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Dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) werden nach Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist Art. 12 Abs. 5 S. 2 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) dahingehend auszulegen, dass ein exzessiver Antrag auf Auskunft durch den Betroffenen nicht bei der ersten Antragstellung gegenüber dem Verantwortlichen vorliegen kann?
2. Ist Art. 12 Abs. 5 S. 2 DSGVO dergestalt auszulegen, dass der Verantwortliche ein Auskunftsersuchen des Betroffenen verweigern kann, wenn der Betroffene beabsichtigt, mit dem Auskunftsersuchen Schadenersatzansprüche gegen den Verantwortlichen zu provozieren.
3. Ist Art. 12 Abs. 5 S. 2 DSGVO dahingehend auszulegen, dass öffentlich zugängliche Informationen über den Betroffenen, die den Schluss zulassen, dass dieser in einer Vielzahl von Fällen bei Datenschutzverstößen Schadenersatzansprüche gegen Verantwortliche geltend macht, die Verweigerung der Auskunft rechtfertigen können?
4. Ist Art. 4 Nr. 2 DSGVO dergestalt auszulegen, dass das Auskunftsersuchen eines Betroffenen gegenüber dem Verantwortlichen gemäß Art. 15 Abs. 1 DSGVO und/oder dessen Beantwortung eine Verarbeitung im Sinne von Art. 4 Nr. 2 DSGVO darstellt?
5. Ist Art. 82 Abs. 1 DSGVO in Ansehung von Erwägungsgrund 146 S. 1 DSGVO dahingehend auszulegen, dass lediglich diejenigen Schäden ersatzfähig sind, die dem Betroffenen aufgrund einer Verarbeitung entstehen bzw. entstanden sind? Bedeutet dies, dass für einen Schadenersatzanspruch nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO – das Vorliegen eines kausalen Schadens des Betroffenen unterstellt – zwingend eine Verarbeitung der personenbezogenen Daten des Betroffenen vorgelegen haben muss?
6. Falls Frage 5 bejaht wird: Führt dies dazu, dass dem Betroffenen – das Vorliegen eines kausalen Schadens unterstellt – allein aus der Verletzung seines Auskunftsrechts nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO kein Schadenersatzanspruch nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO zusteht?
7. Ist Art. 82 Abs. 1 DSGVO dergestalt auszulegen, dass der Rechtsmissbrauchseinwand des Verantwortlichen in Bezug auf ein Auskunftsersuchen des Betroffenen in Ansehung des Unionsrechts nicht darin bestehen kann, dass der Betroffene die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten allein oder unter anderem deswegen herbeigeführt hat, um Schadenersatzansprüche geltend zu machen?
8. Falls die Fragen 5 und 6 verneint werden: Stellt allein der mit einem Verstoß gegen Art. 15 Abs. 1 DSGVO einhergehende Kontrollverlust und/oder die Ungewissheit über die Verarbeitung der personenbezogenen Daten des Betroffenen einen immateriellen Schaden des Betroffenen im Sinne des Art. 82 Abs. 1 DSGVO dar oder bedarf es darüber hinaus einer weiteren (objektiven oder subjektiven) Einschränkung und/oder (spürbaren) Beeinträchtigung des Betroffenen?
Die Parteien streiten über datenschutzrechtliche Ansprüche und deren Rechtsmissbräuchlichkeit.
2Die Klägerin, ein familiengeführtes _____unternehmen mit Sitz in Arnsberg, NRW, verlangt die Feststellung, dass dem Beklagten, einem in Wien lebenden Privatmann, kein Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 1.000 Euro zusteht.
3Am 16. März 2023 hat sich der Beklagte auf der Website der Klägerin zum „Newsletter“ angemeldet, indem er seine persönlichen Daten in die Anmeldemaske eingab, die Einwilligung zur Datenverarbeitung durch Ankreuzen eines Kästchens bestätigte und das Formular absendete. Am 29. März 2023 hat der Beklagte per Fax eine Auskunftsanfrage gemäß Art. 15 DSGVO gestellt.
4Die Klägerin hat den Erhalt der Anfrage bestätigt und angekündigt, diese innerhalb der Monatsfrist zu beantworten. Mit Schreiben vom 26. April 2023 hat die Klägerin jedoch die Auskunft verweigert, da sie das Auskunftsbegehren als rechtsmissbräuchlich im Sinne von Art. 12 Abs. 5 S. 2 lit. b DSGVO einstufte. Der Beklagte wurde aufgefordert, bis zum 3. Mai 2023 endgültig von seinem Anspruch abzusehen, andernfalls werde die Angelegenheit an einen Rechtsanwalt übergeben.
