Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 28.440,13 € zu zahlen nebst Zinsen i.H.v. 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 26.712,33 € seit dem 02.07.2020 und aus 1.727,80 € seit dem 25.04.2020.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten über restlichen Werklohn aus einem VOB-Bauvertrag bei dem Großbauprojekt „XXX“ in A. Streitgegenständlich ist lediglich ein Sicherheitseinbehalt für Mängelansprüche und ein Skontoabzug.
3Der Kläger ist der mit Beschluss vom 01.07.2019 vom AG Köln bestellte Insolvenzverwalter über das Vermögen der XXX (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin). Die Insolvenzschuldnerin war spezialisiert auf die Herstellung von Kunststofffenster, Möbel- und Innenausbau.
4Die Beklagte ist ein Bauunternehmen, welches von der XXX als Hauptunternehmerin (HU) mit der Herstellung von 38 Einfamilienhäusern in der Straße „XXX“ in A-B beauftragt wurde.
5Mit Verhandlungsprotokoll vom 28.08.2018 beauftragte die Beklagte die Insolvenzschuldnerin als Nach-/“Mitunternehmerin“ (MIU) mit dem Gewerk Kunststofffenster zu einem Pauschalfestpreis i.H.v. 490.000,00 € netto. Gemäß Ziff. 4.1.12 des Verhandlungsprotokolls wurde die VOB/B in den Vertrag einbezogen. Weiter heißt es in dem Vertrag auszugsweise:
6Ziff. 10: Es findet eine förmliche Abnahme gem. § 12 Nr. 4 VOB/B statt […] Die Abnahme erfolgt durch uns, in Verbindung mit der Gesamtabnahme durch den Bauherrn, spätestens jedoch bis zum 28.02.2020.
7Ziff. 13.2: Darüber hinaus ist der HU berechtigt, von der Schlussrechnung ein Skonto i.H.v. 2 % des Netto-Schlussrechnungsbetrages in Abzug zu bringen, wenn die Bezahlung der Schlussrechnung binnen 20 Werktagen nach Rechnungseingang beim HU erfolgt. Sollte die Schlusszahlung vor der Abnahme erfolgen, so wird durch die Schlusszahlung die vereinbarte Abnahme gem. § 10 dieses Verhandlungsprotokolls nicht ersetzt. Fiktive Abnahme wird ausgeschlossen.
8Ziff. 13.6: Liegen bei Rechnungsstellung nicht alle benötigten Bescheinigungen in gültiger Form vor, ist der HU berechtigt, dem Haftungsanspruch entsprechende Abzüge einzubehalten.
9Ziff. 18.1 ZVB [=Zusätzliche Vertragsbedingungen im Geschäftsverkehr mit Kaufleuten]: Bei der Schlusszahlung wird als Sicherheit für die Erfüllung der Gewährleistungsverpflichtung 5 % des Nettorechnungsbetrages einbehalten […]
10Ziff. 18.2 ZVB: Der MIU kann den Sicherheitseinbehalt durch eine unbefristete Bürgschaft ablösen […]
11Wegen der weiteren Einzelheiten des Verhandlungsprotokolls vom 28.08.2018 nebst Anlagen wird auf die Anlage HWD2, Bl. 11ff. d.A., Bezug genommen.
12Die Insolvenzschuldnerin führte die beauftragten Leistungen nebst weiterer Zusatzleistungen aus und stellte unter dem 16.12.2019 ihre Schlussrechnung i.H.v. 569.288,02 € abzüglich diverser Abzüge und erhaltenen Zahlungen, woraus noch ein Zahlbetrag i.H.v. 179.990,04 € verblieb (Bl. 42 ff. d.A.). Die Schlussrechnung ging der Beklagten am 19.12.2019 zu. Eine förmliche Abnahme erfolgte nicht.
13Die Beklagte prüfte die Schlussrechnung und übersandte dem Kläger am 13.03.2020 das Prüfexemplar (Anlage HWD3, Bl. 42-46 d.A.) mit folgendem Ergebnis:
14Leistung Netto 534.246,63€
15abzügl. 1,8 % (Bauleistungsvers./Strom etc.) 9.616,44 €
16abzügl. von Bkl. verauslagte Beträge 100.578,90 €
17abzügl. Sicherheitseinbehalt für Mängelansprüche 26.712,33
18abzügl. Einbehalt für bei Abnahme festgestellte Mängel 12.000,00 €
19abzügl. Einbehalt fehlende Unterlagen 13.000,00 €
20abzügl. Abschlagszahlungen 285.948,81 €
21Zwischensumme 86.390,15 €
22abzügl. 2% Skonto aus 86.390,15€ 1.727,80 €
23Unstreitiger Restwerklohn 84.662,35 €
24Des Weiteren findet sich folgender Hinweis beim Prüfexemplar: „Schlusszahlung gem. § 16 VOB/B […] Gleichzeitig weisen wir darauf hin, dass mit der Schlusszahlung keine Abnahme der vertraglich geschuldeten Leistung verbunden ist. Die Abnahme erfolgt entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen.“ (Bl. 42/44 d.A.)
