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Auf die Berufung der Beklagten wird das am 01.06.2021 verkündete Urteil des Amtsgerichts Arnsberg, Az. 42 C 109/20, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.
Die Kosten des Rechtsstreits und der Streithilfe trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.032,05 EUR festgesetzt.
(Der Tenor wurde mit Urteil vom 11.01.2023 geändert, das Urteil wurde hinter dieser Entscheidung eingepflegt)
Gründe:
2I.
3Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche aus einer Rentenversicherung geltend.
4Der am 28.01.1941 geborene G. (im Folgenden: Versicherungsnehmer) schloss im April 2009 mit der Beklagten eine fondsgebundene Rentenversicherung mit der Nr. N01 ab. Versicherungsbeginn war der 01.05.2009; vereinbarter Rentenbeginn der 01.05.2026.
5Bezugsberechtigt waren im Erlebensfall der Versicherungsnehmer und im Todesfall "die gesetzlichen Erben der versicherten Person".
6Im Versicherungsschein vom 20.04.2009 ist unter dem Oberbegriff „Vertragsleistungen“ geregelt:
7„Bei Tod vor Rentenbeginn zahlen wir den Policenwert“.
8In den Allgemeinen Versicherungsbedingungen ist in § 1 unter dem Oberbegriff „Leistung bei Tod der versicherten Person vor Rentenbeginn“ geregelt:
9„Stirbt die versicherte Person vor Rentenbeginn, wird der Policenwert als Geldleistung fällig“.
10Zum Bezugsrecht ist im Versicherungsschein vom 20.04.2009 geregelt:
11„Im Todesfall die gesetzlichen Erben der versicherten Person“.
12In den Allgemeinen Versicherungsbedingungen ist in § 17 zu Nr. 1 unter dem Oberbegriff „Wer erhält die Leistung?“ geregelt:
13„Die Leistung erbringen wir an Sie oder an Ihre Erben, falls Sie uns keine andere Person benannt haben, die die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag bei deren Fälligkeit erwerben soll (Bezugsberechtigter)“.
14Hinsichtlich des weiteren Vertragsinhalts wird auf den Versicherungsschein und die Versicherungsbedingungen Bezug genommen (Anlagen K1).
15Der Versicherungsnehmer verstarb am 17.07.2016 in P..
16Nach dem Tod des Versicherungsnehmers meldete sich am 21.07.2016 der Streithelfer als Nachlasspfleger bei der Beklagten, weil unklar war, wer den Verstorbenen beerben würde.
17Neben der Anzeige des Versicherungsfalles mit Schreiben vom 21.07.2016 widerrief der Streithelfer vorsorglich jedwedes Schenkungsversprechen bzw. einen entsprechenden Auftrag an die Beklagte.
18Die Beklagte teilte mit, dass die gesetzlichen Erben des Verstorbenen als Bezugsberechtigte einen Anspruch auf die Todesfallleistung in Höhe von 4.032,05 EUR haben, wobei diese Todesfallleistung aber gerade nicht in den Nachlass falle, so dass diese Berechtigten noch zu ermitteln seien.
19Durch – rechtskräftigen – Beschluss des Amtsgerichts P. vom 14.01.2020 – 20a VI 473/19 – wurde festgestellt, dass ein anderer Erbe als der Kläger, der Fiskus des Landes Nordrhein-Westfalen, nicht vorhanden ist.
20Mit Schreiben vom 16.04.2020 und 13.05.2020 forderte der Kläger die Beklagte auf, das Guthaben aus der Rentenversicherung bzw. die Versicherungsleistung an die Landeskasse auszuzahlen.
21Da keine Zahlung erfolgte, beauftragte der Kläger mit Schreiben vom 16.07.2020 seine jetzigen Prozessbevollmächtigten mit der weiteren außergerichtlichen Rechtsverfolgung. Diese forderten mit Schreiben vom 20.10.2020 die Beklagte auf, bis spätestens zum 06.11.2020 an den Kläger den Policenwert zu zahlen. Mit Schreiben vom 29.10.2020 lehnte die Beklagte eine Leistung an den Kläger erneut ab.
22Der Kläger hat deshalb erstinstanzlich beantragt,
231. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.032,05 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.11.2020 zu zahlen,
242. die Beklagte zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 550,42 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
25Die Beklagte hat beantragt,
26die Klage abzuweisen.
