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1.
Die Klage wird abgewiesen.
2.
Die Drittwiderklage wird abgewiesen.
3.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin sowie die Beklagte und Drittwiderklägerin zu gleichen Teilen.
4.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem jeweiligen Vollstreckungsschuldner bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
2Die Klägerin nimmt die Beklagte aus übergegangenem Recht wegen anwaltlicher Pflichtverletzung auf Schadensersatz in Anspruch.
3Sie wirft der Beklagten vor, in einem für den bei der Klägerin rechtsschutzversicherten Versicherungsnehmer geführten gerichtlichen Verfahren eine aussichtslose Berufung betrieben zu haben.
4Die Beklagte begehrt drittwiderklagend festzustellen, dass dem Versicherungsnehmer der Klägerin bzw. ehemaligen Mandanten der Beklagten keine Ansprüche gegen die Beklagte im Zusammenhang mit dem Berufungsverfahren zustehen.
5Der Drittwiderbeklagte wurde im Februar 2013 in der C-Klinik in I anlässlich eines obstruktiven Infektionssyndroms behandelt. Beschwerdeführend waren krampfartige Bauchschmerzen. Es erfolgte ein operativer Eingriff in Form einer diagnostischen Laparoskopie, einer laparoskopischen Adhäsiolyse und einer Resektionsrektopexie unter laparoskopischer Rektosigmoidresektion.
6Der Drittwiderbeklagte klagte postoperativ über Funktionsausfälle seines linken Armes. Er führte dies auf eine nicht ordnungsgemäße Lagerung und Überstreckung des Armes während der mehrstündigen Operation zurück.
7Der Drittwiderbeklagte beauftragte die Sozietät P in M, in der die Beklagte als Rechtsanwältin tätig war, mit der Wahrnehmung seiner Interessen.
8Der Drittwiderbeklagte nahm im November 2013, vertreten durch die Sozietät P, die C-Klinik in I vor dem Landgericht Dortmund (Az. 4 O 239/13) auf Zahlung eines Schmerzensgeldes und Schadensersatz nebst Feststellung weiterer Ersatzansprüche in Anspruch.
9Die mündliche Verhandlung fand am 30.09.2015 statt. Für die Sozietät P war der Zeuge P1 anwesend, der auch alle Beratungsgespräche geführt hatte.
10Das Landgericht Dortmund wies die Klage mit Urteil vom 30.09.2015 nach Einholung eines Sachverständigengutachtens, das durch den Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung erläutert wurde, und Zeugenaussagen des Operateurs und der Anästhesistin ab.
11Zur Begründung führte die Kammer im Wesentlichen aus, dass der Drittwiderbeklagte eine fehlerhafte ärztliche Behandlung nicht zu beweisen vermocht habe. Die Lagerung des Armes sei sowohl zu Beginn der Operation als auch nach Lageveränderung korrekt erfolgt und kontrolliert worden. Die erhobene Aufklärungsrüge greife wegen der hypothetischen Einwilligung nicht durch.
12Der Drittwiderbeklagte legte, vertreten durch die Sozietät P, gegen das Urteil Berufung bei dem OLG Hamm (3 U 153/15) ein.
13Der Zeuge P1 ersuchte die Klägerin mit Schreiben vom 02.12.2015, unter Beifügung des erstinstanzlichen Urteils und der beabsichtigten Berufungsbegründung, um Kostenzusage für das Berufungsverfahren. Zur Begründung führte er aus, dass erstinstanzlich die Beweislast verkannt worden sei.
14Die Klägerin erteilte die Deckungszusage und zahlte für das Berufungsverfahren auf die Kostenrechnung der Justizkasse NRW vom 09.12.2015 einen Betrag von 1.380,00 €.
15In der durch die Beklagte verfassten Berufungsbegründung ließ der Drittwiderbeklagte vor allem vortragen, dass der Sachverständige in den entscheidenden Fragen nur Mutmaßungen angestellt habe, die beiden Zeugenaussagen divergierend gewesen seien, unter Verletzung von § 286 Abs. 1 ZPO nicht festgestellt worden sei, in wessen Aufgabenbereich die Kontrolle der Gradzahl der Lageveränderung gefallen sei und es der damaligen Beklagten nicht gelungen sei, sich von der bei Lagerungsschäden geltenden Fehlervermutung zu entlasten.
