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Ein gemäß § 397a Abs. 1 StPO gerichtlich bestellter Nebenklagevertreter kann seine Beistandsbestellung nicht wirksam auf einen anderen Rechtsanwalt übertragen, da sich die Bestellung auf die jeweilige Person beschränkt, wobei jedoch als Ausnahme das Tätigwerden eines anderen Rechtsanwalts als allgemeiner Vertreter nach § 53 Abs. 2 BRAO gilt (Anschluss BGH, Urteil vom 13. August 2014 – 2 StR 573/13 –, BGHSt 59, 284-292).
Tritt anstelle des Nebenklagevertreters ein unterbevollmächtigter Terminsvertreter in der Hauptverhandlung auf, der nicht gemäß § 397a Abs. 1 StPO gerichtlich bestellt ist, entsteht insoweit kein Kostenerstattungsanspruch gegenüber der Staatskasse gemäß § 45 Abs. 3 RVG.
Die Erinnerung der Nebenklagevertreterin vom 29.01.2021 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Aachen vom 19.01.2021 in Verbindung mit dem Beschluss vom 03.05.2021 wird zurückgewiesen.
Das Verfahren über die Erinnerung ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
2I.
3Mit Schriftsatz vom 04.01.2021 beantragte die Nebenklagevertreterin, welche mit Eröffnungsbeschluss der Kammer vom 19.12.2019 der Nebenklägerin als Beistand gemäß § 397a Abs. 1 StPO bestellt worden war, die Festsetzung eines Vorschusses auf ihre Vergütung in Höhe von insgesamt 10.111,76 EUR.
4Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 19.01.2021 setzte der Rechtspfleger bei dem Landgericht Aachen die Höhe des Vorschusses auf die Vergütung der Nebenklagevertreterin auf 8.717.32 EUR fest und wies darauf hin, dass die angemeldeten Terminsgebühren nebst Reisekosten in Höhe von insgesamt 1.172,90 EUR zuzüglich Umsatzsteuer in Höhe von 221,54 EUR für die Hauptverhandlungstage vom 02.03.2020, 22.05.2020, 14.07.2020 sowie 10.08.2020 abzusetzen gewesen seien. Ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls war an dem Hauptverhandlungstag vom 02.03.2020 Rechtsanwalt S. mit Untervollmacht und an den Hauptverhandlungstagen vom 22.05.2020, 14.07.2020 sowie 10.08.2020 Rechtsanwalt B. in Vertretung der Nebenklagevertreterin erschienen. Zur Begründung führte der Rechtspfleger aus, dass die Beistandsbestellung auf die jeweils bestellte Person beschränkt sei und nicht im Wege der Erteilung einer Untervollmacht auf einen anderen Rechtsanwalt übertragen werden könne. Ausnahmen hiervon lägen nur vor, wenn es sich um einen allgemeinen Vertreter im Sinne des § 53 Abs. 2 BRAO handele oder eine Bestellung für den jeweiligen Termin erfolgt wäre, was vorliegend nicht der Fall gewesen sei.
5Gegen diesen Beschluss legte die Nebenklagevertreterin mit Schriftsatz vom 29.01.2021, eingegangen bei Gericht am selben Tag, „Rechtsmittel“ ein.
6Nach Vorlage an den Bezirksrevisor bei dem Landgericht Aachen beantragte dieser mit Stellungnahme vom 02.03.2021, die eingelegte Erinnerung als unbegründet zurückzuweisen, wobei er sich zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses bezog.
