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Die Beklagte wird verurteilt,
bei Meidung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft an den Mitgliedern der Geschäftsführer der Beklagten zu vollziehen ist und insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf,
es zu unterlassen, den Klägern das Betreten oder Befahren des X der Durchfahrt des Betriebsgeländes H-H-Straße in Y, eingetragen im Grundbuch von L1, Blatt, Flur X, Flurstücke X, XXXX und XXXX,
zu den Grundstücken der Kläger
H2, Y, eingetragen im Grundbuch von L1, Blatt XXX, Flur X, Flurstücke X,
H-H-Straße, Y, eingetragen im Grundbuch von L1, Blatt XXX, Flur X, Flurstücke X und
H, Y, eingetragen im Grundbuch von L1, Blatt XXX, Flur X, Flurstück X
zu verhindern, insbesondere durch das Anbringen eines Tores mit Schließanlage.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger zu 25 Prozent und die Beklagte zu 75 Prozent.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000 Euro. Die Kläger können die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
T a t b e s t a n d
2Die Kläger sind Eigentümer der im Tenor näher bezeichneten Grundstücke, die Klägerin zu 1) des H2 in Y, die Kläger zu 2.) und 3) des H-H-Straße sowie die Kläger zu 4) und 5) des H. Die Beklagte ist Eigentümerin benachbarter Grundstücke, und zwar der im Tenor näher bezeichneten Flurstücke X, XXXX und XXXX. Eigentümer des im Klägerantrag näher bezeichneten Flurstücks XXXX ist nicht die Beklagte, sondern eine Erbengemeinschaft P. Im rückwärtigen, der H-H-Straße abgewandten Teil der Grundstücke der Kläger sind unter anderem Garagen errichtet, die nicht baurechtlich genehmigt sind. Die Parteien streiten darüber, ob sie genehmigungsfähig sind. X2 der Einzelheiten der Lage der Grundstücke wird auf die Anlagen zur Klageerwiderung vom 31.03.2017, Bl. 65f d.A., sowie die Anlagen zum Protokoll vom 04.08.2017, Bl. 254f d.A., verwiesen.
3Mit Schreiben vom 23.10.1969 teilte der S2 Verein, seinerzeit Eigentümer der heute im Eigentum der Beklagten stehenden Grundstücke, dem seinerzeitigen Eigentümer des B-H-Straße in Y, Herrn I5, mit, dass er mit notariellem Vertrag vom 23.06.1969 Herrn I2 einen näher bezeichneten Grundstücksteil im Bereich der G 10 übertragen habe und in diesem Vertrag dem Erwerber das nicht dinglich gesicherte X-X3 für die Bewohner der Häuser H2 in L1 bekannt gegeben worden sei (Anl. K 3 = Bl. 25 d.A.). Herr P teilte Herrn I5 mit Schreiben vom 31.10.1973 mit, dass man vom S2 Verein einen 6 m breiten Streifen erworben habe, der zur Nutzung dahin zur Verfügung gestellt werde, dass der Eigentümer in Zukunft ohne Schwierigkeiten und ohne Risiko auf die H-H-Straße fahren könne, ohne das Betriebsgrundstück zu benutzen (Anl. K4 = Bl. 26 d.A.). Die Beklagte ist Rechtsnachfolgerin von Herrn I2. In der Folgezeit wurden jedenfalls die Flurstücke X und XXX von den jeweiligen Eigentümern bzw. Mietern der nunmehr den Klägern gehörenden Objekte zur Zufahrt zur rückwärtigen Seite ihrer Grundstücke benutzt. Auch seitens der Eigentümer des Flurstücks XXXX wurde eine Nutzung seitens der Eigentümer des P-H-Straße nicht widersprochen. Das Objekt der Kläger zu 4) und 5) ist seit längerem zum Betrieb eines Gewerbes vermietet, zuletzt haben die Kläger Ende September bzw. Anfang Oktober 2016 mit einem neuen Mieter einen Vertrag geschlossen. Die Kläger nutzen die Grundstücksflächen der Beklagten weiterhin, um ihre Mülltonnen an die H-Straße zu bringen.
