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Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.500,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.12.2007 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits zu 16%, die Beklagte zu 84%.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
2Die Klägerin macht als Insolvenzverwalterin der T GmbH gegen die Beklagte Rückforderungen nach Insolvenzanfechtung geltend.
3Mit Beschluss des Amtsgericht Aachen vom 06.11.2017 wurde über das Vermögen der T GmbH (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin) das Insolvenzverfahren eröffnet und die Klägerin als Insolvenzverwalterin bestellt. Die Verfahrenseröffnung beruhte auf einem Eigenantrag der Insolvenzschuldnerin vom 10.07.2017.
4Gegenstand des Geschäftsbetriebs der Insolvenzschuldnerin war ursprünglich der Einbau und Verkauf von Fenster-, Tür- und Torsystemen, Sonnenschutz sowie die Montage, der Verkauf und die Wartung von Sanitär-, Heizungs- und Klimaanlagen gewesen einschließlich damit verbundener Nebentätigkeiten.
5Ende 2015 gründeten ihre geschäftsführenden Gesellschafter die T2 GmbH & Co. KG. Die Insolvenzschuldnerin sahen sie als Komplementärin dieser Gesellschaft vor, weshalb mit Gesellschafterbeschluss vom 22.12.2015 der Gesellschaftsvertrag der Insolvenzschuldnerin dahingehend geändert wurde, dass Gegenstand des Unternehmens von nun an die Verwaltung eigenen Vermögens sowie die Übernahme der Stellung des persönlich haftenden Gesellschafters und der Geschäftsführung in Personengesellschaften, insbesondere in der T2 GmbH & Co. KG sein sollte.
6Am 14.01.2016 wurde die T2 GmbH & Co. KG mit der T GmbH als Komplementärin in das Handelsregister eingetragen. Die Änderung des Gesellschaftsvertrages und des Unternehmensgegenstandes der T GmbH wurde am 16.03.2016 in das Handelsregister eingetragen. Für die T2 GmbH & Co. KG wurde am 01.08.2017 das Insolvenzverfahren eröffnet.
7Die Beklagte hatte gegen die Insolvenzschuldnerin offene Forderungen aus Warenlieferungen für den Zeitraum vom 16.09.2015 bis zum 28.12.2015, wegen der sie am 20.12.2015 einen Mahnbescheid und am 19.02.2016 einen Vollstreckungsbescheid in Höhe von 16.442,91 € erwirkte. Seit Juni 2016 vollstreckte sie insgesamt 9.200,00 €, welche die Insolvenzschuldnerin in Absprache mit dem zuständigen Gerichtsvollzieher in Raten an diesen zur Weiterleitung an die Beklagte überwies. Die einzelnen Zahlungen stellten sich wie folgt dar:
807.06.2016 1.600,00 €
907.07.2016 1.600,00 €
1030.11.2016 1.500,00 €
1114.02.2017 1.500,00 €
1215.03.2017 1.500,00 €
1329.06.2017 1.500,00 €
14Summe 9.200,00 €
15Zum Stichtag der Insolvenzverfahrenseröffnung, dem 06.11.2017, wurden insgesamt Verbindlichkeiten in Höhe von 520.000,- € angemeldet, von denen 466.000,- € aus der Komplementärhaftung für Verbindlichkeiten der T2 GmbH & Co. KG stammten.
16Mit Schreiben vom 29.11.2017 focht die Klägerin die an die Beklagte geleisteten Zahlungen an und forderte den Betrag von 9.200,00 € unter Fristsetzung bis zum 15.12.2017 zur Masse zurück.
17Die Beklagte kam dem nicht nach.