25Mit Schreiben vom 16.03.2020 (Anlage HWD4, Bl. 47 ff. d.A.) nahm der Kläger zu der geprüften Schlussrechnung der Beklagten Stellung und forderte diese u.a. zur Einzahlung des Sicherheitseinbehalts auf ein Sperrkonto bis zum 27.03.2020 auf. Des Weiteren wies er darauf hin, dass der Skontoabzug schon unter Hinweis auf die bislang unterbliebene Auszahlung des unstreitigen Restwerklohns unberechtigt sei.
26Den unstreitigen Restwerklohn i.H.v. 84.662,35 € zahlte die Beklagte am 17.03.2020 an den Kläger aus.
27Mit Schreiben vom 31.03.2020 (Anlage HWD5, Bl. 50 f. d.A.) antwortete die Beklagte auf das Schreiben des Klägers vom 16.03.2020 und teilte unter Ziff. 4 mit: „Der Sicherheitseinbehalt wurde wunschgemäß am 25.03.2020 separiert. Einen entsprechenden Nachweis fügen wir bei. Zur Einrichtung eines Sperrkontos sind weitergehende Formalitäten auch Ihrerseits notwendig. Zur Abstimmung der weiteren Details bitten wir höflich um Kontaktaufnahme mit […]“. Unter Ziff. 7 wies die Beklagte hinsichtlich der Skontoabrede darauf hin, dass notwendige Unterlagen zur Zahlungsfreigabe fehlen würden.
28Mit Schreiben vom 07.04.2020 (Anlage HWD6, Bl. 53 ff. d.A.) forderte der Kläger die Beklagte erfolglos u.a. zur Auszahlung des Sicherheitseinbehalts i.H.v. 26.712,33 € sowie des abgezogenen Skontos i.H.v. 1.727,80 € bis zum 24.04.2020 auf. Zur Begründung führte er u.a. aus, dass die Separierung des Sicherheitseinbehalts nicht den Anforderungen nach § 17 Abs. 6 VOB/B genüge und die Skontofrist bei Überweisung längst überschritten gewesen sei.
29Mit Schreiben vom 24.04.2020 (Anlage B1, Bl. 78 f. d.A.) teilte die Beklagte dem Kläger u.a. mit, welche konkreten Unterlagen bzw. Angaben zur Vorbereitung der Kontoeröffnungsunterlagen für das Sperrkonto vom Kläger an die Sparkasse Aachen weiterzuleiten seien(Bl. 78 d.A.).
30Mit der am 01.07.2020 zugestellten Klage begehrt der Kläger die Auszahlung des Sicherheitseinbehalts i.H.v. 26.712,33 € sowie des Skontoabzugs i.H.v. 1.727,80 €, insgesamt 28.440,13 €, zzgl. Verzugszinsen.
31Der Kläger ist der Ansicht, der Werklohnanspruch sei auch ohne Abnahme fällig, weil die Beklagte das von ihr bei Schlussrechnungsprüfung ermittelte unbestrittene Guthaben am 17.03.2020 ausgezahlt und damit den Werklohnanspruch der Insolvenzschuldnerin auch ohne förmliche Abnahme als fällig anerkannt habe.
32Des Weiteren stehe ihm ein Anspruch auf Auszahlung des Sicherheitseinbehalts gem. § 17 Abs. 6 Nr. 3 S. 2 VOB/B zu. Die Beklagte habe es versäumt, den Sicherheitseinbehalt von sich aus auf ein Sperrkonto i.S.v. § 17 Abs. 5 S. 1 VOB/B einzuzahlen. § 17 Abs. 6 Nr. 1 VOB/B sei vorliegend nicht anwendbar. Die Anwendbarkeit der Vorschrift setze voraus, dass der Auftraggeber vereinbarungsgemäß die Sicherheit in Teilbeträgen von seinen Zahlungen einbehalten dürfe. Davon, dass die Beklagte die Sicherheit für die Gewährleistung vereinbarungsgemäß in Teilbeträgen von ihren Zahlungen einbehalten dürfe, sei in Ziff. 14 des Verhandlungsprotokolls keine Rede. Die Beklagte hätte den Sicherheitseinbehalt also von sich aus auf ein Sperrkonto einzahlen müssen, was sie unterlassen habe. Der Kläger habe daher berechtigterweise mit Schreiben vom 16.03.2020 gem. § 17 Abs. 6 Nr. 3 S. 1 VOB/B eine angemessene Nachfrist zur Erfüllung dieser Verpflichtung bis zum 27.03.2020 setzen können, welcher die Beklagte nicht fristgerecht nachgekommen sei. Die Aufforderung zur Mitwirkung datiere zudem auf den 31.03.2020, also vier Tage nach Ablauf der Nachfrist. Auch hätte die Beklagte das Sperrkonto bereits einrichten können. Die Legitimierung des Klägers als weiteren Kontoinhaber hätte auch noch nach Einrichtung des Sperrkontos und Fristablaufs erfolgen können.
