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Die Beklagten zu l) und 3) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger über den gezahlten Betrag von 60.000,00 DM hinaus ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 140.000,00 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 200,00 DM zu zahlen.
Es w{rd festgestellt, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche künftigen materiellen Schäden und die Beklagten zu 1) und 3) als Gesamtschuldner darüber hinaus auch sämtliche künftigen im materiellen Schäden zu ersetzen, die dem Kläger in Zukunft aus dem Verkehrsunfall vorn 27.09.1991 auf der K. Straße zwischen V. und T. entstehen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen. Die Haftung der Beklagten zu 2) ist dabei begrenzt auf die sich aus dem Straßenverkehrsge setz ergebenden Haftungssummen, die Haftung des Beklagten zu 3) ist beschränkt auf die im Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsvertrag mit der Beklagten zu 2) vereinbarten Haftungssumme.
Die Beklagten haften dem Kläger dem Grunde nach für die ihm entstandenen Verdienstausfallansprüche für den Zeitraum bis einschließlich November 1997.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlußurteil vorbehalten.
Das Urteil ist für den Kläger vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 160.000,00 DM.
T a t b e s t a n d
2Mit der Klage macht der Kläger Schadensersatz und Schmerzensgeldansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 27.09.1991 gegen
313.15 Uhr auf der K. Straße zwischen V. und T. geltend. Der Beklagte zu 1) ist der Fahrer des beteiligten landwirtschaftlichen Zuggespannes mit dem amtlichen Kennzeichen MI-A 483, dessen Halterin die Beklagte zu 2) war und das bei dem Beklagten zu 3) am Unfalltag haftpflichtversichert war.
4Der Kläger fuhr mit dem Pkw Opel Kadett, amtliches Kennzeichen SHG-AP 64 seines Vaters aus Richtung V. kommend in Richtung T.. Als Grundwehrdienstleistender befand er sich auf dem Heimweg von seinem Bundeswehrstandort in F.. Vor dem Kläger befuhr der Beklagte zu 1) mit einem 9 m langen, aus Trecker und Anhänger bestehenden Gespann die K. Straße. Der Beklagte zu 1) fuhr etwa 20-22 km/h. Die vom Kläger gefahrene Geschwindigkeit ist streitig. Der Kläger überholte das landwirtschaftliche Gespann des Beklagten zu 1). Als der Beklagte zu 1) nach links abbog, kam es zur Kollision, wobei das linke Vorderrad des Treckers das Fahrzeug des Klägers seitlich rammte. Dabei kam das Fahrzeug nach links von der Fahrbahn ab und prallte frontal gegen einen Straßenbaum. Der Kläger erlitt lebensgefährliche Verletzungen, am Pkw Opel Kadett entstand Totalschaden. An der landwirtschaftlichen Zugmaschine entstand leichter Sachschaden. Der Unfallhergang ist zwischen den Parteien im Einzelnen streitig.
5Unstreitig sind dem Kläger folgende unfallbedingte Verletzungen entstanden:
6- Abriß des linken Unterschenkels im letzten Drittel. Prothetisch wurde der Kläger erst Anfang 1994 versorgt, da sich die Erstellung einer Prothese als außerordentlich schwierig darstellte. Bis März 1993 ging der Kläger auf zwei Krücken.
7- Trümmerbruch des 5. Lendenwirbels. Nach Entfernung der Metallfixierungen bestehen weiterhin Rückenschmerzen.
8- Doppelter Kieferbruch mit der Folge weiterer Kaubeschwerden sowie vorhandener Taubheit in Teilbereichen der Haut.
9- Doppelter offener Unterschenkelbruch rechts mit akuten Schmerzen und einem Knickfuß.
10- Bruch des Ellenbogenhöckers links
11- Doppelte Ellenfraktur links
12- Rißverletzung im Analbereich
13- Jochbeinfaktur
14- HWS-Schleudertrauma mit mehrwöchiger Halskrause
15- Hüftverschleiß aufgrund der langjährigen einseitigen Beinbelastung. Der Schiefgang belastet die Wirbelsäule.
