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Schmerzensanspruch bei coronabedinger Quarantäneanordnung
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger zu je 1/2.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Klägern bleibt nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte in derselben Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
2Die Parteien streiten um einen Anspruch auf Schmerzensgeld wegen mehrfacher Quarantäneanordnungen infolge eines Covid-19-Ansteckungsverdachts.
3Die Kläger verbrachten gemeinsam mit ihrem Sohn und dessen Frau Ostern 2021. Sodann wurde ihre Schwiegertochter in ein Krankenhaus eingeliefert und positiv auf Covid-19 getestet. Unter dem 07.04.2021 ordnete die Beklagte gegen den Klägern eine häusliche Quarantäne vom 04.04.2021 bis einschließlich 18.04.2021 an, da sie als Kontaktpersonen zu qualifizieren seien (vgl. Anlage K1, Bl. 7 ff. GA). Gegen die Quarantäneverordnung erhoben die Kläger unter 07.05.2021 dem Klage vor dem Verwaltungsgericht Aachen (Az. 7 K 1156/21). In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Aachen vom 14.03.2022 erklärten die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt. Daraufhin hat das Verwaltungsgericht Aachen durch Beschluss das Verfahren eingestellt und eine Kostenquote ermittelt (vgl. Anlage K2, Bl. 18 ff. GA). In der Folge forderten die Kläger die Beklagte fruchtlos zur Zahlung eines Schmerzensgeldes auf.
4Die Kläger sind der Ansicht, dass sie vor dem Verwaltungsgericht Aachen einen Vergleich geschlossen hätten, durch welchen feststehe, dass die Anordnungen rechtswidrig ergangen seien. Zudem liege bereits eine Amtspflichtverletzung der Beklagten vor, da die einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen zum Erlass einer Quarantäneanordnung nicht vorgelegen hätten. Für sie habe keinerlei Möglichkeit bestanden, die Quarantäneanordnungen mittels Eilrechtsschutz anzugreifen. Zumal der Quarantäneanordnung keine ordnungsgemäße Rechtsmittelbelehrung beigefügt gewesen sei.
5Die Kläger beantragen,
6die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 5.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
7Die Beklagte beantragt,
8die Klage abzuweisen.
9Sie ist der Ansicht, dass es bereits an einer Amtspflichtverletzung fehle. Überdies scheide ein Schadensersatzanspruch nach § 839 Abs. 3 BGB aus, da die Kläger keinen Eilrechtsschutz gegen die Quarantäneanordnung ersucht hätten. Die Quarantäneanordnung sei auch nicht rechtswidrig, da die Beklagte aufgrund der vorherrschenden Ausnahmesituation samt Vielzahl der Fälle eine schematische Handhabung habe durchführen müssen. Schließlich sei mit der Quarantäneanordnung nicht die für einen Schmerzensgeldanspruch notwendige Bagatellgrenze überschritten.
10Das Gericht hat die Akte des Verwaltungsgerichts Aachen (Az. 7 K 1156/21) beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen, sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlungen vom 29.11.2022 (Bl. 95 f. GA) Bezug genommen.
11Entscheidungsgründe
12Die zulässige Klage ist unbegründet. Den Klägern steht nach Auffassung des Gerichts ein Anspruch auf Schmerzensgeld aus § 839 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. Art. 34 S. 1 GG nicht zu.
131.
14Ob eine Amtspflichtverletzung der Beklagten, in Form rechtswidriger Quarantäneanordnungen vom 07.04.2021 gemäß § 30 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 28 Abs. 1 IfSG) i.V.m. § 3 Abs. 1 IfSBG NRW, kann offenbleiben. Aus dem klägerischen Vortrag ergibt sich, dass die Beklagte am 07.04.2021 gegen die Kläger eine häusliche Quarantäne vom 04.04.2021 bis einschließlich 18.04.2021 anordnete, da sie als Kontaktpersonen ihrer Schwiegertochter zu qualifizieren seien.