33Auch der Skontoabzug sei unberechtigt. Die Schlussrechnung ist der Beklagten – insoweit unstreitig - am 19.12.2019 zugegangen. Gem. § 187 Abs. 1 BGB habe die Skontofrist daher am 20.12.2019 zu laufen begonnen, die Frist von 20 Tagen sei daher am 20.01.2020 abgelaufen gewesen. Tatsächlich sei die Zahlung – unter Abzug des Skontos – erst am 17.03.2020 erfolgt. Weder aus Ziff. 13.6 noch aus Ziff. 13.2 des Verhandlungsprotokolls ergebe sich, dass durch das Recht zum Einbehalt wegen fehlender Unterlagen sich die Skontofrist auf unbestimmte Zeit bzw. bis zur Vorlage der Unterlagen verlängert hätte.
34Der Kläger beantragt,
35die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 28.440,13 € nebst Zinsen i.H.v. 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.04.2020 zu zahlen.
36Die Beklagte beantragt,
37die Klage abzuweisen.
38Sie ist der Ansicht, dass der Anspruch mangels Abnahme nicht fällig sei. Wegen Ziff. 13.2. des Verhandlungsprotokolls sei die Auszahlung des unbestrittenen Guthabens weder ein Verzicht auf die Abnahme noch ein Anerkenntnis.
39Es bestehe auch kein Anspruch auf Auszahlung des Sicherheitseinbehalts, da es an einer wirksamen Nachfristsetzung fehle. Nach § 17 Abs. 6 Nr. 1 VOB/B sei die Beklagte verpflichtet gewesen, den Sicherheitseinbehalt binnen 18 Werktagen nach Mitteilung des einbehaltenen Betrages an die Insolvenzschuldnerin auf ein Sperrkonto einzuzahlen. Die Mitteilung des einbehaltenen Betrages i.H.v. 26.712,33 € gegenüber der Insolvenzschuldnerin sei am 13.03.2020 mit der Übersendung des Prüfexemplars der Schlussrechnung erfolgt. Dementsprechend sei die Frist zur Einzahlung des Sicherheitseinbehalts am 03.04.2020 abgelaufen. Zum Zeitpunkt des Schreibens des Klägers vom 16.03.2020 sei die Frist daher noch nicht abgelaufen und die Nachfristsetzung damit unwirksam, zumal auch die 18 Werktage noch nicht mal zum Zeitpunkt der gesetzten Nachfrist zum 27.03.2020 abgelaufen gewesen seien. Darüber hinaus habe die Beklagte bis zur Mitwirkung des Klägers den Sicherheitseinbehalt lediglich separieren können. Der Kläger sei seinen Mitwirkungspflichten bei der Eröffnung des „Und-Kontos“ im bankrechtlichen Sinne trotz Aufforderung nicht nachgekommen und habe damit zumindest treuwidrig die Einzahlung des einbehaltenen Betrages auf ein Sperrkonto verhindert.
40Schließlich sei auch der Skontoabzug berechtigt. Nach Ziff. 13.6 des Verhandlungsprotokolls sei die Beklagte berechtigt, für den Fall, dass bei Rechnungslegung nicht alle benötigten Bescheinigungen in gültiger Form vorliegen, dem Haftungsanspruch entsprechende Abzüge einzubehalten ohne die vereinbarte Skonto-Abzugsberechtigung zu verlieren. Bei Rechnungsstellung hätten die Unbedenklichkeitsbescheinigungen zur Einhaltung der Mindestlohnpflicht gefehlt, so dass die Beklagte berechtigt gewesen sei, von der Schlussrechnung einen dem Haftungsanspruch aus der fehlenden Unbedenklichkeitsbescheinigung entsprechenden Abzug einzubehalten, ohne dass insoweit für den Abzug die Skontofrist gem. Ziff. 13.2 des Verhandlungsprotokolls zu laufen begonnen hätte.
41Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
42E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
43Die Klage ist - bis auf einen Teil der Zinsforderung - vollumfänglich begründet.
44I. Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung restlichen Werklohns i.H.v. 28.440,13 € gemäß § 631 Abs. 1 BGB, §§ 2, 16 Abs. 5, 17 Abs. 6 Nr. 3 S. 2 VOB/B i.V.m. § 80 InsO.
45Zwischen der Insolvenzschuldnerin und der Beklagten ist ein Pauschalpreisvertrag unter Einbeziehung der VOB/B geschlossen worden.
46Der restliche Werklohn ist fällig (I.) und der Kläger hat einen Anspruch auf Auszahlung sowohl des Sicherheitseinbehalts (II.) als auch des Skontoabzugs (III.).
47I. Der Restvergütungsanspruch ist fällig. Voraussetzung für die Fälligkeit der Schlusszahlung beim VOB-Vertrag ist neben einer – hier unstreitig - prüfbaren Rechnung die Abnahme. Eine förmliche Abnahme ist entgegen § 10 des Verhandlungsprotokolls vom 28.08.2018 vorliegend unstreitig nicht erfolgt. Eine fiktive Abnahme war gemäß Ziff. 13.2 des Verhandlungsprotokolls ausgeschlossen. Allerdings wird die Forderung aus der Schlussrechnung fällig, wenn die Leistungen des Auftragnehmers keine zur Verweigerung der Abnahme berechtigten Mängel aufweisen (BGH, Urteil vom 18. Dezember 1980 – VII ZR 43/80, juris Rn. 23; U. Locher in Ingenstau/Korbion, 21 Aufl., § 16 VOB/B Rn. 15 mwN). Hiervon ist vorliegend auszugehen. Es ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass überhaupt Mängel geltend gemacht werden, die nach Art und Umfang einzeln oder zumindest zusammen wesentliche Mängel darstellen, die zu einer berechtigten Abnahmeverweigerung führen würden. Dagegen spricht auch, dass die Beklagte in ihrer Schlussrechnungsprüfung lediglich einen Einbehalt für Mängel i.H.v. 12.000,00 € bei anerkannten Leistungen i.H.v. 534.246,63 € vornahm (Bl. 45 d.A.). Darüber hinaus ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass die Beklagte die förmliche Abnahme zwischenzeitlich verlangt oder weitere (fehlende oder fehlerhafte) Leistungen von der Insolvenzschuldnerin nachgefordert hätte, so dass das Vertragsverhältnis auch in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen ist. Schließlich hätte gem. Ziff. 10 des Verhandlungsprotokolls vom 28.08.2018 die Abnahme spätestens bis zum 28.02.2020 erfolgen sollen. Vor diesem Hintergrund ist die Beklagte jedenfalls nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB gehindert, eine fehlende Abnahme der Werkleistung dem Zahlungsbegehren des Klägers entgegenzuhalten, solange sie keine wesentlichen Mängel auch nur vorträgt.
48II. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Auszahlung der Sicherheit i.H.v. 26.712,33 € kraft seines Amtes als Insolvenzverwalter aus § 17 Abs. 6 Nr. 3 S. 2 VOB/B zu. Die Beklagte hat es versäumt, den Sicherheitseinbehalt innerhalb der ihr gesetzten Nachfrist einzuzahlen.
49Gemäß § 17 Abs. 6 Nr. 3 VOB/B kann der Auftragnehmer die sofortige Auszahlung des einbehaltenen Betrages verlangen und braucht dann keine Sicherheit mehr zu leisten, wenn der Auftraggeber den Sicherheitsbetrag nicht rechtzeitig auf ein Sperrkonto einzahlt und eine hierfür gesetzte angemessene Nachfrist verstreichen lässt. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
501. Die Vertragsparteien haben mit der Regelung in Ziff. 18 der ZVB zum Verhandlungsprotokoll vom 28.08.2018 wirksam vereinbart, dass die Beklagte für die Dauer der Gewährleistungsverpflichtung 5 % des Nettorechnungsbetrages einbehalten durfte und der Sicherheitseinbehalt durch eine Bürgschaft abgelöst werden konnte. Ausdrückliche Regelungen darüber, wie mit dem Sicherheitseinbehalt zu verfahren ist, enthält die vertragliche Vereinbarung nicht. Da nach der vertraglichen Vereinbarung allerdings ergänzend die VOB/B Geltung haben sollte, traf die Beklagte hinsichtlich des Sicherheitseinbehalts gemäß § 17 Abs. 6 VOB/B die Verpflichtung, den einbehaltenen Betrag auf ein Sperrkonto einzuzahlen. Denn Anhaltspunkte dafür, dass § 17 Abs. 6 VOB/B abbedungen werden sollte, finden sich im Vertrag nicht (vgl. in diesem Zusammenhang die Entscheidung des BGH im Beschluss vom 10.11.2005 - VII ZR 11/04, juris Rn. 10 für eine entsprechende Vertragskonstellation).
