Tat mit dem Bruder des Opfers AW. AU. telefoniert und ihm gegenüber seiner Forderung nach einem „Blutgeld“ in Höhe von 5.000,00 € Ausdruck verliehen. Ohne eine solche Zahlung werde AT. AU. büßen müssen. Der von AW. AU. inhaltlich wiedergegebene Anruf wird durch die Verbindungsdaten des Anschlusses von A. C. belegt; er erfolgte um 21.14 Uhr und dauerte 212 Sekunden. A. C. war bei der Auseinandersetzung vom Vortag auch für ihn überraschend mit einem gefährlichen Werkzeug verletzt worden. Bei der angeklagten Tat wurden AT. AU. im Zuge des Angriffs Schläge mit einem rundlich konfigurierten Schlagwerkzeug beigebracht. Dies korrespondiert mit einer Wiederherstellung der Waffengleichheit, da A. C. zur Überzeugung der Kammer keine erneute Demütigung infolge unterlegener Mittel in Kauf zu nehmen bereit war. Die entsprechende Schlussfolgerung lässt sich insbesondere auf seine Aussagen gegenüber der Zeugin AV. aus der Nacht vor dem Tattag stützen. Der Angriff auf AT. AU. erfolgte entsprechend dieser Überlegung auch nicht erneut allein durch A. C., sondern aus einer Position der zahlenmäßigen Überlegenheit mit mehreren, zumindest aber zwei Angreifern. Dies war durch die Angeklagten beabsichtigt, die im Vorhinein die Konstellation des Aufeinandertreffens mit AT. AU. gestalteten, indem sie ihn anriefen und – nach Art eines Hinterhalts – zu einer an sich noch abgelegeneren Stelle dirigieren wollten. Der Anruf bei AT. AU., ausgeführt vom Mobiltelefon des B. C., erfolgte dann auch nicht durch A. C. selbst, sondern durch einen vorgeschobenen älteren Bruder. Einer solchen Verdeckung des eigentlichen Initiators des Treffens – A. C. – bedurfte es zur Überzeugung der Kammer nur, da die Annahme nahelag, AT. AU. werde sich nicht ohne Weiteres erneut mit A. C. treffen, der ihn zuvor vor seiner Haustür angegriffen hatte. Das Opfer wurde vielmehr durch die Einschaltung eines älteren Bruders in Sicherheit gewiegt, um sich dann, gegebenenfalls abhängig von dessen Reaktion auf die erneute Forderung von „Blutgeld“, handgreiflich an diesem zu rächen.
86e)
87Demgegenüber liegt ein vorsätzliches Tötungsdelikt zur Überzeugung der Kammer nicht vor.
88Ein Tötungsvorsatz bestand nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme im Zeitpunkt des gemeinsamen Aufbruchs aus der Wohnung des B. C. in Richtung Tatort nicht.
89Zwar hat die V-Person „CQ.“ nach entsprechender Vertraulichkeitszusage gegenüber den V-Mann-Führern bekundet, der Angeklagte A. C. habe bei dem Angriff das Messer geführt und das Opfer niedergestochen. Im Zuge der wiederholten Vernehmungen durch die VP-Führer KHK CR. und KHK CS. wurde jedoch deutlich, dass die Angaben keine Überzeugungsbildung tragen können. Die V-Person „CQ.“ hatte demnach ihre Erkenntnisse ausschließlich aus Gerüchten gewonnen, die in der u. Gemeinde nach der Tat zahlreich kursierten, und konnte gegenüber den VP-Führern auch keine der Personen mehr bezeichnen, die das Gerücht an sie weitergetragen haben sollten.
