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Der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen für den Zeitraum 08.08.2011 bis 07.08.2016 vom 20.07.2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.02.2024 wird dahingehend abgeändert, dass die Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen auf 11.086.498,- € festgestellt wird.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen diese selbst.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
2Streitig ist, ob bei der Berechnung der maßgebenden jährlichen Lohnsummen für den Zeitraum 08.08.2011 bis 07.08.2016 die Vergütungen an Herrn Y. als geschäftsführenden und persönlich haftenden Gesellschafter der Klägerin sowie an die Kommanditistin Frau I. zu berücksichtigen sind.
3[…]. Gründer der Unternehmensgruppe war Herr R..
4Zunächst war Herr R. alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der D. GmbH, welche in Höhe von 95,63 % (im Nennbetrag von 1.117.257,20 EUR) am Kapital der P. GmbH & Co. KG beteiligt war.
5Mit Wirkung zum 00.00.2009 wurde die D. GmbH im Wege des Formwechsels in eine Kommanditgesellschaft (KG), die Klägerin, umgewandelt. Die KG bestellte Herrn Y. zum Komplementär (Komplementärkapital im Nennbetrag von 50.000,- EUR). Herr R. hielt ein Kommanditkapital mit einem Nennbetrag von 400.000,- EUR (88,85 %).
6Herr Y. und Frau I. beerbten den am 07.08.2011 verstorbenen Herrn R. je zur Hälfte.
7Herr Y., der bereits ab dem 01.03.2011 als angestellter Geschäftsführer tätig war, führte die Geschäfte der Klägerin fort. Frau I. schloss ab dem 01.10.2011 einen Anstellungsvertrag mit der Klägerin, zog sich nach der Geburt ihrer Kinder jedoch aus den Geschäften zurück.
8Herr Y. erhielt aufgrund des Geschäftsführer-Anstellungsvertrags im Streitzeitraum folgende angemessene Vergütungen:
908.08.2011-31.12.2011 |
65.000,- EUR |
2012 |
395.000,- EUR |
2013 |
195.000,- EUR |
2014 |
195.000,- EUR |
2015 |
180.000,- EUR |
01.01.16 -07.08.2016 |
108.500,- EUR |
Summe: |
1.138.500,- EUR |
Frau I. erhielt aufgrund des Anstellungsvertrags im maßgeblichen Lohnsummenzeitraum eine angemessene Vergütung von insgesamt 266.517,- EUR. Die N.-Versicherung stellte im Rahmen des Statusfeststellungsverfahrens durch Bescheid vom 16.05.2013 fest, dass das Anstellungsverhältnis zwischen der KG und Frau I. in allen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung sozialversicherungspflichtig sei.
11In der Gewinn- und Verlustrechnung der Klägerin waren die an Herrn Y. und Frau I. gezahlten Vergütungen in der Position „Löhne und Gehälter“ enthalten.
12Das zuständige Erbschaftsteuerfinanzamt forderte den Beklagten mit Schreiben vom 12.02.2021 zur gesonderten Feststellung der Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen für Erbschaftsteuerzwecke auf. Der Beklagte forderte entsprechend die Klägerin mit Schreiben vom 17.03.2021 zur Abgabe der Feststellungserklärung auf. Am 23.04.2021 reichte die Klägerin die Erklärung zur Feststellung der Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen für den Zeitraum 08.08.2011 bis 07.08.2016 ein. Dabei erfasste sie die Bezüge der mitarbeitenden Gesellschafter Y. und I. als Teil der Lohnsummen.
13Die Klägerin erklärte das Gesamtbruttoentgelt der gezahlten Löhne und Gehälter wie folgt:
1408.08.2011 -31.12.2011 |
631.446,- EUR |
2012 |
1.912.332,- EUR |
2013 |
1.568.020,- EUR |
2014 |
1.714.997,- EUR |
2015 |
1.588.133,- EUR |
01.01.2016 -07.08.2016 |
947.271,- EUR |
Summe: |
8.362.199,- EUR |
Mit Bescheiden vom 20.07.2021 über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen für den Zeitraum 08.08.2011 bis 07.08.2016 stellte der Beklagte die Lohnsumme i. H. v. 9.691.480,- EUR fest. Dabei berücksichtigte er auch die Lohnsumme der P. GmbH & Co. KG (2. Stufe) entsprechend der Beteiligungsquote anteilig mit 95.63% i. H. v. 2.724.295,- EUR. Die Vergütungen an Y. und I. bezog er nicht mit ein.