27Sie ist der Auffassung gewesen, dass § 160 Abs. 4 VVG einem Anspruch des Klägers entgegenstehe. Sie hat außerdem die Einrede der Verjährung erhoben.
28Das Amtsgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Zur Begründung hat es u. a. ausgeführt, dass hinsichtlich des streitgegenständlichen Versicherungsvertrags mit dem Tod des Versicherungsnehmers der Versicherungsfall eingetreten sei. Der Kläger sei als Erbe und nicht als Bezugsberechtigter anspruchsberechtigt. Der Versicherungsnehmer Herr G. habe keinen namentlich benannten Bezugsberechtigten festgelegt. Die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag seien damit Teil des Nachlasses geworden, da es keine Bezugsberechtigten gibt und die Ansprüche dann wieder an den Versicherungsnehmer bzw. dessen Erben zurückgefallen sind. Die Einwendung der Beklagten, dass der Kläger als Fiskus wegen § 160 Abs. 4 VVG kein Bezugsrecht und demgemäß auch keinen Anspruch auf Auszahlung habe, vermöge an dieser Bewertung nichts zu ändern. Der Zweck des § 160 Abs. VVG liege im Wesentlichen in der Auslegung der Begünstigungserklärung des Versicherungsnehmers. Der Gesetzgeber trage damit dem Umstand Rechnung, dass der Versicherungsnehmer im Rahmen seiner vertraglichen Erklärung in der Regel nicht den Fiskus berücksichtigen wolle, wenn er seine Erben als Bezugsberechtigten festlege. Der Gesetzgeber treffe keine Regelung für den Fall, dass keine Bezugsberechtigten und keine weiteren Erben vorliegen; der Fiskus könne deswegen einen Anspruch auf Auszahlung als Erbe haben. Der Auszahlungsanspruch sei deswegen wieder dem Versicherungsnehmer und dessen Nachlass und damit letztlich dem Fiskus als Erben zugefallen. Entgegen der Ansicht der Beklagten sei der Anspruch auch nicht verjährt. Der Zahlungsanspruch aus dem streitgegenständlichen Versicherungsvertrag verjähre regelmäßig gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB. Der Anspruch sei gemäß des Versicherungsvertrags mit dem Tod des Erblassers am 17.07.2016 entstanden. Der Kläger habe von den anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich unter anderem dem Umstand, dass es keine weiteren Erben gibt, allerdings erst in Folge des Beschlusses des Amtsgerichts P. vom 14.01.2020 Kenntnis erlangt.
29Gegen die v. g. Entscheidung wehrt sich die Beklagte mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung und verfolgt ihren erstinstanzlich geltend gemachten Antrag auf Klageabweisung mit der Berufung weiter. Zudem ist sie der Ansicht, dass die Entscheidung des Amtsgerichts letztlich dazu führen würde, dass § 160 Abs. 4 VVG ins Leere laufe. Denn wenn der Fiskus einen Anspruch auf die Versicherungsleistung nicht auf ein Bezugsrecht zugunsten der Erben stützen könne, selbst wenn er Erbe geworden sei, die Versicherungsleistung dem Fiskus dann aber in dessen Funktion als gesetzlichem Erben im Wege der Gesamtrechtsnachfolge zuwachse, hätte es der Einführung des § 160 Abs. 4 VVG nicht bedurft. Die Sichtweise des Amtsgerichts führe insoweit denknotwendig dazu, dass dem Fiskus in Konstellationen der vorliegenden Art immer die Versicherungsleistung zustünde und die Norm letztlich völlig bedeutungslos sei.
30Auch an dem Einwand der Verjährungseinrede hält die Beklagte fest. Sie führt insoweit aus, dass hierbei auch zumindest eine grob fahrlässige Unkenntnis des Streithelfers hinsichtlich des Bestehens des Anspruchs angenommen werden müsse. Dieser sei als Nachlasspfleger nämlich in den Fällen zur Ermittlung von möglichen gesetzlichen Erben angehalten, in denen der Fiskus als gesetzlicher Erbe in Betracht komme. So wäre er dazu angehalten gewesen, gemäß § 1960 Abs. 1 BGB als Vertreter des Klägers (vgl. BGH Urt. v. 5.2.1958 – IV ZR 204/57) für die noch unbekannten Erben den Anspruch zu sichern, um die laufende Verjährungsfrist zu unterbrechen (OLG Karlsruhe, NJW-RR 793 (794)).