5Der Beklagte ist dieser Aufforderung nicht nachgekommen und hat seinen Auskunftsanspruch sowie einen Schadensersatzanspruch aus Art. 82 DSGVO weiterverfolgt. Mit Schreiben vom 29. Juni 2023 hat er eine Entschädigung von 1.000 Euro gefordert.
6Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Beklagte datenschutzrechtliche Ansprüche in rechtsmissbräuchlicher Weise geltend macht.
7Die Klägerin behauptet, der Beklagte nutze datenschutzrechtliche Auskunftsanfragen systematisch und rechtsmissbräuchlich, um anschließend Schadensersatzforderungen zu stellen. Dies gehe aus zahlreichen Berichten in einschlägigen Onlinemedien hervor, die das Vorgehen des Beklagten in vielen Fällen dokumentieren. Die Klägerin stützt ihre Ansicht auf verschiedene Blogbeiträge und Berichte von Rechtsanwälten, die ähnliche Fälle schildern und das Vorgehen des Beklagten als geschäftsmäßig beschreiben. Sie führt weiter aus, dass das Verhalten des Beklagten den Schutzzweck der DSGVO unterlaufe, da es ihm nicht um den Schutz seiner personenbezogenen Daten gehe, sondern allein darum, finanzielle Entschädigungen zu erzwingen. Die Klägerin verweist dabei auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm, wonach rechtsmissbräuchliche Anfragen keinen Anspruch auf Auskunft begründen (OLG Hamm, Beschluss vom 15.11.2021 – 20 U 269/21).
8Der Klägerin zufolge liegt keine tatsächliche Betroffenheit des Beklagten vor, da dieser bewusst datenschutzrechtliche Verstöße provoziere. Die Klägerin stützt ihre Behauptung auf Berichte von Rechtsanwälten, die dokumentieren, dass der Beklagte in einer Vielzahl von Fällen nach demselben Muster vorgeht: Anmeldung zu einem Newsletter, Auskunftsbegehren und anschließende Forderung von Schadensersatz. Die Klägerin hat als Beweis verschiedene Blogbeiträge und Online-Berichte vorgelegt.
9Der Beklagte ist der Ansicht, dass sein Auskunftsbegehren nicht rechtsmissbräuchlich sei. Er behauptet, die Anfrage sei legitim und entspreche seinem Recht auf Auskunft gemäß Art. 15 DSGVO. Der Beklagte verweist darauf, dass das Auskunftsrecht nicht an die Motive des Antragstellers gebunden sei und jede betroffene Person dieses Recht voraussetzungslos geltend machen könne. Er stützt sich hierbei auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, der den Umfang und die Bedingungslosigkeit des Auskunftsrechts betont hat (EuGH, Urt. v. 09.09.2021 C-33/20, C-155/20 u. C-187/20). Der Beklagte führt weiter aus, dass die Klägerin ihn unrechtmäßig in seinen Rechten aus der DSGVO einschränken wolle und ihm daher ein Schadensersatzanspruch gemäß Art. 82 DSGVO zusteht. Zudem verweist der Beklagte darauf, dass er regelmäßig in Deutschland – insbesondere in Düsseldorf und München – aufhalte und daher ein berechtigtes Interesse an dem Newsletter der Klägerin habe.
10Der Beklagte bestreitet die Vorwürfe der rechtsmissbräuchlichen Nutzung datenschutzrechtlicher Ansprüche und beruft sich auf das grundsätzliche Recht auf Auskunft nach Art. 15 DSGVO, unabhängig von den Motiven des Antragstellers. Der Europäische Gerichtshof hat in mehreren Entscheidungen betont, dass das Auskunftsrecht umfassend und ohne Bedingung ausgeübt werden kann (EuGH, Urt. v. 09.09.2021 C-33/20, C-155/20 u. C-187/20). Der Beklagte weist zudem darauf hin, dass die Klägerin ihm gegenüber nicht die erforderliche Transparenz gemäß Art. 12 DSGVO eingehalten habe, indem sie die Gründe für die Ablehnung seines Auskunftsbegehrens nicht ausreichend dargelegt habe.
11Am 25. September 2023 hat der Beklagte Widerklage erhoben.