18Die Klägerin ist der Ansicht, die geleisteten Zahlen seien anfechtbar; insbesondere habe die Beklagte den Benachteiligungsvorsatz der Insolvenzschuldnerin bei Vornahme der Zahlungen gekannt, denn sie habe von deren Zahlungseinstellung gewusst. Dies müsse schon deshalb gelten, weil die Beklagte Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen die Insolvenzschuldnerin habe vornehmen lassen. Außerdem ergebe sich die Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes daraus, dass die Beklagte gewusst habe, dass die Insolvenzschuldnerin nicht mehr operativ tätig gewesen sei, da sie schließlich keine Neuwaren mehr bei ihr bezogen habe. § 133 Abs. 3 S. 2 InsO sei nicht einschlägig; bei der vereinbarten Ratenvereinbarung handele es sich nicht um eine solche im Sinne der Norm und die Vorschrift gelte nur für kongruente Rechtsgeschäfte, hier lägen aber inkongruente Leistungen vor.
19Die Klägerin beantragt,
20die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 9.200,00 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 16.12.2017 zu zahlen.
21Die Beklagte beantragt,
22die Klage abzuweisen.
23Die Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass die Insolvenzschuldnerin jegliche eigene Geschäftstätigkeit beendet hat. Sie behauptet, keine Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzgläubigerin gehabt zu haben. Sie ist überdies der Ansicht, § 133 Abs. 3 S. 2 InsO sei einschlägig; da eine Ratenzahlung vereinbart worden sei, werde zugunsten der Beklagten vermutet, dass sie die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin nicht kannte. Die Beklagte habe eine Befriedigung erhalten, die sie zu den jeweiligen Zeitpunkten habe beanspruchen können.
24Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
25Entscheidungsgründe
26Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
27I.
281. Der Klägerin steht gegen die Beklagte wegen wirksamer Anfechtung der Zahlung vom 29.06.2017 ein Anspruch auf Rückzahlung von 1.500,00 € gemäß §§ 143 Abs. 1 S. 1, 129, 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO zu.
29Nach § 143 Abs. 1 S. 1 InsO muss das, was durch eine anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden. Gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte, wenn die Handlung im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
30a. Bei der Zahlung vom 29.06.2017 in Höhe von 1.500,00 € an den Gerichtsvollzieher, welcher diesen Betrag wiederum an die Beklagte überwies, handelt es sich um eine Rechtshandlung, welche innerhalb eines Monats vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 10.07.2017 vorgenommen wurde.
31Der Begriff der Rechtshandlung ist weit auszulegen und umfasst jedes von einem Willen getragene Handeln, das eine rechtliche Wirkung auslöst und das Vermögen des Schuldners zum Nachteil der Insolvenzgläubiger verändern kann (BGH, Urteil vom 09. Juli 2009 – IX ZR 86/08 –, Rn. 21, juris m.w.N.). Die getätigte Überweisung erfüllt diese Kriterien. Dabei kann dahinstehen, ob eine unter dem Druck der Zwangsvollstreckung vorgenommenen Zahlung als willentliches Handeln des Schuldners selbst zu qualifizieren ist, denn im Rahmen des § 131 InsO kommt es – anders als etwa bei § 133 InsO – nicht darauf an, wer die Rechtshandlung vornimmt, so dass auch Handlungen, die einem Vollstreckungsorgan zuzuordnen sind, ohne Weiteres als Rechtshandlungen im Sinne der Norm anzusehen wären (vgl. Hirte/Ede, in: Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 14. Auflage 2015 § 129 Rn. 344).