90Das vordringlich bekundete Interesse des Angeklagten A. C. bestand in dem Erhalt einer finanziellen Kompensation für seine Schmach und die Verletzung vom Vortag. Dieses Interesse hatte er noch kurz zuvor gegenüber AW. AU. formuliert. Bei einer Tötung des AT. AU. stand indes naturgemäß keinerlei Zahlung zu erwarten. Überdies handelten die Angeklagten in sehr offener und identifizierbarer Weise. Sie nutzten für den Anruf, der AT. AU. aus seiner Wohnung führte, das Mobiltelefon des Angeklagten B. C.. Zudem gab der Anrufer gegenüber dem Opfer preis, dass er ein älterer Bruder von A. C. sei. Dabei mussten die Angeklagten davon ausgehen, dass AT. AU. diese Information vor dem Treffen mit dritten Personen teilen könnte. Tatsächlich nahm seine Lebensgefährtin, die Zeugin BN., auch Kenntnis von diesem Umstand, wenngleich sie den am Telefon genannten Namen nicht mehr sicher erinnern konnte. B. C. hat zudem keine durch Gewaltdelikte geprägte Vergangenheit, sondern lebte zuletzt ein sozial integriertes, unauffälliges Leben. In dieser Lebenssituation erscheint es der Kammer ausgeschlossen, dass sich B. C. binnen nur sechs Minuten von seinem jüngeren Bruder davon überzeugen ließ, den AT. AU. wegen dessen Demütigung vom Vortag nun umzubringen. Auch eine nur billigende Inkaufnahme eines solchen Geschehensablaufs ist auf Grundlage der Umstände, insbesondere ihrer leichten Identifizierbarkeit und dem Fehlen eines hinreichend abgestimmten Alibis, für keinen der beiden Angeklagten feststellbar.
91Es ist zur Überzeugung der Kammer auch nicht feststellbar, dass die Angeklagten im Zuge des tätlichen Übergriffs auf den AT. AU. einen entsprechenden Tötungsvorsatz fassten. Hierzu fehlt es bereits an der Gewissheit, dass einer oder beide Angeklagte im Zeitpunkt der Eskalation des als tätlicher Angriff geplanten Geschehens durch den tödlichen Messereinsatz überhaupt noch am unmittelbaren Tatort zugegen waren und den Messereinsatz wahrnahmen. Die Kammer, die die Beteiligung weiterer Angreifer an dem geplanten Angriff auf AT. AU. nicht ausschließen kann, kann nicht feststellen, wo sich die Angeklagten zu diesem Zeitpunkt befanden, ob sie noch Handlungen ausführten oder ihnen noch Möglichkeiten zu einem Einschreiten offenstanden und sie in diesem Sinne einen etwaig gefassten Vorsatz (zu handeln oder nicht zu handeln) betätigten.
92f)
93Bei der Polizei AB. ging im September 0000 ein – allerdings wohl schon im Juli 0000 verfasstes und wegen fehlenden Portos zunächst nicht zugestelltes – anonymes Bekennerschreiben ein. Dessen Verfasser bezichtigte sich selbst, AT. AU. eigenhändig erstochen zu haben. Er sei einer von mehreren Angreifern gewesen, die das Opfer aber nicht hätten umbringen, sondern nur unter Benutzung eines Knüppels schlagen und treten wollen. Das Opfer habe aber ein Messer aus der Hose gezogen und den Verfasser des Schreibens damit verletzt. Er selbst habe das Opfer darauf mehrmals mit dem Knüppel ins Gesicht geschlagen, ihm das Messer abgenommen und so lange auf AT. AU. eingestochen, bis dieser sich nicht mehr gewehrt habe. Die übrigen Angreifer seien bereits geflohen und ins Auto eingestiegen, als sie gesehen hätten, dass AU. ein Messer gehabt habe.
94Die Kammer kann die Identität des Verfassers nicht feststellen. Naheliegend ist das Schreiben zum Zweck einer Entlastung der zu diesem Zeitpunkt bereits inhaftierten beiden Angeklagten verschickt worden. Das lässt weitere Rückschlüsse auf seinen Wahrheitsgehalt nicht zu. Der kann aber letztlich dahinstehen. Die Schilderung eines gemeinsamen Angriffs in Körperverletzungsvorsatz und einer Exzesstötung durch nur einen der jeweils anderen Angreifer im Kampf mit dem Opfer entspricht ohnehin den Feststellungen, die die Kammer auf der Grundlage des Ertrags der Beweisaufnahme im Übrigen zu Gunsten eines jeden der beiden Angeklagten getroffen hat.