31Die Beklagte beantragt deshalb sinngemäß,
32unter Abänderung des am 01.06.2021 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Arnsberg, 42 C 109/21,
33die Klage abzuweisen.
34Der Kläger beantragt,
35die Berufung zurückzuweisen.
36Hilfsweise beantragt der Kläger,
37die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Erledigung des Rechtsstreits infolge des Verjährungseinwands festgestellt wird
38und die Revision zuzulassen.
39Er verteidigt das Urteil der 1. Instanz. Insbesondere wiederholt er seinen Vortrag dahingehend, dass § 160 VVG kein zwingendes Recht sei, sondern – wie § 171 Satz 1 VVG zeige – durch eine abweichende Vereinbarung der Vertragspartner abbedungen werden könne. Weil der Versicherungsnehmer die Vorschrift des § 160 Abs. 4 VVG nicht kennen musste und deren Rechtsfolge auch nicht aus den AVB erkennen konnte, sei richtigerweise anzunehmen, dass § 160 Abs. 4 VVG durch den Versicherungsvertrag abbedungen wurde und der Kläger deshalb unmittelbar aus dem vereinbarten Bezugsrecht die Versicherungsleistung für sich beanspruchen könne. Falls die Verjährungseinrede der Beklagten wirksam sein sollte, werde darauf hingewiesen, dass eine Erledigung der Hauptsache erst während des laufenden Klageverfahrens eingetreten sei, da die Einrede durch die Beklagte erst im laufenden Verfahren erhoben worden sei.
40Die Kammer hat die Parteien mit Verfügung vom 28.06.2022 darauf hingewiesen, dass in der Erhebung der Einrede der Verjährung ein erledigendes Ereignis im Sinne des § 91a ZPO zu sehen ist.
41Darauf hat der Kläger mit Schreiben vom 05.07.2022 dem Streithelfer den Streit verkündet. Die Streitverkündung wurde dem Streithelfer am 13.07.2022 zugestellt.
42Mit Schriftsatz vom 02.08.2022 ist der Streithelfer auf Seiten des Klägers dem Rechtsstreit beigetreten und beantragt unter Anschließung der Anträge des Klägers im Übrigen,
43der Beklagten die durch die Streithilfe verursachten Kosten aufzuerlegen.
44Er ist der Ansicht, dass es auf seine Kenntnis von dem Zahlungsanspruch nicht ankomme, sondern vielmehr auf den Zeitpunkt der Kenntniserlangung durch den Kläger abzustellen sei. Zudem ist er der Ansicht, dass u. a. auch aufgrund der Regelung des § 160 Abs. 4 VVG eine Vertretereigenschaft des Nachlasspflegers nicht aus einer Bezugsberechtigung zu entnehmen sei.
45Die Kammer hat mit Einverständnis der Parteien mit Beschluss vom 23.08.2022 das schriftliche Verfahren angeordnet und den Zeitpunkt der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht und bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können, auf den 13.09.2022 bestimmt.
46II.
47Mit Einverständnis der Parteien konnte die Kammer gem. § 128 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
48Die zulässige Berufung der Beklagten hat jedenfalls in aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
491.
50Aufgrund der Erhebung der Einrede der Verjährung durch die Beklagte ist die ursprünglich zulässige und begründete Klage des Klägers unbegründet geworden.
51Die im Wege der Auslegung als solche zu ermittelnde einseitige Erledigungserklärung des Klägers in seinem ersten Hilfsantrag der Berufungserwiderung ist als eine in eine Feststellungsklage übergegangen Klage zulässig. Der Antrag des Klägers, die Erledigung der Hauptsache hilfsweise festzustellen, stellt eine privilegierte Klageänderung nach § 264 Nr. 2 ZPO dar. Die beantragte Feststellung der Hauptsacheerledigung ist ein Minus gegenüber seinem bisherigen Leistungsantrag. Die Beklagte hat der Erledigungserklärung des Klägers, auch nach Hinweis der Kammer, nicht zugestimmt, so dass keine übereinstimmende Erledigung im Sinne des § 91a ZPO vorliegt.
52Der Kläger möchte insoweit festgestellt wissen, dass sein bisheriges Klagebegehren ursprünglich zulässig und begründet gewesen ist und nach Rechtshängigkeit unbegründet geworden ist.
