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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten darüber, ob im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung der gemeinen Werte der Finanzmittel eine Gesellschafterdarlehensforderung im Sonderbetriebsvermögen der ehemaligen Gesellschafterin (Erblasserin) mit der korrespondierenden Verbindlichkeit der Gesellschaft (Klägerin) im Gesamthandsvermögen saldiert werden kann.
3Die Klägerin ist […] in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG mit Sitz in A.. Sie ist aufgrund des Einbringungsvertrags vom 00.00.2018 alleinige Gesellschafterin der Komplementär-GmbH. Das Gesellschaftskapital beträgt 1.280.000,- EUR. Kommanditisten der Gesellschaft waren zunächst der mit Beschluss vom 00.00.2024 beigeladene Herr R. (Einlage 1.024.000,- EUR), Frau O. (Einlage 56.000,- EUR), Herr S. (Einlage 100.000,- EUR) und Herr I. (Einlage 100.000,- EUR).
4Ausweislich des Gesellschaftsvertrags vom 00.00.2018 wurde für jeden Gesellschafter neben dem Kommanditeinlagekonto auch ein Darlehenskonto geführt. Auf diesem wurden sonstige Guthaben bzw. Verbindlichkeiten bei der Gesellschaft ausgewiesen, § 5 Abs. 1 Satz 1 des Gesellschaftsvertrags. Die Darlehenskonten sind im Haben und Soll mit jährlich 3% über dem Basiszinssatz verzinst, § 5 Abs. 2 Satz 1 des Gesellschaftsvertrags, und unter Zustimmung der Gesellschafterversammlung grundsätzlich in Teilbeträgen von 20% jährlich kündbar, § 5 Abs. 3 Satz 1 und 2 des Gesellschaftsvertrags. Diese Beschränkung galt für Frau O. insofern nicht, als dass sie jederzeit bis zu 300.000,- EUR p. a. auch ohne Zustimmung der Gesellschafterversammlung entnehmen konnte.
5Zum 31.12.2018 wies das Gesellschafterdarlehenskonto in der Gesamthandsbilanz der Klägerin eine Verbindlichkeit zugunsten von Frau O. i. H. v. 3.201.750,65 EUR aus. Die Gesamtverbindlichkeiten der Klägerin betrugen zum 31.12.2018 12.323.852,43 EUR. Die Steuerbilanz zum 31.12.2018 wies ferner Rückstellungen in Höhe von 998.767,82 EUR sowie eine Einlage des Beigeladenen als stiller Gesellschafter. H. v. 104.000,- EUR aus. In der Sonderbilanz zum 31.12.2018 der Frau O. war das Gesellschafterdarlehenskonto mit einer Forderung gegen die Klägerin i. H. v. 3.201.750,65 EUR korrespondierend zur Gesamthandsbilanz angesetzt.
6Am 29.09.2019 verstarb Frau O.. Im Wege der gewillkürten Erbfolge erhielt der Beigeladene die Kommanditbeteiligung der Erblasserin an der Klägerin mit einer Kommanditeinlage von 56.000,- EUR. Das Gesellschafterdarlehenskonto der Frau O. ging i. H. v. 3.154.110,27 EUR auf den Beigeladenen über.
7Das für die Erbschaftsteuer des Beigeladenen zuständige Finanzamt W. forderte bei dem Beklagten die Feststellung für die Summe der gemeinen Werte der Finanzmittel, der jungen Finanzmittel, des Verwaltungsvermögens, des jungen Verwaltungsvermögens und der Schulden (§ 13b Abs. 10 Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz - ErbStG) auf den Todestag an.