95Allerdings folgt die Kammer nicht der Darstellung des Schreibens, das Messer sei vom Opfer selbst zum Tatort mitgebracht worden. Sie stützt diese Würdigung auf die folgenden Umstände:
96Die im Zeitpunkt der Tat getragene Jogginghose des Opfers wurde in Augenschein genommen. Sie verfügt über Hosentaschen, nicht aber über weitere Taschen, und weist weder außen noch innerhalb der Taschen sichtbare Beschädigungen auf, die auf den Transport eines Messers zum Tatort durch das Opfer selbst Rückschlüsse zuließen. Dies deckt sich auch mit der Aussage der Zeugin BN., die keinerlei Wahrnehmungen zur Mitnahme eines Messers durch das Opfer gemacht hatte. Das zur Herbeiführung der Verletzungen genutzte Messer war nach den Feststellungen des Sachverständigen für Rechtsmedizin, Dr. CY., nicht kurz und sicher scharf und stabil. Ein solches Messer lässt sich zur Überzeugung der Kammer nicht ohne Schäden in der Opferbekleidung mitführen. Das Opfer war zudem, wie die glaubhaften Angaben der Zeugin BN. belegen, von keinerlei Gefahr ausgegangen, die eine entsprechende Bewaffnung naheliegend erscheinen ließe. Die Kammer ist unter Würdigung aller Umstände der Tat überzeugt, dass das Messer durch einen der Angreifer zum Tatort mitgebracht wurde, kann aber nicht feststellen, vom wem genau und dass die anderen Angreifer davon wussten.
97g)
98Zur zeitlichen Einordnung des Geschehens hat die Kammer den Vermerk des KHK CT. vom 04.06.0000 auszugsweise verlesen, ausweislich dessen der Notruf am 30.05.0000 bereits um 23.06 Uhr abgesetzt wurde. Den Zeitpunkt des Eintreffens des ersten polizeilichen Einsatzmittels am Tatort hat die Kammer durch Verlesung der Sachverhaltsschilderung des KHK CU. vom 31.05.0000 eingeführt. Vor dem Hintergrund des letzten telefonischen Kontakts zwischen AT. AU. und dem Anschluss des Angeklagten B. C., der noch über 23.00 Uhr, also bis in die Tatzeit hinein, andauerte, schließt die Kammer ein Dazwischentreten dritter, nicht an dem vereinbarungsgemäßen körperlichen Übergriff auf das Opfer beteiligter Personen aus.
99Die Feststellungen zu den örtlichen Gegebenheiten am Tatort hat die Kammer durch Verlesung des Berichts über die Tatortaufnahme vom 30.05.0000, Verlesung des Eintrags zu Asservatennummer 00 aus dem Asservatenheft, welcher sich über die Auffindung der Feuerzeuge verhält, Inaugenscheinnahme der Lichtbildmappe der Spurensicherung nebst Skizze und Großaufnahmen der Feuerzeuge, jeweils unter Verlesung der Bildtexte und Erläuterungen zu den Abständen, getroffen.
100Die Kammer hat weiterhin die Lichtbilder aus der Lichtbildmappe des Streifendienstes, erstellt durch PK CV., unter Verlesung der Bildtexte in Augenschein genommen. Ferner wurden die Lichtbilder des Abschnitts „Detailaufnahmen der Leiche“ aus der Lichtbildmappe zur Tatortaufnahme in Augenschein genommen.
101Die Auffindezeugen BG. und CW. haben bildhaft beschrieben, dass das Gesäß des Opfers bei ihrem Eintreffen in plakativer Weise entblößt war und die dortigen Verletzungen offenlagen. Die Zeugin CX., die ebenfalls hinzukam, berichtete in Übereinstimmung hiermit, dass die Hose ein bisschen nach unten verschoben gewesen sei und man die Haut gesehen habe.