16Der zuständige Senat wies mit Hinweisbeschluss vom 23.05.2016 darauf hin, dass beabsichtigt sei, die Berufung durch einstimmigen Senatsbeschluss gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen. Die Berufung habe offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Eine mündliche Verhandlung sei nicht geboten. Das angefochtene Urteil sei mit zutreffender Begründung zu einem richtigen Ergebnis gelangt, ohne dass es einer erneuten Tatsachenfeststellung bedürfe.
17Zur Begründung führte der Senat im Wesentlichen aus, dass sich zwar bei Lagerungsschäden grundsätzlich der Krankenhausträger von einer Fehlervermutung entlasten müsse, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme jedoch zur Überzeugung des Senats feststehe, dass die Lagerung dem medizinischen Standard entsprechend erfolgt und die ordnungsgemäße Lagerung vor dem Beginn der Operation und im weiteren Verlauf in ausreichender Weise kontrolliert worden sei.
18Die Beklagte verfasste als Reaktion auf den Hinweisbeschluss am 22.06.2016 einen Aktenvermerk. Darin heißt es unter anderem:
19„Ich habe dem Beschluss leider nichts mehr entgegenzusetzen […] Entgegen der Auffassung der Beklagten, die in der Berufungsbegründung ausführte, dass die Beweislast aufgrund des voll beherrschbaren Risikobereiches nicht bei ihr liegen würde, sieht der Senat das anders. Sie sieht die Beweislast bei der Beklagten, geht allerdings davon aus, dass die Beklagte den Entlastungsbeweis geführt hat. Dies ist letztlich eine Frage der Beweiswürdigung, die nicht angreifbar ist […] Ich würde daher empfehlen, die Berufung aus Kostengründen zurückzunehmen.“
20Der Zeuge P1 übermittelte dem Drittwiderbeklagten den vorgenannten Aktenvermerk per E-Mail vom 23.06.2016 und bat um Rückruf zwecks eines Besprechungstermins.
21Am 29.06.2016 fand ein Besprechungstermin zwischen dem Zeugen P1 und dem Drittwiderbeklagten statt.
22In einem Aktenvermerk des Zeugen P1 vom 29.06.2016 heißt es unter anderem:
23„Ich habe mit dem Mandanten die Einzelheiten des Hinweisbeschlusses des OLG Hamm vom 23.05.2016 diskutiert. Der Mandant weist darauf hin, dass der gerichtliche Gutachter im ersten Rechtszug (schriftliches Gutachten) selbst darauf hingewiesen habe, dass für die Frage der Plexuslähmung nicht nur die handwerklich richtige/falsche Lagerung maßgeblich sei, sondern auch der Zeitfaktor […] Anhand des Operationsberichtes ist zu eruieren, wie lange die Operation gedauert hat […] Der Mandant weist ferner darauf hin, dass die unstreitige intraoperative Veränderung des Gestänges am Operationstisch nicht, jedenfalls nicht präzise dokumentiert worden ist. Damit bleiben Lücken in der Tatsachenforschung, die zum Nachteil der beweisbelasteten Beklagten gehen […] Es ist also eine Wiederholung der Anhörung des Sachverständigen zu beantragen und darauf hinzuweisen, dass eine solche Nicht-Einholung im zweiten Rechtszug eine Gehörsverletzung nach Art. 103 Abs. 1 GG i.V.m. § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO darstellen würde.“
24Der Drittwiderbeklagte ließ durch von dem Zeugen P1 unterschriebenen Schriftsatz vom 30.06.2016 zu dem Hinweisbeschluss Stellung nehmen.