16- vorhandene Narben: Im Gesicht unterhalb des rechten Kinnknochens 3 cm, im Rücken 5 cm, am Bauch 10 cm, am Becken 2 x 5 cm, linker Oberschenkel 20 cm, rechter Oberschenkel 20 cm, rechter Unterschenkel 20 cm, linker Unterarm 12 cm und 5 cm.
17Der Kläger leidet nach dem Unfall bis zu zweimal wöchentlich unter Phantomschmerzen. Ferner hat er seitdem einen nervösen Magen.
18Der Kläger wurde am 27.09.1991 bis zum 28.01.1992 im Klinikum N. unfallchirurgisch stationär behandelt. Infolge einer Lungenembolie schwebte er in akuter Lebensgefahr. Vom 28.01. bis 04.07.1992 schloß sich eine Maßnahme im K.-Rehabilitationszentrum C. an. Vom 14.09. bis 29.09.1992 erfolgte die Entfernung von Metallteilen sowie rnund-, kiefer und gesichtschirurgischer Maßnahmen wiederum im Klinikum N.. Im Juni 1993 erfolgte eine sechswöchige Reha-Behandlung in E.. Im September 1993 wurden im Klinikum N. erneut Metallplatten entnommen. Daran schloß sich eine weitere sechs wöchige Reha-Maßnahme in E. an. Von September 1993 bis Februar 1994 erfolgte eine Nachamputation im Klinikum L..
19Der zum Zeitpunkt des Verkehrsunfalls 20-jährige Kläger befand sich vor dem Unfall vorn 01.08.1998 bis zum 30.01.1991 in einer Ausbildung als Kfz-Mechaniker. Er war vom 01.02.1991 bis 30.06.1991 als Geselle bei der Ausbildungsfirma J. KG in S. beschäftigt. Nach dem unfallbedingten vorzeitigen Ausscheiden aus der Bundeswehr erhielt der Kläger zunächst Lohnfortzahlung von seinem Arbeitgeber für die Zeit vom 01.05.1992 bis 11.06.1992. Ohne den Verkehrsunfall wäre der Kläger nach Beendigung seines Wehrdienstes von der Firma J. weiterbeschäftigt worden.
20Seit dem Verkehrsunfall ist der Kläger zu 80 % in seiner Erwerbsfähigkeit behindert. Er hat neben Krankengeld und Arbeitslosengeld Leistungen nach dem Soldatenversorgungsgesetz und Mittel der Kriegsopferfürsorge nach§ 26 a Bundesversorgungsgesetz erhalten. In einem Verfahren vor dem Landesozialgericht Hannover S 18 V 18/95 macht der Kläger höhere Versorgungsansprüche geltend. Das Verfahren ist zur Zeit noch nicht rechtskräftig abgeschlossen.
21Ein gegen den Beklagten zu l) eingeleitetes Strafverfahren wurde gemäߧ 153 Abs. 1 StPO eingestellt.
22Der Kläger ist der Auffassung, der Beklagte zu 1) habe den Verkehrsunfall allein schuldhaft verursacht. Im Einzelnen trägt er vor: Er habe das Gespann schon von weitem gesehen und sich diesem mit einer Geschwindigkeit von etwa 70 km/h genähert, um es zu überholen. Etwa 4 Sekunden vor dem Ausscheren auf die linke Fahrbahn habe er den linken Blinker betätigt. Auch noch nach Beginn des Überholvorganges sei das Gespann ohne jede Auffälligkeit weiter geradeaus gefahren. Als sich der Kläger mit dem Beklagten zu 1) ungefähr auf gleicher Höhe befunden habe, habe dieser den Trecker abrupt und völlig vorhersehbar nach links gelenkt, um in die Gemeindestraße Richtung Kieswerk Z. einzubiegen. Der Beklagte zu 1) habe den Kläger dabei völlig übersehen. Die Außenspiegel des Treckers seien verkehrt eingestellt gewesen und hätten so stark vibriert, daß diesem eine Rückschau nicht möglich gewesen sei. Gegenüber den unfallaufnehmenden Polizeibeamten habe der Beklagte zu 1) sich dahingehend eingelassen, erst bei Kilometerstein 1,0 den Fahrtrichtungsanzeiger betätigt zu haben. Dieses sei jedenfalls zu spät gewesen. Im Übrigen sei der Kläger sich sicher, daß der Be klagte zu 1) den Fahrtrichtungsanzeiger überhaupt nicht betätigt habe. Im Hinblick auf die Angaben des Beklagten zu 1) hätten die unfallaufnehmenden Polizeibeamten von einer ausführlichen Unfallaufnahme abgesehen. Für ihn sei der Unfall unvermeidbar gewesen. Der Beklagte zu l) habe den Verkehrsunfall allein verschuldet. Er habe die erhöhte Sorgfaltspflicht als Linksabbiegender mißachtet und zudem den Fahrtrichtungswechsel nicht angezeigt.