12Die Klägerin beantragt
131. festzustellen, dass der Beklagte gegen die Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 1.000 € hat,
142. dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen und
153. das Urteil – notfalls gegen Sicherheitsleistung – für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
16Der Beklagte beantragt
171. die Klage abzuweisen und
182. auf die Widerklage hin die Klägerin zu verurteilen,
19a. an den Beklagten eine Kopie sämtlicher personenbezogener Daten, die die Klägerin über den Beklagten verarbeitet, herauszugeben,
20b. dem Beklagten Auskunft zu erteilen über die Verarbeitungszwecke, für die die Klägerin die personenbezogenen Daten des Beklagten verarbeitet,
21c. dem Beklagten Auskunft zu erteilen über die Empfänger seiner Daten, an die die Klägerin die personenbezogenen Daten des Beklagten übermittelt hat,
22d. dem Beklagten Auskunft darüber zu erteilen, ob die Klägerin die personenbezogenen Daten des Beklagten betreffend eine automatisierte Entscheidungsfindung oder ein Profiling durchgeführt hat,
23e. an den Beklagten eine Geldentschädigung für immaterielle Schäden, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, einen Betrag von 1.000,00 EUR aber nicht unterschreiten sollte, sowie
24f. vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 719,95 EUR, nebst Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz aus 1.719,95 EUR seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
25In der mündlichen Verhandlung am 15. Oktober 2023 haben die Parteien den Sachverhalt nochmals umfassend erörtert. Die Klägerin hat erneut dargelegt, dass die Anfragen des Beklagten systematisch und missbräuchlich seien und sich dabei auf weitere Medienberichte gestützt. Der Beklagte hat diese Vorwürfe zurückgewiesen und argumentiert, dass sein Auskunftsbegehren legitim und rechtmäßig sei.
26Das Gericht hat beschlossen, die unter Ziffer I. dargestellten Fragen dem Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden auch "EuGH" oder "Gerichtshof") nach Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) zur Vorabentscheidung vorzulegen:
27Das Verfahren ist bis zur Entscheidung des Gerichtshofs ausgesetzt worden.
28III.
29Der Ausgang des Rechtstreits hängt von der Auslegung des Unionsrechts ab.
301.
31Nationalen Vorschriften, insbesondere § 34 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und § 226 Zivilprozessordnung (ZPO) sind im vorliegend Fall nicht einschlägig.
32§ 34 BDSG regelt die Auskunftspflichten im deutschen Datenschutzrecht und könnte ergänzend herangezogen werden, um die Anforderungen an die Information und Auskunft zu präzisieren. Allerdings unterliegt die DSGVO als europäische Verordnung dem Vorrang des Unionsrechts, weshalb nationale Vorschriften wie § 34 BDSG nicht maßgeblich sind, sondern nur als Hilfestellung für das Verständnis der DSGVO herangezogen werden können.
33Das Gericht sieht ebenso § 242 BGB (Treu und Glauben) als nicht einschlägig an, da das Gericht in diesem Zusammenhang einen Vorrang der DSGVO sieht. § 242 BGB betrifft die Grundsätze von Treu und Glauben und wird im deutschen Recht angewendet, um rechtsmissbräuchliches Verhalten zu verhindern. Da es sich hier um die Auslegung des Unionsrechts und spezifisch der DSGVO handelt, sind nationale Regelungen wie § 242 BGB nicht direkt anwendbar.
34Ebenso verhält es sich mit § 226 ZPO, der das Schikaneverbot im prozessualen Bereich regelt. Dieser Paragraph zielt darauf ab, missbräuchliches Verhalten im Zivilprozess zu unterbinden, ist aber nicht direkt auf die Auslegung der DSGVO anzuwenden.
352.
36Das Gericht hat Zweifel bezüglich der Auslegung des Unionsrechts.
37Für den nationalen Rechtstreit ist insbesondere die Auslegung von Art. 4 Nr. 2, 15 Abs. 1, 82 Abs. 2 DSGVO streitentscheidend.
38Das Gericht hat Zweifel bezüglich der Auslegung des Unionsrechts, insbesondere im Hinblick auf die folgenden Punkte:
39Es ist unklar, ob ein exzessiver Antrag auf Auskunft durch den Betroffenen bereits bei der ersten Antragstellung gegenüber dem Verantwortlichen vorliegen kann. Der Wortlaut von Art. 12 Abs. 5 S. 2 DSGVO ist diesbezüglich nicht eindeutig, und es fehlt an klarer Leitlinie aus der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofs.