25Darin wurde insbesondere ausgeführt, dass der Drittwiderbeklagte der Auffassung sei, dass es entgegen der Ausführungen des Senats im Hinweisbeschluss einer weiteren Sachverhaltsaufklärung bedürfe. Aufgrund der sehr langen Operationsdauer und der Prädisposition des Drittwiderbeklagten aufgrund der Diabetes-Erkrankung und des Nikotinabusus hätten die damaligen Beklagten den erhöhten Risikoeintritt eines Lagerungsschadens berücksichtigen und die Operation entsprechend anpassen müssen. Es wurde die erneute Anhörung des Sachverständigen zu dieser Frage beantragt.
26Das Oberlandesgericht Hamm wies die Berufung des Drittwiderbeklagten durch einstimmigen Senatsbeschluss vom 06.07.2016 nach § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO auf seine Kosten zurück. Es setzte den Streitwert für die Berufungsinstanz auf 19.542,08 € fest.
27Aufgrund des Kostenfestsetzungsbeschlusses des Landgerichts Dortmund vom 05.09.2016 zahlte die Klägerin an die damalige Beklagte 1.436,57 €. Ferner zahlte die Klägerin für das Berufungsverfahren an die Beklagte auf deren Rechnung vom 13.07.2016 einen Betrag von 1.436,57 €.
28Die Klägerin forderte den Zeugen P1 mit anwaltlichem Schreiben vom 24.11.2016 zur Zahlung von 4.253,14 € bis zum 03.01.2017 auf sowie zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten i.H.v. 541,93 €. Mit anwaltlichem Schreiben vom 01.12.2016 forderte die Klägerin die Beklagte zur Zahlung der Klageforderung bis zum 03.01.2017 auf.
29Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte hätte eine anwaltliche Pflichtverletzung begangen, indem sie für den Drittwiderbeklagten – in Verkennung der tatsächlichen Sach- und Rechtslage – eine erkennbar aussichtslose Berufung geführt habe. Ein etwaiger Hinweis der Beklagten nach dem Hinweisbeschluss des OLG Hamm auf die Aussichtslosigkeit der Berufung sei verspätet. Hinsichtlich einer etwaigen Abrategebühr fehle die Aufrechnungslage.
30Die Klägerin behauptet, dass die Beklagte den Drittwiderbeklagten nicht ausreichend auf die fehlende Erfolgsaussicht der Berufung hingewiesen habe. Ferner habe die Beklagte gegenüber der Klägerin im Rahmen der Deckungsanfrage unvollständige Angaben gemacht.
31Die Klägerin beantragt,
321.
33die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 4.253,14 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.01.2015 zu zahlen;
342.
35die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen weiteren Betrag in Höhe von 541,933 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.01.2015 zu zahlen.
36Die Beklagte beantragt,
37die Klage abzuweisen.
38Die Beklagte beantragt drittwiderklagend,
39festzustellen, dass dem Drittwiderbeklagten gegen die Beklagte und Drittwiderklägerin Ansprüche im Zusammenhang mit dem Berufungsverfahren 3 U 153/15 Oberlandesgericht Hamm nicht zustehen.
40Der Drittwiderbeklagte beantragt,
41die negative Feststellungsklage gegen den Drittwiderbeklagten zurückzuweisen.
42Die Beklagte ist der Ansicht, die Berufung sei nicht von vornherein aussichtslos gewesen. Das Landgericht Dortmund habe zum einen die Beweislast verkannt und zum anderen das Urteil auf Zeugenaussagen gestützt, die so nicht getätigt worden seien. Das OLG Hamm habe eine neue Beweiswürdigung vorgenommen, dessen Ergebnis nicht vorherzusehen gewesen sei. Es sei zu berücksichtigen, dass der Drittwiderbeklagte ein persönliches Interesse am Ausgang des Verfahrens gehabt habe und das Verfahren um jeden Preis habe durchführen wollen.
43Im Übrigen sei die Beklagte infolge einer Obliegenheitsverletzung mit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen ausgeschlossen, da sie selbst Deckungszusage erteilte.