7Mit Schriftsatz vom 24.03.2021 wies die Nebenklagevertreterin darauf hin, dass Rechtsanwalt B. den Termin am 14.07.2020 als ihr amtlich bestellter Vertreter während ihrer urlaubsbedingten Abwesenheit wahrgenommen habe. Nach Vorlage einer diesbezüglichen Bestätigung der Rechtsanwaltskammer mit E-Mail vom 30.06.2020 und Stellungnahme des Bezirksrevisors vom 29.04.2021 half der Rechtspfleger mit Beschluss vom 03.05.2021 dem Rechtsmittel der Nebenklagevertreterin in Höhe eines Betrages von 346,89 EUR betreffend die Terminsgebühr nebst Reisekosten für den Hauptverhandlungstag vom 14.07.2020 ab und begründete seine Entscheidung damit, dass die Nebenklagevertreterin für diesen Hauptverhandlungstermin nachgewiesen habe, dass Rechtsanwalt B. als allgemeiner Vertreter gemäß § 53 Abs. 2 BRAO bestellt gewesen sei, wobei sich die Bestellung auch auf die Beiordnung als Beistand erstrecke. Im Übrigen half der Rechtspfleger dem Rechtsmittel nicht ab und legte die Sache dem Oberlandesgericht zur weiteren Veranlassung vor.
8Mit Beschluss des Oberlandesgerichtes Köln vom 31.05.2021 (Az.: 2 Ws 246/21) verwies der Senat die Sache an das Landgericht Aachen zur Entscheidung zurück.
9II.
10Das als Erinnerung auszulegende Rechtsmittel der Nebenklagevertreterin ist zulässig, jedoch unbegründet.
11Gemäß § 56 Abs. 1 S. 1 RVG findet die Erinnerung gegen die Festsetzung der Vergütung für einen beigeordneten Rechtsanwalt nach § 55 RVG statt. Zuständig ist das Gericht des Rechtszuges, bei dem die Festsetzung erfolgt ist. Zur Entscheidung über das Rechtsmittel ist gemäß §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 8 S. 1 RVG der Einzelrichter der Kammer berufen.
12In der Sache hat die Erinnerung keinen Erfolg.
13Der Nebenklagevertreterin steht gegenüber der Staatskasse kein über den festgesetzten Betrag hinausgehender Gebührenanspruch betreffend die Terminsgebühren nebst Reisekosten zuzüglich Umsatzsteuer für die Hauptverhandlungstage vom 02.03.2020, 22.05.2020 sowie 10.08.2020 aus §§ 45 ff. RVG zu.
14Gemäß § 45 Abs. 3 RVG ist zur Begründung eines Kostenerstattungsanspruches gegenüber der Staatskasse die gerichtliche Bestellung oder Beiordnung Voraussetzung.
15Unter den Voraussetzungen des § 397 a Abs. 1 StPO entsteht dem Rechtsanwalt ein Anspruch auf Erstattung der ihm zustehenden Gebühren gegen die Staatskasse. Der Gebührenanspruch des Anwalts gegen die Staatskasse richtet sich nach §§ 15, 45 ff., 53 RVG i.V.m. § 52 RVG; er besteht nur, wenn die anwaltliche Tätigkeit nicht nur von der Beiordnung, sondern auch von einem mit dem Vertretenen geschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrag, der auf eine vorläufig unentgeltliche Tätigkeit geht, umfasst ist (Poller/Härtl/Köpf, Gesamtes Kostenhilferecht, 3. Auflage 2018, StPO § 397a Rn. 21, beck-online).
16Vorliegend fehlt es an einer gerichtlichen Bestellung der Rechtsanwälte S. und B. gemäß § 397a Abs. 1 StPO. Ihre Bestellung ist auch nicht etwa konkludent durch Erwähnung ihrer Anwesenheit im Hauptverhandlungsprotokoll erfolgt.
17Zwar kann ein vom Nebenkläger bevollmächtigter und anschließend nach § 397a Abs. 1 StPO beigeordneter Rechtsanwalt grundsätzlich Untervollmacht erteilen, um zum Beispiel Revisionsschriftsätze einzureichen, da das ursprüngliche Wahlmandat auch nach der Beiordnung weiterbesteht. Die Beistandsbestellung dagegen kann nicht wirksam durch einen Rechtsanwalt auf einen anderen übertragen werden, da sich die Beiordnung auf die jeweilige Person beschränkt, wobei jedoch als Ausnahme das Tätigwerden eines anderen Rechtsanwalts als allgemeiner Vertreter nach § 53 Abs. 2 BRAO gilt (BeckOK StPO/Weiner, 39. Ed. 1.1.2021 Rn. 30, StPO § 397a Rn. 30).