40Weiterhin stellt sich im Zusammenhang mit Art. 12 Abs. 5 S. 2 DSGVO die Frage, ob der Verantwortliche ein Auskunftsersuchen des Betroffenen verweigern kann, wenn der Betroffene beabsichtigt, mit dem Auskunftsersuchen Schadenersatzansprüche gegen den Verantwortlichen zu provozieren. Die DSGVO enthält keine expliziten Bestimmungen darüber, wie mit Anfragen umzugehen ist, die möglicherweise in böser Absicht gestellt werden.
41Zweifel an der Auslegung bestehen auch im Hinblick auf öffentlich zugängliche Informationen über den Betroffenen, die den Schluss zulassen, dass dieser in einer Vielzahl von Fällen bei Datenschutzverstößen Schadenersatzansprüche gegen Verantwortliche geltend macht, die Verweigerung der Auskunft rechtfertigen können. Dies betrifft die Frage, inwieweit öffentlich zugängliche Informationen über das Verhalten des Betroffenen als Grundlage für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs herangezogen werden dürfen.
42Es ist ferner von der Auslegung der DSGVO abhängig, ob das Auskunftsersuchen eines Betroffenen gegenüber dem Verantwortlichen gemäß Art. 15 Abs. 1 DSGVO und/oder dessen Beantwortung eine Verarbeitung im Sinne von Art. 4 Nr. 2 DSGVO darstellt. Dies betrifft die Definition der Verarbeitung und deren Anwendung auf Anfragen und Antworten.
43Eine weitere wesentliche Frage betrifft die Ersatzfähigkeit von Schäden nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO: Es ist zu klären, ob lediglich diejenigen Schäden ersatzfähig sind, die dem Betroffenen aufgrund einer Verarbeitung entstehen bzw. entstanden sind. Erwägungsgrund 146 S. 1 DSGVO könnte hier eine einschränkende Wirkung haben, jedoch fehlt eine klare Auslegung durch den Gerichtshof.
44Schließlich stellt sich die Frage, ob dem Betroffenen allein aus der Verletzung seines Auskunftsrechts nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO ein Schadenersatzanspruch nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO zusteht. Hierzu fehlen präzise Vorgaben in der DSGVO und entsprechende Rechtsprechung des Gerichtshofs.
45Die vorgelegten Fragen haben auch einen Zusammenhang mit nationalen Vorschriften, die allerdings hier nicht unmittelbar anwendbar sind, aber zur Ermittlung des unionsrechtlichen Kontextes herangezogen werden können. Im deutschen Recht wird der Begriff des Rechtsmissbrauchs in verschiedenen Kontexten verwendet, etwa im Bereich des Zivilrechts (§ 242 BGB - Treu und Glauben). Diese Vorschrift könnte analog herangezogen werden, um das Konzept des Rechtsmissbrauchs im unionsrechtlichen Kontext zu beleuchten. Nationale Vorschriften, die den Missbrauch prozessualer Rechte regeln, können als Orientierung dienen, wie etwa § 226 ZPO (Schikaneverbot). Diese Regelungen bieten Ansätze, um zu bestimmen, wann eine Rechtsausübung als missbräuchlich einzustufen ist. Das BDSG enthält Regelungen zur Transparenz und Informationspflichten, die ergänzend zu den Vorschriften der DSGVO herangezogen werden könnten, um die Anforderungen an die Information und Auskunft zu präzisieren. Diese nationalen Vorschriften liefern Anhaltspunkte und interpretative Hilfen, um die offenen Fragen zur Auslegung des Unionsrechts besser zu verstehen und eine kohärente Anwendung sicherzustellen. Eine abschließende Klärung ist jedoch nur durch eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs möglich, weshalb die vorliegenden Fragen zur Entscheidung vorgelegt wurden.
46IV.
47Die Beurteilung der Begründetheit der Klage hängt dabei von der Beantwortung der Vorlagefragen ab, die nicht bereits durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt oder zweifelsfrei zu beantworten sind.
481. Zu Vorlagefrage Ziffer 1
49Das Gericht hält es in Ansehung der Erwägungsgründe 63 und 64 der DSGVO zwar nicht für gänzlich ausgeschlossen, dass im Einzelfall ein exzessiver Antrag auch bei einem ersten Auskunftsersuchen möglich sein kann, aber unter Berücksichtigung von Art. 5 Abs. 1 lit. a) DSGVO für nur in absoluten Ausnahmefällen überhaupt denkbar. Legte man das Tatbestandsmerkmal des exzessiven Antrags zu liberal aus, führte dies zu einer Verkürzung der Rechte der betroffenen Person und führte zu Intransparenz. Solange seine personenbezogenen Daten vermeintlich von einem Verantwortlichen verarbeitet werden, muss der betroffenen Person das Recht auf Auskunft nach Art. 15 DSGVO zustehen.