32b. Es handelte sich auch um eine inkongruente Leistung, also eine solche, die die Beklagte nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte, § 131 Abs. 1 InsO. Die Tatbestände der § 130 bis § 132 InsO regeln die Anfechtbarkeit von Handlungen, die in der wirtschaftlichen Krise vorgenommen werden und bestimmen, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang die materiellen Wirkungen der Insolvenz schon vor der formellen Eröffnung des Verfahrens eintreten. Das System dieser Anfechtungsregeln verdrängt in dem von ihnen abgedeckten zeitlichen Bereich das die Einzelzwangsvollstreckung beherrschende Prioritätsprinzip, wenn für die Gesamtheit der Gläubiger nicht mehr die Aussicht besteht, aus dem Vermögen des Schuldners volle Deckung zu erhalten. Dann tritt die Befugnis des Gläubigers zur zwangsweisen Durchsetzung seiner Ansprüche hinter dem Schutz der Gläubigergesamtheit zurück. Im Rahmen der besonderen Insolvenzanfechtung wird den Gläubigern folglich die Pflicht zu wechselseitiger Rücksichtnahme auferlegt. Der im Rahmen des § 130 InsO geltende Vorrang des Gleichbehandlungsgrundsatzes gegenüber dem Prioritätsprinzip hat zur Folge, dass eine Deckung oder Sicherung im Wege der Zwangsvollstreckung, die nicht früher als drei Monate vor Antragstellung erlangt wurde, inkongruent ist (zu dem gesamten Absatz BGH, Urteil vom 10. Februar 2005 – IX ZR 211/02 –, Rn. 17 f. bei juris; BGH, Urteil vom 18. Dezember 2003 – IX ZR 199/02 –, Rn. 10 bei juris).
33c. Mit Anfechtungserklärung der Klägerin als Insolvenzverwalterin am 29.11.2017 entstand gemäß §§ 143 Abs. 1 S. 1, 129 InsO ein insolvenzrechtliches Rückgewährschuldverhältnis mit der Folge, dass das anfechtbar Erworbene zur Masse zurückgewährt werden muss.
342. Ein Anspruch auf Rückzahlung von weiteren 7.700,- € wegen der vom 07.06.3016 bis zum 15.03.2016 vorgenommenen Zahlungen steht der Klägerin hingegen nicht zu.
35Die einzig als Anspruchsgrundlage in Betracht kommenden §§ 143 Abs. 1 S. 1, 129, 133 Abs. 1 S. 1 InsO vermögen der Klägerin den begehrten Anspruch nach Auffassung der Kammer nicht zu gewähren.
36Gemäß § 133 Abs. 1 S. 1 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte.
37Zwar hat die Schuldnerin mit den in der Zeit vom 07.06.3016 bis zum 15.03.2016 getätigten Überweisungen Rechtshandlungen innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit dem Vorsatz vorgenommen, ihre Gläubiger zu benachteiligen. Es fehlt aber an der erforderlichen positiven Kenntnis der Beklagten vom Benachteiligungsvorsatz der Insolvenzschuldnerin zum Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung (§ 140 InsO).
38Die Beweislast für den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners liegt grundsätzlich beim Insolvenzverwalter (BGH, Urteil vom 17. Juli 2003 – IX ZR 272/02 –, Rn. 10, juris m.w.N.). Die subjektiven Tatbestandsmerkmale der Vorsatzanfechtung können – weil es sich um innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen handelt – meist nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden (BGH, Urteil vom 18. Januar 2018 – IX ZR 144/16 –, Rn. 10, juris). § 133 Abs. 1 S. 2 und Abs. 3 InsO enthalten Vermutungstatbestände, die die Beweislast verändern.
39Nach § 133 Abs. 1 S. 2 InsO wird zugunsten des Anfechtenden die positive Kenntnis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes vermutet, wenn der Anfechtungsgegner wusste, dass die Zahlungsfähigkeit drohte und die Handlung die Gläubiger benachteiligte.
40§ 133 Abs. 3 S. 1 InsO schwächt diese Vermutung aber ab, indem er bestimmt, dass an die Stelle der drohenden Zahlungsunfähigkeit nach Abs. 1 S. 2 die eingetretene Zahlungsunfähigkeit tritt, wenn die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, welche dieser in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte. Damit soll nach der Gesetzesbegründung dem Umstand Rechnung getragen werden, dass bei Gewährung einer kongruenten Deckung eine geschuldete Leistung erbracht wird und dass der Schuldner vor Eintritt der Insolvenz grundsätzlich frei ist zu entscheiden, welche Forderungen er erfüllt (BT-Drucks. 18/7054, S. 13).