15Entgegen der Ansicht der Kläger ergibt sich auch aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Aachen vom 14.03.2022 (vgl. Anlage K2, Bl. 18 ff. GA) keine rechtskräftige und für das Gericht bindende Entscheidung, dass eine rechtswidrige Amtspflichtverletzung vorliegt. Die Einstellung des Verfahrens nach einer beiderseitig übereinstimmenden Erledigungserklärung stellt kein rechtskräftiges Urteil im Sinne des § 121 VwGO dar.
162.
17Für einen Amtshaftungsanspruch nach § 839 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. Art. 34 S. 1 GG fehlt es letztlich an einem konkreten Schaden. Ein Schaden in Form eines Freiheitsentzuges nach Art. 104 GG ist nach Auffassung der Kammer nicht eingetreten. Vom Schutz des Rechtsguts der persönlichen Fortbewegungsfreiheit ist die Möglichkeit des Ortswechsels umfasst (vgl. BGH, Urteil vom 31.05.1960 – 1 StR 212/60 -, NJW 1960, 1629). Eine Freiheitsentziehung liegt aber nur vor, wenn die Bewegungsfreiheit nach jeder Richtung hin aufgehoben wird (vgl. BVerfG, Urteil vom 24.07.2018 – 2 BvR 309/15 -, BVerfGE 149, 293 ff., juris). Bei den streitgegenständlichen Quarantäneanordnungen wurde den Klägern aufgegeben, sich in häusliche Quarantäne zu begeben (vgl. Anlage K1, Bl. 7 ff. GA). Hierdurch wird den Klägern aber nicht die Bewegungsfreiheit nach jeder Richtung genommen, sondern ihnen bleibt nachgelassen sich in der häuslichen Sphäre frei zu bewegen (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 27.06.2022 – 7 U 15/22 -, BeckRS 2022, 19274; OLG Köln, Beschluss vom 27.06.2022 – 7 U 200/21 -, BeckRS 2022, 19275).
183.
19Losgelöst davon ist nach Auffassung der Kammer das ungeschriebene anspruchsbegründende Tatbestandsmerkmal der Überschreitung der Geringfügigkeitsschwelle (vgl. u.a. LG Hannover, Urteil vom 20.08.2021 – 8 O 1/21 -, BeckRS 2021, 22869; LG Düsseldorf, Urteil vom 18.05.2022 – 2b O 100/21 -, juris; LG Magdeburg, Urteil vom 01.02.2022 – 10 O 715/21 -, juris; LG Frankfurt, Urteil vom 15.12.2021 – 2-04 O 165/21 – juris) für einen Schmerzensgeldanspruch im Sinne des § 253 Abs. 2 BGB durch die Quarantäneanordnungen nicht erfüllt. Wie bereits zum Schaden ausgeführt, konnten sich die Kläger frei in der häuslichen Umgebung bewegen. Es handelte sich demnach um eine Freiheitsbeschränkung und nicht um eine Freiheitsentziehung. Eine feste zeitliche Grenze, ab der eine Freiheitsbeschränkung als ausgleichspflichtig anzusehen wäre, gibt es nicht. Abzustellen ist vielmehr auf die konkrete Situation des Einzelfalls, bei der es insbesondere auch auf die Ausgestaltung und Intensität des Eingriffs sowie auf herabwürdigende Behandlung und mögliche rufschädigende Wirkungen ankommt.
204.
21Es kann daher letztlich dahinstehen, ob den Klägern wegen der Nichteinlegung von Eilrechtsschutz gemäß § 839 Abs. 3BGB ein Anspruch nach § 839 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. Art. 34 S. 1 GG verwehrt bleibt.
225.
23Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1 S.1, 100 Abs. 1, 709 S. 1, 2 ZPO.
24Streitwert: 5.000,00 €, § 3 ZPO
25B. |
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