51§ 17 Abs. 6 Nr. 3 VOB/B gilt dabei einheitlich für jede Art des Sicherheitseinbehalts, unabhängig davon, ob die Sicherheit in Teilbeträgen von jeder Zahlung oder – wie im vorliegenden Fall - nur in einer Summe von der Schlusszahlung abgezogen wird (Thüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 17. Dezember 2003 – 2 U 384/03 –, juris 2. Leitsatz; Joussen in Ingenstau/Korbion, 21. Aufl., § 17 Abs. 6 Rn. 30 mwN).
52Die Verpflichtung des Auftraggebers zur Einzahlung des Einbehaltes auf ein Sperrkonto entsteht dabei auch unmittelbar. § 17 VOB/B schließt den schlichten Einbehalt der Sicherheit ohne Einverständnis des Vertragspartners aus. Zur Sicherheit einbehaltener Werklohn ist stets auf ein Sperrkonto einzuzahlen, ohne dass es dazu einer Aufforderung durch den Auftragnehmer bedarf (KG Berlin, Urteil vom 02. August 2002 – 7 U 38/02, juris Rn. 6; KG Berlin, Urteil vom 23. April 2010 – 7 U 117/09, juris Rn. 34). Indem die Beklagte ihr Recht zum Einbehalt i.H.v. 26.712,33 € wahrnahm, war sie daher ohne Weiteres zur Einzahlung dieses Einbehaltes auf ein Sperrkonto verpflichtet.
532. Der Kläger hat der Beklagten wirksam mit Schreiben vom 16.03.2020 eine Nachfrist zur Einzahlung des Sicherheitseinbehalts i.S.d. § 17 Abs. 6 Nr. 3 VOB/B gesetzt.
54a. Die Fristsetzung war nicht – wie von der Beklagten vorgetragen – unwirksam, weil zum Zeitpunkt des Schreibens vom 16.03.2020 die Einzahlungsfrist von 18 Werktagen gemäß § 17 Abs. 6 Nr. 1 S. 3 VOB/B noch nicht abgelaufen war.
55§ 17 Abs. 6 Nr. 1 S. 1 VOB/B setzt nach seinem eindeutigen Wortlaut voraus, dass der Auftraggeber überhaupt berechtigt ist, die Sicherheit in Teilbeträgen und nicht nur in einem Betrag oder in bestimmten Beträgen einzubehalten. Abweichende Vereinbarungen von § 17 Abs. 6 sind dabei individualvertraglich ohne weiteres zulässig, in AGB nach Maßstab des § 307 BGB (Joussen in Ingenstau/Korbion, 21. Aufl., § 17 Abs. 6 Rn. 19 und 7). Den Bauvertragsparteien steht es daher frei, den Sicherheitseinbehalt abweichend von § 17 Abs. 6 Nr. 1 S. 1 VOB/B auf eine bestimmte Zahlung zu begrenzen. Eine solche Begrenzung sollte klar und eindeutig formuliert sein. In diesem Fall darf der Einbehalt nur von der so geregelten Zahlung (z.B. Schlusszahlung) erfolgen, und zwar einmalig in der vereinbarten Höhe (z.B. 5 % eines vereinbarten Pauschalpreises) (vgl. Joussen Ingenstau/Korbion, 21. Aufl., § 17 Abs. 6 Rn. 6f.).
56Vorliegend haben die Parteien in Ziff. 18.1 der ZVB abweichend vom § 17 Abs. 6 Nr. 1 S. 1 VOB/B gerade keinen Einbehalt in Teilbeträgen vereinbart, sondern klar und eindeutig den Sicherheitseinbehalt auf die Schlusszahlung begrenzt. Dass die Klausel in Ziff. 18.1 der ZVB unwirksam ist, ist weder dargelegt noch ersichtlich, insbesondere da der Einbehalt die Höchstgrenze von 10 % gemäß § 17 Abs. 6 Nr. 1 VOB/B nicht überschreitet (vgl. hierzu Joussen in Ingenstau/Korbion, 21. Aufl., § 17 Abs. 6 Rn. 20).