102Die Feststellungen zum Verletzungsbild sowie zur Todesursache, einem Verbluten nach multiplen Messerstichen, hat die Kammer auf Grundlage der Angaben des Sachverständigen Dr. CY., Oberarzt des Instituts für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum CZ., getroffen. Die Ausführungen des Sachverständigen macht sich die Kammer nach eigener Würdigung und Bewertung sowie Erörterung der Feststellungen anhand der Lichtbilder aus der Obduktion zu Eigen. Der Sachverständige hat mit nachvollziehbarer, fachlich fundierter Begründung ausgeführt, dass die an der Außenseite des rechten Oberarms festgestellte Doppelkontur zwei parallel verlaufende Hautblutungen zeige. Solche seien typisch für Schlagwerkzeuge mit rundlichem Querschnitt. Aufgrund der Wundaltersbestimmung sei hinsichtlich der Verletzungen durch stumpfe Gewalt von einer aktuellen Beibringung, keinesfalls früher als 24 Stunden vor dem Todeseintritt, auszugehen. Damit ist zur Überzeugung der Kammer eine Verursachung der Verletzungen im Rahmen der Schlägerei vom Vortag der Tat ausgeschlossen, die jedenfalls in diesem Zeitpunkt über 30 Stunden zurücklag. Hinsichtlich der Doppelkontur am rechten Oberarm sei auch sicher von einem entsprechenden Schlagwerkzeug auszugehen, da zwar eine Doppelkontur prinzipiell auch bei Schlägen mit der offenen Hand denkbar sei, nicht jedoch mit einer solchen Verletzungslänge und Einzelstellung der Konturen. Auch ein fester Griff sei als Ursache auszuschließen. Das Verletzungsbild sei vielmehr typisch für einen Schlag mit einem Baseballschläger, Stock o.ä. Eine Sturzfolge sei bei der Riss-/Quetschwunde im rechten vorderen Scheitelbereich aufgrund ihrer Lokalisation deutlich oberhalb der sog. Hutkrempenlinie sehr ungewöhnlich. Mangels entsprechender Anhaltspunkte für besondere Bodenbeschaffenheiten oder anderweitige besondere Umstände erachtet die Kammer insoweit, in Übereinstimmung mit der Beurteilung des Sachverständigen, eine Schlageinwirkung als verletzungsursächlich, zumal das fetzige Wundbild nach den Ausführungen des Sachverständigen eindeutig eine Verletzung durch stumpfe Gewalt belegt. Die Prellmarke auf der Nase ist demgegenüber nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen mit einem Sturz auf das Gesicht vereinbar. Die Messerstiche im Bereich des Gesäßes wie auch im Bereich des Rückens seien alle zueinander weitgehend parallel gestellt, was für eine statische Beibringungssituation spreche, etwa bei am Boden liegendem Opfer. Die 20 Stichkanäle seien gut mit nur einer Messerklinge vereinbar, wobei auch ein zweites Messer nicht ausgeschlossen werden könne. Die Klinge des verwendeten Messers sei, wie die vollständige Durchtrennung einer Rippe sowie der festgestellte Stichkanal von 23 cm Länge zeige, nicht kurz und sicher scharf und stabil gewesen.
103h)
104Nach dem Beweisergebnis, insbesondere der Durchsuchung der Wohnung des Opfers, der Vernehmung der Zeugen DA. und DB. sowie Inaugenscheinnahme der Lichtbilder aus der Videoüberwachung des der Wohnanschrift des Opfers benachbarten Schaustellerbetriebes, bestehen Gründe für den Verdacht, dass AT. AU. in Drogengeschäfte verwickelt war. Gerade für den Tattag bestehen Anhaltspunkte, dass eine Beschaffungsfahrt der Zeugen DA. und DB. nach DC. erfolgte, nachdem man sich zuvor an der Anschrift des AT. AU. getroffen hatte. Angesichts der gegen die Angeklagten sprechenden Beweise haben sich aus diesen Umständen indes keine Anhaltspunkte ergeben, welche für eine Alternativtäterschaft hinsichtlich der Tötung des AT. AU. sprächen.
1053. Feststellungen zur Einsichts- u. Steuerungsfähigkeit und zur Maßregelfrage
106Die Feststellungen zur Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Angeklagten A. C. beruhen auf den ausführlichen und nachvollziehbar begründeten Angaben des psychiatrischen Sachverständigen Dr. med. BI., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, die sich die Kammer nach eigener Prüfung und Bewertung zu Eigen macht.
107Eine Persönlichkeitsstörung im Sinne des vierten Eingangsmerkmals kann bei dem Angeklagten nicht festgestellt werden. Vielmehr ist sein Leben geprägt durch die Suche nach Ablenkungen von häufigen konflikthaften Situationen und innerer Haltlosigkeit. Ihm ist daran gelegen, soziale Resonanz zu erfahren, und er war in der Vergangenheit immer wieder zu sozial unauffälliger Werktätigkeit in der Lage. Deutliche Unausgeglichenheiten sind nicht feststellbar. Der psychische Befund erweist nach alldem einen unauffälligen, voll orientierten Angeklagten, der die Situation, in der er sich befand, voll und ganz erfasste.