4Mit Schreiben vom 27.06.2016 erklärte die Beklagte gegenüber den Klägern die „Kündigung des Leihvertrages“ bezüglich „X-X3 G 10, Flurstücke X u.a.“ (Anl. K9 = Bl. 28ff d.A.). Sie kündigte weiterhin an, den X3 mit Wirkung zum 01.01.2017 sperren zu wollen und begann am 08.12.2016 mit dem Bau einer Toranlage. Im Rahmen eines daraufhin von den Klägern eingeleiteten einstweiligen Verfügungsverfahrens erklärte die Beklagte sich bereit, den Klägern bis zum Abschluss eines erstinstanzlichen Hauptsacheverfahrens die Möglichkeit einer Zufahrt zu ihren Grundstücken offen zu halten.
5Die Kläger behaupten, die Nutzung der im ihrem Antrag näher bezeichneten Grundstücke sei für sie von großer Relevanz, sie würden benötigt, um die Garagen im hinteren Teil des Grundstückes zu erreichen. Diese seien auch bereits in den 1940-iger Jahren errichtet worden. Sie stellten regelmäßig Fahrzeuge und andere Gegenstände in diesem Bereich ab. Sie sind der Meinung, zwischen den früheren Eigentümern der nunmehr ihnen gehörenden Objekte und dem Rechtsvorgänger der Beklagten sei ein Leihvertrag geschlossen worden, der auf die Parteien übergegangen sei. Jedenfalls sei insoweit von einem Vertrag zu Gunsten Dritter, nämlich der jeweiligen Bewohner, auszugehen. Ihr Anspruch ergebe sich auch aus den Grundsätzen der unvordenklichen Verjährung und aus Gewohnheitsrecht, sowie gemäß §§ 861 Abs. 1, 858 BGB, da sie Besitzer seien. Schließlich berufen sie sich hilfsweise auf ein Notwegerecht
6Sie beantragen,
7die Beklagte zu verpflichten, bei Meidung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft an den Mitgliedern der Geschäftsführer der Beklagten zu vollziehen ist und insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf, es zu unterlassen, den Klägern das Betreten oder Befahren des X der Durchfahrt des Betriebsgeländes H-H-Straße in Y eingetragen im Grundbuch von L1, Blatt XXXX, Flur X, Flurstücke X, XXXX, XXXX und XXXX, zu den Grundstücken der L-H-Straße, Y, eingetragen im Grundbuch von L1, Blatt XXXX, Flur X, Flurstücke X, H-H-Straße, Y, eingetragen im Grundbuch von L1, Blatt XXX, Flur X, Flurstücke X und H, Y, eingetragen im Grundbuch von L1, Blatt XXX, Flur X, Flurstück X - insbesondere aber nicht ausschließlich durch das Anbringen eines Tores mit Schließanlage - zu verhindern.
8Die Beklagte beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Die Beklagte meint, die Objekte der Kläger seien ausreichend über die H-H-Straße erschlossen, insbesondere da sich - insoweit unstreitig - am T-H-Straße vor den Objekten Parkstreifen befinden. Ihr Geschäftsführer habe bisher nicht festgestellt, dass seitens der Kläger Fahrzeuge und andere Gegenstände auf ihren - der Beklagten - Grundstücken abgestellt werde. Sie hält dies auch gegebenenfalls für verbotene Eigenmacht.
11X2 der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Akteninhalt Bezug genommen.
Die Klage ist zulässig und überwiegend auch begründet.
13I.
14Die Klage ist zulässig. Insbesondere scheitert ihre Zulässigkeit nicht daran, dass die Kläger ein Schlichtungsverfahren nicht durchgeführt haben. Es handelt sich vorliegend um kein Nachbarstreitverfahren im Sinne von § 53 JustizG NW. Auch wenn Anlass des Klagebegehrens die Ankündigung der Beklagten ist, die Durchfahrt durch Errichtung eines Tores einzuschränken, steht im Vordergrund nicht die Errichtung einer Grenzeinrichtung, zumal das Tor - soweit ersichtlich - gerade nicht zwischen einem Grundstück der Beklagten und einem Grundstück eines der Kläger, erst recht nicht aller Kläger, errichtet werden soll, sondern an der Zufahrt von öffentlichen X2 zum Grundstück der Beklagten.
15II.
16Die Klage ist überwiegend auch begründet.