57Haben die Bauvertragsparteien aber zulässigerweise - abweichend von § 17 Abs. 6 Nr. 1 S. 1 VOB/B - vereinbart, dass der Sicherheitseinbehalt auf eine bestimmte Zahlung begrenzt sein soll, findet § 17 Abs. 6 Nr. 1 VOB/B von vornherein keine Anwendung (vgl. Joussen in Ingenstau/Korbion Rn. 7.; BeckOK VOB/B/Hildebrandt/Abu Saris, 40. Ed. 31.7.2020, VOB/B § 17 Abs. 6 Rn. 4).
58Damit gilt auch nicht die Einzahlungsfrist von 18 Werktagen gemäß § 17 Abs. 6 Nr. 1 S. 3 VOB/B. Soweit der BGH mit Beschluss vom 10.11.2005 – VII ZR 11/04 - und das KG Berlin mit Urteil vom 02.08.2002 - 7 U 38/02 – ohne jede Begründung § 17 Abs. 6 Nr. 1 S. 3 VOB/B auch bei Begrenzung des Sicherheitseinbehalts auf eine Zahlung anwenden, vermag die Kammer dem bereits aufgrund des eindeutigen Wortlauts und der Systematik des § 17 Abs. 6 Nr. 1 VOB/B nicht zu folgen. Vielmehr hätte es den Bauvertragsparteien freigestanden, eine solche Einzahlungsfrist in Ziff. 18.1 der ZVB zu vereinbaren. Dass das Fehlen einer solchen Einzahlungsfrist die Beklagte unangemessen benachteiligt, ist weder dargelegt noch ersichtlich. Folglich wäre die Beklagte verpflichtet gewesen, den Einbehalt bereits bei der Schlusszahlung auf ein Sperrkonto einzubezahlen, was sie unstreitig nicht getan hat.
59b. Auch aus dem Umstand, dass die Vertragsparteien gemäß Ziff. 14.1 und 14.3. des Verhandlungsprotokolls vom 28.08.2018 die Stellung einer Gewährleistungsbürgschaft vereinbart hatten, folgt nichts Gegenteiliges. Gemäß § 17 Abs. 7 VOB/B hat der Auftragnehmer die Sicherheit binnen 18 Werktagen nach Vertragsschluss zu leisten, wenn nichts anderes vereinbart ist. Von § 17 Abs. 7 VOB/B nicht erfasst ist die – hier streitgegenständliche - Sicherheitsleistung durch Einbehalt. Einzelheiten zu dieser Art der Sicherheitsleistung ergeben sich abschließend aus § 17 Abs. 6 Nr. 1 bis 3 (Joussen in Ingenstau/Korbion, 21 Auf., § 17 Abs. 7, Rn. 2). Selbst wenn man sich auf den Standpunkt stellen würde, dass im Falle der Gewährleistungsbürgschaft die 18-Werktage-Frist zur Stellung der Sicherheit gemäß § 17 Abs. 7 VOB/B entgegen seinem eindeutigen Wortlaut nicht mit Vertragsschluss sondern erst mit Abnahme beginnen würde und dass die Beklagte zum Zeitpunkt der Einbehaltsmitteilung vom 13.03.2020 noch gar nicht wusste, ob der Kläger von seinem Ablösungsrecht nach Ziff. § 18 der ZVB Gebrauch machen würde, würde dies die Beklagte nicht dazu berechtigen, das einbehaltene Geld bis zu einer etwaigen Ablösung weiterhin als zu ihrem Vermögen gehörig zu betrachten und den Sicherheitseinbehalt nicht vor dem Zugriff anderer Gläubiger im Falle einer Insolvenz ihrerseits zu schützten. Dies gilt insbesondere im vorliegenden Fall, da nach der Insolvenzeröffnung über das Vermögen der Insolvenzschulnderin ohnehin nicht mehr zu erwarten war, dass ein vorzunehmender Einbehalt abgelöst werde.
60c. Damit durfte der Kläger der Beklagten bereits mit Schreiben vom 16.03.2020 eine Nachfrist gem. § 17 Abs. 6 Nr. 3 VOB/B zur Einzahlung des Sicherheitseinbehalts setzen.