8In der Erklärung zur Feststellung des Bedarfswerts gab die Klägerin Finanzmittel im Gesamthandsvermögen i. H. v. 8.225.480,- EUR, junge Finanzmittel im Gesamthandsvermögen i. H. v. 0,- EUR und Schulden im Gesamthandsvermögen i. H. v. 13.547.020,- EUR an. Finanzmittel im erworbenen Sonderbetriebsvermögen erklärte die Klägerin nicht. Nach ihrer Ermittlung überstieg der anteilige Wert (56/1.280 bzw. 4,375%) der Schulden im Gesamthandsvermögen mit 592.682,- EUR den anteiligen Wert der Finanzmittel im Gesamthandsvermögen mit 359.864,- EUR.
9Mit Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Summe der gemeinen Werte der Finanzmittel, der jungen Finanzmittel, des Verwaltungsvermögens nach § 13b Abs. 4 Nr. 1 bis 4 ErbStG, des jungen Verwaltungsvermögens und der Schulden (§ 13b Abs. 10 ErbStG) für Zwecke der Erbschaftsteuer auf den 29.09.2019 vom 23.03.2021 stellte der Beklagte die Summe der gemeinen Werte der Finanzmittel des Anteils auf 3.561.615,- EUR und die Summe der gemeinen Werte der Schulden auf 592.682,- EUR fest. Im Übrigen stellte er die Summe der gemeinen Werte der jungen Finanzmittel, des Verwaltungsvermögens nach § 13b Abs. 4 Nr. 1 – 4 ErbStG und des jungen Verwaltungsvermögens mit jeweils 0,- EUR fest. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
10Mit ihrem gegen diesen Bescheid eingelegten Einspruch vom 25.03.2021 machte die Klägerin geltend, der Beigeladene habe lediglich 90% des Darlehenskontos der Erblasserin im Wege der Erbschaft erhalten. Gleichzeitig begehrte die Klägerin die Herabsetzung der Feststellungen hinsichtlich der Finanzmittel von 3.561.615,- EUR auf 359.864,- EUR. Forderungen, die zwischen dem Gesellschafter und der Gesellschaft bestehen, seien gesondert zu saldieren. Deshalb dürfe das Darlehenskonto nicht in die Berechnung der Finanzmittel einfließen. Das Darlehenskonto sei lediglich eine Forderung im steuerlichen Sinne. Eine solche Saldierung ergebe sich aus § 13b Abs. 9 Satz 1 bis 3 ErbStG. Dies werde auch in der Fachliteratur so vertreten.
11Der Beklagte half dem Einspruch mit Änderungsbescheid vom 18.03.2022 insofern ab, als er das übergegangene Darlehenskonto i. H. v. 3.154.110,27 EUR, dem Wert den dieses am 29.09.2019 aufwies, ansetzte. Die Feststellung der Finanzmittel erfolgte dementsprechend in Höhe von 3.513.974,- EUR.
12Mit Einspruchsentscheidung vom 16.12.2022 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Forderungen der Gesellschafterin gegen die Gesellschaft im Sonderbetriebsvermögen seien andere Forderungen i. S. d. § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG. Solche Forderungen seien nicht im Rahmen einer Verbundvermögensaufstellung zu saldieren. Es handele sich nicht um Forderungen und Verbindlichkeiten i. S. d. § 13b Abs. 9 Satz 1 ErbStG zwischen der Klägerin und von ihr gehaltenen Beteiligungen. Schlichte Forderungen im Sonderbetriebsvermögen seien von der Konsolidierung i. S. d. § 13b Abs. 9 Satz 3 ErbStG ausgenommen. Die Verbundvermögensaufstellung sei beim Vorliegen von unmittelbar oder mittelbar gehaltenen Beteiligungen anzuwenden. § 13b Abs. 9 Satz 3 ErbStG ende auf der Ebene des Gesamthandvermögens der Klägerin und erfasse nicht das Sonderbetriebsvermögen ihrer Gesellschafter.
13Im Rahmen der hiergegen am 16.01.2023 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren, die gesonderte Feststellung des Werts der Finanzmittel herabzusetzen, weiter. Nach ihrer Auffassung sei die gegen die Klägerin im Sonderbetriebsvermögen angesetzte Forderung der Gesellschafterin bei der Feststellung der Summe der gemeinen Werte der Finanzmittel mit der in gleicher Höhe bestehenden Verbindlichkeit im Gesamthandsvermögen der Klägerin zu verrechnen.
