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Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten darüber, ob eine schädliche Verwendung innerhalb der Sperrfrist des § 13a Abs. 5 Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) in der Fassung vom 01.07.2011 vorliegt, indem dem Kläger im Rahmen der Ausgliederung seines geerbten Einzelunternehmens in eine Kapitalgesellschaft neben Geschäftsanteilen zusätzlich eine Forderung gegen die Kapitalgesellschaft als Gegenleistung eingeräumt wurde.
3Die am 00.00.2012 verstorbene Erblasserin betrieb das Einzelunternehmen O. mit Sitz in K.. […]. Der Kläger beerbte sie als Alleinerbe.
4Mit Notarvertrag vom 28.03.2013 (UR Nr. N01 des Notars C.) übertrug der Kläger das Einzelunternehmen im Wege einer Ausgliederung mit Wirkung zum 01.01.2013 auf die neu gegründete O. GmbH (Amtsgericht K. HRB N02). Dafür erhielt er sämtliche Geschäftsanteile im Nennwert von 25.000,- EUR sowie eine Darlehensforderung gegen die Gesellschaft i. H. v. 450.820,82 EUR. Am 30.12.2013 stellte der Kläger einen Teildarlehensbetrag von 150.000,- EUR durch Umwandlung in die Kapitalrücklage der GmbH ein.
5Am 29.08.2014 (UR Nr. N03 des Notars C.) wurde das Stammkapital der O. GmbH von 25.000,- EUR auf 50.500,- EUR erhöht. Das neu geschaffene Stammkapital von 25.500,- EUR übernahm die A. GmbH unter Zahlung eines weiteren Aufgelds von 24.500,- EUR. Unter I. 8) des Vertrags erklärte die Gesellschaft folgendes:
6„Herr Z. hat als „Darlehensgeber I“ der O. GmbH als „Darlehensnehmer I“ ein Gesellschafterdarlehen in Höhe von 300.820,82 EUR, (…), im Rahmen der Gründung der Gesellschaft durch Ausgliederung gewährt.
7Nach Aufnahme der A. GmbH beschlossen die Gesellschafter der O. GmbH unter V. Darlehensvertragliche Vereinbarungen folgendes:
81) Die A. GmbH übernimmt hiermit ab sofort schuldbefreiend anstelle der O. GmbH gegenüber Herrn Z. sämtliche Verpflichtungen aus dem zu Ziffer I. 8) genannten Darlehensverhältnis. Herr Z. stimmt dieser Schuldübernahme hiermit zu.
92) Im Gegenzug dazu wird vereinbart, dass ab sofort die O. GmbH als „Darlehensnehmer II“ der A. GmbH als „Darlehensgeber II“ ein Gesellschafterdarlehen in Höhe von 300.820,82 EUR (…) schuldet. (…)
103) Darlehen I und II sind beginnend ab dem 01.01.2015 mit 2% jährlich zu verzinsen, wobei die Zinsen zum Schluss eines jeden Jahres fällig sind; jedoch entfällt die Zinsberechnung vollständig und ersatzlos für die Kalenderjahre, in welchen die O. GmbH keine Gewinne ausweist. (…).“
11In der Erbschaftsteuererklärung gab der Kläger den gemeinen Wert des Einzelunternehmens mit 2.299.506,- EUR an. Das Unternehmensvermögen sei vollständig nach §§ 13a, 13b Abs. 1 und 2 ErbStG begünstigt. Er beantragte die Optionsverschonung nach § 13a Abs. 8 ErbStG. Mit Erbschaftsteuerbescheid vom 26.08.2014 wurde erstmalig Erbschaftsteuer i. H. v. 9.317,- EUR festgesetzt. Für das vererbte Betriebsvermögen gewährte der Beklagte die Steuerbefreiung nach § 13a ErbStG in beantragter Höhe. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
12Mit Bescheid vom 06.11.2019 stellte das zuständige Feststellungsfinanzamt K. den Wert des Betriebsvermögens für Zwecke der Erbschaftsteuer auf den 00.00.2012 gesondert und einheitlich auf 936.598,- EUR fest. Am 13.11.2019 fragte der Beklagte zur Überprüfung der Voraussetzungen nach § 13a ErbStG den Kläger an. In diesem Zuge erklärte der Kläger den Sachverhalt der Ausgliederung.
13Aufgrund dieser Erklärung änderte der Beklagte am 14.07.2020 den Erbschaftsteuerbescheid und setzte die Erbschaftsteuer i. H. v.175.382,- EUR fest. Mit weiterem Änderungsbescheid vom 05.07.2023 setzte der Beklagte die Erbschaftsteuer auf 80.145,- EUR herab. Die Steuerbefreiung berücksichtigte er gem. § 13a ErbStG i. H. v. 487.031,- EUR.