61d. Zwar scheint fraglich, ob die gesetzte Frist bis zum 27.03.2020 (sechs Werktage) angemessen war. Die Angemessenheit einer nach § 17 Abs. 6 Nr. 3 S. 1 VOB/B zu setzenden Nachfrist richtet sich nach den jeweiligen Verhältnissen. Teilweise wird eine Frist von einer Woche als ausreichend angesehen (Joussen in Ingenstau/Korbion, 21. Aufl., § 17 Abs. 6 VOB/B, Rn. 30), insbesondere wenn der Auftragnehmer nach § 17 Abs. 6 Nr. 1 S. 3 VOB/B bereits eine Frist von 18 Werktagen zur Einzahlung der Sicherheit hatte. Ist dies – wie vorliegend – jedoch nicht der Fall, dürfte eine Frist von sechs Werktagen zur Einrichtung eines Sperrkontos und Einzahlung des entsprechenden Betrages zu kurz bemessen sein. Eine zu kurz bemessene Frist ist jedoch nicht wirkungslos, sondern setzt eine angemessene Frist in Gang (KG Berlin, Urteil vom 02.08.2002 – 7 U 38/03, juris Rn. 8; Joussen in Ingenstau/Korbion, 21. Aufl., § 17 Abs. 6 Rn. 30). Selbst wenn man - entsprechend dem Rechtsgedanken des § 17 Abs. 6 Nr. 1 S. 3 VOB/B - auch für den Schlusszahlungseinbehalt eine angemessene Frist von insgesamt 18 + 7 Werktagen annehmen würde, ergebe sich eine wirksam gesetzte Frist zum 16.04.2020. Die Beklagte hat jedoch erstmalig mit Schreiben vom 24.04.2020 um Übersendung konkret bezeichneter Unterlagen und Angaben zur Einrichtung eines Sperrkontos gebeten. Die Separierung des Betrages am 25.03.2020 genügte nicht, da nur bei Einzahlung auf ein Und-Konto, über das beide Parteien nur gemeinschaftlich verfügungsberechtigt sind, dieses Vermögensgut dem Auftragnehmer in der Insolvenz des Auftragnehmers erhalten bleibt. Dass es der Beklagten nicht möglich war, bis Mitte April nicht mindestens eine konkrete Mitwirkung des Klägers bei der Einrichtung des Sperrkontos einzufordern, ist weder ersichtlich noch vorgetragen. Vor diesem Hintergrund ist auch für den Einwand einer Treuwidrigkeit des Klägers wegen unterbliebener Mitwirkung kein Raum.
62e. Für die wirksame Nachfristsetzung war schließlich auch nicht erforderlich, dass insbesondere bei fehlender Vereinbarung der Auftragnehmer bzw. hier der Kläger nunmehr konkret angibt, bei welchem Kreditinstitut das Sperrkonto geführt werden soll. Verzichtet er wie vorliegend hierauf, ist die Nachfristsetzung gleichwohl wirksam. Der Auftragnehmer gibt hiermit zu erkennen, dass er mit jedem Geldinstitut einverstanden ist und die Wahl dem Auftraggeber überlässt. Infolge dieser Nachfristsetzung hatte die Beklagte vielmehr alles ihrerseits Mögliche zu tun, dass jedenfalls bis Mitte April ein für das Sperrkonto erforderliches Und-Konto eingerichtet und der einbehaltene Vergütungsanteil dort eingezahlt wird.
63f. Da die Beklagte auch bis Mitte April den Kläger noch nicht einmal um Übersendung konkret erforderlicher Unterlagen und Angaben zur Errichtung eines Und-Kontos aufgefordert hatte, ist der Kläger nach § 17 Abs. 6 Nr. 3 S. 2 VOB/B berechtigt, die sofortige Auszahlung des einbehaltenen Betrages zu verlangen. Insofern schadet auch schon eine nur geringfügige Überschreitung der Nachfrist. Der Auftragnehmer braucht dann keine Sicherheit mehr zu leisten (Ingenstau/Korbion, 21. Aufl., § 17 Abs. 6 Rn. 32).
643. Ist der Auftragnehmer nach § 17 Abs. 6 Nr. 3 S. 2 VOB/B nicht mehr verpflichtet, Sicherheit zu leisten, ist der dadurch frei werdende Vergütungsanspruch sofort fällig. Im Fall der Nichtzahlung kann der Auftraggeber damit nach nunmehr notwendiger Mahnung gem. § 286 Abs. 1 BGB in Verzug geraten. Da es sich jetzt um den eigentlichen Vergütungsanspruch, d.h. um eine Entgeltforderung und nicht mehr um die Sicherheit handelt, belaufen sich die Verzugszinsen abhängig von § 288 Abs. 1 und Abs. 2 BGB auf 5 bzw. 9 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz (Ingenstau/Korbion, 21. Aufl., § 17 Abs. 6 Rn. 33). Die Beklagte geriet jedoch aufgrund des Schreibens des Klägers vom 07.04.2020 mit Frist bis zum 24.04.2020 nicht in Verzug, da die mit Schreiben vom 16.03.2020 gesetzte Frist zu kurz bemessen war und die angemessene Frist noch bis Mitte April lief (s.o.). Vor diesem Hintergrund hat der Kläger diesbezüglich lediglich Anspruch auf Zinsen ab Rechtshängigkeit, §§ 291, 288 Abs. 2 BGB.