41§ 133 Abs. 3 S. 2 InsO enthält darüber hinaus sogar eine den Anfechtungsgegner begünstigende Vermutung, wenn dieser mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder ihm in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt hatte; es wird dann vermutet, dass der Anfechtungsgegner die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zur Zeit seiner Handlung nicht kannte. Dass auch § 133 Abs. 3 S. 2 InsO, wie S. 1, nur für kongruente Leistungen gelten soll, ergibt sich aus der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 18/7054, S. 13) sowie der Systematik der Norm; da die Vermutungswirkung nur hinsichtlich der Nichtkenntnis der Zahlungsunfähigkeit greift, nicht hinsichtlich der Nichtkenntnis einer nur drohenden Zahlungsunfähigkeit, kann sie sich nur in den Fällen einer kongruenten Deckung auswirken.
42Nicht nur greift im streitgegenständlichen Fall die Vermutungsregelung des § 133 Abs. 3 S. 2 InsO (a.), der Klägerin ist es auch nicht gelungen, die Vermutung durch Beweis des Gegenteils zu widerlegen, § 292 ZPO (b.).
43a. Bei den streitgegenständlichen Zahlungen handelt es sich um kongruente Leistungen (aa.), denen eine Zahlungsvereinbarung i.S.d. § 133 Abs. 3 S. 2 InsO zugrunde liegt (bb.), mit der Folge, dass vermutet wird, dass die Beklagte die Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin nicht kannte.
44aa. Während Zahlungen zur Abwendung der drohenden Zwangsvollstreckung innerhalb des Drei-Monats-Zeitraumes vor dem Eröffnungsantrag, wie oben erläutert, nach ständiger Rechtsprechung des BGH stets inkongruent sind, ist dies für den Zeitraum vorher nicht automatisch der Fall. Denn anders als im kritischen Zeitraum der §§ 130, 131 InsO verdrängt im übrigen Zeitraum nicht der Gleichbehandlungsgrundsatz das ansonsten geltende Prioritätsprinzip (BGH, Urteil vom 27. Mai 2003 – IX ZR 169/02 –, Rn. 18 bei juris).
45So führt der BGH vielmehr regelmäßig aus, dass eine Leistung, die der Schuldner dem Gläubiger auf eine fällige Forderung früher als drei Monate vor dem Eröffnungsantrag gewährt, sich nicht bereits deshalb als inkongruente Deckung darstellt, weil sie zur Vermeidung einer unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung erfolgt (BGH, Urteil vom 17. Juli 2003 – IX ZR 215/02 –, Rn. 20, juris; BGH, Urteil vom 13. Mai 2004 – IX ZR 190/03 –, Rn. 13, juris). Der BGH hat sogar die Kongruenz solcher Zahlungen, die der Schuldner zur Abwendung einer Zwangsvollstreckungsmaßnahme vornimmt, bereits ausdrücklich bejaht (BGH, Urteil vom 13. Mai 2004 – IX ZR 190/03 –, Rn. 13, juris) und auch betont, dass eine im Wege der Einzelzwangsvollstreckung oder zu deren Abwendung erlangte Deckung nur dann inkongruent ist, wenn die Rechtshandlung im Zeitraum der gesetzlichen Krise vorgenommen wurde (dem Drei-Monats-Zeitraum des § 131 InsO) (BGH, Urteil vom 18. Dezember 2003 – IX ZR 199/02 –, Rn. 13 bei juris).