16Den hiergegen eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 07.02.2024 als unbegründet zurück. Löhne an Gesellschafter-Geschäftsführer einer Personengesellschaft seien nach H E 13a.4 Abs. 2 ErbStH auch dann nicht in die Lohnsumme einzubeziehen, wenn die Gesellschafter sozialversicherungsrechtlich als Arbeitnehmer behandelt würden.
17Mit der am 11.03.2024 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Berücksichtigung der Gesellschaftervergütungen bei der maßgebenden Lohnsumme weiter. Aus dem Wortlaut des § 13a Abs. 4 ErbStG ergebe sich bereits kein Anhaltspunkt für die Differenzierung zwischen Beschäftigten als Gesellschafter von Personengesellschaften einerseits und von Kapitalgesellschaften andererseits. Eine im Wortlaut geforderte „Beschäftigung“ liege jedenfalls aufgrund der Anstellungsverträge mit der Klägerin vor. Die handelsrechtliche Berücksichtigung bei der Position „Löhne und Gehälter“ reiche dabei aus. Nur ertragsteuerlich bestehe die Besonderheit von Sonderbetriebseinnahmen i. S. d. § 15 Abs. 1 Nr. 2 Einkommensteuergesetz (EStG). Der Begriff Lohnsumme orientiere sich an der Definition in Anhang 1 der Verordnung (EG) Nr. 1503/2006 der Kommission vom 28.09.2006, ABl. EG Nr. L 281/15. Diese differenziere nicht zwischen mitarbeitenden Inhabern und anderen bezahlten Arbeitnehmern. Dies entspreche auch dem Sinn und Zweck der Regelung des § 13a Abs. 4 ErbStG. Die Lohnsummenregelung bezwecke nicht den Erhalt des nämlichen Arbeitsplatzes, sondern diene dazu, eine gewisse Qualität und Quantität der Arbeitsplätze aufrechtzuerhalten. Es gehe um den nachhaltigen Erhalt von Arbeitsplätzen in den Unternehmen, in denen typischerweise vom Erblasser oder Schenker unternehmerische Verantwortung wahrgenommen werde. Gerade für diese Unternehmen habe das BVerfG dem Gesetzgeber den Gestaltungsspielraum zugesprochen, zur Sicherung des Bestands und zur Erhaltung der Arbeitsplätze eine weitestgehende Erbschaftsteuerbefreiung zu gewähren. Dass der vorliegende Fall das gesetzgeberische Leitbild erfülle, zeige sich auch darin, dass die Mitarbeiteranzahl vom 2011 – 2023 von 50 auf 63 Mitarbeiter angestiegen sei.
18Ausgangslohnsumme, maßgebende jährliche Lohnsumme und Mindestlohnsumme seien daher nur vergleichbar, wenn auch an die Erben gezahlten Vergütungen bei der maßgebenden jährlichen Lohnsumme berücksichtigt würden. Dies gelte auch beim vorliegenden Fall eines Formwechsels, bei dem zuvor die Gesellschafter-Geschäftsführervergütung zur Erhöhung der Ausgangslohnsumme in diese eingeflossen sei.
19Die Klägerin beantragt,
20den Bescheid vom 20.07.2021 über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen für den Zeitraum 08.08.2011 bis 07.08.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.02.2024 dahingehend zu ändern, dass die maßgebende jährliche Lohnsumme auf 11.086.498,- € festgestellt wird,
21hilfsweise, für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.
22Der Beklagte beantragt,
23die Klage abzuweisen,
24hilfsweise, für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.