65III. Der Kläger hat auch einen Anspruch auf Auszahlung des Skontoeinbehalts gem. § 631 Abs. 1 BGB, § 2 VOB/B, § 16 Abs. 5 VOB/B i.V.m. § 80 InsO. Die Zahlung der Beklagten am 17.03.2020 erfolgte nicht mehr innerhalb der Skontofrist von Ziff. 13.2 des Verhandlungsprotokolls vom 28.08.2018.
66Etwaige fehlende Bescheinigungen bei Rechnungsstellung i.S.v. Ziff. 13.6 des Verhandlungsprotokolls hemmten vorliegend nicht – wie von der Beklagten vorgetragen - den Beginn der Skontofrist gem. Ziff. 13.2 des Verhandlungsprotokolls. Der Bestimmung in Ziff. 13.2 des Verhandlungsprotokolls selbst lässt sich nicht entnehmen, dass die Skontofrist erst dann zu laufen beginnt, wenn der Rechnung alle benötigten Bescheinigen beigefügt sind. Zwar ist unabhängig von einer entsprechenden Vereinbarung allgemeine Voraussetzung für den Lauf der Skontofrist die Vorlage einer prüffähigen Rechnung, da von einem Auftraggeber nicht erwartet werden kann, dass dieser auf eine nicht nachvollziehbare Rechnung bezahlt, nur um die Berechtigung zum Skontoabzug nicht zu verlieren. Aus diesem Grund ist das Erfordernis der Prüffähigkeit der Rechnung einer Skontoabrede immanent. Allerdings ist die fehlende Prüffähigkeit der Rechnung nach § 16 Abs. 3 Nr. 1 S. 3 VOB/B von dem Auftraggeber gegenüber dem Unternehmer zu rügen, um den Eintritt der Fälligkeit zu verhindern. Dasselbe gilt dann, wenn dieser sich die Möglichkeit eines Skontoabzugs trotz fehlender Prüffähigkeit offenhalten will. Aus der Funktion des Skontos als Belohnung für eine rasche Zahlung ergibt sich nämlich, dass die Rüge innerhalb der Skontofrist vorzunehmen ist. Dabei muss auch dargelegt werden, weshalb die Rechnung nicht prüffähig ist (U.Locher in Ingenstau/Korbion, 21. Aufl., § 16 Abs. 5 Rn. 4 mwN). Eine solche Rüge ist hier weder von der Beklagten dargelegt noch sonst ersichtlich. Die Beklagte trägt hierzu lediglich vor, dass bei Rechnungsstellung der Insolvenzschuldnerin Unbedenklichkeitsbescheinigungen zur Einhaltung der Mindestlohnpflicht gefehlt hätten. Dass deren Fehlen einer Prüffähigkeit der Rechnung entgegengestanden hätte, geht aus ihrem Vortrag schon insgesamt nicht hervor. Insbesondere ist von ihr – auch im Nachgang zu der mündlichen Verhandlung vom 16.09.2020 und der darin erfolgten Erörterung unter anderem zu diesem Punkt – nicht vorgetragen worden, dass sie das Fehlen der Unbedenklichkeitsbescheinigungen noch innerhalb der Skontofrist angemahnt habe und erst nach Erhalt dieser oder auch weiterer – noch während der Skontofrist angemahnter und anschließend erhaltener – Unterlagen in der Lage gewesen sei, die ausweislich des Prüfungsergebnisses vom 13.03.2020 erfolgte Rechnungsprüfung vorzunehmen. Soweit ihr nicht die Prüfbarkeit der Rechnung betreffende Unterlagen erst nachträglich auf Anforderung vorgelegt worden sein sollen, hätte es ihr freigestanden, im Rahmen einer Zahlung noch innerhalb der Skontofrist hieraus begründete weitergehende Einbehalte vorzunehmen, als sie sie nunmehr noch in Höhe von 13.000 € bei der Schlusszahlung vorgenommen hat (und die der Kläger jedenfalls im Rahmen des hiesigen Rechtsstreits auch nicht angreift). Ein Grund für eine Verzögerung der Gesamtzahlung ergibt sich hieraus jedenfalls insgesamt nicht.
67Der Anspruch auf Verzinsung hieraus ergibt sich aufgrund des Schreibens vom 07.04.2020 ab dem 25.04.2020 aus §§ 286, 288 Abs. 2 BGB.
68IV. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 709 S. 1 und 2 ZPO.
69V. Der Streitwert wird auf 28.440,13 € festgesetzt.
70D |
E |
F |