108Anhaltspunkte, welche für einen die Schuldfähigkeit dennoch beeinträchtigenden, akuten schweren Rauschzustand sprechen, hat die Kammer nicht feststellen können. Dagegen spricht auch, dass dem Angeklagten eine schnelle und geordnete Flucht vom Tatort möglich war.
109Die Voraussetzungen einer Maßregelanordnung nach § 64 StGB liegen nicht vor. Bei dem Angeklagten liegt zwar ein lebensbegleitender Konsum von Rauschmitteln, insbesondere Kokain, vor, der jedoch Ausdruck eines Lebensstils und einer Affinität zu dem Suchtstoff ist, ohne die Kriterien eines Abhängigkeitssyndroms zu erfüllen. Gegen eine Abhängigkeit sprechen etwa die wiederholt feststellbaren konsumfreien Phasen und das Fehlen schädlicher gesundheitlicher Konsumfolgen. Der Kammer ist bewusst, dass ein Hang zum Missbrauch keine Abhängigkeit voraussetzt. Sie kann aber, in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen, zur Tatzeit nicht feststellen, dass der Angeklagte infolge seiner Konsumgewohnheiten sozial gefährdet oder sozial gefährlich war. Auch finden sich keine Anhaltspunkte für einen symptomatischen Zusammenhang zwischen Tat und Rauschmittelkonsum.
110Hinsichtlich der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Angeklagten B. C. hat die Beweisaufnahme keinerlei Anhaltspunkte für Einschränkungen erbracht.
111IV. Rechtliche Würdigung
112Die Angeklagten haben sich durch die Tat wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung mit Todesfolge gemäß §§ 227, 25 Abs. 2 StGB strafbar gemacht.
113Indem die Angeklagten das Opfer gemeinsam angriffen und diesem tatplangemäß durch zumindest einen der an dem Angriff Beteiligten mit einem Schlagwerkzeug Verletzungen beigebracht wurden, haben sie den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung gemäß §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2, 2. Var., Nr. 4 und Nr. 5 StGB verwirklicht. Schläge mit einem Schlagwerkzeug gegen den Kopf stellen eine Behandlung dar, die generell geeignet ist, das Leben zu gefährden. Die einzelnen Körperverletzungshandlungen sind den Beteiligten im Rahmen des § 25 Abs. 2 StGB wechselseitig zuzurechnen. Eine Strafbarkeit wegen gefährlicher Körperverletzung mittels eines hinterlistigen Überfalls (§ 224 Nr. 3 StGB) schied demgegenüber aus, da Feststellungen insbesondere zu dem erforderlichen planmäßigen Verbergen der Verletzungsabsicht jedenfalls für den Zeitpunkt des unmittelbaren Ansetzens zur Tatbestandsverwirklichung nicht getroffen werden konnten. Der Angriff nebst Herbeiführung von Verletzungen erfolgte, ggfs. nach Eintritt des bedingungsgemäßen Verhaltens des Opfers, welches in einer bestimmten ablehnenden Reaktion auf die Geldforderung bestanden haben mag, absichtlich (dolus directus I. Grades), in Kenntnis aller objektiven Umstände sowie rechtswidrig und schuldhaft.
114Der Tod des AT. AU. ist im Rahmen des § 227 StGB den Angeklagten zuzurechnen. Anders als bei Fahrlässigkeitsdelikten bedarf es bei der Körperverletzung mit Todesfolge nicht des Nachweises, dass ein jeder Beteiligter einen für den Erfolg kausalen Beitrag erbracht hat. Nach § 227 StGB macht sich auch derjenige strafbar, der die Verletzung nicht mit eigener Hand beibringt, jedoch aufgrund eines gemeinschaftlichen Tatentschlusses mit dem Willen zur Tatherrschaft zum Verletzungserfolg beiträgt (BGH, Beschl. v. 14.05.2020, 1 StR 109/20). Dabei ist Voraussetzung, dass die Handlung des anderen im Rahmen des allseitigen ausdrücklichen oder stillschweigenden Einverständnisses liegt (BGH, Beschl. v. 21.08.0000, 1 StR 191/19). Dies war bei den Gewalteinwirkungen zur tatplangemäßen Verletzung des AT. AU. bei allen an dem Angriff Beteiligten, auch den Angeklagten, der Fall.