502. Zu Vorlagefrage Ziffer 2
51Das Gericht hält eine Verweigerung des Auskunftsersuchens durch den Verantwortlichen allein wegen der Absicht des Betroffenen, Schadenersatzansprüche vorzubereiten, für unzulässig. Eine andere Auslegung käme einer Verwirkung des Rechts auf Auskunft gleich. Eine betroffene Person, die in der Vergangenheit etwaig rechtmissbräuchlich Auskunft über die Verarbeitung begehrt hat, muss im Lichte des Schutzgutes der DSGVO diese Möglichkeit dennoch behalten. Im Übrigen stellt es eine zu respektierende gesetzgeberische Entscheidung dar, die Rechtmäßigkeit der Verarbeitungen von personenbezogenen Daten durch die jeweiligen Verantwortlichen dergestalt sicher zu stellen, dass die Verantwortlichen allein in den Grenzen der Missbräuchlichkeit gegenüber sämtlichen Betroffenen Rechenschaft über die Verarbeitung ablegen müssen.
523. Zu Vorlagefrage Ziffer 3
53In Ansehung des Vorstehenden und der sich daraus ergebenen Missbrauchsgefahr durch den jeweiligen Verantwortlichen sowie der damit einhergehenden Verkürzung der Rechte des Betroffenen hält das Gericht die Bezugnahme auf öffentliche Informationen, die belegen, dass der Betroffene eine Vielzahl von Auskunftsersuchen stellt, für sich genommen für nicht ausreichend, um einen Rechtsmissbrauch oder die Nichterteilung der Auskunft zu rechtfertigen.
544. Zu Vorlagefrage Ziffer 4
55Das Gericht geht vorläufig davon aus, dass Art. 4 Nr. 2 DSGVO zwar dahin ausgelegt werden kann, dass im Zuge der Entgegenahme, Bearbeitung und Beantwortung eines jeden Auskunftsersuchens nach Art. 15 DSGVO Verarbeitungen von personenbezogenen Daten verbunden sind, aber das Auskunftsersuchen für sich genommen keine Verarbeitung darstellt. Die Rechtfertigung der mit dem Auskunftsersuchen erforderlichen Verarbeitungen sieht das Gericht in Art. 6 Abs. 1 lit. c) DSGVO in Verbindung mit Art. 15 DSGVO.
565. Zu Vorlagefrage Ziffer 5
57Das Gericht geht davon aus, dass jeder Verstoß gegen die DSGVO dazu geeignet ist, einen Schadenersatz zu begründen, unterstellt, dass dem Betroffenen ein kausaler Schaden durch den Verstoß entstanden ist. Eine Verarbeitung von personenbezogenen Daten ist für einen Anspruch nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO nach Auffassung des Gerichts nicht erforderlich. Dies leitet das Gericht unter anderem aus der Formulierung des Art. 15 Abs. 1 DSGVO ab, der ebenso die negative Auskunft umfasst, dass keine Daten verarbeitet werden.
586. Zu Vorlagefrage Ziffer 6
59Das Gericht hält es dementsprechend für möglich, dass dem Betroffenen aus der Verletzung seines Auskunftsrechts ein Schadenersatzanspruch nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO zustehen kann.
607. Zu Vorlagefrage Ziffer 7
61Das Gericht sieht es als zu respektierende gesetzgeberische Entscheidung an, dass Auskunftsersuchen auf die Aufdeckung von Verstößen gegen die DSGVO gerichtet sein können. Die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen durch den Betroffenen im Falle eines Verstoßes gegen die DSGVO des Verantwortlichen hält das Gericht deswegen für grundsätzlich legitim.
628. Zu Vorlagefrage Ziffer 8
63Das Gericht geht in Fällen, in denen der Betroffene es (gerichtlich festgestellt) auf den „Kontrollverlust“ anlegt, davon aus, dass ein immaterieller Schaden nicht allein anhand des Kontrollverlustes abgeleitet werden kann, sondern eine zusätzliche Beeinträchtigung durch den Betroffenen darzulegen ist, die aber nicht eine Bagatellgrenze überschreiten muss. Die Durchsetzung des Auskunftsrechts durch den Betroffenen, etwa durch Hinzuziehung eines Rechtsanwalts, kann aber einen materiellen Schaden begründen.