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In dem Rechtsstreit A ./. B. wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 2.135,62 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.12.2018 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
2Die Klägerin ist als Fachärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie im Klinikum C. mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von durchschnittlich vier Stunden angestellt und erbringt dort auch Wahlleistungen mit eigenem Liquidationsrecht.
3Die Klägerin ist zudem in eigener Praxis ambulant tätig.
4Die Beklagte, die auch bereits ambulant durch die Klägerin betreut wurde, ließ sich im Zeitraum vom 16.10.2018 bis zum 19.10.2018 im Klinikum C. behandeln und unterzeichnete vor Beginn der Behandlung eine Wahlleistungsvereinbarung.
5Zum genauen Inhalt wird verwiesen auf Bl.8 ff. d. A.
6Alle Behandlungsleistungen wurden persönlich durch die Klägerin lege artis erbracht.
7Unter dem 25.11.2018 stellte die PVS im Auftrag der Klägerin für die Behandlung 2.135,62 € in Rechnung.
8Die Beklagte wurde darauf hingewiesen, dass spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Zugang der Rechnung ohne weitere Mahnung Verzug eintrete.
9Die Rechnung ging der Beklagten spätestens am 28.11.2018 zu.
10Mit Schreiben vom 28.10.2019 wurde die Zahlung angemahnt.
11Zahlung erfolgte nicht.
12Die Klägerin ist der Ansicht, die Wahlleistungsvereinbarung sei rechtmäßig. Eine Teilzeitanstellung der Wahlärztin stehe dem Abschluss einer Wahlleistungsvereinbarung nicht entgegen. Auch sei nicht erforderlich, dass der Wahlarzt eine leitende Position innehaben müsse.
13Tatsächlich sei die Klägerin, so behauptet sie, keinem anderen Arzt unterstellt oder weisungsgebunden. Sie behandle ihre Patienten eigenständig und letztverantwortlich, von der Terminvergabe bis zur Entlassung. Insofern habe sie eine leitende Position für ihren Bereich.
14Es reiche aber nach ihrer Ansicht auch aus, dass der Wahlarzt über eine besondere Qualifikation verfüge, was vorliegend der Fall sei.
15Die Klägerin behauptet, der Beklagten sei die Qualifikation der Klägerin ebenso bekannt gewesen, wie der Umstand, dass die Klägerin ebenfalls in ambulanter Praxis tätig sei.
16Die Beklagte habe die Klägerin gerade wegen ihrer besonderen Expertise sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich als Behandler ausgewählt.
17In Kenntnis all dieser Umstände habe die Beklagte die Wahlleistungsvereinbarung nach entsprechender Aufklärung über die Kostenlast unterschrieben.
18Von den in der Wahlleistungsvereinbarung angegebenen Ärzten seien lediglich fünf ambulant tätig. Alle anderen Ärzte seien in Vollzeit im Klinikum angestellt.
19Ein Verstoß gegen §31 MBO sei nach Ansicht der Klägerin nicht gegeben.
20Die Klägerin beantragt,
21die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.135,62 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.12.2018 zu zahlen.
22Die Beklagte beantragt,
23die Klage abzuweisen.
24Zunächst sei die Aktivlegitimation nicht ersichtlich, da die Klägerin ihre Zahlungsansprüche wohl an die PVS abgetreten haben dürfte.
25Die Beklagte ist der Ansicht, die Wahlleistungsvereinbarung sei nicht rechtmäßig.
26Der Wahlarzt müsse, um ein eigenes Liquidationsrecht zu begründen, eine leitende Position und Funktion im Rahmen stationärer Behandlung aufweisen, sprich eine besondere Expertise.
27Da in der streitgegenständlichen Wahlleistungsvereinbarung zahlreiche der für die einzelnen Fachabteilungen aufgeführten Ärzte tatsächlich in überwiegender Vollzeit in eigener ambulanter Praxis fachärztliche Tätigkeiten ausübten, würden mit der Wahlleistungsvereinbarung die ansonsten geltenden Behandlungsmaßnahmen zur üblichen belegärztlichen Versorgung des Patienten oder zur Anstellung eines Honorararztes letztlich umgangen.
