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Landgericht Aachen, 15 O 1/23

Datum:
04.02.2025
Gericht:
Landgericht Aachen
Spruchkörper:
15. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
15 O 1/23
ECLI:
ECLI:DE:LGAC:2025:0204.15O1.23.00
 
Schlagworte:
Zahnarzthaftung; Recht auf Nachbesserung; Behandlungsfehler; Unzumutbarkeit der Nachbesserung
Normen:
BGB §§ 253; 254; 276; 280; 281; 611 4; 627; 630a; 630b; ZPO §§ 253 Abs. 2 Nr. 2; 256 Abs. 1; 286; 141; 142; GG Art. 103 Abs. 1
Leitsätze:

1. Selbst dann, wenn die Anordnung des Gerichts nach § 142 ZPO gegenübereinem Dritten, die ladungsfähige Anschrift eines Zeugen mitzuteilen, rechtswidriggewesen sein sollte, unterliege die Angaben, die ein nach Mitteiung derladungsfähigen Anschrift vernommener Zeuge gemacht hat, keinemVerwertungsverbot.2. In Rechtsprechung und Schrifttum ist umstritten, ob der Patient dem Behandlerbei Vorliegen eines Behandlungsfehlers Gelegenheit zur Nachbesserung gebenmuss. Nach einer verbreitet vertretenen Auffassung soll der Honoraranspruch desZahnarztes aus dem Behandlungsvertrag (§ 611 Abs. 1 BGB) nur dann entfallenkönnen, wenn die erbrachte Leistung vollständig unbrauchbar ist und dem Zahnarztein Nachbesserungsrecht nicht oder nicht mehr zusteht, was u.a. dann der Fall sei,wenn dem Patienten (weitere) Nachbesserungen nicht unzumutbar gewesen wären.Umfang und Häufigkeit der seitens des Patienten einzuräumendenNachbesserungsversuche hingen von den Umständen des Einzelfalles ab undentzögen sich einer generalisierenden Betrachtung (OLG Köln, Beschl. v. 27.8.2012– 5 U 52/12; OLG Köln, Beschl. v. 17.12.2012 – 5 U 126/12; OLG Düsseldorf, Urt. v.11.04.2018 – 18 U 20/17; OLG Dresden, Urt. v. 14.01.2020 – 4 U 1562/19; LG Köln,Urt. v. 06.03.2012 – 3 O 83/11, juris Rn. 43 ff.). Nach einer teilweise vertretenenGegenauffassung muss der Patient den Behandler nicht nach §§ 280 Abs. 3, 281Abs. 1 BGB zur Nacherfüllung auffordern (OLG Jena, Urt. v. 29.05.2012 – 4 U549/11). Nach einer weiteren Gegenauffassung muss der Patient den Behandlernicht nach §§ 280 Abs. 3, 281 Abs. 1 BGB zur Nacherfüllung auffordern. DieEinordnung der zahnärztlichen Versorgung eines Patienten mit Zahnersatz alsDienstvertrag schließe ein Recht des Zahnarztes auf Nachbesserung zurVermeidung von Schadenersatzansprüchen grundsätzlich aus, insbesondere habeder Zahnarzt kein Recht auf die Durchführung einer (neuen) Behandlung zurBeseitigung eines Mangels und damit einer echten Nachbesserungstätigkeit (OLGNaumburg, Urt. v. 25.06.2009 – 1 U 27/09, juris Rn. 21; OLG Naumburg, Urt. v.13.12.2007 – 1 U 10/07, juris Rn. 23). Nach Auffassung der Kammer ist der Streitvor allem dadurch gekennzeichnet, dass er verbreitet ohne konkreten Normbezugund ohne Beachtung der jeweils zur Entscheidung stehenden Fragen geführt wird.So folgt nach Auffassung der Kammer aus der Einordnung des zahnärztlichenBehandlungsvertrages als Dienstvertrag ohne weiteres, dass die §§ 281 Abs. 1, 323Abs. 1 BGB keine Anwendung finden können. Aus § 630b BGB folgt unzweideutig,dass auf das Behandlungsverhältnis die Vorschriften über das Dienstverhältnisanzuwenden sind. Das Dienstvertragsrecht kennt jedoch keine Mängelhaftung.Dementsprechend trifft den Zahnarzt – wie dies die §§ 