14Dafür führt sie an, der Wortlaut des § 13b Abs. 9 ErbStG spreche dafür, auch das Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters dem Verbundvermögen zuzuordnen. Dies sei Ausfluss der gesellschafterbezogenen Betrachtung, wie dies in der Fachliteratur angeführt werde. Eine andere Auslegung benachteilige die Steuerpflichtigen. Konzerninterne Forderungen im Sonderbetriebsvermögen könnten so zu einer gänzlichen Nichtbegünstigung des begünstigungsfähigen Betriebsvermögens führen. Folge man der Auffassung des Beklagten, so dürften sämtliche Forderungen im Sonderbetriebsvermögen nicht saldiert werden, was die Vorschrift ins Leere laufen lassen würde. Stelle man hingegen auf die steuerliche Gesamtbilanz der Mitunternehmerschaft ab, käme es zu einer Saldierung. Ein Konsolidierungsverbot benachteilige Gesellschafter von Personengesellschaften gegenüber Gesellschaftern von Kapitalgesellschaften im Hinblick auf den „90%-Test“.
15Der Beklagte änderte den streitgegenständlichen Bescheid am 16.08.2024 und 04.11.2024 wegen nicht streitbefangener Gründe erneut.
16Die Klägerin beantragt,
17den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Summe der gemeinen Werte der Finanzmittel, der jungen Finanzmittel, des Verwaltungsvermögens nach § 13b Abs. 4 Nr. 1 bis 4 ErbStG, des jungen Verwaltungsvermögens und der Schulden (§ 13b Abs. 10 ErbStG) vom 23.03.2021, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.12.2022 und des Änderungsbescheids vom 04.11.2024, dahingehend zu ändern, dass die im Sonderbetriebsvermögen von Frau O. ausgewiesene Forderung gegen die K. GmbH & Co. KG bei der Feststellung der Summe der gemeinen Werte der Finanzmittel mit der korrespondierenden Verbindlichkeit im Gesamthandsvermögen der K. GmbH & Co. KG verrechnet wird;
18hilfsweise, für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.
19Der Beklagte beantragt,
20die Klage abzuweisen;
21hilfsweise, für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.
22Der Beklagte ist der Ansicht, dass der Nichtansatz von Forderungen und Verbindlichkeiten nur „zwischen Gesellschaften“ anzuwenden sei. Gesellschaften seien nur Personen- und Kapitalgesellschaften. Die Beziehung zwischen Gesellschafter und Personengesellschaft sei indes keine Untergesellschaft. Das Sonderbetriebsvermögen sei keine Beteiligung i. S. d. § 13b Abs. 9 ErbStG. Dies entspreche auch seinen Richtlinien, R E 13b.29. Abs. 5 S. 6 ErbStR. Beteiligungen seien Anteile an anderen Unternehmen. Bei Sachverhalten, in denen keine Ober- und Untergesellschaften, sondern wie hier nur eine Personengesellschaft und damit eine Ebene vorliege, sei eine Verbundvermögensaufstellung nicht vorzunehmen. Deshalb sei hier, auf oberster Konzernebene, ein Konsolidierungsverbot sinnvoll, da nur aufgrund der ertragsteuerlichen Fiktion zivilrechtliches Privatvermögen des Gesellschafters als (Sonder-)Betriebsvermögen qualifiziert werde.
23Dies begründe auch keine Schlechterstellung von Personengesellschaften gegenüber Kapitalgesellschaften. Das private Darlehen eines GmbH-Gesellschafters gehöre jedenfalls zum nicht begünstigungsfähigen Privatvermögen.
24Der Beigeladene hat keinen eigenen Antrag gestellt.