23Im Einzelnen sei ihm folgender Schaden entstanden: Wiederbeschaffungswert des verunfallten Opel Kadett 500,00 DM
24(unstreitig)
25Kfz-Ummeldekosten und allgemeine Unfallpauschale 100,00 DM
26(unstreitig)
27Diese Ansprüche sind ihm von seinem Vater unstreitig abgetreten worden.
28Ferner sei ihm ein Verdienstausfallschaden in Höhe von 25.208,58 DM bis November 1997 entstanden. Hierzu wird auf die Berechnung des Klägers im Schriftsatz vom 14.11.1997, Bl. 141 ff. d.A., Bezug genommen.
29Der Kläger ist der Auffassung, daß aufgrund der unfallbedingten Verletzungen ein Schmerzensgeld in Höhe von 180.000,00 DM angemessen sei. Hierzu trägt er vor, er habe unfallbedingt Potenzstörungen und Miktionsbeschwerden erlitten. Ferner sei im Nachhinein unfallbedingt ein Asthmaleiden aufgetreten. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes sei zu berücksichtigen, daß nicht abzusehen sei, ob der Kläger je wieder einen handwerklichen Beruf ausüben könne. Auch die medizinisch-psychische Langzeitentwicklung könne derzeit nicht abgeschätzt werden. In einem vergleichbaren Fall habe das Oberlandesgericht Düsseldorf ein Schmerzensgeld in Höhe von 180.000,00 DM zugesprochen (DAR 95, S. 159).
30Der Kläger beantragt,
31die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 25.408,58 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
32die Beklagten zu l) und zu 3) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld über den gezahlten Betrag von 60.000,00 DM hinaus nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
33festzustellen, daß die Beklagten als Gesamtschuldner ver pflichtet sind, ihm sämtliche materiellen und die Beklag ten zu l) und 3) darüber hinaus auch sämtliche zukünftigen immateriellen Schäden zu ersetzen, die dem Kläger in Zu kunft aus dem Verkehrsunfall vom 27.09.1991 auf der K. Straße zwischen V. und T. entste hen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungs träger oder sonstige Dritte übergehen.
34In Höhe von 40.400,00 DM (die die Beklagten nach Klageerhebung gezahlt haben) haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.
35Die Beklagten erkennen den Feststellungsanspruch wie folgt an:
36Die Beklagten zu 1) und 3) sind verpflichtet, als Gesamtschuldner dem Kläger allen künftigen materiellen Schaden aus dem Verkehrsunfall vorn 27.09.1991 zu 2/3 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen sind. Die Beklagten zu 1) und 3) sind darüber verpflichtet, als Gesamtschuldner dem Kläger auch etwaigen künftigen, heute noch nicht vorhersehbaren immateriellen Schaden aus dem genannten Verkehrsunfall zu 2/3 zu ersetzen; die Haftung der Beklagten zu 2) ist dabei begrenzt auf die sich aus dem Straßenverkehrsgesetz ergebenden Haftungssummen, die Haftung des Beklagten zu 2) ist dabei begrenzt auf die sich aus dem Straßenverkehrsgesetz ergebenden Haftungssummen, die Haftung des Beklagten zu 3) ist beschränkt auf die im Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsvertrag mit der Beklagten zu 2) vereinbarten Haftungssumme.