44Die Klage sei jedenfalls i.H.v. 690,00 € unbegründet, da sich in dieser Höhe die Gerichtsgebühren im Falle einer Rücknahme der Berufung nach dem Hinweisbeschluss reduziert hätten. Ferner sei ein etwaiger klägerischer Anspruch um 906,80,00 € zu reduzieren, da in dieser Höhe bei Abraten von der Berufung eine Gebühr gemäß Ziffer 2100 VV RVG entstanden sei.
45Die negative Drittfeststellungswiderklage sei zulässig. Es sei nicht auszuschließen, dass aufgrund der Beklagten unbekannter Umstände eine Rechtskrafterstreckung entsprechend § 325 Abs. 1 S. 1 ZPO nicht eintreten werde.
46Die Beklagte bestreitet, den Drittwiderbeklagten nicht ausreichend hinsichtlich der Erfolgsaussichten der Berufung belehrt zu haben. Vielmehr sei der Drittwiderbeklagte nach dem Hinweisbeschluss des Oberlandesgerichts darauf hingewiesen worden, dass die Fortführung der Berufung keine Aussicht auf Erfolg habe und es sei die Empfehlung ausgesprochen worden, die Berufung aus Kostengründen zurückzunehmen.
47Die Beklagte erklärt die Aufrechnung i.H.v. 1.171,67 €.
48Sie meint, dass ihr in dieser Höhe ein Anspruch zustehe, da auch die Einholung einer Deckungszusage, hier mit Schreiben der Sozietät P vom 02.10.2013, eine Gebühr entstehen lassen.
49Das Gericht hat den Drittwiderbeklagten persönlich gehört und Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen P1. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 20.02.2018 und 11.06.2019 Bezug genommen.
50Entscheidungsgründe:
51Die zulässige Klage ist nicht begründet.
52Die Widerklage ist nicht zulässig.
53A.
54Die Klage ist nicht begründet.
55I.
56Der Klägerin steht gegen die Beklagte aus übergegangenem Recht kein Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 611, 675 BGB i.V.m § 86 VVG i.V.m. § 128 HGB analog auf Zahlung von Schadensersatz zu.
57Dafür muss dem Drittwiderbeklagten gegen die Beklagte aus §§ 280 Abs. 1, 675, 611 BGB i.V.m § 128 HGB analog ein Anspruch auf Ersatz des ihm im Vorprozess durch die Durchführung der Berufung vor dem Oberlandesgericht Hamm entstandenen Kostenschadens zustehen. Dies ist mangels Pflichtverletzung nicht der Fall.
58Eine Pflichtverletzung liegt vor, wenn dem Drittwiderbeklagten pflichtwidrig nicht davon abgeraten wurde, Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts Dortmund einzulegen, eine Deckungsschutzanfrage bei der Klägerin zu stellen und die Berufung nach dem Hinweisbeschluss des OLG Hamm nicht zurückzunehmen (OLG Hamm, Urteil vom 23.08.2016 – I-28 U 57/15, Rn. 16).
59Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat ein Rechtsanwalt den Mandanten in seiner Rechtssache grundsätzlich umfassend und möglichst erschöpfend rechtlich zu beraten. Er muss den Sachverhalt klären, den er seiner Rechtsprüfung zu Grunde zu legen hat. Anhand des pflichtgemäß in Erfahrung gebrachten Sachverhaltes muss der Anwalt prüfen, ob dieser geeignet ist, den vom Mandanten erstrebten Erfolg herbeizuführen. Soll eine Klage erhoben oder ein Rechtsmittel eingelegt werden, muss der Anwalt die Aussichten des beabsichtigten Prozesses oder des ins Auge gefassten Rechtsmittels prüfen, wobei er sich grundsätzlich an der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu orientieren hat. Auf mögliche Bedenken gegen die Erfolgsaussichten hat er den Mandanten hinzuweisen. Wenn die Prüfung der Sach- und/oder Rechtslage ergibt, dass die beabsichtigte Klage - bzw. das Rechtsmittel - nahezu sicher oder mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit aussichtslos ist, darf der Rechtsanwalt das nicht für sich behalten, sondern muss von sich aus hinreichend deutlich zum Grad des Risikos und der Wahrscheinlichkeit des Prozessverlusts Stellung nehmen. Die Aussichtslosigkeit ist klar herauszustellen; von einer völlig aussichtslosen Klage oder Berufung ist abzuraten. Diese Anforderungen gelten unabhängig davon, ob der Mandant rechtsschutzversichert ist oder nicht. In einem solch eindeutigen Fall ist der Anwalt auch gehalten, sich gegen eine Anfrage beim Rechtsschutzversicherer nach Deckungsschutz auszusprechen, weil sich die Auslösung von Prozesskosten dann nicht als erforderlich im Sinne von § 125 VVG darstellt.