25Der Senat hat am 25.02.2025 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
26Entscheidungsgründe
27I. Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Summe der gemeinen Werte der Finanzmittel, der jungen Finanzmittel, des Verwaltungsvermögens nach § 13b Abs. 4 Nr. 1 bis 4 ErbStG, des jungen Verwaltungsvermögens und der Schulden (§ 13b Abs. 10 ErbStG) vom 23.03.2021, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.12.2022 und des Änderungsbescheids vom 04.11.2024 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
28Die Forderung aus dem übertragenen Sonderbetriebsvermögen gegenüber der Klägerin ist in die Feststellung der Finanzmittel nach § 13b Abs. 4 Nr. 5 Satz 1 ErbStG in der Fassung vom 04.11.2016 (a. F.) i. V. m. § 13b Abs. 10 ErbStG a. F. vollständig einzubeziehen. Eine Saldierung nach § 13b Abs. 9 Satz 3 ErbStG a. F. ist vorliegend nicht vorzunehmen.
29Für den Erwerb von Betriebsvermögen sieht § 13a ErbStG i. V. m. § 13b ErbStG unter bestimmten Voraussetzungen Steuerbefreiungen vor. Zum begünstigungsfähigen Vermögen gehört gemäß § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG inländisches Betriebsvermögen (§§ 95 bis 97 Abs. 1 Satz 1 des Bewertungsgesetzes) beim Erwerb einer Beteiligung an einer Gesellschaft i. S. d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Einkommensteuergesetz (EStG). Durch Bezugnahme auf § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 EStG ist grundsätzlich der Gesellschaftsbegriff nicht zivilrechtlich, sondern ertragsteuerrechtlich zu verstehen. Der Begriff des Mitunternehmeranteils umfasst ertragsteuerrechtlich auch etwaiges Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters (BFH-Urteil vom 17.06.2020, II R 38/17, BFHE 269, 436, BStBl II 2021, 98, Rn. 22 m. w. N.). Das begünstigungsfähige Vermögen ist nach § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG begünstigt, soweit sein gemeiner Wert den um das unschädliche Verwaltungsvermögen im Sinne des § 13b Abs. 7 ErbStG gekürzten Nettowert des Verwaltungsvermögens im Sinne des § 13b Abs. 6 ErbStG übersteigt (begünstigtes Vermögen). Abweichend von § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG ist der Wert des begünstigungsfähigen Vermögens nach § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG vollständig nicht begünstigt, wenn das Verwaltungsvermögen nach § 13b Abs. 4 ErbStG vor der Anwendung des § 13b Abs. 3 Satz 1 ErbStG, soweit das Verwaltungsvermögen nicht ausschließlich und dauerhaft der Erfüllung von Schulden aus durch Treuhandverhältnisse abgesicherten Altersversorgungsverpflichtungen dient und dem Zugriff aller übrigen nicht aus diesen Altersversorgungsverpflichtungen unmittelbar berechtigten Gläubiger entzogen ist, sowie der Schuldenverrechnung und des Freibetrags nach § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG sowie § 13b Abs. 6 und 7 ErbStG mindestens 90 % des gemeinen Werts des begünstigungsfähigen Vermögens beträgt.
30Die Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens sind in § 13b Abs. 4 Nr. 1 bis 5 ErbStG abschließend aufgezählt. Zu dem von der Begünstigung des Betriebsvermögens ausgeschlossenen Verwaltungsvermögen gehört unter anderem gem. § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG der gemeine Wert des nach Abzug des gemeinen Werts der Schulden verbleibende Bestand an Zahlungsmitteln, Geschäftsguthaben, Geldforderungen und anderen Forderungen (Finanzmittel), soweit er 15% des anzusetzenden Werts des Betriebsvermögens der Gesellschaft übersteigt. Zu den Geldforderungen gehören auch Forderungen im Sonderbetriebsvermögen eines Gesellschafters einer Personengesellschaft, insbesondere – wie vorliegend – Forderungen des Gesellschafters gegen die Personengesellschaft (Esskandari in Stenger/Loose, Bewertungsrecht - BewG/ErbStG/GrStG, 172. Lieferung, 11/2024, § 13b ErbStG, Rn. 172).