25Der Beklagte verweist auf die Verwaltungsanweisung H E 13a.5 ErbStH. Die Beschreibung der Lohnsumme orientiere sich zwar an der Definition in Anhang 1 der Verordnung (EG) Nr. 1503/2006 der Kommission vom 28.09.2006, ABl. EG Nr. L 281/15, ein gesetzlicher Verweis bestehe jedoch nicht. Die bestehende Definition aus der EU-Verordnung werde in § 13a Abs. 4 ErbStG vielmehr zur Grundlage einer eigenen Beschreibung der Anzahl der Beschäftigten und der Lohnsummen für Zwecke des ErbStG. Die ertragsteuerliche Einordnung sei maßgeblich. Dass die Vergütungen eines Gesellschafter-Geschäftsführers einer Kapitalgesellschaft und die Vergütungen eines Gesellschafter-Geschäftsführers einer Personengesellschaft unterschiedlich behandelt werden, sei sachlich begründet. Bei der Personengesellschaft sei der Gesellschafter ertragsteuerlich als Unternehmer anzusehen. Aufgrund des Trennungsprinzips gelte das bei Kapitalgesellschaften nicht. Zweck der Lohnsummenregelung sei der Schutz von Arbeitnehmern. Wenn die als Vergütungen bezeichneten Entnahmen eines Einzelunternehmers die maßgebenden jährlichen Lohnsummen erhöhen würden, würde dies entgegen dem Schutz der Arbeitnehmenden wirken. Ein Fremdvergleich der Tätigkeitsvergütung wie bei Kapitalgesellschaften werde bei Personengesellschaften gerade nicht vorgenommen. Entsprechend könne die Tätigkeitsvergütung nicht auf eine angemessene Vergütung begrenzt werden, was Missbrauchsspielraum eröffne. Sollte man die unterschiedliche Behandlung aufgrund der Rechtsform dennoch für auflösungsbedürftig halten, wäre dies im Folgebescheid vorzunehmen. Erst in diesem materialisiere sich ein etwaiges Missverhältnis von Ausgangslohnsumme und Mindestlohnsumme.
26Die Beigeladenen haben keine eigenen Anträge gestellt.
27Der Senat hat am 15.04.2025 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen.
28Entscheidungsgründe
29I. Die Klage ist begründet.
30Der Bescheid vom 20.07.2021 über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen für den Zeitraum 08.08.2011 bis 07.08.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.02.2024 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
311. Bei der Ermittlung der maßgebenden jährlichen Lohnsummen (§ 13a Abs. 4 ErbStG) gem. § 13a Abs. 1 Satz 2 ErbStG in der Fassung vom 22.12.2009 (a. F.) sind die an die beigeladenen Gesellschafter im Lohnsummenzeitraum gezahlten Vergütungen in Höhe von insgesamt 1.405.017 EUR einzubeziehen. Der nunmehr in H E 13a.5 ErbStH 2020 vertretenen gegenteiligen Auffassung der Finanzverwaltung zur Berücksichtigung von Vergütungen bei Gesellschaftern einer Personengesellschaft folgt der Senat nicht.
32a) Die Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen des Betriebs, bei Beteiligungen an einer Personengesellschaft oder Anteilen an einer Kapitalgesellschaft des Betriebs der jeweiligen Gesellschaft, umfasst alle Vergütungen (Löhne und Gehälter und andere Bezüge und Vorteile), die im maßgebenden Wirtschaftsjahr an die auf den Lohn- und Gehaltslisten erfassten Beschäftigten gezahlt werden; außer Ansatz bleiben Vergütungen an solche Arbeitnehmer, die nicht ausschließlich oder überwiegend in dem Betrieb tätig sind, § 13a Abs. 4 Satz 1 ErbStG. Zu den Vergütungen zählen alle Geld- oder Sachleistungen für die von den Beschäftigten erbrachte Arbeit, unabhängig davon, wie diese Leistungen bezeichnet werden und ob es sich um regelmäßige oder unregelmäßige Zahlungen handelt, § 13a Abs. 4 Satz 2 ErbStG.