18Vorliegend waren die Rechtsanwälte S. und B. jedoch im Umfang der noch streitigen Hauptverhandlungstermine nicht als allgemeine Vertreter gemäß § 53 Abs. 2 BRAO bestellt.
19Hinsichtlich des Erstattungsanspruchs kommt es nicht darauf an, dass die Nebenklagevertreterin im Rahmen ihres Wahlmandats berechtigt war, den Rechtsanwälten S. und B. Untervollmacht zu erteilen. Zwar weist die Nebenklagevertreterin zu Recht darauf hin, dass im Falle einer Vertretung nach § 5 RVG grundsätzlich die Staatskasse in gleicher Weise wie die Partei auch die vertragsgemäße Erfüllung der Anwaltspflichten durch einen Vertreter gegen sich gelten lassen muss (BeckOK RVG/v. Seltmann, 53. Ed. 1.9.2021, RVG § 5 Rn. 17). Allerdings verkennt die Nebenklagevertreterin, dass im Bereich der Nebenklagevertretung wie auch der Pflichtverteidigung Sonderregelungen bestehen.
20So ist für die Pflichtverteidigung allgemein anerkannt, dass die Erstattungsfähigkeit beim Pflichtverteidiger wegen seiner grundsätzlichen Pflicht zur persönlichen Tätigkeit von einer Zustimmung des Gerichts abhängt (Toussaint/Toussaint, 51. Aufl. 2021, RVG § 5 Rn. 11; Gerold/Schmidt/Mayer, 25. Aufl. 2021, RVG § 5 Rn. 20, jeweils m.w.N.).
21Für die Nebenklagevertretung gilt dies gleichermaßen. Insoweit hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich klargestellt, dass die Beistandsbestellung als solche nicht wirksam auf einen anderen Rechtsanwalt übertragen werden könne, da die Bestellung eines Beistands gemäß § 397a Abs. 1 StPO – ebenso wie die Beiordnung eines Pflichtverteidigers gemäß § 141 Abs. 1 StPO – auf die jeweils bestellte Person beschränkt sei; eine Übertragung im Wege der Erteilung einer Untervollmacht sei daher nicht wirksam möglich (BGH, Urteil vom 13. August 2014 – 2 StR 573/13 –, BGHSt 59, 284-292, Rn. 9).
22Zwar weist die Nebenklagevertreterin in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, dass sich die Bestellung als Beistand gemäß § 397a Abs. 1 StPO von der Beiordnung als Pflichtverteidiger gemäß § 141 StPO wiederum insoweit unterscheidet, als nach der überzeugenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das Wahlverteidigungsverhältnis mit der Bestellung zum Pflichtverteidiger endet, während ein solches im Falle der Bestellung als Beistand eines Nebenklägers fortbesteht, weshalb der Nebenklagevertreter zur Erteilung einer Untervollmacht weiterhin berechtigt ist.
23Indes verkennt die Nebenklagevertreterin, dass es für den Kostenerstattungsanspruch gegenüber der Staatskasse nach dem eindeutigen Wortlaut des § 45 Abs. 3 RVG nicht auf die Befugnis zur Unterbevollmächtigung, sondern auf die gerichtliche Bestellung ankommt. Bei dieser Bestellung gemäß § 397a Abs. 1 StPO handelt es sich um einen öffentlich-rechtlichen Akt; die hierdurch geschaffene Rechtsbeziehung des Nebenklagevertreters zum Staat beschränkt sich gerade auf dessen Gebührenanspruch gegen die Staatskasse (vgl. Weißer in: Gercke/Julius/Temming/Zöller, Strafprozessordnung, 6. Aufl. 2019, § 397a Rn. 37). Wenn aber eine Übertragung der Beistandsbestellung nach der eindeutigen höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht möglich ist, kann auch die hierdurch ausgelöste gebührenrechtliche Wirkung des § 397a Abs. 1 StPO i.V.m. § 45 Abs. 3 RVG nicht eintreten.
24III.
25Das Verfahren über die Erinnerung ist gemäß § 56 Abs. 2 S. 2 RVG gebührenfrei; Kosten werden gemäß § 56 Abs. 2 S. 3 RVG nicht erstattet.