53Der Kläger hat auch das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse. Dieses resultierte aus seinem Kosteninteresse, auf die veränderte Klagesituation so zu reagieren, dass er nicht kostenpflichtig ist. Ein erfolgreicher Erledigungsfeststellungsantrag begründet nach § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO die Kostentragungspflicht der Beklagten. Sämtliche anderen ihm zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten wären für den Kläger insoweit auch kostenschädlich.
542.
55Die Feststellungsklage ist auch begründet. Die ursprünglich zulässige und begründete Leistungsklage ist durch Erhebung der Verjährungseinrede, hier das erledigende Ereignis, nach Rechtshängigkeit unbegründet worden.
56a)
57So stand bis zum erledigenden Ereignis dem Kläger der geltend gemachte Zahlungsanspruch gegen die Beklagte in Höhe von 4.032,05 EUR nach § 1922 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem Versicherungsvertrag der streitgegenständlichen fondgebundenen Rentenversicherung zu.
58Entgegen der Ansicht der Beklagten hat das Amtsgericht zu Recht einen solchen Anspruch unter Beachtung der Vorschrift des § 160 Abs. 4 VVG zugesprochen. Insoweit kann auf die nachvollziehbaren und für die Kammer überzeugenden Ausführungen des Amtsgerichts Bezug genommen werden. Das Amtsgericht hat insoweit u. a. Folgendes ausgeführt:
59„Der Kläger ist als Erbe und nicht als Bezugsberechtigter anspruchsberechtigt.
60Der Versicherungsnehmer Herr G. hat keinen namentlich benannten Bezugsberechtigten festgelegt.
61Die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag sind damit Teil des Nachlasses geworden, da es keine Bezugsberechtigten gibt und die Ansprüche dann wieder an den Versicherungsnehmer bzw. dessen Erben zurückfallen.
62Die Einwendung der Beklagten, dass der Kläger als Fiskus wegen § 160 Abs. 4 VVG kein Bezugsrecht und demgemäß auch keinen Anspruch auf Auszahlung habe, vermag an dieser Bewertung nichts zu ändern. Der Zweck des § 160 Abs. VVG liegt im Wesentlichen in der Auslegung der Begünstigungserklärung des Versicherungsnehmers (LangheidNVandt/Heiss, 2. Aufl. 2017, VVG § 160 Rn. 1). Der Gesetzgeber trägt damit dem Umstand Rechnung, dass der Versicherungsnehmer im Rahmen seiner vertraglichen Erklärung in der Regel nicht den Fiskus berücksichtigen wollte, wenn er seine Erben als Bezugsberechtigten festlegt (Prölss/Martin/Schneider, 31. Aufl. 2021, VVG § 160 Rn. 6). Erklärt der Versicherungsnehmer, wie vorliegend, dass seine Erben die Bezugsberechtigten der Versicherungsleistung sein sollen, ist der Fiskus diesbezüglich gemäß § 160 Abs. 4 VVG nicht zu berücksichtigen. Der Fiskus kann seinen Anspruch nicht auf die Bezugsberechtigung stützen (Langheid/Rixecker/Grote, 6. Aufl. 2019 Rn. 7).
63Der Gesetzgeber trifft allerdings keine Regelung für den Fall, dass keine Bezugsberechtigten und keine weiteren Erben vorliegen; der Fiskus kann deswegen einen Anspruch auf Auszahlung als Erbe haben (Prölss/Martin/Schneider, 31. Aufl. 2021, VVG § 160 Rn. 6; Langheid/VVandt/Heiss, 2. Aufl. 2017, VVG § 160, Rn. 2 und 18, Looschelders/Pohlmann/Peters § 160 Rn. 10). So liegt es hier.
64Mit Beschluss des Amtsgerichts P. vom 14.01.2020 stand fest, dass es keine weiteren Erben als den Fiskus gibt. Es gab mithin keine Bezugsberechtigten, denen der Anspruch hätte zufallen können, da der Fiskus wegen § 160 Abs. 4 VVG ausgeschlossen war.
