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Die Teilungsversteigerung des Grundbesitzes G1 eingetragen im Grundbuch von D, wird für derzeit unzulässig erklärt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
Der Verfahrenswert wird auf 160.000,-- € festgesetzt.
Gründe:
2I.
3Die Beteiligten heirateten am 00.00.0000 Im April 0000 zog der Antragsgegner aus dem vormals während fast 30 Jahren gemeinschaftlich bewohnten, den Beteiligten zu je ½ gehörenden Grundbesitz B Straße x in C-D aus. Das Scheidungsverfahren ist unter dem Aktenzeichen 228 F 226/19 rechtshängig. Die Antragstellerin, von Beruf vormals Lehrerin, verblieb mit der am 00.00.0000 geborenen Tochter, eines der drei gemeinschaftlichen, zwischenzeitlich allesamt volljährigen Kindern, in der Immobilie. Sie leidet an Parkinson und ist mit einem Grad von 80 % schwerbehindert (vgl. 163). Der Antragsgegner leitete zum Aktenzeichen AG Aachen 51/19 bezüglich der vorgenannten Immobilie das Teilungsversteigerungsverfahren ein. Mit Beschluss vom 22.07.2019 (Bl. 157) wurde die Zwangsversteigerung angeordnet. Mit Schriftsatz vom 00.00.0000 (Bl. 150 f.) beantragte die Antragstellerin deren vorläufige Einstellung. Eine Entscheidung hierüber liegt dem Familiengericht nicht vor.
4Im hiesigen Verfahren begehrt die Antragstellerin, die Zwangsversteigerung nach § 771 ZPO für unzulässig zu erklären. Insoweit beruft sie sich zunächst auf die Entscheidung des OLG Hamburg vom 28.07.2017 (Az. 12 UF 163/16), wonach ein Teilungsversteigerung der ehelichen Immobilie vor Scheidung der Ehe grundsätzlich unzulässig sei.
5Darüber hinaus sprächen aber auch im Rahmen einer Interessenabwägung die überwiegenden Belange der Antragstellerin gegen die Versteigerung: Wegen ihrer Schwerbehinderung sei sie auf einen Verbleib in der Immobilie angewiesen. Neben ihrer Parkinsonerkrankung leide sie infolge einer Versteifung der Sprunggelenke unter einer Gehbehinderung und sei sie in ständiger physiotherapeutischer Behandlung. Sie fahre gesundheitsbedingt kaum noch selbst mit dem Auto und sei daher auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen. Die Lage der vormaligen Eheimmobilie sei insoweit ideal, da sich die Bushaltestelle „WZ" in deren unmittelbaren Nähe befinde. Auch das Haus selbst sei barrierefrei bzw. das Treppenhaus verfüge über breite Stufen und einen durchgehenden Handlauf Zudem befinde sich in D - sie wohne dort seit 1978 - ihr gesamtes soziales Umfeld. Bei einem Umzug könne sie a das in der Immobilie befindliche umfangreiche Mobiliar – zum Teil Erbstücke ihrer Eltern - nirgendwo unterbringen.
6Zwar habe der Antragsgegner, der als ein in C bekannter Rechtsanwalt über die deutlich höheren Einkünfte verfügt habe, die Hausfinanzierung übernommen. Sie habe jedoch die Lebenshaltungskosten der gesamten Familie getragen und regelmäßig die Darlehensverträge mit unterzeichnet, Ohne ihre gesicherten Beamtenbezüge wären die Darlehen entweder nicht bewilligt oder höher verzinst worden.
7Es bestehe auch keine Notwendigkeit, das Haus, das als Altersvorsorge gedacht gewesen sei, zu veräußern.
8Sie beantragt,
9die Teilungsversteigerung des Grundbesitzes G1, eingetragen im Grundbuch von D für unzulässig zu erklären.
10Der Antragsgegner beantragt,
11den Antrag zurückzuweisen.
12Sie wendet ein, die Antragstellerin wolle zwar das Haus übernehmen, ohne hierfür jedoch eine Nutzungsentschädigung zu zahlen. Für den Erwerb und die Unterhaltung des Hauses habe der Antragsgegner seine komplette Altersversorgung in Form von Lebensversicherungen, Bausparverträgen und Veräußerungserlösen verschiedener Immobilien eingesetzt, um die Belastungen möglichst gering zu halten. Die Antragstellerin habe sich lediglich darlehensweise mit einem ererbten Vermögen von 200.000,-- € beteiligt, das sie nunmehr – was insoweit unstreitig ist – zurückfordere (vgl. das Parallelverfahren 228 F 250/19).
13Das über drei Etagen errichtete Hausgrundstück sei auch nicht barrierefrei und im Übrigen mit einer Fläche von 1.100 qm zu groß, um von der Antragstellerin allein bewohnt und bewirtschaftet zu werden. Sämtliche Angebote des Antragsgegners, ihr bei der Suche einer geeigneten Ersatzwohnung behilflich zu sein oder aus dem Veräußerungserlös der verfahrensgegenständlichen Immobilie geeigneten Ersatzwohnraum zu bauen, habe sie abgelehnt.