60Lässt sich dagegen eine - geringe - Erfolgsaussicht bejahen, muss der Anwalt zwar auf die erheblichen Risiken eines Prozessverlustes hinweisen, darf aber in Betracht ziehen und mit dem Mandanten erörtern, ob bei der Rechtsschutzversicherung um Deckungsschutz nachgesucht werden soll (OLG Hamm, Urteil vom 18.02.2016 – I-28 U 73/15, Rn. 75 ff).
61Die Darlegungs- und Beweislast für eine Verletzung der vorgenannten Pflichten durch den Anwalt trifft grundsätzlich den Mandanten; im Streitfall liegt sie nach Übergang des Anspruchs bei der Klägerin (OLG Hamm, Urteil vom 23.08.2016 – I-28 U 57/15, Rn. 20).
62Im Übrigen darf die Deckungszusage nicht durch falsche oder auch nur verschleiernde Angaben gegenüber dem Versicherer erlangt werden (OLG Hamm, Urteil vom 18.02.2016 – I-28 U 73/15, Rn. 78).
631.
64Die Einlegung der Berufung war ex ante nicht nahezu sicher bzw. mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit aussichtslos.
65Zum Zeitpunkt der Einlegung der Berufung stand nicht sicher fest, dass das Berufungsgericht nicht bei Anwendung einer anderen, richtigen Beweislastverteilung und Vornahme einer neuen Beweiswürdigung zu einem für den Drittwiderbeklagten günstigen Ergebnis gelangen würde.
66Dem Berufungsgericht war es aufgrund des teils unrichtigen erstinstanzlichen Urteils erlaubt, den Erkenntnisprozess zu wiederholen, eine neue Beweisaufnahme vornehmen und seine Würdigung an die Stelle des Erstgerichts setzen (Heßler in: Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Aufl. 2018, § 529 ZPO, Rn. 2).
67Der Drittwiderbeklagte konnte die Berufung zunächst darauf stützen, dass das Landgericht Dortmund die Beweislast hinsichtlich der Falschbehandlung verkannt hat. Denn es obliegt dem in Anspruch genommenen Krankenhausträger der Beweis dafür, dass ein Lagerungsschaden nicht durch eine falsche Lagerung des Arms während der Operation oder ein Versagen technischer Geräte entstanden ist (BGH, Urteil vom 24.01.1995 – VI ZR 60/94, Rn. 9). Ferner rügte die Berufung zu Recht, dass der Sachverständige hinsichtlich der Grundvoraussetzung einer Armlagerungsvorrichtung mit Unterpolsterung lediglich Mutmaßungen angestellt, der zeugenschaftlich vernommen Operateur U zu einer Unterpolsterung nicht Stellung genommen hat und Zeugen unterschiedliche Angaben dazu gemacht haben, wen die ursprüngliche Stellung der Armlagerungsvorrichtung gestört hat.
682.
69Eine Pflichtverletzung folgt ferner nicht aus der nicht erfolgten Rücknahme der Berufung nach dem Hinweisbeschluss des OLG Hamm.
70Zwar war die Fortführung des Rechtsmittels danach nahezu sicher aussichtslos. Der Senat hatte darauf hingewiesen, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg habe, eine mündliche Verhandlung nicht geboten und das angefochtene Urteil mit zutreffender Begründung zu einem richtigen Ergebnis gelangt sei, ohne dass es einer erneuten Tatsachenfeststellung bedürfe.