65Der Auszahlungsanspruch ist deswegen wieder dem Versicherungsnehmer und dessen Nachlass und damit letztlich dem Fiskus als Erben zugefallen.“
66Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer ausdrücklich an. Insoweit ist aus Sicht der Kammer auch ein "Leerlaufen" der Vorschrift nicht ersichtlich, da jedenfalls auch weitere Fälle von dieser abgedeckt werden, an denen z. B. der Fiskus als Erbe des Bezugsberechtigten zum Vorteil des Erben des Versicherungsnehmers ausgeschlossen ist. Das Amtsgericht hat nach Ansicht der Kammer den Sinn und Zweck der Vorschrift hinreichend erfasst und zutreffend erkannt, dass jedenfalls für den vorliegenden Fall, in welchem weder Bezugsberechtigte noch sonstige Erben und ebenso wenig Nachlassgläubiger vorhanden sind, dem Fiskus in diesem Fall letztlich die Versicherungssumme zustehen solle.
67b)
68Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts und des Klägers ist aber nach Ansicht der Kammer in der erstmaligen Erhebung der Einrede der Verjährung durch die Beklagte im Rahmen der Klageerwiderung ein erledigendes Ereignis zu sehen, welches den Zahlungsanspruch des Klägers ausschließt. Denn die erstmalige Erhebung der Einrede der Verjährung gegenüber einer bei Klageerhebung bereits verjährten Forderungen stellt nach hM ein erledigendes Ereignis dar (vgl. Zöller/Althammer, 33. Aufl. 2020, § 91a Rn. 58.50).
69Der vorliegende Anspruch des Klägers resultiert aus dem zwischen dem Herrn G. und der Beklagten geschlossenen Versicherungsvertrag und unterliegt grundsätzlich der regelmäßigen Verjährungsfrist des § 195 BGB (drei Jahre).
70Entgegen der Ansicht des Klägers unterfällt der hiesige Anspruch nicht der dreißigjährigen Verjährungsfrist des § 199 Abs. 3a BGB. Danach verjähren Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an. Vorliegend handelt es sich aber nicht um einen originären Anspruch aus dem Erbrecht, sondern aus dem hier streitgegenständlichen Versicherungsvertrag. Insoweit sind gerade Forderungen und Verbindlichkeiten des Erblassers nicht von Abs. 3a erfasst. So richtet sich die Verjährung solcher Ansprüche nach dem ihnen zugrunde liegenden Rechtsverhältnis zwischen Erblasser und Drittem (vgl. MüKoBGB/Grothe, 9. Aufl. 2021, BGB § 199 Rn. 54).
71Der Beginn der Verjährung richtet sich ebenfalls nach der Generalklausel des § 199 Abs. 1 BGB. Der Kläger hat sich vorliegend die Kenntnis über die den Anspruch begründenden Umstände und der Person des Schuldners, hier der Auszahlungsanspruch gegenüber der Beklagten, des Streithelfers zuzurechnen, § 166 Abs. 1 BGB. Aus diesem Grund ist die Geltendmachung im Jahr 2020 bereits in rechtsverjährter Zeit erfolgt. Auf den Beschluss des Amtsgerichts P. vom 14.01.2020 und auf die Kenntniserlangung des Klägers kommt es insoweit nicht an.
72Nach Ansicht der Kammer ist der Streithelfer als Nachlasspfleger mit seiner Bestellung gesetzlicher Vertreter des oder der Erben im Sinne der §§ 1960, 278 BGB geworden. Unstreitig hat der Streithelfer im Jahr des Erbfalles (2016) gegenüber der Beklagten bereits den Versicherungsfall angezeigt. Darüber hinaus hat der Streithelfer aber keine etwaigen verjährungshemmenden Maßnahmen ergriffen. Der Kläger hat sich nach Ansicht der Kammer gemäß § 166 Abs. 1 BGB die Kenntnis des Streithelfers über den Auszahlungsanspruch zuzurechnen. Entgegen der Ansicht des Klägers und des Streithelfers unterfällt es auch grundsätzlich in den Aufgabenkreis eines Nachlasspflegers, sämtliche Nachlassforderungen geltend zu machen und von den jeweiligen Schuldnern einzuziehen (vgl. BeckOGK/Heinemann, 1.9.2022, BGB § 1960 Rn. 127). So ist jedenfalls auch der hiesige Anspruch nicht auf eine Bezugsberechtigung zurückzuführen, sondern allein auf die gesetzliche Erbenstellung des Fiskus, welcher als Nachlassforderung den Auszahlungsanspruch gegenüber der Beklagten erhält.
73Es kann aus Sicht der Kammer nicht zu Lasten der Beklagten gelangen, bis zu einer etwaigen Feststellung des Nachlassgerichts im Unklaren darüber zu bleiben, wann eine etwaige Verjährungsfrist beginnt oder endet, wenn denn ein gesetzlicher Vertreter für den Nachlass bestellt worden ist, der von den anspruchsbegründenden Tatsachen - wie vorliegend der Fall - Kenntnis erlangt hat.