33b) Vergütungen in diesem Sinne sind alle Vergütungen, die im maßgebenden Zeitraum an die Beschäftigten gezahlt werden, mithin alle Löhne und Gehälter unabhängig von ihrer ertragsteuerlichen Qualifikation (entgegen Geck in Kapp/Ebeling, ErbStG, 103. Lieferung, 3/2025, § 13a ErbStG, Rn. 32; Esskandari in Stenger/Loose, Bewertungsrecht - BewG/ErbStG/GrStG, 174. Lieferung, 3/2025, § 13a ErbStG, Rn. 111). Maßgeblich ist die handelsrechtliche Behandlung als Aufwand, soweit die vertraglich vereinbarten und tatsächlich gezahlten Vergütungen angemessen sind. Dies ergibt die Auslegung der Norm.
34aa) Maßgebend für die Auslegung eines Gesetzes ist der in ihm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers (vgl. BVerfG-Beschluss vom 09.11.1988, 1 BvR 243/86, BVerfGE 79, 106, m. w. N.; BFH-Urteile vom 04.12.2014, IV R 53/11, BStBl. II 2015, 483; u. vom 21.10.2010, IV R 23/08, BStBl. II 2011, 277). Der Ermittlung dieses Willens dienen ausgehend von dem Wortlaut der Norm (grammatikalisch/sprachliche Auslegung) gleichzeitig und nebeneinander die Auslegung aus dem Zusammenhang (systematische Auslegung), nach dem Sinn und Zweck der Norm (teleologische Auslegung) und aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte (historische Auslegung) (BFH-Urteil vom 04.12.2014, IV R 53/11, BStBl. II 2015, 483, m. w. N.). Ziel jeder Auslegung ist die Feststellung des Inhalts der Norm, wie er sich aus dem Wortlaut und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist (BFH-Urteil vom 13.09.2023, II R 49/21, BFHE 282, 313, BStBl. II 2024, 566, m. w. N., Rn. 17).
35bb) Aus dem Wortlaut ergibt sich weder eindeutig, dass die ertragsteuerliche Qualifizierung als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit nach § 19 EStG maßgeblich ist, noch, dass es auf die zivilrechtliche oder handelsrechtliche Berücksichtigung als Lohnaufwand ankommt. § 13a Abs. 4 ErbStG lässt sprachlich grundsätzlich beide Auslegungen zu.
36Auf die ertragsteuerliche Qualifizierung kommt es jedoch nach Auffassung des Senats nicht an, da sich nach Auslegung der vom Gesetz verwandten Begriffe „Löhne und Gehälter“ sowie „Lohn- und Gehaltslisten“ keine genügenden Anhaltspunkte für einen entsprechenden gesetzgeberischen Willen ergeben.
37(1) Die Norm selbst definiert die „Lohnsumme“ als alle Vergütungen, die an die auf den Lohn- und Gehaltslisten erfassten Beschäftigten gezahlt werden. „Vergütungen“ sind danach „Löhne und Gehälter und andere Bezüge und Vorteile“.
38Daraus kann sprachlich nicht auf die Notwendigkeit der Zuordnung der Vergütungen zu den Einkünften i. S. d. § 19 EStG geschlossen werden. Denn allgemeinsprachlich sind „Löhne“ Entgelte für geleistete Arbeit, die täglich, wöchentlich oder monatlich ausgezahlt werden. Gehälter sind regelmäßig gezahlte Entgelte. Die Begriffe „Löhne“ und „Gehälter“ werden i. d. R. synonym verwandt. Die Unterscheidung ist auch steuerrechtlich nicht von Bedeutung (Bleschick BeckOK EStG, 20. Ed. 1.11.2024, EStG § 19 Rn. 473, 474, beck-online), weshalb nicht auf ein ertrags- bzw. lohnsteuerliches Begriffsverständnis allein aufgrund der Verwendung des Begriffs „Löhne“ abgestellt werden kann.
