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Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin vom 23.02.2024 wird der Beschluss des Amtsgerichts Soest vom 12.02.2024 (9 M 2056/23) teilweise abgeändert und die Kostenrechnung des Obergerichtsvollziehers Q. (DR I 453/23) auf insgesamt 26,75 € festgesetzt.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Die weitere Beschwerde wird zugelassen.
Gründe:
2I.
3Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung aus dem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts O. vom 03.08.2023. Über das besondere elektronische Anwaltspostfach (im folgenden: beA) beantragte die Gläubigerin gegen den Schuldner den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses. Das Amtsgericht Soest, in welchem in der Zwangsvollstreckung die elektronische Akte noch nicht eingeführt worden war, druckte zunächst die elektronisch eingereichten Unterlagen der Gläubigerin aus, erließ unter dem 07.11.2023 antragsgemäß den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss und übersandte die Unterlagen in Papierform dem Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Zustellung an die Drittschuldnerin und den Schuldner. Der Gerichtsvollzieher scante den Unterlagen ein und stellte den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss der Drittschuldnerin im Wege der elektronischen Zustellung zu. Eine Abschrift des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nebst Zustellungsurkunde nach § 840 ZPO sowie die elektronische Eingangsbestätigung wurden sodann dem Schuldner gegen Postzustellungsurkunde zugestellt.
4Der Gerichtsvollzieher fertigte die für die Zustellung erforderlichen Abschriften an den Schuldner und die Drittschuldnerin an und setzte hierfür in seiner Kostenrechnung zweimal die Dokumentenpauschale KV 700 in Höhe von jeweils 6,- € an. Für die elektronische Zustellung des Beschlusses an die Drittschuldnerin berechnete er Kosten für eine persönliche Zustellung nach KV 100 von 11,- €.
5Gegen den Ansatz der Dokumentenpauschale für die elektronische Zustellung an die Drittschuldnerin und wegen der Kosten für eine persönliche Zustellung hat die Beschwerdeführerin zunächst unter dem 29.11.2023 Erinnerung eingelegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, bei einem Scan handele es sich nicht um eine Kopie im Sinne von Nr. 700 KV GvKostG, weshalb die Dokumentenpauschale für die elektronische Zustellung an die Drittschuldnerin nicht in Ansatz zu bringen sei. Zudem handele es sich bei einer elektronischen Zustellung nicht um eine persönliche Zustellung im Sinne der Nr. 100 KV GvKostG, sondern um eine sonstige Zustellung nach Nr. 101 KV.
6Das Amtsgericht hat die Erinnerung der Beschwerdeführerin mit Beschluss vom 12.02.2024 unter Zulassung der Beschwerde zurückgewiesen.
7Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Landeskasse, mit der sie ihre Rechtsauffassungen vertieft und die Zulassung der weiteren Beschwerde beantragt.
8Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
9II.
10Die nach § 5 Abs. 2 S. 2 GvKostG i.V.m. § 66 Abs. 2 S. 2 GKG statthafte Beschwerde der Landeskasse ist zulässig und hinsichtlich der Dokumentenpauschale auch begründet; Im Übrigen bleibt ihr der Erfolg versagt.
111.
12Die im Rahmen der Kostenrechnung von dem Gerichtsvollzieher in Ansatz gebrachte Dokumentenpauschale i.H.v. 6 Euro nach Nr. 700 Ziff. 1 KV GvKostG für das Einscannen des in Papierform vorliegenden Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses ist zu beanstanden.
13Bei einem Scan handelt es sich nicht um eine Kopie im Sinne von Nr. 700 KV GvKostG (vgl. Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl. 2021, KV GvKostG Nr. 700, Rn. 3).