171)
18Die Klage ist allerdings nicht begründet, soweit die Kläger von der Beklagten begehren, ihnen auch die Nutzung des Flurstücks XXXX zu ermöglichen. Denn insoweit ist die Beklagte unstreitig nicht Eigentümerin, damit nicht passivlegitimiert.
192)
20Hinsichtlich der übrigen im Eigentum der Beklagten stehenden Flurstücke ist die Klage allerdings begründet. Den Klägern steht aus Gewohnheitsrecht ein Recht zur Benutzung dieser Flächen zu.
21Es ist sowohl im privaten als auch im öffentlichen Wegerecht anerkannt, dass Überwegungsrechte auch historisch, mithin durch Gewohnheitsrecht, begründet sein können. Ein Gewohnheitsrecht ist dann anzunehmen, wenn innerhalb eines autonomen Verbandes, nämlich innerhalb eines engeren Kreises von Betroffenen eine langdauernde, gleichmäßige, tatsächliche Übung besteht, die von der Überzeugung getragen wird, zu dem Verhalten rechtlich verpflichtet zu sein. Wird ein bestimmter Weg über ein Privatgrundstück mithin seit langer Zeit als Zuwegung zwischen der öffentlichen H-Straße und einem Hinterliegergrundstück benutzt, dann kann das zur Bildung eines örtlich geltenden Gewohnheitsrechts führen, das objektives Recht darstellt und an das die Anwohner gebunden sind (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 24. Oktober 2006 – 3 U 41/06 –, Rn. 25, juris).
22Diese Voraussetzungen sind auch vorliegend erfüllt. Innerhalb eines engeren Kreises von Betroffenen - den Klägern und ihren Rechtsvorgängern sowie Mietern einerseits sowie der Beklagten und ihrem Rechtsvorgänger andererseits - besteht eine langdauernde, gleichmäßige und tatsächliche Übung dahingehend, dass die im Tenor näher bezeichneten Flurstücke seitens der Kläger, ihrer Rechtsvorgänger sowie auch ihrer Mieter genutzt werden, um die Grundstücke der Kläger von der rückwärtigen, straßenabgewandten Seite zu erreichen. Dies hat die Beklagte für die Flurstücke X und XXXX in der mündlichen Verhandlung vom 04.08.2017 und in dem nachgelassenen Schriftsatz vom 28.08.2017 ausdrücklich eingeräumt. Warum sich dies - bei der unstreitigen Vorgeschichte - nicht auf das Flurstück X erstrecken soll, ist nicht ersichtlich, wird von der Beklagten auch nicht näher dargetan. Die entsprechende Nutzung war und ist auch lang andauernd. Die Beklagte selbst spricht insoweit von einer jahrzehntelangen Nutzung. Sie geht offensichtlich jedenfalls auf das Schreiben des S2 vereins vom 23.10.1969 zurück und besteht daher mittlerweile nahezu 50 Jahre.
23Dieses Gewohnheitsrecht kann auch nicht nach den Vorschriften über die Leihe oder analog den Vorschriften aus dem Mietrecht gekündigt werden. Ob und gegebenenfalls welche Möglichkeiten der Beendigung der Nutzung seitens der Kläger für die Beklagte bestehen, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Näheren Vortrag dazu, warum ihr die weitere Gewährung des Durchfahrtsrechts für die Kläger etwa nicht zumutbar sein soll, hat die Beklagte nicht gehalten, obwohl die Kläger sich auf den Gesichtspunkt des Gewohnheitsrechts berufen und die vorstehend wiedergegebene Entscheidung auch zitiert haben.
24III.
25Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
26Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
27Der Streitwert wird auf 18.000,00 EUR festgesetzt.
28Rechtsbehelfsbelehrung:
29Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
301. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
312. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Landgericht zugelassen worden ist.
32Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Oberlandesgericht Köln, S-Platz, 50670 Köln, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils (Datum des Urteils, Geschäftsnummer und Parteien) gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
33Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Oberlandesgericht Köln zu begründen.
34Die Parteien müssen sich vor dem Oberlandesgericht Köln durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
35Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
36Die Einlegung eines Rechtsmittels/Rechtsbehelfes ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich, die über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach erreichbar ist. Das
37elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein. Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.nrw.de.
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