281 Abs. 1, 323 Abs. 1 BGBaber voraussetzen – keine Pflicht zur Nacherfüllung (Anschluss an OLG Koblenz,Urt. v. 08.10.2014 – 5 U 624/14). Dann kann dem Zahnarzt aber auch kein echtesRecht auf Nachbesserung zur Vermeidung von Schadenersatzansprüchen zustehen(Anschluss an OLG Naumburg, Urt. v. 25.06.2009 – 1 U 27/09, juris Rn. 21; OLGNaumburg, Urt. v. 13.12.2007 – 1 U 10/07, juris Rn. 23). Andererseits ist einebestehende Nachbesserungsbereitschaft des Behandlers und eine Weigerung desPatienten, dem Zahnarzt eine (Weiter-)Behandlung zu gewähren, nicht per se ohnerechtliche Bedeutung, insbesondere nicht in den Fällen, in denen eine Fristsetzungnach §§ 281 Abs. 1, 323 Abs. 1 BGB schon deshalb entbehrlich ist, weil der Patientgar keinen Schadensersatz statt der Leistung begehrt. Geht es etwa um dasEinpassen von Zahnersatz, fehlt es schon an einer anspruchsbegründendenPflichtverletzung, wenn der Zahnersatz nicht beim ersten Versuch sitzt oderEinschleifmaßnahmen für einen passenden Sitz notwendig sind. Unabhängig vonder Notwendigkeit, dem Behandler eine Nachbesserungsmöglichkeit zu geben,scheiden Schadensersatzansprüche in diesem Fall daher von vorneherein aus. DerPatient kann den Behandlungsvertrag zwar nach § 627 Abs. 1 BGB auch ohneGründe kündigen, allerdings ändert dies nichts daran, dass der Behandler zurZahlung der bis dahin angefallenen Vergütung verpflichtet bleibt (vgl. § 628 Abs. 1Satz 1 BGB) und bei Fehlen einer Pflichtverletzung und damit eines vertragswidrigenVerhaltens des Behandlers die Voraussetzungen des § 628 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BGBvon vorneherein nicht vorliegen (Anschluss an BGH, Urt. v. 29.03.2011 – VI ZR133/10, juris Rn. 12 f.).3. Dass der Patient dem Zahnarzt keine Nachbesserungsmöglichkeit gegeben hat, istjedenfalls dann unschädlich, wenn dem Patienten die Vornahme vonNachbesserungsarbeiten durch den Zahnarzt unzumutbar ist. Hiervon ist dannauszugehen, wenn der Zahnarzt sowohl vorgerichtlich als auch im Prozess einenBehandlungsfehler (hier: fehlende Randschlüssigkeit von Kronen) in Abrede gestelltund die Verantwortlichkeit – in der Sache unzutreffend – allein dem Patientenzugewiesen hat (Anschluss an LG Köln, Urt. v. 06.03.2012 – 3 O 83/11, juris Rn. 45).

 
Tenor:

1.    Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.000,00 Euro nebst Zinsen hierauf in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 06.04.2023 zu zahlen.

2.    Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den weiteren unvorhersehbaren immateriellen sowie materiellen Schaden zu ersetzen, der dem Kläger dadurch entstanden ist, dass die am 04.02.2020 von dem Beklagten vorgenommene Überkronung der Zähne 27, 21, 17, 16, 15, 12 und 13 wegen fehlender Randschlüssigkeit behandlungsfehlerhaft vorgenommen worden ist, soweit diese Ansprüche nicht auf

Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

3.    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4.    Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

5.    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen

Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

6.    Der Streitwert wird auf 23.857,60 Euro festgesetzt.

 

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