14Ferner schulde er der Antragstellerin aus dem Gesichtspunkt des Zugewinnausgleichs Zahlungen, die er mit den Beträgen aus seiner Rente (er erhalte aus dem Versorgungswerk der Rechtsanwälte lediglich 1.400,-- € monatlich) nicht bedienen könne, sondern insoweit auf den Erlös aus der verfahrensgegenständlichen Immobilie angewiesen sei.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf das schriftsätzliche Vorbringen der Beteiligten, einschließlich der zu den Akten gereichten Unterlagen.
16II.
171.
18Der Antrag ist zulässig.
19Das Familiengericht ist zuständig nach §§ 113 FamFG Abs. 1, 120 Abs. 1 FamFG, 771, 802 ZPO (vgl. OLG Köln, MDR 2012, 1169).
20Die Beteiligten sind Miteigentümer des Anwesens, dessen Versteigerung der Antragsgegner betreibt zu je ½. Nach § 749 Abs. 1 BGB kann jeder Teilhaber jederzeit die Aufhebung der Miteigentümergemeinschaft verlangen. Die Teilung erfolgt nach § 753 Abs. 1 BGB bei Grundstücken durch Zwangsversteigerung auf Antrag eines Teilhabers und durch Teilung des Erlöses nach §§ 180 ff ZVG. Ein vollstreckbarer Titel ist nach § 181 Abs. 1 ZVG nicht erforderlich. Ein Teilhaber, der das Bestehen oder die Fälligkeit des Aufhebungsanspruchs in Abrede stellt, kann im Wege der Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) vorgehen (z.B. Bamberger/Roth/Gehrlein, BGB, 3. Aufl., § 753 Rn. 3, m. w. N.). Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass die Teilungsversteigerung im engeren Sinne keine Zwangsvollstreckung und die an der Bruchteilsgemeinschaft mitbeteiligte Antragstellerin nicht Dritte im Sinne des § 771 ZPO ist.
212.
22Der Antrag ist auch begründet. Die Antragstellerin hat gegenüber der Veräußerung ein Recht nach § 771 ZPO in Form des Schutzes des räumlich-gegenständlichen Bereichs im Sinne von § 1553 Abs. 1 S. 2 BGB
23Die Teilungsversteigerung ist allerdings nicht bereits wegen des bloßen Fortbestehens der Ehe unzulässig. Der insoweit zitierten Entscheidung des OLG Hamburg vom 28.07.2017, Az. 12 UF 163/16 (dem der Bevollmächtigte der Antragstellerin im Übrigen als Vertreter in der Literatur selbst entgegengetreten ist, vgl. FamRZ 2017, 1830!) ist nicht zu folgen; vielmehr liegt dem Beschluss eine unzutreffende Schlussfolgerung aus der Entscheidung des BGH vom 28.09.2016 (XII ZB 487/15) dahin zugrunde, dass dem Schutz des räumlich-gegenständlichen Bereichs der Ehe in jedem Fall und ohne Abwägung der Interessen der Ehegatten der Vorrang vor einer Teilungsversteigerung einzuräumen sei. Tatsächlich hat der BGH den seiner Entscheidung zugrunde liegenden Eigentumsherausgabeantrag - ein im ZPO-Verfahren zu verfolgender Anspruch - als unzulässig verworfen, weil es sich bei der herausverlangten Sache um eine Ehewohnung handelte, hierfür § 1361b BGB lex specialis und die Sache im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu klären sei. Die Charakterisierung der Wohnung als Ehewohnung und die geänderte Rechtsprechung des BGH zu dieser Frage ist auch tragender Grund der Entscheidung. Ob in einem Wohnungszuweisungsverfahren eine Interessenabwägung vorzunehmen sei, hat der BGH mit der Entscheidung vom 28.09.2016 allerdings nicht entschieden und musste dies auch nicht. Denn für die (Un-)Zulässigkeit des gestellten Antrags spielte dies keine Rolle. Das OLG Hamburg hat jedoch allein aus der Tatsache, dass der BGH keine Interessenabwägung vorgenommen hatte, geschlossen, dass der BGH eine solche nicht mehr für erforderlich hielt, allein weil die Existenz der Ehewohnung im Streit stand Diese Schlussfolgerung geht jedoch über den Aussagebereich der neuen BGH-Rechtsprechung hinaus und wird durch die nicht getragen.
24Es verbleibt damit im Falle der Veräußerung oder der Teilungsversteigerung bei der vorzunehmenden Interessenabwägung und insoweit bei der bisherigen Rechtsprechung und Literatur (OLG Jena, Entscheidung vom 30.08.2018, Az. 1 UF 38/18 m. w. N.).