115Der Verwirklichung des Grunddelikts haftete die ihm eigentümliche tatbestandsspezifische Gefahr an, dass das als gemeinsamer körperlicher Angriff zur Verletzung des Opfers geplante Geschehen sich nicht mit der letzten Sicherheit kontrollieren ließ. Die tatbestandsspezifische Gefahr des Kontrollverlusts bei gemeinschaftlichen Handlungen, zumal unter bewusstem Einsatz zumindest eines gefährlichen Werkzeugs und emotional aufgeladener Vorgeschichte, verwirklichte sich im tödlichen Ausgang der Tat. Der Geschehensablauf zwischen der gefährlichen Körperverletzung und der eingetretenen Todesfolge lag objektiv nicht außerhalb jeder Lebenserfahrung und stellte sich auch nicht als Verkettung außergewöhnlicher, unglücklicher Umstände dar. Abzustellen ist insofern auf den spezifischen Zusammenhang der gemeinschaftlichen Körperverletzungshandlung, die unter massivem Gewalteinsatz in einer Überzahlsituation erfolgte, und der Todesfolge. Es brauchen nicht alle konkreten Einzelheiten voraussehbar sein.
116Dies gilt auch in Ansehung der Exzesshandlung eines der anderen an dem Angriff auf das Opfer Beteiligten. Es genügt insofern, dass für beide Angeklagte die jeweils zu ihren Gunsten anzunehmende eigenhändige Herbeiführung der tödlichen Stichverletzungen durch den jeweils anderen Angeklagten oder einen unbekannten am Angriff beteiligten Dritten vorhersehbar war. Die Überschreitung des gemeinschaftlichen Tatplans durch einen Beteiligten lag in dem dynamischen Kampfgeschehen, unter Würdigung der Vorgeschichte sowie angesichts des Umstands, dass bei dem Angriff nicht nur gemeinschaftlich zusammengewirkt, sondern auch zumindest ein gefährliches Werkzeug mitgeführt wurde, in besonderem Maße nahe. Auch soweit die jeweils eigene Körperverletzungshandlung in der Person jedes einzelnen Angeklagten bereits beendet gewesen sein sollte und er sich räumlich entfernt haben mochte, als die Handlungen eines der Mittäter zum Todeserfolg führten, bleibt den Angeklagten die Todesfolge zurechenbar. Die etwaige Beendigung der eigenen Gewaltanwendung führt nicht zu einer Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs, da den wechselseitig zurechenbaren Gewaltanwendungen zur tatplangemäßen Verletzung des Opfers bereits die tatbestandsspezifische Gefahr eines tödlichen Ausgangs anhaftete. Das Opfer war durch den gemeinsamen Angriff in eine Lage gebracht worden, in der es weiteren Angriffen keine wirksame Gegenwehr mehr entgegenzubringen vermochte und so den weiteren Einwirkungen schutzlos ausgeliefert war (BGH, Beschl. v. 14.05.2020, 1 StR 109/20).
117Die Todesfolge wurde durch die Angeklagten gemäß § 18 Abs. 1 StGB wenigstens fahrlässig verursacht. Insofern liegt in der Verwirklichung des Grunddelikts eine erhebliche Sorgfaltsverletzung. Für beide Angeklagte war in ihrer konkreten Lage und nach ihren persönlichen Möglichkeiten der Todeseintritt im Ergebnis vorhersehbar und lag nicht so weit außerhalb der Lebenswahrscheinlichkeit, dass eine Zurechnung ausscheiden muss. Einschränkungen der kognitiven Fähigkeiten, die eine vollständige Verkennung der Lebenswirklichkeit und der Gefahrneigung ihrer Verhaltensweise nahelegen könnten, sind für keinen der Angeklagten festzustellen. Beide waren sich der Vorgeschichte ihres Angriffs, namentlich der schwerwiegenden Körperverletzung unter Verwendung eines Sandhandschuhs, bewusst und kannten das Eskalationsrisiko, welches aufgrund der emotionalen Betroffenheit wie auch der konstellierten Angriffssituation – gerüstet, in Überzahl und des Nachts absehbar ohne viele Zeugen – nahelag.
118Die Tatbegehung erfolgte auch rechtswidrig und schuldhaft.