46Dem folgend ist auch im streitgegenständlichen Fall die Kongruenz zu bejahen. Kongruente Deckungshandlungen sind im Umkehrschluss zu § 131 Abs. 1 InsO solche, auf genau die der jeweilige Gläubiger einen Anspruch hatte. Dass die Beklagte grundsätzlich einen fälligen Anspruch auf die erfolgten Zahlungen hatte, steht außer Frage. Wenn nun aber die Tatsache, dass die Zahlungen im konkreten Fall – jedenfalls auch – zur Vermeidung einer unmittelbaren Zwangsvollstreckung an den Gerichtsvollzieher getätigt wurden, noch nicht zu einer Inkongruenz derselben führen, dann müssten andere Gesichtspunkte existieren, die eine Inkongruenz begründen. Solche sind hier aber nicht ersichtlich. Sie lassen sich insbesondere nicht daraus herleiten, dass die Insolvenzschuldnerin mit dem Gerichtsvollzieher eine Ratenzahlung nach § 802b Abs. 2 ZPO vereinbarte, denn diese ist in erster Linie eine Erleichterung für die Insolvenzschuldnerin gewesen; die Beklagte hätte die Leistung auch „in einem Zug“ vollstrecken dürfen. Auch die Intention des Gesetzgebers, vollstreckende Gläubiger besser davor zu schützen, einen errungenen Vollstreckungserfolg wieder herausgeben zu müssen (BT-Drucks. 18/7054, S. 2), sprechen dagegen, die Inkongruenz einer Leistung im Rahmen des § 133 Abs. 3 InsO nur deshalb zu bejahen, weil sie unter dem Druck einer drohenden Zwangsvollstreckung erfolgte.
47bb. Bei der im Rahmen der Zwangsvollstreckung vereinbarten Ratenzahlung gemäß § 802b ZPO handelt es sich um eine Zahlungsvereinbarung im Sinne der des § 133 Abs. 3 S. 2 InsO (so auch Raupach, in: BeckOK InsO, Fridgen/Geiwitz/Göpfert, 10. Edition, Stand: 26.04.2018, § 133 Rn. 30). Hierfür spricht nicht nur der Wortlaut der Norm, der für einen Ausschluss von Zahlungsvereinbarungen, die im Rahmen der Zwangsvollstreckung erfolgen, keinen Anhalt bietet, sondern auch die bereits erwähnte Intention des Gesetzgebers, vollstreckende Gläubiger besser davor zu schützen, einen errungenen Vollstreckungserfolg wieder herausgeben zu müssen. Der Regierungsentwurf weist in Bezug auf § 133 Abs. 3 S. 2 InsO sogar explizit auf § 802b ZPO hin; hier heißt es, dass mit der Vorschrift für diejenigen Gläubiger Rechtssicherheit verschafft werde, „die im Rahmen der Durchsetzung ihrer Forderung auf eine gütliche Erledigung bedacht sind und auf der Grundlage gesetzlicher Regelungen (vgl. etwa § 802b ZPO, §§ 222, 258 AO, § 76 SGB IV, § 42 StGB, § 459a StPO) mit dem Schuldner Zahlungsvereinbarungen treffen oder diesem in anderer Weise Zahlungserleichterungen gewähren“ (BT-Drucks. 18/7054, S. 18).
48b. Die Klägerin vermochte die nach § 133 Abs. 3 S. 2 InsO greifende Vermutung der fehlenden Kenntnis der Beklagten von der Zahlungsunfähigkeit und damit auch des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes der Insolvenzschuldnerin nicht durch den Beweis des Gegenteils zu widerlegen, § 292 ZPO.
49Dass die Vermutung des § 133 Abs. 3 S. 2 InsO grundsätzlich widerlegbar ist, ergibt sich nicht nur aus dem Fehlen einer gemäß § 4 InsO i.V.m. § 292 ZPO ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung ihrer Unwiderlegbarkeit, sondern auch aus der Intention des Gesetzgebers – dieser führt explizit aus, dass der Insolvenzverwalter zur Widerlegung konkret Umstände darlegen und gegebenenfalls beweisen muss, die darauf schließen lassen, dass dem Anfechtungsgegner die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zum Zeitpunkt der angefochtenen Handlung doch bekannt war (BT-Drucks. 18/7054, S. 18).
50Die von der Klägerin angeführte Rechtsprechung des BGH, wonach der Gläubiger die Zahlungseinstellung des Schuldners erkannt hat, wenn der Schuldner einer erheblichen, seit mehreren Monaten fälligen Forderung nach anwaltlicher Mahnung und Androhung gerichtlicher Maßnahmen bis zum Erlass eines Vollstreckungsbescheids schweigt und erst nach dessen Rechtskraft die Begleichung der Forderung in Raten anbietet (BGH, Urteil vom 18. Januar 2018 – IX ZR 144/16 –, juris; BGH, Urteil vom 25. Februar 2016 – IX ZR 109/15 –, juris), vermag ihr im streitgegenständlichen Fall nicht zur Widerlegung der nach § 133 Abs. 3 S. 1 InsO greifenden Vermutung zu verhelfen.