25Die insoweit angeführten Gründe der Antragstellerin verfügen allerdings für sich genommen über keine besondere Schlagkraft. Ihre Verwurzelung in D und die verkehrstechnisch günstige Anbindung kann sie ggf. auch durch einen Umzug in einer andere in D gelegene Wohnung beibehalten. Die Lage der Immobilie ist nicht so herausragend und einzigartig, als dass nicht in D eine insoweit vergleichbare Wohngelegenheit existieren würde. Dass sich die Antragstellerin dort vergeblich um Ersatzwohnraum bemüht hätte, trägt sie nicht vor – vielmehr hat sie sich, da sie ja unbedingt in dem Haus verbleiben will, insoweit auch gar nicht umgesehen. Auch dass sie aus gesundheitlichen Gründen auf die Beibehaltung gerade der Eheimmobilie angewiesen wäre, erschließt sich nicht. Als dreigeschossiges und vormals von einer fünfköpfigen Familie genutztes Heim ist sie nicht „barrierefrei“. Das Vorhandensein von breiten Treppenstufen und einem Handlauf ist mehr oder weniger normal. Sollte tatsächlich Barrierefreiheit ein maßgeblicher Gesichtspunkt sein, wäre ein auf einer Etage belegener Wohnraum erstrebenswert. Allerdings hat die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass sie mit Treppen an sich kein nennenswertes Problem habe. Vielmehr weist der Antragsgegner zutreffend darauf hin, dass die Immobilie wegen ihrer Größe für eine Alleinwohnen der Antragstellerin überdimensioniert ist. Davon, dass die Tochter auf Dauer mit der Mutter das Einfamilienhaus teilt, kann nicht ohne Weiteres ausgegangen werden. Vielmehr entspricht es dem üblichen Lauf der Dinge, dass sich ältere Menschen, gerade wenn sie nicht mehr in einer Partnergemeinschaft leben, wohntechnisch verkleinern, um nicht mit der Pflege und Wartung des Anwesens überfordert zu sein. Zudem wäre bei einem Verbleib der Antragstellerin in der Immobilie ein Großteil des Raumes ungenutzt.
26Aus demselben Grund kann auch der Einwand, in einer kleineren Wohnung nicht das gesamte Mobiliar unterbringen zu können, nicht den Ausschlag geben. Ein solcher Aussonderungsprozess, mag er für den Betroffenen auch beschwerlich sein (nicht zuletzt auch emotional), ist oftmals die zwingende Folge einer aus Altersgründen notwendigen Umstrukturierung, auf die man sich in der einen oder anderen Form ohnehin einstellen muss. Schwerpunktmäßig geht es der Antragstellerin offensichtlich um den Erhalt der gewohnten Umgebung, was kein über die übliche Interessenslage hinausgehendes Kriterium darstellt.
27Andererseits sind aber auch auf Seiten des Antragsgegners keine triftigen Gründe für eine Veräußerung der Immobilie bereits vor Rechtskraft der Scheidung erkennbar. Sein Einwand, er benötige Liquidität, um die Forderungen der Antragstellerin, insbesondere diejenige auf Zugewinnausgleich zu bedienen, überzeugt insoweit nicht. Zum einen sprechen bereits die in der außergerichtlichen Korrespondenz im Rahmen des Zugewinnausgleichs gemachten Angaben gegen diese Darstellung. So ergibt sich etwa aus seinem Schreiben vom 0 (Bl. 26 f.), dass er (unter Abzug der 400.000,-- € für den Erlös der hiesigen Immobilie) über Aktivvermögen von 362.809,57 € verfügt. Soweit der Antragsgegner wegen der unlängst erworbenen Eigentumswohnung in Belgien Liquidität gebunden hat und mit weiteren Kosten wie Grunderwerbssteuer belastet ist, hätte es ihm frei gestanden, mit Vermögensverfügungen dieser Art bis zum Abschluss der endgültigen Vermögensaussetzung im Rahmen der Scheidung zuzuwarten und eine Zwischenlösung, etwa in Form einer Anmietung, zu wählen.
28Zudem ist die Zugewinnausgleichsforderung weder tituliert noch rechtshängig, so dass akut kein Zahlungszwang besteht. Dagegen befindet sich das Ehescheidungsverfahren bereits in einem vorgerückten Stadium (es fehlen nur noch die Auskünfte des LBV für die Berechnung des durchzuführenden Versorgungsausgleichs), so dass – jedenfalls nach dem derzeitigen Stand – in absehbarer Zeit mit einer Scheidung der Ehe zu rechnen ist.
29Bei diesen beiderseits fehlenden triftigen Gründen für die jeweilige Interessenslage ist dem Schutz des räumlich-gegenständlichen Bereichs der Ehe und der gegenseitigen Rücksichtnahme der Vorrang einzuräumen (vgl. OLG Jena a. a. O.).
30Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 113, FamFG, 91 Abs. 1 ZPO.
31Rechtsbehelfsbelehrung:
32Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder wenn das Gericht des ersten Rechtszugs die Beschwerde zugelassen hat. Beschwerdeberechtigt ist derjenige, dessen Rechte durch den Beschluss beeinträchtigt sind. Die Beschwerde ist bei dem Amtsgericht - Familiengericht - Aachen, Adalbertsteinweg 92, 52070 Aachen schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.
33Die Beschwerde muss spätestens innerhalb eines Monats nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses bei dem Amtsgericht - Familiengericht - Aachen eingegangen sein. Dies gilt auch dann, wenn die Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines anderen Amtsgerichtes abgegeben wurde. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses. Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.
34Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist zu unterzeichnen und soll begründet werden.
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