39Die Begriffe Löhne, Gehälter, Beschäftigte oder Lohn- und Gehaltslisten legen nach dem allgemeinen Sprachgebrauch darüber hinaus nicht nahe, dass es auf die ertragsteuerliche Qualifikation als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit i. S. d. § 19 EStG ankommt. Zwar knüpft der Begriff „Lohn“ auch an den Arbeitslohn an, dieser ist jedoch ebenfalls nicht ausschließlich ertragsteuerlich mit Einkünften aus § 19 EStG gleichzusetzen (Riedel in Daragan et al., Praxiskommentar ErbStG und BewG, § 13a Steuerbefreiung für Betriebsvermögen, Betriebe der Land- und Forstwirtschaft und Anteile an Kapitalgesellschaften, Rn. 130). Ebenso wenig ist der Begriff „Lohn- und Gehaltslisten“ mit § 19 EStG verknüpft; es handelt sich nicht um einen explizit lohnsteuerrechtlich geprägten Begriff (Birnbaum, StB 2011, 112; entgegen Claussen/Thonemann-Micker in BeckOK ErbStG, 26. Ed. 1.1.2025, ErbStG § 13a Rn. 108, beck-online; Söffing in ErbStG - eKommentar, § 13a ErbStG 1974, Rn. 95; Geck in Kapp/Ebeling, ErbStG, 103. Lieferung, 3/2025, § 13a ErbStG, Rn. 32).
40Der Begriff „Lohnsumme“ wird für erbschaftsteuerliche Zwecke auch nicht, wie die Verwaltungsanweisungen der Finanzverwaltung dies nunmehr in R E 13a.5 Satz 1 ErbStR 2020 nahelegen, durch den Anhang der Verordnung (EG) Nr. 1503/2006 vom 28.09.2006 näher bestimmt. Diese europarechtliche Verordnung definiert bestimmte Variablen für statistische Zwecke und entfaltet für die erbschaftsteuerliche Einordung des Begriffs weder eine Vorprägung noch eine rechtliche Bindungswirkung.
41(2) Schließlich ist der Begriff der „Beschäftigten“ kein üblicherweise und ausschließlich dem § 19 EStG zugeordneter Begriff. Vielmehr ist der Begriff „Beschäftigung“ grundsätzlich sozialrechtlich geprägt (sog. sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, vgl. § 7 Abs. 1 SGB IV), wobei das sozialrechtliche Verständnis der Beschäftigung - das teilweise eine Beschäftigung auch eines Gesellschafters anerkennt (Zieglmeier BeckOGK, 15.2.2025, SGB IV § 7 Rn. 52, beck-online) - ansonsten für die steuerliche Qualifikation nicht maßgebend ist. Für diese wird regelmäßig entgegen der sozialrechtlichen Beurteilung davon ausgegangen, dass der Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft ebenfalls Beschäftigter im Sinne des § 13a ErbStG ist, auch wenn er kündigungsschutz- bzw. sozialversicherungsrechtlich ggf. kein Arbeitnehmer ist, und zwar unabhängig davon, ob der Geschäftsführer gleichzeitig Gesellschafter ist (für den Fall eines GmbH Gesellschafter-Geschäftsführers als Beschäftigter i. S. d. § 13a ErbStG, FG Münster-Urteil vom 26.09.2023, 3 K 2466/21 F, EFG 2024, 21; Geck in Kapp/Ebeling, ErbStG, § 13a Rz. 32; Geck, KÖSDI 2021, 22064, 22066).
42cc) Da danach - anders als z. B. in § 31 Abs. 1 Gewerbesteuergesetz, der Arbeitslöhne explizit als die Vergütungen i. S. d. § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG definiert - ausreichende Hinweise auf eine ertragsteuerliche Anknüpfung für die Auslegung der Begriffe „Löhne und Gehälter“ und auch „Beschäftigte“ fehlen, geht der Senat davon aus, dass die Begriffsbestimmungen neben den bereits benannten sprachlichen Aspekten - entsprechend der grundsätzlichen Anknüpfung des Erbschaftsteuerrechts an das Zivilrecht - im Hinblick auf zivilrechtliche Regelungen und Begrifflichkeiten zu erfolgen hat.
