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In dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des Herrn D. I.
weitere Beteiligte:
Insolvenzverwalterin: Rechtsanwältin U. L.
wird der Antrag des Schuldners vom 09.06.2023 auf Freigabe der Inflationsausgleichsprämie zurückgewiesen.
Gründe:
2Über das Vermögen des Schuldners wurde durch Beschluss des Insolvenzgerichts vom 27.02.2023 das Insolvenzverfahren eröffnet und die oben genannte Insolvenzverwalterin zur Insolvenzverwalterin bestellt. Die Insolvenzverwalterin hat das pfändbare Vermögen zur Insolvenzmasse zu ziehen.
3Mit Schreiben vom 09.06.2023, welches am 12.06.2023 beim Insolvenzgericht eingegangen ist, beantragt der Schuldner die Freigabe der von seinem Arbeitgeber zum 30.06.2023 und 30.06.2024 geplanten Auszahlung einer Inflationsausgleichsprämie in Höhe von jeweils 1.500,00 EUR.
4Die Insolvenzverwalterin wurde zu dem Antrag gehört. Mit Schreiben vom 23.06.2022 teilte diese mit, dass sie keine Bedenken habe, dass die Inflationsausgleichsprämie als pfändungsfrei beim Schuldner zu belassen ist.
5Der Antrag des Schuldners ist gemäß §§ 4 InsO in Verbindung mit § 765 a ZPO zulässig aber nicht begründet.
6Das laufende Einkommen des Schuldners unterliegt dem Insolvenzbeschlag. Damit sind alle Beträge, die die Pfändungsfreigrenze für Arbeitseinkommen (§ 850c ZPO) übersteigen, vom Arbeitgeber an die Treuhänderin abzuführen.
7Arbeitgeber können ihren Angestellten als freiwillige Leistung einen Zuschuss, die sogenannte Inflationsausgleichsprämie, gemäß § 3 Nummer 11c Einkommensteuergesetz sozialabgaben- und steuerfrei zahlen. Von dieser Möglichkeit wird der Arbeitgeber des Schuldners Gebrauch machen.
8Zur Pfändbarkeit einer Inflationsausgleichsprämie ist im Einkommensteuergesetz nichts geregelt. Daher unterliegt sie den geltenden Regelungen der Zivilprozessordnung über die Pfändbarkeit von Forderungen und Arbeitseinkommen. Forderungen sind pfändbar soweit sie übertragbar sind, § 851 ZPO. Die Inflationsausgleichsprämie ist übertragbar und somit auch pfändbar. In den Vorschriften über die Pfändbarkeit von Arbeitseinkommen (§§ 850 bis 850 i ZPO) steht keine Regelung, die die Pfändbarkeit einer freiwilligen Arbeitgeberleistung einschränkt. Die Inflationsausgleichsprämie ist weder unpfändbar noch bedingt pfändbar.
9Der Antrag des Schuldners ist als Vollstreckungsschutzantrag gemäß §§ 4 InsO, 765 a ZPO auszudeuten. Nach § 765 a ZPO ist eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufzuheben, wenn die Maßnahme eine Härte für den Schuldner bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist.
10Der Schuldner hat nicht dargelegt, dass für ihn die Abführung der Inflationsausgleichsprämie eine ganz besondere Härte darstellt. Vielmehr verweist der Schuldner auf die allgemein gestiegenen Lebenshaltungskosten, die auch ihn treffen. Das Gericht bestreitet nicht, dass die Verbraucherpreise gestiegen sind. Dies ist der Fall. Für die Freigabe der Inflationsausgleichsprämie bedarf es jedoch einer ganz besonderen Härte. Der Vortrag des Schuldners reicht nicht aus, um die vom Arbeitgeber gezahlten Prämie freizugeben.
11Der Pfändungsschutzantrag war daher zurückzuweisen.
12Rechtsmittelbelehrung:
13Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gem. § 4 InsO, § 793 ZPO i.V.m. § 11 Abs. 1 RPflG gegeben. Sie steht jedem zu, dessen Rechte durch den Beschluss beeinträchtigt sind.
14Die sofortige Beschwerde ist bei dem Amtsgericht Bielefeld, Gerichtstraße 6, 33602 Bielefeld, oder dem Beschwerdegericht, Landgericht Bielefeld, Niederwall 71, 33602 Bielefeld, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes erklärt werden.
15Die sofortige Beschwerde muss innerhalb von zwei Wochen bei dem Amtsgericht Bielefeld oder dem Landgericht Bielefeld eingegangen sein. Dies gilt auch dann, wenn die Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines anderen Amtsgerichtes abgegeben wurde. Die Frist beginnt mit der Zustellung des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses.
16Die sofortige Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass sofortige Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie soll begründet werden.
17Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr:
18Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Auf die Pflicht zur elektronischen Einreichung durch professionelle Einreicher/innen ab dem 01.01.2022 durch das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013, das Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 5. Juli 2017 und das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 05.10.2021 wird hingewiesen.
19Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de.
20Bielefeld, 29.06.2023
21Amtsgericht
22Auf die Leitsatzentscheidung des BGH, Aktenzeichen: IX ZB 55/23, vom 25. April 2024 wird hingewiesen.