71Die Klägerin insofern darlegungs- und beweisbelastete Klägerin vermochte jedoch nicht zu beweisen, dass der Drittwiderbeklagte nicht ausreichend über die geringen Erfolgsaussichten der Fortführung des Berufungsverfahrens aufgeklärt wurde.
72Nach dem in § 286 ZPO normierten Grundsatz der freien Beweiswürdigung ist ein Beweis erbracht, wenn das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Ergebnisses der Beweisaufnahme und der sonstigen Wahrnehmungen in der mündlichen Verhandlung von der Richtigkeit einer Tatsachenbehauptung überzeugt ist. Die danach erforderliche Überzeugung des Richters gebietet keine absolute oder unumstößliche Gewissheit und auch keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit, es reicht vielmehr ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit aus, der Zweifeln Schweigen gebietet. Dies ist vorliegend in Bezug auf eine unzureichende Beratung des Drittwiderbeklagten nicht der Fall.
73Der Zeuge P1 bekundete, dass sowohl er als auch der Drittwiderbeklagte nach dem Verhandlungstermin am Landgericht Dortmund hätten in Berufung gehen wollen. Der Drittwiderbeklagte habe gesagt, dass eine Berufung geprüft und im Falle von Erfolgsaussichten eingelegt werden sollte. In dem Besprechungstermin vom 29.06.2016 hätte der Drittwiderbeklagte ihm insbesondere wegen des Arguments der Dauer der OP die Anweisung erteilt, gegen den Hinweisbeschluss des OLG Hamm vorzugehen. Er erinnere sich zwar nicht daran, ob im Rahmen dieses Besprechungstermins über die Erfolgsaussichten gesprochen worden sei. Er sage aber seinen Mandanten immer, dass diese Hinweisbeschlüsse zu 90 % halten. Der Drittwiderbeklagte habe aber die Berufung fortführen wollen. Er habe dem Drittwiderbeklagten bestimmt vermittelt, dass es noch Chancen gebe.
74Gegen eine fehlerhafte Beratung spricht ebenso der Aktenvermerk der Beklagten vom 22.06.2016, der dem Drittwiderbeklagten mit E-Mail vom 23.06.2016 zur Kenntnis gebracht wurde. Aus diesem folgt eindeutig und mit zutreffender Begründung die Empfehlung, die Berufung aus Kostengründen zurückzunehmen.
75Dem stehen die Angaben des Drittwiderbeklagten nicht entgegen. Dieser gab persönlich gehört an, nicht mehr genau zu wissen, was bei dem Besprechungstermin am 29.06.2016 besprochen worden sei und was der Zeuge P1 im Hinblick auf die Erfolgsaussichten der Berufung gesagt habe. Vielmehr führte er etwa aus, dass die Durchführung der Berufung für ihn von Bedeutung gewesen sei. Ihm sei wichtig gewesen, dass in dem erstinstanzlichen Urteil nicht angesprochene Themen angesprochen würden.
76Somit wurde der Drittwiderbeklagte durch die Beklagte und den Zeugen P1 in die Lage versetzt, die Erfolgsaussichten und die Risiken der Fortführung der Berufung zu bewerten. Dabei wurde die voraussichtliche Aussichtslosigkeit der Fortführung der Berufung insbesondere im Rahmen des Aktenvermerks der Beklagten vom 22.06.2016 unmissverständlich herausgestellt.
773.
78Die Beklagte bzw. die Sozietät P hat auch keine falschen oder verschleiernden Angaben gegenüber der Klägerin gemacht.
79Der Zeuge P1 ersuchte die Klägerin mit Schreiben vom 02.12.2015, unter Beifügung des erstinstanzlichen Urteils und der beabsichtigten Berufungsbegründung, um Kostenzusage für das Berufungsverfahren. Er führte zur Begründung, insofern rechtlich korrekt, aus, dass erstinstanzlich die Beweislast verkannt worden sei.
80Der Vermerk der Beklagten vom 22.06.2016, aus dem sich die Empfehlung zur Rücknahme der Berufung ergibt, erfolgte erst nach der Deckungszusage der Klägerin und dem Hinweisbeschluss des OLG Hamm.