43So berücksichtigt das Handelsrecht in § 275 Abs. 2 Nr. 6 Handelsgesetzbuch (HGB) unter dem Bilanzposten „Löhne und Gehälter“ sämtliche Löhne und Gehälter, die für diejenigen Mitarbeiter (Arbeiter, Angestellte, Auszubildende, Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer) des Unternehmens angefallen sind, die in der abzuschließenden Berichtsperiode in einem Dienstverhältnis mit dem Unternehmen standen (Kirsch/Ewelt-Knauer/Schmitz in Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzrecht, 121. Ergänzungslieferung, Januar 2025, § 275 HGB, Rn. 131). Handelsrechtlich setzen „Löhne und Gehälter“ voraus, dass der Aufwand Gegenleistungscharakter für erbrachte Leistungen der Beschäftigten des Unternehmens hat (Reiner in MüKoHGB, 5. Aufl. 2024, HGB § 275 Rn. 52, beck-online). Deshalb unterfallen dem Personalaufwand i. S. d. § 275 Abs. 2 Nr. 6 HGB auch die Gesamtbezüge geschäftsführender Organe für ihre Organtätigkeit (Reiner in MüKoHGB, 5. Aufl. 2024, HGB § 275 Rn. 54, beck-online; Kirsch/Ewelt-Knauer/Schmitz in Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzrecht, 121. Ergänzungslieferung, Januar 2025, § 275 HGB, Rn. 138). Der Status als Arbeitnehmer, Angestellter, Komplementär, Vorstand oder Geschäftsführer ist nicht maßgeblich (Reiner MüKoHGB, 5. Aufl. 2024, HGB § 275 Rn. 51, beck-online), solange die Vergütung – wie auch im vorliegenden Fall bei den Beigeladenen – in Abgrenzung zu Gewinnanteilen dienst- oder arbeitsvertraglich vereinbart ist (vgl. Beyer in Hachmeister/Kahle/Mock/Schüppen, Bilanzrecht, 4. Auflage 9/2024, zu § 5 PublG unter B IV. 6., Rz. 77).
44dd) Dieses Ergebnis wird durch die Gesetzesmaterialien gestützt.
45Aus der Gesetzesbegründung lässt sich nicht ableiten, dass der Gesetzgeber für die Einbeziehung von Vergütungen in die Lohnsummen an die ertragsteuerliche Qualifikation dieser Vergütungen anknüpfen wollte.
46Der Gesetzgeber ist der Empfehlung der Ausschüsse in BR-Drs. 4/1/08, Seite 5, unter Ziffer 9 a) und b) nicht gefolgt, wonach die für die Lohnsumme maßgebliche Vergütung den ertragsteuerlichen Gewinn gemindert haben müsste und weder Erblasser bzw. Schenker noch Erwerber als Arbeitnehmer im Sinne der Lohnsumme gelten sollten. Dies spricht für eine bewusste Entscheidung gegen die Koppelung der Lohnsumme an die ertragsteuerliche Einordnung.
47Dass vielmehr die handelsrechtliche Qualifikation maßgeblich sein sollte, zeigt die Stellungnahme der Bundesregierung. Danach sollte die Lohnsumme ohne erheblichen Verwaltungsaufwand aus den (handelsrechtlichen) Büchern des Steuerpflichtigen, nämlich aus dem in der Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesenen Aufwand für Löhne und Gehälter i. S. d. § 275 Abs. 2 Nr. 6 HGB, übernommen werden (Stellungnahme BReg zu der Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates, BT Drs. 16/7918 Anlage 3, S. 51). Es kam der Bundesregierung danach nicht auf die ertragsteuerliche - und damit steuerlichen Wertungen unterliegende - Qualifikation, sondern die handelsrechtliche Berücksichtigung als Lohnaufwand an.
48ee) Die Anknüpfung an die handelsrechtlichen Begriffe und Regelungen verschafft auch dem Sinn und Zweck der Regelung in § 13a Abs. 4 ErbStG (a. F.) Geltung.
49In dem Regelungskonstrukt der §§ 13a und 13b ErbStG a. F. dient die Lohnsummenregelung (§ 13a Abs. 1, 4 und 8 Nr. 1 ErbStG a. F.) im Speziellen dem Zweck, den Erwerber betrieblichen Vermögens zur Erhaltung der Arbeitsplätze zu veranlassen (BVerfG-Urteil vom 17.12.2014, 1 BvL 21/12, BVerfGE 138, 136, Rz. 135 und 206 nach juris). Der Schutz des individuellen Arbeitsplatzes im konkreten Betrieb im Sinne des Schutzes des jeweiligen Arbeitnehmers ist nicht Ziel der in § 13a Abs. 1 Satz 2 ErbStG getroffenen Regelungen. Vielmehr ist der grundsätzliche Arbeitsplatzerhalt, also der Erhalt des Betriebes mit einem bestimmten Beschäftigungsvolumen, für das die Entwicklung der Lohnsumme in der Zeit nach dem Besteuerungsstichtag als Indikator dient, Zweck der Regelung.