119Die Strafbarkeit wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2, 2. Var., Nr. 4 und Nr. 5 StGB steht, da die Gefahr für das Leben des Opfers gerade durch die Qualifikationsgründe des § 224 StGB geschaffen wurde, in Gesetzeskonkurrenz zur Strafbarkeit gemäß §§ 227, 25 Abs. 2 StGB. Der Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung wird konsumiert, ein Klarstellungsbedarf ist nicht gegeben (BGH, Urt. v. 30.08.2006, 2 StR 198/06; vgl. auch Fischer, StGB, 67. Aufl. 2020, § 227 Rn. 12).
120V. Strafzumessung
1211.
122Bei der Strafzumessung für den Angeklagten A. C. ist die Kammer von dem Strafrahmen des § 227 StGB ausgegangen, der eine Freiheitsstrafe von drei bis fünfzehn Jahren (§ 38 Abs. 2 StGB) vorsieht.
123Die Kammer hat das Vorliegen eines minder schweren Falles gemäß § 227 Abs. 2 StGB erwogen und insbesondere die Voraussetzungen des § 213 Alt. 1 StGB in den Blick genommen (vgl. Fischer, StGB, 67. Aufl. 2020, § 227 Rn. 11).
124Ein Fall des § 213 StGB liegt nicht vor. A. C. wurde nicht ohne eigene Schuld durch eine ihm zugefügte Misshandlung alsbald zu der Tat hingerissen. Die erhebliche Verletzung vom Vortag war weder ohne eigene Schuld des Angeklagten eingetreten, da er AT. AU. zuvor seinerseits geschlagen und zum Zwecke der Auseinandersetzung zu Hause aufgesucht hatte, noch war der Angeklagte auf der Stelle zur Tat hingerissen worden. Vielmehr entfernte er sich nach der Verletzungshandlung und verbrachte unter anderem viel Zeit mit den Zeugen AD. und AV.. Zudem lenkte er sich sowohl durch Glücksspiel als auch durch den Konsum von Kokain ab. Der später einsetzende Rachegedanke war von gekränkter Ehre und einem Bestrafungszweck getragen. Die gemeinschaftliche Körperverletzung erfolgte vor diesem Hintergrund nicht mehr unter dem beherrschenden Einfluss einer anhaltenden Erregung, sondern aus sogenannter „kalter Wut“. Das für den Angeklagten in seiner Situation erträgliche Maß an Misserfolg, wie er letztlich auch in der erlittenen Verletzung zum Ausdruck kam, war erreicht und ließ ihn durch Erhöhung des Maßes an Gewalt reagieren. Dass er hierzu nunmehr bereit war, wurde ihm aber erst im Laufe des Tages und im Zuge der Einnahme einer Distanz zu der erlittenen Verletzung bewusst, und er entschied sich danach zu handeln.
125Ein minder schwerer Fall nach § 227 Abs. 2 StGB liegt auch im Übrigen nicht vor. Die Tat weicht nicht nach unten hin von der gesetzgeberischen Regelvorstellung ab. Das Opfer hatte keinerlei Anteil an dem zu seinem Tod führenden gemeinschaftlichen Angriff. Vielmehr war AT. AU. am Telefon noch von einer Klärung der eskalierten Auseinandersetzung vom Vortag unter Beteiligung des älteren Bruders des A. C. ausgegangen. Er hatte auch keinerlei Pläne, selbst Gewalt einzusetzen oder auch nur die Polizei zu dem nächtlichen Treffen mit den Brüdern C. hinzuzuziehen, ging vielmehr von einem friedlichen Verlauf aus. In dieser Situation wurde das Opfer durch den Angriff überrascht. Dieser erfolgte in Überzahl und mit zumindest einem Schlagwerkzeug.
126Es verbleibt daher beim Strafrahmen des § 227 Abs. 1 StGB.
127Zugunsten des Angeklagten spricht, dass er aus einer noch im Ansatz nachvollziehbaren Vergeltungsmotivation handelte, nachdem er am Tag zuvor durch das Opfer, unter Verletzung der Waffengleichheit, erheblich verletzt worden war. Zudem ging der Angeklagte davon aus, dass ihm AT. AU. nach wie vor Geld schuldete und sich seiner Rückzahlungsverpflichtung zu entziehen suchte. Seine Rückforderungsbemühungen sowie der Wunsch nach einer Kompensation für den Nasenbeinbruch waren zuvor weder durch das Opfer noch durch dessen Bruder ernst genommen worden.