37Im Übrigen beantragen die Beklagten,
38die Klage abzuweisen.
39Sie sind der Auffassung, der Kläger müsse wegen Mitverschuldens und der Betriebsgefahr seines Fahrzeuges einen Anteil von 1/3 der ihm entstandenen Schäden tragen. Im Einzelnen tragen sie vor: Der Beklagte zu 1) habe sich etwa 100 m vor dem Abzweig zum Kieswerk nach hinten umgesehen. 30-40 m vor dem Abzweig habe er sich nochmals umgesehen. Dabei sei das Fahrzeug des Klägers nicht zu sehen gewesen. Den Fahrtrichtungsanzeiger habe er bestimmt 70-80 m vor dem Abbiegen gesetzt. Die Beklagten weisen darauf hin, daß die Angaben des Klägers zu der von ihm gefahrenen Geschwindigkeit differieren.
40Sie behaupten des Weiteren, die Sichtmöglichkeit des Klägers sei eingeschränkt gewesen, da das Fahrzeug vollgepackt gewesen sei. Im Übrigen behaupten die Beklagten, der Kläger sei ungebremst auf den Trecker geprallt. Nach seinen eigenen Angaben hätte er den Fahrtrichtungsanzeiger mindestens 2 Sekunden vor her sehen und einen Bremsversuch unternehmen müssen. Im Übrigen behaupten die Beklagten, der Kläger sei bei dem Verkehrsunfall nicht angeschnallt gewesen.
41Ein Verschulden des Klägers ergebe sich abgesehen von dem Übersehen des gesetzten Fahrtrichtungsanzeigers des Beklagten zu 1) auch daraus, daß dieser bei einem landwirtschaftlichen Gespann besonders vorsichtig fahren und überholen müsse, da in der konkreten Situation mit einem Abbiegevorgang des Beklagten zu 1) zu rechnen gewesen sei.
42Die Beklagten bestreiten die vorn Kläger behaupteten Potenz- und Miktionsbeschwerden. Sie sind im Übrigen der Auffassung, daß aufgrund der unstreitigen Unfallverletzung bei voller Haftung des Klägers ein Schmerzensgeld von maximal 90.000,00 DM gerechtfertigt wäre. Hinsichtlich der geltend gemachten Verdienstausfallansprüche sind sie der Auffassung, daß der Rechtsstreit nicht entscheidungsreif sei, da die Renten des Versorgungsträgers von den Verdienstausfallansprüchen des Klägers in Abzug zu bringen seien. Da der entsprechende Bescheid nicht rechtskräftig sei, sei das Sozialgerichtsverfahren abzuwarten, um eine doppelte Inanspruchnahme der Beklagten zu vermeiden.
43Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst beigefügter Anlagen verwiesen.
44Die Akte StA Bielefeld 41 Js 1146/91 lag vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen O. und N.. Ferner hat das Gericht den Kläger und den Beklagten zu 1) gemäߧ 141 ZPO persönlich gehört. Auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung des Landgerichts Bielefeld vorn 27.11.1997, Bl. 147 ff. d.A., wird Bezug genommen. Ferner hat das Gericht Beweis erhoben zum Unfallhergang durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. U. vorn 12. Februar 1998. Auf das Gutachten wird Bezug genommen. Ferner hat das Gericht ein urologisches Gutachten des Prof. Dr. H. vorn 24.06.1998 ( Bl . 230 ff. d.A.) sowie ein urologisches Gutachten des Prof. Dr. H. vorn 14 . 10.1998 (Bl. 363 ff. d.A.) eingeholt. Die Angaben der zeugen A. und Q. im Ermittlungsverfahren der Polizei vom 02.10.1991 (Bl. 27 und 28 der Ermittlungsakte) wurden zu Urkundsbeweiszwecken verwertet.
45Entscheidungsgründe
46Die Klage ist im zuerkannten Umfang begründet.