28Allein zu diesem Zweck sei ein Angestelltenverhältnis mit den jeweiligen Fachärzten begründet worden, die dann eine Eigenzuweisung des Patienten in die Klinik vornähmen, in der sie selbst - dann im Rahmen der vorzugswürdigen Abrechnung nach chefärztlicher Behandlung – die OP-Maßnahme durchführten. Ein solches Verfahren sei unzulässig und stelle einen Verstoß nach §31 MBO dar, weshalb die Wahlleistungsvereinbarung nichtig sei.
29Da die Beklagte unstreitig vor der Behandlung im Krankenhaus durch die Klägerin in deren Praxis behandelt wurde, habe die Beklagte darauf vertrauen dürfen, dass vorliegend im Rahmen der Abweichung zu sonst üblicher belegärztlicher Behandlung die Abrechnung seitens der Klägerin kein Risiko eigener Kostentragung bei der Klägerin auslöse.
30Der Kreis der liquidationsberechtigten Wahlärzte sei gemäß §17 III KHEntgG eng gefasst. Die Klägerin sei von diesem Recht nicht umfasst.
31Die Beklagte behauptet, die Klägerin habe keine Leitungsfunktion inne und sei in den gängigen stationären Ablauf des Klinikums nicht eingebunden. Sie habe auch nicht die einer Leitungsperson entsprechenden Kenntnisse oder Befugnisse.
32Entscheidungsgründe:
33I.)
34Die zulässige Klage ist begründet.
351.)
36Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das angerufene Gericht gemäß §29 ZPO örtlich zuständig.
37Denn bei einem Krankenhausaufnahmevertrag besteht ein einheitlicher Leistungsort gemäß §269 I BGB am Ort des Krankenhauses (BGH NJW 2019, 1519).
382.)
39Die Klage ist auch begründet.
40a.)
41Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 2.135,62 € aus §630a I BGB in Verbindung mit der Wahlleistungsvereinbarung vom 16.10.2018.
42Zunächst ist die Klägerin aktivlegitimiert.
43Denn inwiefern die Klägerin ihre Ansprüche an die PVS abgetreten haben sollte, hat die Beklagtenseite schon nicht ausreichend substantiiert vorgetragen.
44Zudem erfolgte ausweislich der eingereichten Rechnungskopie die Rechnung der PVS „im Auftrag“ der Klägerin, was gegen eine Abtretung spricht.
45Die ordnungsgemäße Erbringung der Leistungen durch die Klägerin und deren ordnungsgemäße Abrechnung nach den Gebührentatbeständen der GOÄ steht zwischen den Parteien nicht im Streit.
46Die Klägerin war auch berechtigt, Wahlleistungen abzurechnen.
47Denn die getroffene Wahlleistungsvereinbarung ist wirksam.
48Die Wahlleistungen wurden vorliegend gemäß §17 II 1 KHEntgG schriftlich vereinbart. Die Vertragspartner sind benannt, der Wortlaut des §17 III 1 KHEntgG ist in die Vereinbarung aufgenommen. Auch sind die ärztlichen Wahlleistungen genannt.
49Die Beklagte ist vor Abschluss der Vereinbarung über die Entgelte der Wahlleistungen und deren Inhalt unterrichtet worden, §17 II 1 Hs2 KHEntgG.
50Ausreichend ist hierbei eine kurze Charakterisierung des Inhalts wahlärztlicher Leistungen mit Hinweis auf eine Gewährleistung der medizinisch notwendigen Versorgung durch hinreichend qualifizierte Ärzte auch ohne Wahlleistungsvereinbarung, eine kurze Erläuterung der Preisermittlung nach der GOÄ, ein Hinweis auf mögliche erhebliche finanzielle Mehrbelastungen, auf die Wahlarztkette sowie auf die Möglichkeit der Einsichtnahme in die GOÄ auf Wunsch (vgl. Stollmann/ Wollschläger/ Laufs/ Kern/ Rehborn, Handbuch des Arztrechts, §81, Rn.125).