50Der Lohnsummenregelung liegt dabei eine betriebsbezogene Betrachtungsweise zugrunde, um den abstrakten Arbeitsplatzerhalt im konkreten Betrieb im Sinne des Erhalts der für den Betrieb insgesamt erforderlichen Arbeitskraft sicherzustellen (FG Münster-Urteil vom 10.08.2023, 3 K 2723/21 F). Die Lohnsumme soll dem Erwerber, der den Betrieb weiterführt, ein gewisses Maß an Flexibilität in Bezug auf die Fluktuation der im Betrieb Beschäftigten bieten (vgl. Gesetzentwurf der BReg zum ErbStRG, BT-Drs. 16/7918, S. 33). Dementsprechend differenziert auch der Gesetzestext nicht anhand kündigungs- oder sozialversicherungsrechtlicher Kriterien, sondern stellt gem. § 13a Abs. 4 Satz 1 ErbStG auf die „Lohn- und Gehaltslisten“ ab (FG Münster-Urteil vom 26.09.2023, 3 K 2466/21 F, EFG 2024, 21).
51Zu dieser vom Gesetzgeber beabsichtigten gewissen Flexibilität gehört es auch, dass der Geschäftsführer einer Personengesellschaft mit seinem angemessenen, aufgrund der Teilrechtsfähigkeit der Personengesellschaft vertraglich vereinbarten, ausgezahlten Lohn in die Lohnsumme einbezogen wird (dafür Claussen/Thonemann-Micker BeckOK ErbStG 26. Ed. 1.1.2025, ErbStG § 13a Rn. 108, beck-online; Korezkij, DStR 2021, 145, 149). Gerade seine Position und sein Arbeitseinsatz prägen in kleinen Unternehmen wie dem vorliegenden häufig den Betrieb und machen mitunter einen Großteil des qualitativen Beschäftigungsvolumens aus.
52ff) Dieses Normverständnis steht im Einklang mit der zivilrechtlichen Prägung des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz und berücksichtigt die zivilrechtliche Teilrechtsfähigkeit von Personenhandelsgesellschaften.
53gg) Die Auffassung des Beklagten, dass als Vergütung bezeichnete Entnahmen dem Schutz der Arbeitnehmer im Rahmen der maßgebenden jährlichen Lohnsumme entgegenstünden, überzeugt indes nicht. Zwar ist bei Gesellschafter-Geschäftsführern einer Personengesellschaft kein Fremdvergleich bereits auf ertragsteuerlicher Ebene vorzunehmen, dennoch kann der im Rahmen der Lohnsumme zu berücksichtigende Unternehmerlohn eines Personengesellschafters auch abseits der ertragsteuerlichen Angemessenheitskontrolle auf eine Fremdüblichkeit nach den zu § 202 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. d) Satz 2 BewG entwickelten Maßstäben überprüft werden. Der Schutz des qualitativen und quantitativen Beschäftigungsvolumens wird entsprechend nicht unterlaufen, eine Missbrauchsgefahr besteht wegen der Möglichkeit der Angemessenheitskontrolle nicht.
54c) Nach diesen Grundsätze gehört das im maßgeblichen Lohnsummenzeitraum gezahlte Entgelt an die beigeladenen Gesellschafter in gesamter Höhe von 1.405.017,- EUR zu den maßgebenden jährlichen Lohnsummen.
55Es ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die Beigeladenen eine angemessene Vergütung erhielten. Für den Senat ergeben sich keine dem entgegenstehenden Anhaltspunkte.
562. Die Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen für den Zeitraum 08.08.2011 bis 07.08.2016 der Klägerin beträgt demnach 11.086.498,- EUR.
57II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO und § 139 Abs. 4 FGO.
58III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
59IV. Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts zuzulassen.
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