47Die Beklagten zu 1) und 3) haben dem Kläger die ihnen bei dem Verkehrsunfall vom 27.09.1991 entstandenen und entstehenden materiellen und immateriellen Schäden aus §§ 823 Abs. 1, § 847 BGB, § 18 StVG, §§ 1, 3 PflVG zu erstatten, die Beklagte zu 2) die dem Kläger entstandenen und entstehenden materiellen Schäden aus§ 7 StVG.
481.
49Die tatsächlichen Voraussetzungen des§ 18 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 7 Abs. 1 StVG sind unstreitig. Da die Beklagten eine Haftungsquote von 2/3 zu ihren Lasten annehmen, erübrigt sich eine Prüfung der Voraussetzungen des§ 7 Abs. 2 StVG.
50Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme steht darüber hinaus zur Überzeugung des Gerichtes fest, daß der Beklagte zu 1) den Verkehrsunfall durch sein Verhalten allein schuldhaft verursacht hat. Ein Mitverschulden und eine Mitverursachung des Klägers haben die Beklagten nicht nachweisen können.
51Als Linksabbiegender mußte der Beklagte zu 1) gemäߧ§ 9 Abs. 1 Satz 1, Satz 4 StVO seine Abbiegeabsicht rechtzeitig ankündigen. Vor dem Einordnen und vor dem Abbiegen hatte er auf den nachfolgenden Verkehr zu achten.
52Der Beklagte zu 1) hat gegenüber den unfallaufnehmenden Polizeibeamten N. und O. angegeben, in Höhe des Kilometers 1,0 den Fahrtrichtungsanzeiger nach links betätigt und sich zur Fahrbahnmitte eingeordnet zu haben, um anschließend nach links in die Zufahrt zum Kieswerk Z. einzubiegen.
53Ausweislich der von dem Polizeibeamten gefertigten Verkehrsunfallskizze und der vom Sachverständigen gefertigten Lichtbilder der Unfallstelle befindet sich der Kilometerstein 1,0 in Höhe der Zufahrt zum Kieswerk Z..
54Soweit der Beklagte in diesem Rechtsstreit bestreitet, erst bei Kilometer 1,0 den Fahrtrichtungsanzeiger betätigt zu haben, sondern bereits 70-80 m vor dem Abbiegen, stellt sich dieses als reine Schutzbehauptung dar.
55Die unfallaufnehmenden Polizeibeamten N. und O. haben übereinstimmend bekundet, sie hätten zwar keine konkrete Erinnerung mehr an den Inhalt des Gespräches mit dem Beklagten. Wenn in der Unfallanzeige aber eine entsprechende Erklärung des Beklagten aufgeführt worden sei, so habe der Beklagte dieses ihnen gegenüber auch nach dem Verkehrsunfall geäußert.
56Die Angaben der Polizeibeamten sind glaubhaft. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb die Polizeibeamten der Wahrheit wider Angaben des Beklagten in der Unfallanzeige aufnehmen sollten.
57Die Ankündigung der Abbiegeabsicht unmittelbar vor Einleitung des Abbiegevorganges ist nicht mehr rechtzeitig i.S.v. § 9 Abs. 1 StVO.
58Darüber hinaus hat der Beklagte zu 1) gegen das Gebot der doppelten Rückschau verstoßen. Bereits aus seinen eigenen Angaben bei der persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung vorn 27 . 1 1.1997 ergibt sich, daß dieser seiner doppelten Rückschaupflicht nicht nachgekommen ist. Der Beklagte zu 1) will erst beim Abbiegen nochmals in den Spiegel gesehen haben. Aus§ 9 Abs. 1 Satz 4 StVO folgt jedoch die doppelte Rückschaupflicht unmittelbar vor dem Abbiegen. Nachdem der Beklagte zu 1) zunächst schriftsätzlich vorgetragen hatte, das Fahrzeug des Klägers bereits in einer Entfernung von 70 bis 100 rn vor dem Abbiegevorgang gesehen zu haben, trägt er nunmehr vor, das Fahrzeug des Klägers zu keinem Zeitpunkt gesehen zu haben. Dann ist der Beklagte zu 1) entweder seiner doppelten Rückschaupflicht aus§ 9 Abs. 1 Satz 4 StVO nicht oder jedenfalls nicht mit gehöriger Sorgfalt nachgekommen.