14Dies ist dem gesetzgeberischen Willen im Zusammenhang mit dem 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz (2. KostRMoG) zu entnehmen, welches auch das Gerichtsvollzieherkostengesetz umfasst hat. Im Zuge des 2. KostRMoG ist bei Nr. 700 KV GvKostG das Wort „Ablichtungen“ durch das Wort „Kopie“ ersetzt worden. Grund dieser Änderung war - neben der Einführung einer heute gebräuchlicheren Bezeichnung- die Vermeidung von Missverständnissen bei der Erstellung von elektronischen Dokumenten (Scans). Da auch beim Scannen in der Regel das Papierdokument „abgelichtet“ wird, wurde zum Teil unter dem Begriff der „Ablichtung“ auch ein eingescanntes Dokument verstanden. Im Zuge der Reform sollte klargestellt werden, dass es sich hierbei gerade nicht um Ablichtungen im Sinne des bis dahin geltenden Rechts und damit auch nicht um Kopien im Sinne des neuen Rechts handelt (vgl. so ausdrücklich zum GNotKG: BT-Drs.17/11471, S. 156 linke Spalte 3. Absatz). Kopie im Sinne des Kostenrechts ist die Reproduktion einer Vorlage auf einem körperlichen Gegenstand, beispielsweise Papier, Karton oder Folie (BT-Drs. 17/11471, S. 156 a.a.O).
15Auch der Ansatz einer Dokumentenpauschale nach Nr. 700 Ziff. 2 KV GvKostG i.H.v. 1,50 € für die zugestellte Datei kommt nicht in Betracht, da die Voraussetzungen nicht vorliegen.
16Zwar ist im Rahmen der elektronischen Zustellung eine elektronisch gespeicherte Datei überlassen worden. Allerdings muss die Überlassung „anstelle der in Nr. 1 genannten Kopien und Ausdrucke“ erfolgt sein, was das Vorliegen der Voraussetzungen von Nr. 1a) oder Nr. 1b) erfordert. Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben, weil keine Anfertigung auf Antrag oder Übermittlung per Fax erfolgte, sondern die Übertragung in elektronischer Form vom Gerichtsvollzieher von Amts wegen durchgeführt worden ist, und die Gläubigerin es auch nicht nach Nr. 1b) unterlassen hat, die erforderliche Zahl von mehr Fertigungen beizufügen. Denn wie bereits das OLG Hamm mit Beschluss vom 22.08.2023 (25 W 192/23- BeckRS 2023, 21370, Rn. 37) ausgeführt hat, ist eine Partei nach § 193 Abs. 1 Nr. 2 ZPO nicht verpflichtet, dem als Schriftstück zuzustellenden Dokument, wenn es in elektronischer Form übermittelt wird, Abschriften beizufügen.
17Entsprechend den vorstehenden Ausführungen war die Kostenrechnung des OGV Q. um die in Ansatz gebrachte Dokumentenpauschale von 6,- € für Abschriften an die Drittschuldnerin zu reduzieren.
182.
19Hingegen hat der Obergerichtsvollzieher in seiner Kostenrechnung zu Recht die elektronische Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an die Drittschuldnerin mit 11,- € nach Nr. 100 KV GvKostG berechnet. Denn nach Auffassung der Kammer ist auch die elektronische Zustellung ist eine persönliche Zustellung im Sinne der vorgenannten Norm.
20Für den Fall der elektronischen Zustellung hat der Gesetzgeber noch keinen eigenen Gebührentatbestand eingeführt.
21Die Frage, ob es sich bei einer elektronischen Zustellung eine persönliche Zustellung nach Nr. 100 KV GvKostG oder um eine sonstige Zustellung nach Nr. 101 GvKostG handelt, ist umstritten.