74Entgegen der Ansicht des Streithelfers legt die Kammer zur Frage der Verjährung auch gerade nicht zu Grunde, dass der Nachlasspfleger, hier also der Streithelfer, mit seiner Bestellung gesetzlicher Vertreter der „gesetzlichen Erben“ laut Bezugsberechtigung des hier streitgegenständlichen Versicherungsvertrages geworden ist. Auf die Bezugsberechtigung kommt es vorliegend nämlich gerade nicht an. Der Anspruch des Klägers entfällt ursprünglich dem Nachlass und gerade nicht im Wege einer Bezugsberechtigung außerhalb des Nachlasses, anderenfalls wäre der Beklagten ein Anspruchsausschluss nach § 160 Abs. 4 VVG zuzugestehen gewesen.
75Nach alledem ist der ursprüngliche Klageanspruch nach Rechtshängigkeit durch Erhebung der Einrede der Verjährung erloschen.
76III.
77Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 101 Abs. 1 Hs. 1 ZPO.
78Der Beklagten waren die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, da nach Rechtshängigkeit der ursprünglich zulässigen und begründeten Klage erst die Einrede der Verjährung erhoben worden ist.
79Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
80Auf Antrag des Klägers war die Revision gegen das Urteil zuzulassen. Soweit ersichtlich existiert zu der vorliegenden Fallgestaltung bislang keine obergerichtliche bzw. höchstrichterliche Entscheidung. Gleichwohl kommt der Entscheidung, ob in der vorliegenden Fallgestaltung die Vorschrift des § 160 Abs. 4 VVG im Sinne der Kammer auszulegen ist und ob eine Wissenszurechnung eines Nachlasspflegers zum Lauf der Verjährung führt, grundsätzliche Bedeutung zu, da hier unterschiedliche Meinungen vertreten werden können.
81Am 11.01.2023 folgte das nachstehende ergänzende Urteil
82Der Tenor des Urteils des Landgerichts - 3. Zivilkammer - Arnsberg vom 28.09.2022 wird wie folgt ergänzt und neu gefasst:
83Auf die Berufung der Beklagten wird das am 01.06.2021 verkündete Urteil des Amtsgerichts Arnsberg, Az. 42 C 109/20, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
84Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.
85Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 550,42 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.12.2020 zu zahlen.
86Die Kosten des Rechtsstreits und der Streithilfe trägt die Beklagte.
87Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
88Die Revision wird zugelassen.
89Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.032,05 EUR festgesetzt.
90Gründe:
91I.
92Die Kammer hat in ihrem am 28.09.2022 verkündeten Urteil versehentlich nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache nicht über den Nebenanspruch, die mit Klageantrag zu Ziff. 2 durch den Kläger geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren, entschieden, was daher nachzuholen ist.
93Der Kläger hat die entsprechende Ergänzung des Urteils beantragt.
94Die Kammer hat im schriftlichen Verfahren mit einer Schriftsatzeinreichungsfrist bis zum 21.12.2022 gem. § 321 Abs. 3 S. 3 ZPO über die Ergänzung ohne mündliche Verhandlung entschieden.
95II.
96Der Antrag des Klägers ist nach § 321 ZPO statthaft und auch fristgerecht innerhalb der Zweiwochenfrist nach Zustellung des erlassenen Urteils gestellt worden.
97Der Antrag ist auch begründet. In dem Urteil ist durch ein Versehen der Kammer nicht über die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten entschieden worden, was daher nachzuholen ist.
98Der Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1, 280, 249 BGB. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts verwiesen werden. Die ursprünglich zulässig und begründete Klage wurde der Beklagten am 17.12.2020 zugestellt.
99So stand nach Ansicht der Kammer bis zur Erhebung der Einrede der Verjährung durch die Beklagte mit Schreiben vom 15.02.2021, was das erledigende Ereignis nach Klageerhebung darstellt, dem Kläger der geltend gemachte Zahlungs(haupt-)anspruch gegen die Beklagte in Höhe von 4.032,05 EUR nach § 1922 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem Versicherungsvertrag der streitgegenständlichen fondgebundenen Rentenversicherung zu. Aus diesem Grund kann der Kläger auch die vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in der tenorierten Höhe geltend machen.