59Ein Verschulden des Klägers haben die Beklagten nicht nachweisen können. Der Kläger durfte in der konkreten Situation überholen. Es lag weder eine unklare Verkehrslage noch ein Verbot durch Verkehrszeichen vor(§ 5 Abs. 3 StVO). Die Auffassung der Beklagten, der Kläger habe mit einem Abbiegevorgang des Beklagten zu 1) rechnen müssen, da es sich um ein landwirtschaftliches Gespann handele, ist nicht nachvollziehbar. Der Beklagte zu 1) hat erst unmittelbar vor dem Abbiegevorgang seine Abbiegeabsicht angezeigt. Der Kläger konnte und durfte auf ein verkehrsgerechtes Verhalten des Beklagten zu 1) vertrauen. Er hatte zuvor keine Anhaltspunkte dafür, daß der Beklagte zu 1) nicht seine Fahrt fortsetzen wollte.
60Eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit durch den Kläger haben die Beklagten nicht substantiiert vorgetragen. Im übrigen ergibt sich nach den Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. U., denen sich das Gericht in vollem Umfang anschließt, daß die Ausgangsgeschwindigkeit des Klägers zwischen 87 und 102 km/h lag. Eine höhere Geschwindigkeit als die vorn Sachverständigen festgestellte Mindestgeschwindigkeit des Klägers von 87 km/h läßt sich demnach nicht nachweisen. Der Kläger hat die zulässige Höchstgeschwindigkeit gemäߧ 3 Abs. 3 StVO eingehalten.
61Die Beklagten haben auch nicht zu beweisen vermocht, daß der Beklagte zu 1) seine Zugmaschine schon ca. 20 m vor der Einmündung nach links gezogen hat. Nach den Ausführungen des Sachverständigen läßt sich dies aus technischer Sicht nicht mehr klären. Der Sachverständige führt jedoch überzeugend aus, daß ein solches Verhalten des Beklagten zu 1) technisch völlig irreal wäre. Aus der Endlage des landwirtschaftlichen Zuges ergeben sich vielmehr reale Kollisionspunkte, die dafür sprechen, daß der Beklagte den Einmündungsbereich der Zufahrt zum Kieswerk anschneiden wollte. Gegen den Vortrag des Beklagten zu 1) spricht insbesondere, daß unter Zugrundelegung der Betätigung des Fahrtrichtungsanzeigers durch den Beklagten zu 1) in Höhe des Kilometers 1,0, dies bei einer Bogenfahrt mit einem Radius von 12 m exakt an der Stelle ist, an der der Abbiegebogen nach links beginnt.
62Auch eine Sichtbeeinträchtigung des Klägers ist nicht bewiesen, jedenfalls nicht kausal geworden. Der Kläger hatte lange vorher zum Überholen angesetzt, bevor der Beklagte bei Kilometerstein 1,0 den Fahrtrichtungsanzeiger betätigte.
63Für den Kläger war der Verkehrsunfall gemäߧ 7 Abs. 2 StVG unvermeidbar. Hierzu führt der Sachverständige überzeugend aus, daß es dem Kläger bei Beginn des Abbiegevorganges des Beklagten zu 1) nicht mehr möglich war zu reagieren und sein Fahrzeug vor dem abbiegenden landwirtschaftlichen Zug anzuhalten.
642.
65Die Beklagten haben auch nicht zu beweisen vermocht, daß der Kläger bei dem Verkehrsunfall nicht angegurtet war. Die Aussage der Polizeibeamten O. und N. ist unergiebig, da der Kläger bei ihrem Erscheinen bereits aus dem Fahrzeug her ausgezogen worden war.