311. Wenn zum begünstigungsfähigen Vermögen im Sinne des § 13b Abs. 1 Nummer 2 und 3 ErbStG a. F. mittelbar oder unmittelbar gehaltene Beteiligungen an Personengesellschaften oder Anteile an Kapitalgesellschaften bzw. entsprechende Gesellschaften mit Sitz oder Geschäftsleitung im Ausland gehören, sind nach § 13b Abs. 9 Satz 1 ErbStG a. F. für Zwecke der Ermittlung des begünstigten Vermögens gem. § 13b Abs. 2 bis 8 ErbStG a. F. die gemeinen Werte der diesen Gesellschaften zuzurechnenden Vermögensgegenstände mit dem jeweiligen Anteil einzubeziehen, mit dem die mittelbare bzw. unmittelbare Beteiligung besteht.
32Die unmittelbar oder mittelbar gehaltenen Finanzmittel, die Vermögensgegenstände des Verwaltungsvermögens im Sinne des § 13b Abs. 4 Nummer 1 bis 4 ErbStG sowie die Schulden sind nach § 13b Abs. 9 Satz 2 ErbStG a. F. jeweils zusammenzufassen (Verbundvermögensaufstellung); junge Finanzmittel und junges Verwaltungsvermögen sind gesondert aufzuführen. Nach § 13b Abs. 9 Satz 3 ErbStG a. F. sind, soweit sich in der Verbundvermögensaufstellung Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen den Gesellschaften untereinander oder im Verhältnis zu dem übertragenen Betrieb oder der übertragenen Gesellschaft gegenüberstehen, diese nicht anzusetzen.
332. Für den vorliegenden Fall, dass eine mitunternehmerische Beteiligung übertragen wird, bedarf es nicht stets einer Verbundvermögensaufstellung i. S. d. § 13b Abs. 9 ErbStG a. F. Allein das Verhältnis des anteiligen Betriebsvermögens der Gesellschaft zu dem Sonderbetriebsvermögen des Mitunternehmers erfüllt nicht die Voraussetzungen eines „Verbunds“ von § 13b Abs. 9 Satz 1 ErbStG.
34Ob eine Verbundvermögensaufstellung nach § 13b Abs. 9 Satz 2 ErbStG a. F. bei der Übertragung einer mitunternehmerischen Beteiligung mit Sonderbetriebsvermögen auch im Verhältnis zwischen dem Gesamthandsvermögen und dem übertragenen Sonderbetriebsvermögen vorzunehmen ist, sodass auch in diesem Verhältnis eine Saldierung von Forderungen und Verbindlichkeiten nach § 13b Abs. 9 Satz 3 ErbStG a. F. möglich ist, ist umstritten (zum Streitstand Korezkij in BeckOK ErbStG/ 26. Ed. 1.1.2025, ErbStG § 13b Rn. 342, beck-online).
35Der Senat teilt nicht die in Teilen der Literatur vertretene Auffassung, dass Sonderbetriebsvermögen, jedenfalls wenn in diesem keine weitere Beteiligung gehalten wird, bei den Grundsätzen der Verbundvermögensaufstellung einzubeziehen sei, um dadurch eine Saldierung von sich im Gesamthandsvermögen und Sonderbetriebsvermögen gegenüberstehenden Forderungen und Verbindlichkeiten zu ermöglichen (Esskandari in Stenger/Loose, Bewertungsrecht - BewG/ErbStG/GrStG, 172. Lieferung, 11/2024, § 13b ErbStG, Rn. 238; Christopher Riedel in Daragan et al., Praxiskommentar ErbStG und BewG, § 13b Begünstigtes Vermögen, Rn. 345; Geck in Kapp/Ebeling, ErbStG, 102. Lieferung, 10/2024, § 13b ErbStG, Rn. 191; a. A. Korezkij in BeckOK ErbStG/ 26. Ed. 1.1.2025, ErbStG § 13b Rn. 342, beck-online, m. w. N.).