128Zu Lasten des Angeklagten war demgegenüber zu berücksichtigen, dass er aus sogenannter „kalter Wut“ handelte, nachdem der seine Rachegedanken tragende Vorfall bereits mehr als dreißig Stunden zurücklag. Zudem steuerte er die Angriffskonstellation, in der die Körperverletzung in Überzahl und unter bewusster Verwendung zumindest eines gefährlichen Werkzeugs erfolgte. Der Angeklagte A. C. entfaltete als zuvor Verletzter die entscheidende Initiative zur Durchführung einer Rachemaßnahme und veranlasste den bzw. die Mittäter dazu, das Opfer anzugreifen. Zur nächtlichen Tatzeit war auch absehbar mit weniger Zeugen zu rechnen. Das arglose Opfer wurde zuvor durch die vorgeschobene Beteiligung eines vermeintlich weiseren älteren Bruders in Sicherheit gewiegt. A. C. ist zudem vorbestraft und war u.a. wegen schweren Raubes bereits inhaftiert.
129Nach alldem ist in der Person des Angeklagten A. C. für die Tat eine Freiheitsstrafe in Höhe von
130acht Jahren und sechs Monaten
131tat- und schuldangemessen.
1322.
133Bei der Zumessung der gegen den Angeklagten B. C. zu verhängenden Strafe ist die Kammer ebenfalls vom Strafrahmen des § 227 Abs. 1 StGB ausgegangen, welcher eine Freiheitsstrafe von drei bis zu fünfzehn Jahren vorsieht.
134Die Kammer hat auch bezüglich des Angeklagten B. C. das Vorliegen eines minder schweren Falles nach § 227 Abs. 2 StGB geprüft und im Ergebnis abgelehnt. Ein minder schwerer Fall liegt nicht vor. In der Person des B. C. ging der Tat keinerlei Tätlichkeit oder schwere Beleidigung von Seiten des Opfers voraus. Allenfalls kommt ein erlittenes Gefühl der Schmach aufgrund von familiärer Verbundenheit zu dem in der Auseinandersetzung vom Vortag unterlegenen Bruder A. C. in Betracht. Ein solches subjektives Gefühl unterstellt, wäre dies indes nicht geeignet, einen minder schweren Fall entsprechend § 213 StGB zu tragen. Die Tat stellt sich auch im Übrigen nicht als minder schwerer Fall gemäß § 227 Abs. 2 StGB dar. Insofern wird auf die Ausführungen zu Ziff. V. 1. verwiesen. Auch B. C. führte den für das Opfer überraschenden Angriff auf AT. AU. aus einer Überzahlsituation und in dem Bewusstsein überlegener Mittel.
135Es verbleibt daher auch für B. C. bei dem Regelstrafrahmen des § 227 Abs. 1 StGB.
136Zugunsten des Angeklagten spricht, dass er aus familiärer Verbundenheit zu seinem zuvor durch das Opfer verletzten jüngeren Bruder gehandelt hat. Ein eigenes Motiv zur Verletzung des AT. AU. hatte er nicht. Ebenso fungierte er, dem ein Gewaltdelikt der vorliegenden Art eher wesensfern erscheint, nicht als Initiator des Angriffs.
137Zu Lasten des Angeklagten spricht indes, dass er sich zur Umsetzung der über einen Tag gewachsenen Rachepläne des A. C. hatte instrumentalisieren lassen. Er war bewusst Teil des von dem Mitangeklagten A. C. initiierten Hinterhalts und ebenso bewusst Teil der in Überzahl auftretenden Angreifer, wobei er um die Eskalation der Auseinandersetzung vom Vortag wusste. Die neuerliche Eskalation lag daher auch für ihn nicht fern. B. C. ist ebenfalls vorbestraft, wurde aber bislang lediglich wegen minder schwerer Delikte zu Geldstrafen verurteilt.
138Nach alldem ist in der Person des Angeklagten B. C. für die Tat eine Freiheitsstrafe in Höhe von
139sieben Jahren
140tat- und schuldangemessen.
141VI. Kosten und Sonstiges
142Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 465 Abs. 1, 472 Abs. 1 StPO.