66Der unmittelbar nach dem Unfall eingetroffene Zeuge A. hat bei seiner zeugenschaftlichen Vernehmung gegenüber der Polizeibehörde in N. am 02.10.1991, also kurze Zeit nach dem Verkehrsunfall, bekundet, der Kläger sei bei seinem Antreffen angeschnallt gewesen. Dem steht die Aussage des Zeugen Q. gleichen Datums nicht entgegen. Dieser traf erst später ein.
67Der Zeuge hat aber ausgesagt, daß der Gurt über den Bauch des Klägers gezogen war, sich lediglich nicht mehr im Gurtschloß befunden hat. Auch dies spricht dafür, daß der Kläger angegurtet war und unmittelbar nach dem Unfall im Rahmen der Erste Hilfe-Leistung entgurtet wurde. Im übrigen spricht dafür bereits die Lebenserfahrung. Der Kläger ist ungebremst mit hoher Geschwindigkeit vor einen Baum geprallt. Wäre er nicht angegurtet gewesen, wären aller Lebenserfahrung nach weitaus schwerere Verletzungsfolgen eingetreten.
683.
69Die Beklagten haben daher den materiellen Schaden des Klägers auszugleichen. Unstreitig beträgt der Fahrzeugschaden 500,00 DM. Diesen Schaden macht der Kläger aus abgetretenem Recht seines Vaters geltend. Ebenso unstreitige Ummeldekosten und eine allgemeine Unfallpauschale in Höhe von 100,00 DM.
70Darauf haben die Beklagten 400,00 DM gezahlt, so daß noch ein Restbetrag von 200,00 DM offensteht.
71Die Beklagten haben ferner den dem Kläger entstandenen Verdienstausfallschaden zu ersetzen. Im vorliegenden Klageverfahren hat der Kläger Verdienstausfallansprüche bis November 1997 beziffert.
72Eine endgültige Entscheidung über den entstandenen Verdienstausfall ist jedoch nicht möglich. Der Kläger erhält als Wehrdienstgeschädigter vorn Versorgungsamt Hannover eine Rente, die auf die Verdienstausfallansprüche anzurechnen ist. Da das Sozialgerichtsverfahren, das der Kläger angestrengt hat, nicht rechtskräftig ist, ist der geltend gemachte Verdienstausfall nicht bezifferbar. Wegen des Rechtsüberganges auf den Versicherungsträger (§ 116 SGB X) könnte gegebenenfalls eine doppelte Inanspruchnahme der Beklagten zu 3) erfolgen.
73Deshalb hat das Gericht ein Grundurteil des Inhaltes erlassen, daß die Beklagten die Verdienstausfallansprüche des Klägers bis einschließlich November 1997 auszugleichen haben. Die Höhe der konkreten Verdienstausfallansprüche muß zu einem späteren Zeitpunkt geklärt werden.
744.
75Die Beklagten zu 1) und 3) sind dem Kläger darüber hinaus wegen dessen immaterieller Schäden zur Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes verpflichtet. Unter Abwägung aller Umstände hält das Gericht ein Schmerzensgeld in Höhe von 200.000,00 DM abzüglich bereits von der Beklagten zu 3) gezahlter 60.000,00 DM für erforderlich und angemessen.
76Die Voraussetzungen des§ 847 BGB sind gegeben, da die Beklagte zu l) die dem Kläger bei dem Verkehrsunfall entstandenen Verletzungen schuldhaft verursacht hat.