51Diese Anforderungen erfüllt die von der Beklagten unterzeichnete "Patienteninformation vor der Vereinbarung von wahlärztlichen Leistungen".
52Die „Wahlleistung Arzt“ hat zum Gegenstand, dass dem Patienten – gegen Zahlung eines zusätzlichen Honorars – die Behandlung durch bestimmte leitende oder besonders qualifizierte Ärzte (sog. „Chefarztbehandlung“) in jedem Fall zuteil wird, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob dies im Einzelfall aus medizinischen Gründen notwendig oder zweckmäßig ist.
53Die wahlärztliche Leistung muss hierbei nicht zwingend durch einen Chefarzt oder eine Chefärztin erfolgen.
54Denn nach dem Wortlaut des §17 III 1 KHEntgG kommt es darauf an, welche beim Krankenhaus angestellte/ beamtete Ärztin oder welcher Arzt vom Krankenhaus die Berechtigung erhalten hat, die ärztliche Leistung während einer Krankenhausbehandlung gesondert in Rechnung zu stellen.
55Weitere Voraussetzungen werden in §17 III 1 KHEntgG gerade nicht genannt.
56Diese Voraussetzungen des §17 III KHEntgG werden aber unstreitig durch die Klägerin erfüllt:
57Sie ist angestellte Ärztin im Klinikum mit eigenem Liquidationsrecht.
58Wenn die Beklagtenseite darauf abstellt, dass der Patient mit dem Krankenhausträger wahlärztliche Leistungen im Vertrauen auf die besonderen Erfahrungen und die herausgehobene Kompetenz des von ihm ausgewählten Arztes vereinbaren will, die (auch) darin zum Ausdruck kommen, dass der Arzt in dem Krankenhaus eine leitende Position innehat (vgl. BGH NJW 2019, 1519), so wird dem gerade dadurch genügt, dass eben nur mit Ärzten eine Wahlleistungsvereinbarung getroffen werden darf, die vom Krankenhaus eine Liquidationsberechtigung erhalten haben – und dass diese üblicherweise nur an entsprechend qualifizierte und erfahrene Ärzte erteilt wird.
59Das Vertrauen des Patienten auf die besondere Erfahrung und Kompetenz des Arztes wird dadurch geschützt, dass eben nur angestellte und beamtete Ärzte mit eingeräumten Liquidationsrecht als Wahlarzt tätig werden können.
60Weitergehende Anforderungen sind an den Wahlarzt nicht zu stellen. Insbesondere ist es nicht erforderlich, dass seine Tätigkeit eine bestimmte Mindeststundenzahl umfasst.
61Auch kommt es nicht darauf an, ob die benannten Wahlärzte administrativ eine Leitungsfunktion ausüben. Allein maßgeblich und für den Patienten von Belang ist die fachliche Expertise auf dem jeweiligen Fachgebiet (vgl. OLG Karlsruhe, NJW-RR 2021, 307).
62Warum die Klägerin als Fachärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie nicht über die erforderliche fachliche Expertise verfügen sollte, ist durch die Beklagtenseite nicht ausreichend substantiiert dargelegt worden.
63Ein Verstoß gegen §31 MBO ist nicht ersichtlich.
64b.)
65Der Zinsanspruch folgt aus §§286 III, 288 I BGB.
66II.)
67Die prozessualen Nebenentscheidungen ergehen nach §§91I, 709 S.1 ZPO.
68III.)
69Der Streitwert wird auf 2.135,62 € festgesetzt.
70Rechtsbehelfsbelehrung:
71A) Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
721. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
732. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
74Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Bielefeld, Niederwall 71, 33602 Bielefeld, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
75Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Bielefeld zu begründen.
76Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Bielefeld durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
77Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
78B) Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Amtsgericht Bielefeld statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Amtsgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Amtsgericht Bielefeld, Gerichtstraße 6, 33602 Bielefeld, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.
79Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
80Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr:
81Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de.