51Nicht nur fehlt es schon am Vortrag zu Rechnungen und Mahnungen der Beklagten, mit deren Vielzahl und zeitlicher Engmaschigkeit die Klägerin, wie in den vom BGH zu entscheidenden Fällen, einen besonderen Zahlungsdruck aufgebaut hätte und denen die Schuldnerin ausschließlich mit Schweigen begegnet wäre, auch liegt zwischen der letzten Lieferung am 28.12.2015 – aber auch der ersten Lieferung am 16.09.2015 – und dem am 19.02.2016 erwirkten Vollstreckungsbescheid ein noch überschaubarer Zeitraum.
52Vor allem aber darf die Insolvenzverwalterin im Rahmen des § 133 Abs. 3 S. 2 InsO die Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners weder auf die Gewährung der Zahlungserleichterung noch auf die dieser Gewährung typischerweise zugrunde liegende Bitte des Schuldners stützen – der Gesetzgeber wollte mit dem neuen Insolvenzrecht gerade verhindern, dass der Tatrichter das Ersuchen des Schuldners um Zahlungserleichterungen als Beweisanzeichen für das Vorliegen der Kenntnis eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes verwendet (BT-Drucks. 18/7054, S. 28).
53Umstände, die hierüber hinausgehen, kann die Insolvenzverwalterin zwar uneingeschränkt geltend machen, sie sind im streitgegenständlichen Fall – wie bereits angesprochen – jedoch nicht dargetan. Insbesondere lässt ein Wissen der Beklagten von der Aufgabe des ursprünglichen operativen Geschäfts der Insolvenzschuldnerin nach Auffassung der Kammer nicht den zwangsläufigen Schluss auf eine positive Kenntnis der Beklagten von ihrer Zahlungsunfähigkeit zu (§ 286 Abs. 1 S. 1 ZPO). Genauso, wie ein Geschäft nicht stets nur wegen Zahlungsunfähigkeit aufgegeben wird, folgt aus einer Aufgabe nicht automatisch eine Zahlungsunfähigkeit. Dies gilt umso weniger, wenn – wie hier – die Schuldnerin nicht als Akteurin von der Bildfläche verschwindet, sondern sich lediglich der Gegenstand ihrer Tätigkeit ändert, sie unter anderem Teil einer anderen Gesellschaft wird. Zwangsvollstreckungsmaßnahmen lassen, auch wenn sie gegen eine Gesellschaft mit geänderter Gesellschaftsform durchgeführt werden, nicht zwangsläufig den Schluss auf eine positive Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit und damit der Benachteiligungsabsicht dieser Gesellschaft zu.
543. Der Klägerin stehen hinsichtlich des zuzusprechenden Betrages von 1.500,00 € Verzugszinsen gemäß §§ 286, 288 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. § 187 Abs. 1 BGB analog ab dem 16.12.2017 zu. Die in der Anfechtungserklärung enthaltene Aufforderung der Klägerin an die Beklagte, die Leistung bis zum 15.12.2017 zu erbringen, ist als Mahnung zu bewerten.
55Die Antragsformulierung „5% Zinsen über dem Basiszinssatz” ist von der Beklagten und der Kammer nach Auslegung dahingehend zu verstehen, dass die Klägerin in Anlehnung an § 288 Abs. 1 S. 2 BGB eine Verzinsung in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz begehrt (OLG Hamm, NJW 2005, 2238, 2239).
56Für den übrigen Betrag in Höhe von 7.700,00 € besteht mangels Hauptanspruch auch kein Anspruch auf Verzinsung.
57II.
58Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO.
59Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.
60Streitwert: 9.200,00 €.
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