77Der zur Zeit des Verkehrsunfalles 20 Jahre alte Kläger ist erheblich verletzt worden. Er schwebte nach dem Unfall in akuter Lebensgefahr. Er hat bei dem Unfall seinen linken Unterschenkel verloren und ist seit dem auf eine Prothese angewiesen. Diese konnte erst Anfang 1994 eingesetzt werden, da sich der Heilungsverlauf als äußerst problematisch darstellte. Vorher mußte er auf zwei Krücken gehen. Darüber hinaus hat der Kläger mehrere Brüche erlitten: Trümmerbruch des 5. Lendenwirbels, doppelter Kieferbruch, doppelter offener Unterschenkelbruch rechts, Bruch des Ellenbogenhöckers links, doppelte Ellenfraktur links, Jochbeinfraktur. Von dem doppelten offenen Unterschenkelbruch rechts hat der Kläger heute noch einen Knickfuß. Als Folge des doppelten Kieferbruches bestehen immer noch Kaubeschwerden sowie in Teilbereichen der Haut Taubheit. Die Verletzungen des Klägers haben zu einer Erwerbsminderung von 80 % geführt. Der Kläger leidet auch heute noch unter Phantomschmerzen und Rückenschmerzen. Ferner sind nach dem Verkehrsunfall etliche Narben, teilweise bis zu 20 cm lang, zurückgeblieben.
78Der Kläger ist weiterhin arbeitslos. Seinen Beruf als Kfz-Mechaniker hat er nicht mehr ausüben können. Durch den Verkehrsunfall ist der Kläger in seinem Selbstwertgefühl stark beeinträchtigt. Dies ergibt sich aus den Ausführungen des Prof. Dr. C. in seinem nervenfachärztlichen Gutachten vom 24.09.1996. Der Sachverständige spricht von einer depressiven Entwicklung des Klägers.
79Im Rahmen des Schmerzensgeldanspruches war ferner zu berücksichtigen, daß der Kläger seit dem Verkehrsunfall unter Potenzstörungen leidet. Dies steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und der eingeholten Sachverständigengutachten des Prof.
80Dr. H. zur Überzeugung des Gerichts fest. Danach kann bei dem Kläger mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit von einer autonomen Innervationsstörung (Verletzung derjenigen Anteile des unwillkürlichen Nervensystems, das für die Erektion verantwortlich ist) ausgegangen werden. Diese Verletzung ist mit einer hohen Wahrscheinlichkeit auf den Unfall vom September 1991 zurückzuführen.
81Das Gericht sah keinen Anlaß, den detaillierten, auf eingehenden Untersuchungen beruhenden Feststellungen des Sachverständigen nicht zu folgen.
82Darüber hinaus steht zur Überzeugung des Gerichts auch fest, daß der Kläger seit dem Verkehrsunfall unter Miktionsbeschwerden leidet. Zwar konnte der Sachverständige eine konsekutive Schädigung des oberen Harntraktes nicht feststellen. Der Sachverständige hält jedoch die vom Kläger geschilderte Symptomatik aufgrund der erlittenen Verletzungen für nachvollziehbar.
83Auf die vorgetragene Asthmaerkrankung ist das Gericht nicht weiter eingegangen, da der Vortrag des Klägers hierzu wenig substantiiert ist und im Übrigen wenig Einfluß auf das Ausmaß des zuerkannten Schmerzensgeldanspruchs hat.
84Bei der Höhe des Schmerzensgeldes hat das Gericht zu Lasten der Beklagten auch die verzögerliche Regulierung der Schmerzensgeldansprüche berücksichtigt.
85Die von dem Kläger mitgeteilte Entscheidung des OLG Düsseldorf in DAR 1995, S. 159 ist mit dem vorliegenden Fall durchaus vergleichbar, da in beiden Fällen eine Zerstörung der Lebensplanung und eine langwierige Behandlung vorlagen. Erschwerend tritt im vorliegenden Fall die diagnostizierte Potenzstörung hinzu, die zu einer erheblichen Einschränkung der Lebensqualität des jungen Klägers führt. Ferner war zu berücksichtigen, daß seit der genannten Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf nunmehr weitere 4 Jahre verstrichen sind und der Kaufkraftschwund Eingang in die Schmerzensgeldhöhe finden mußte.
865
87Für den Feststellungsantrag ist unzweifelhaft ein Feststellungsinteresse (§ 256 ZPO) gegeben. Folgeschäden können nicht ausgeschlossen werden. Soweit die Beklagten den Feststellungsantrag anerkannt hatten, war insoweit durch Teilanerkenntnisurteil zu entscheiden.
886.
89Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO. Die Kostenentscheidung muß dem Schlußurteil vorbehalten bleiben.