22Teilweise wird die Ansicht vertreten, dass es auf die persönliche Übermittlung in den Machtbereich des Empfängers und die Fertigung einer Zustellungsurkunde ankomme, weshalb es sich bei der Zustellung elektronischer Dokumente nicht um eine persönliche Zustellung durch den Gerichtsvollzieher im Sinne von Nr. 100 KV GvKostG handele, sondern um eine sonstige Zustellung (vgl. LG Krefeld, Beschluss vom 11.09.2023 - 7 T 110/23- DGVZ 2023, 250; AG Lüneburg, Beschluss vom 30.05.2022 -24 M 1458/22-, DGVZ 2022, 202). Begründet wird diese Ansicht damit, dass die persönliche Übergabe deswegen höher vergütet wird, da in diesen Fällen die Möglichkeit einer persönlichen Auseinandersetzung mit dem Schuldner bestehe und der Aufwand des Aufsuchens des Schuldners hinzukommen. Dabei bilde das Wegegeld als reines Kilometergeld nicht den zeitlichen Mehraufwand für das Aufsuchen des Empfängers des zuzustellenden Schriftstücks ab.
23Nach anderer Auffassung soll es für eine persönliche Zustellung nicht notwendig sein, dass der Gerichtsvollzieher den Zustellungsempfänger persönlich aufsucht. Es soll vielmehr ausreichend sein, dass er persönlich dafür Sorge trägt, dass das elektronische Dokument in den Machtbereich des Empfängers gelangt (OLG Celle, NJW-RR 2024,343 ff.; AG Bückeburg, Beschluss vom 06.09.2023 -41 M 199/23-; AG Wesel, Beschluss vom 21.09.2023 -24 M 2066/23-; AG Duisburg-Hamborn, DGVZ 2023, 223; AG Emmerich DGVZ 2023,229; AG Kempten, DGVZ 2023, 230; BeckOK KostR/Herrfurth, 41. Ed. 01.04.2023, KV GvKostG Nr. 100, Rn. 5).
24Die Kammer schließt sich der letztgenannten Meinung an.
25Denn maßgebliches Unterscheidungskriterium für die Gebührentatbestände der Nr. 100 bzw. 101 KV GvKostG ist weder der vermeintlich höhere Aufwand einer persönlichen Zustellung noch die Inanspruchnahme von Diensten eines Telekommunikationsdienstleisters, sondern die persönliche Garantie des Gerichtsvollziehers für die Richtigkeit und Sicherheit des elektronischen Zustellungsvorgangs (vgl. OLG Celle, a.a. O., Rn. 4).
26Nach Ansicht der Kammer ist die Arbeitsweise des Gerichtsvollziehers bei der elektronischen Zustellung der persönlichen Übergabe ähnlich. Denn bei der Übertragung des zuzustellenden Schriftstücks in ein elektronisches Dokument bzw. der Erstellung der neuen, einheitlichen elektronischen Dateien und deren Verwendung wird wie bei einem persönlichen Einwerfen des Dokuments in den Briefkasten des Empfängers am Zustellungsort durch den Gerichtsvollziehers gewährleistet, dass der richtige Adressat das zuzustellende Schriftstück erhält. Dies stellt eine persönliche Leistung des Gerichtsvollziehers dar, die der persönlichen Zustellung durch ihn vor Ort ähnelt, wenn er den Empfänger nicht antrifft.
27Soweit die Gegenansicht den angeblich geringeren Aufwand des Gerichtsvollziehers bei der elektronischen Zustellung als Argument heranzieht, vermag diese Auffassung nicht zu überzeugen. Denn der Aufwand des Gerichtsvollziehers, den Ort des Empfängers aufzusuchen, wird durch das gesondert zu erhebende Wegegeld (Nr. 711 KV GvKostG) jedenfalls teilweise aufgefangen und auch in anderen Gebührentatbeständen wird nicht immer der Aufwand des Gerichtsvollziehers abgebildet (vgl. Herrfurth, Anm. zu LG Krefeld, DGVZ 2023, 250 ff.).
28III.
29Die Kostenentscheidung entspricht § 5 Abs. 2 S. 2 GvKostG i.V.m. § 66 Abs. 8 GKG.
30Die weitere Beschwerde war nach § 5 Abs. 2 S. 2 GvKostG i.V.m. § 66 Abs. 4 S. 1 GKG zuzulassen, weil die zur Entscheidung stehende Frage von grundsätzlicher Bedeutung ist.