36Dies ergibt die Auslegung des § 13b Abs. 9 ErbStG a. F. Schon nach dem Wortlaut ist eine Verbundvermögensaufstellung (Satz 1 und 2) samt Saldierung (Satz 3) nur dann vorzunehmen, wenn im begünstigungsfähigen Vermögen, vorliegend dem Mitunternehmeranteil (Gesamthandsvermögen und Sonderbetriebsvermögen, § 97 Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 BewG), Beteiligungen an weiteren Gesellschaften enthalten sind. Eine sinngemäße Anwendung der Grundsätze zur Verbundvermögensaufstellung zwischen dem Gesamthandsvermögen und dem übertragenen Sonderbetriebsvermögen bei der Übertragung einer mitunternehmerischen Beteiligung scheidet aus.
37a) Maßgebend für die Auslegung eines Gesetzes ist der in ihm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers (vgl. BVerfG Beschluss vom 09.11.1988, 1 BvR 243/86, BVerfGE 79, 106, m. w. N.; BFH-Urteile vom 04.12.2014, IV R 53/11, BStBl II 2015, 483; u. vom 21.10.2010, IV R 23/08, BStBl II 2011, 277). Ausgehend von dem Wortlaut der Norm (grammatikalisch/sprachliche Auslegung) kann sich auch der Auslegung aus dem Zusammenhang (systematische Auslegung), nach dem Sinn und Zweck der Norm (teleologische Auslegung) und aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte (historische Auslegung) gleichzeitig und nebeneinander bedient werden (BFH-Urteil vom 04.12.2014, IV R 53/11, BStBl II 2015, 483, m. w. N.).
38b) Der Wortlaut des § 13b Abs. 9 Satz 1 ErbStG a. F. differenziert zwischen dem „begünstigungsfähigen Vermögen“ der zugewandten wirtschaftlichen Einheit - hier gem. § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG dem inländischen Betriebsvermögen beim Erwerb einer Beteiligung an einer Gesellschaft im Sinne des § 97 Abs. 1 Satz Nr. 5 Satz 1 u. 2 Bewertungsgesetz (BewG) - und den in diesem begünstigungsfähigen Vermögen befindlichen unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligungen an weiteren Gesellschaften. Es wird somit sprachlich das Vorliegen einer Beteiligung im erworbenen Betriebsvermögen gefordert (Werthebach, DB 2018, 1690, 1691). Indem § 13b Abs. 9 Satz 1 a. E. ErbStG davon spricht, dass „anstelle der Beteiligungen oder Anteile die gemeinen Werte […] einzubeziehen sind“ verdeutlicht dies die Differenzierung zwischen der zugewandten wirtschaftlichen Einheit (anteiliges Gesamthandsvermögen und Sonderbetriebsvermögen) und darin befindlichen Beteiligungen und Anteilen dahingehend, dass eine „weitere“ Beteiligung für einen Verbund erforderlich ist. Nur in diesem nach § 13b Abs. 9 Satz 1 ErbStG definierten Verbund zu einer weiteren Beteiligung (für dieses Verständnis auch Kirnberger in ErbStG - eKommentar, § 13b ErbStG 1974, Rn. 111), sind nach § 13b Abs. 9 Satz 2 ErbStG Finanzmittel und Schulden zu einer Verbundvermögensaufstellung zusammenzufassen. Diese Differenzierung zwischen der übertragenen wirtschaftlichen Einheit und den darin selbst enthaltenen Beteiligungen setzt sich sprachlich in § 13b Abs. 9 Satz 3 ErbStG a. F. fort, indem die Norm von „zwischen den Gesellschaften untereinander oder im Verhältnis zu dem übertragenen Betrieb“ spricht und damit die oberste Beteiligungsebene als das im Gesamthandsvermögen oder Sonderbetriebsvermögen gehaltene Betriebsvermögen des Mitunternehmers festlegt (a. A. Köninger ZEV 2017, 365, 366 beck-online). § 13b Abs. 9 Satz 3 ErbStG nimmt Bezug auf den in § 13b Abs. 9 Satz 1 ErbStG verwendeten Gesellschaftsbegriff, welcher gerade zivilrechtlich Personen- und Kapitalgesellschaften umfasst. Daraus ergibt sich jedenfalls nicht, dass der Vermögensempfänger als natürliche Person wie eine fiktive Obergesellschaft zu behandeln sein soll (a. A. Korezkij DStR 2016, 2434, 2435 beck-online) und anteiliges Gesamthandsvermögen und Sonderbetriebsvermögen in einem „Verbund“ stehen würden. Der Wortlaut der Norm lässt insofern keinen Raum für die grundsätzliche Annahme eines in einer Mitunternehmerschaft i. S. d. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG bestehenden „horizontalen Verbunds“. Nach dem System der Steuerbegünstigung i. S. d. §§ 13a, 13b ErbStG a.F. ist jeder übertragene Betrieb einzeln zu betrachten (BFH-Urteil vom 26.07.2022, II R 25/20, BFHE 277, 456, BStBl II 2024, 21, Rn. 21). Betrieb ist hier der erworbene Mitunternehmeranteil. Allein aufgrund der gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG für ertragsteuerliche zusammengeführten Gewinnermittlung für Gesellschaft und Mitunternehmer entsteht in Gestalt des Erwerbers für erbschaftsteuerliche Zwecke keine Obergesellschaft. Weder an dem übertragenen Sonderbetriebsvermögen ist das anteilige Gesamthandsvermögen beteiligt, noch ist der umgekehrte Fall gegeben.
39c) Das Ergebnis, die Saldierung von Verbindlichkeiten und Forderungen im Gesamthands- und Sonderbetriebsvermögen zu versagen, wird von der Systematik des § 13b Abs. 9 ErbStG a. F. gestützt. Die einzelnen Sätze des § 13b Abs. 9 ErbStG a. F. bauen aufeinander auf. So definiert § 13b Abs. 9 Satz 1 ErbStG a. F. zunächst den „Verbund“, legt damit fest welche zivilrechtlich (teil-)selbständigen Einheiten grundsätzlich gemeinsam betrachtet werden müssen, und wie diese wertmäßig für Zwecke der Erbschaftsteuerbefreiung erfasst werden. Darauf baut § 13b Abs. 9 Satz 2 ErbStG auf, indem er für diesen Verbund eine gemeinsame Aufstellung der unmittelbar oder mittelbar gehaltenen Finanzmittel, der Vermögensgegenstände des Verwaltungsvermögens sowie der Schulden anordnet und diese Aufstellung als Verbundvermögensaufstellung bezeichnet. Erst in einem dritten Schritt erfolgt dann die Saldierung von Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen den „Verbundunternehmen“, soweit diese sich in der Verbundvermögensaufstellung gegenüberstehen, nach § 13b Abs. 9 Satz 3 ErbStG a. F. Dieser Systematik folgend kann keine Saldierung ohne Verbund vorgenommen werden.
40d) Auch dem Sinn und Zweck der Vorschrift entspricht es, eine Saldierung von Forderungen im Sonderbetriebsvermögen mit korrespondierenden Verbindlichkeiten im Gesamthandsvermögen abzulehnen, wenn im Sonderbetriebsvermögen selbst keine Beteiligung vorhanden ist. Um steuerliche Gestaltungen zu vermeiden, bei denen Verwaltungsvermögen und Schulden innerhalb eines Verbundes auf nachgeordnete Beteiligungsgesellschaften verlagert werden, um dadurch die erforderliche Verwaltungsvermögensquote einzuhalten, erfolgt, wenn zum begünstigungsfähigen Vermögen Beteiligungen gehören, die rechentechnische Ermittlung des begünstigten Vermögens i. R. e. konsolidierten Verbundvermögensaufstellung (Kußmaul/Bechter, StB 2022, 1, 3). Durch die Verrechnung verbundinterner Forderungen und Verbindlichkeiten sollen die konzerninternen Forderungen und Verbindlichkeiten für Zwecke der Erbschaftsteuerbefreiung eliminiert werden, sodass bei einer auf einen geringeren Wert abgeschriebenen Forderung der Gläubigergesellschaft, deren korrespondierende Verbindlichkeit bei der Schuldnergesellschaft mit vollem Wert angesetzt ist, kein Steuervorteil eintritt (Kußmaul/Bechter, StB 2022, 1, 4; BT Drs. 18/8911 S. 44).