81II.
82Die Nebenforderung folgt dem Schicksal der Hauptforderung.
83B.
84Die Drittwiderklage ist nicht zulässig.
85Es fehlt das Feststellungsinteresse, § 256 Abs. 1 ZPO.
86Der entsprechende Mangel folgt nicht schon aus dem Gesichtspunkt der isolierten negativen Feststellungswiderklage. Eine nur gegen den Zedenten erhobene Widerklage ist zulässig, wenn, wie hier, die zu erörternden Gegenstände tatsächlich und rechtlich eng miteinander verknüpft sind und keine schutzwürdigen Interessen des Drittwiderbeklagten durch dessen Einbeziehung in den Rechtsstreit der Parteien verletzt werden (BGH, Urteil vom 13.03.2007 – VI ZR 129/06, Rn. 10).
87Das auch bei der isolierten Drittwiderklage notwendige Feststellunginteresse (BGH, Urteil vom 13.06.2008 – V ZR 114/07, Rn. 29) besteht dabei grundsätzlich nur, wenn dem subjektiven Recht des Klägers eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit dadurch droht, dass der Beklagte es ernstlich bestreitet oder er sich eines Rechts gegen den Kläger berühmt, und wenn das erstrebte Urteil infolge seiner Rechtskraft geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Aufl. 2018, § 256 ZPO, Rn. 7). Bei einer negativen Feststellungsklage ergibt sich das Interesse an einer der Rechtskraft fähigen Entscheidung regelmäßig daraus, dass mit der richterlichen Feststellung das Führen eines neuerlichen Rechtsstreits über einen Anspruch ausgeschlossen ist (OLG Hamm, Urteil vom 22.02.2011 – 28 U 49/10, Rn. 50). Die Gefahr eines neuerlichen Rechtsstreits zwischen dem Drittwiderbeklagten und der Drittwiderklägerin besteht indes nicht.
88Einer von dem Drittwiderbeklagten erhobenen Klage stünde voraussichtlich der Einwand der Rechtskrafterstreckung nach § 325 ZPO entgegen (a.a.O. Rn. 51).
89Sollte, worauf die Drittwiderklägerin abstellt und was dahingestellt bleiben kann, nicht von vornherein auszuschließen sein, dass eine Rechtskrafterstreckung unter Umständen nicht eintreten würde, erscheint es ausgeschlossen, dass der Drittwiderbeklagte gleichwohl seinerseits gegen die Beklagte Klage auf Schadensersatz wegen anwaltlicher Pflichtverletzung erhebt. Denn der Drittwiderbeklagte hat zu vergegenwärtigen, dass eine solche Klage - wie sich aus den Ausführungen unter A. ergibt - unbegründet ist. Bereits aufgrund der Abweisung der Klage der Klägerin aus übergegangenem Recht des Drittwiderbeklagten kann die Beklagte gewiss sein, dass der Drittwiderbeklagte nicht aus eigenem Recht gegen sie vorgehen wird (a.a.O. Rn. 52).
90C.
91Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
92D.
93Der Streitwert war nach § 45 Abs. 1 S. 1 und 3 GKG auf 4.253,14 € festzusetzen.
94Bei einer als isolierte Drittwiderklage gegen den Zedenten der Klageforderung erhobenen negativen Feststellungsklage bemisst sich der Streitwert nach § 45 Abs. 1 S. 3 GKG. Klage und Drittwiderklage betreffen denselben Gegenstand, so dass nur der höhere Wert der Klage maßgebend ist (OLG Celle, Beschluss vom 24.08.2009 – 11 W 34/09, Rn. 12 f.).
95Der Streitwert wird auf 4.253,14 EUR festgesetzt.
96Rechtsbehelfsbelehrung:
97Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
981. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
992. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
100Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Arnsberg, Brückenplatz 7, 59821 Arnsberg, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
101Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Arnsberg zu begründen.
102Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Arnsberg durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
103Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
104Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr:
105Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de.