41Diesem Ziel wird die vorgenommene Auslegung gerecht. Das originär dem zivilrechtlichen Privatvermögen zugehörige Sonderbetriebsvermögen des Mitunternehmers partizipiert nicht an einer Saldierung mit dem Gesamthandsvermögen. Es handelt sich um Vermögen, welches keinen gesellschaftsrechtlichen Bindungen unterliegt und erbschaftsteuerlich deshalb nicht begünstigungswürdig ist und als Verwaltungsvermögen in die gesonderte und einheitliche Feststellung der gemeinen Werte der Finanzmittel, der jungen Finanzmittel, des Verwaltungsvermögens nach § 13b Abs. 4 Nr. 1 bis 4 ErbStG, des jungen Verwaltungsvermögens und der Schulden vollständig einbezogen wird.
42e) Dies entspricht auch den im Rahmen der Gesetzgebung geäußerten Zielvorstellungen zu der Norm. Im Regierungsentwurf (BR Drs. 353/15 S. 25) wird die Absicht deutlich, dass eine Konsolidierung dann erfolgen soll, wenn ein Betrieb oder eine Gesellschaft Beteiligungen an Personen- oder Kapitalgesellschaften hält. Weiter heißt es (BR Drs. 353/15 S. 30): „Voraussetzung für die Konsolidierung ist, dass es sich um Beteiligungen an Personengesellschaften oder Anteile an Kapitalgesellschaften handelt, die begünstigungsfähig sind, wenn sie der Erwerber unmittelbar halten würde.“
43Sowohl das Sonderbetriebsvermögen als auch den Anteil am Gesamthandsvermögen hält der Erwerber bereits selbst, und zwar auf derselben Ebene. Der Regierungsentwurf nimmt einen Verbund explizit nur für die Fälle an, in denen eine (mindestens) zweistufige Gesellschaftsstruktur vorliegt.
44Dieser gesetzgeberische Wille hat entsprechend Niederschlag im Gesetzeswortlaut gefunden.
45f) § 13b Abs. 9 Satz 3 ErbStG kann nicht für Fälle, in denen sich Forderungen in Gesamthandsbilanz und Sonderbilanz gegenüberstehen, analog angewendet werden.
46Die analoge Anwendung einer Rechtsnorm setzt eine Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Regelungslücke voraus. Die Norm muss gemessen an ihrem Zweck unvollständig, d. h. ergänzungsbedürftig sein. Ihre Ergänzung darf nicht einer vom Gesetzgeber beabsichtigten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände widersprechen. Eine Auslegung gegen den Wortlaut kommt zudem nur unter sehr engen Voraussetzungen in Betracht, wenn nämlich die auf den Wortlaut abgestellte Auslegung zu einem sinnwidrigen Ergebnis führen würde (BFH Beschluss vom 29.08.2019, II B 79/18, Rn. 5, juris; BFH Urteil vom 02.06.2005, III R 15/04, BFHE 210, 141, BStBl II 2005, 828).
47Diese Voraussetzungen für eine Auslegung gegen den Wortlaut liegen nicht vor. Die Anwendung der Norm ihrem Wortlaut nach verwirklicht das gesetzgeberische Ziel und führt nicht zu sinnwidrigen Ergebnissen.
48III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 und 3 FGO.
49IV. Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
50[…] […] […]