14Den hiergegen eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 20.09.2023 zurück. Umwandlungsvorgänge seien grundsätzlich Veräußerungsfälle, bei denen das Erbschaftsteuerrecht den Privilegierungen im Ertragsteuerrecht folge. Werden jedoch neben Gesellschaftsanteilen weitere Gegenleistungen für die Sacheinlage gewährt, liege nur, soweit Gesellschaftsanteile gewährt würden, eine nachsteuerunschädliche Einbringung nach § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 ErbStG vor. Soweit hingegen andere Wirtschaftsgüter als Gegenleistung erbracht würden, handele es sich um eine schädliche Veräußerung. Deshalb sei i. H. des gewährten Gesellschafterdarlehens von 450.820,82 EUR ein Behaltensfristverstoß gegeben.
15Mit seiner am 11.10.2023 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren auf vollständige Steuerbefreiung des geerbten Betriebsvermögens weiter.
16Die Ausgliederung sei vollständig unentgeltlich gewesen. Nach § 20 Abs. 2 Umwandlungssteuergesetz (UmwStG) sei eine Gewährung sonstiger Gegenleistungen ertragsteuerlich unschädlich und erlaube den Ansatz von Buchwerten. Dies müsse dann auch für die Behaltensregelungen gelten. Durch die Ausgliederung sei kein Vermögen in die private Sphäre des Klägers verlagert worden. Dem Betriebsvermögen sei kein Substrat entzogen worden.
17Der Kläger beantragt,
18den Bescheid über Erbschaftsteuer auf den 00.00.2012 vom 14.07.2020 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 05.07.2023 und der Einspruchsentscheidung vom 20.09.2023 dahingehend abzuändern, dass ein Verschonungsabschlag für Betriebsvermögen nach § 13a ErbStG in Höhe von 936.598,- EUR berücksichtigt wird;
19hilfsweise, für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.
20Der Beklagte beantragt,
21die Klage abzuweisen.
22Er verweist auf die Begründung der Einspruchsentscheidung.
23Der Senat hat am 25.02.2025 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
24Entscheidungsgründe
25I. Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Erbschaftsteuerbescheid auf den 00.00.2012 vom 14.07.2020 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 05.07.2023 und der Einspruchsentscheidung vom 20.09.2023 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
261. Der Beklagte hat mit dem Änderungsbescheid zu Recht die Steuerbefreiung gem. § 13a ErbStG anteilig aufgehoben. Dadurch, dass der Kläger das Einzelunternehmen nur teilweise gegen Gewährung von Gesellschaftsanteilen in die neu gegründete GmbH ausgegliedert hat, liegt, soweit dem Kläger als Gegenleistung eine Darlehensforderung eingeräumt wurde, ein Behaltensfristverstoß vor. Dieser führt zur rückwirkenden Versagung der Steuerbefreiung nach § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG in der Fassung vom 01.11.2011 (a. F.).
27Nach § 13a Abs. 5 ErbStG a. F. fallen der Verschonungsabschlag (Abs. 1) und der Abzugsbetrag (Abs. 2) nach Maßgabe des Satzes 2 mit Wirkung für die Vergangenheit weg, soweit der Erwerber innerhalb von fünf Jahren (Behaltensfrist) einen Gewerbebetrieb veräußert. Gleiches gilt, wenn wesentliche Betriebsgrundlagen eines Gewerbebetriebs veräußert oder in das Privatvermögen überführt oder anderen betriebsfremden Zwecken zugeführt werden oder wenn Anteile an einer Kapitalgesellschaft veräußert werden, die der Veräußerer durch eine Sacheinlage (§ 20 Abs. 1 des UmwStG) aus dem Betriebsvermögen im Sinne des § 13b erworben hat.
28a) Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ergibt sich aus dieser Norm bereits, dass Maßnahmen nach § 20 Abs. 1 UmwStG als solche keine zum rückwirkenden Wegfall der Steuervergünstigungen nach § 13a Abs. 1 und 2 ErbStG führenden Veräußerungen darstellen. Dies beruht darauf, dass diese Maßnahmen die Bindung des begünstigt erworbenen Vermögens in einem Unternehmen unberührt lassen und daher der Zweck der Steuervergünstigungen, der verminderten Fungibilität von Betriebsvermögen Rechnung zu tragen und dessen Fortführung auch im Gemeinwohlinteresse, insbesondere zum Erhalt von Arbeitsplätzen, zu ermöglichen, unverändert verwirklicht wird. Aufgrund der in § 13a Abs. 5 Nr. 1 Satz 2 ErbStG mittelbar getroffenen Regelung, nach der Maßnahmen i. S. d. § 20 Abs. 1 UmwStG die Steuervergünstigungen unberührt lassen, spielt es keine Rolle, wenn solche Maßnahmen ertragsteuerrechtlich tauschähnliche Vorgänge und somit Veräußerungen darstellen (BFH-Urteil vom 16.02.2011, II R 60/09, BFHE 232, 532, BStBl II 2011, 454, Rn. 12).
29Ein unschädliches „Behalten“ ist aber nur insoweit anzunehmen, als die Gegenleistung für die Sacheinlage in Anteilen an der Gesellschaft besteht.
30b) Es entspricht dem Sinn und Zweck der Norm, dass die Gewährung sonstiger Gegenleistungen einen Nachsteuerverstoß darstellt. Gesetzgeberisches Leitbild ist, dass kein Unternehmenssubstrat auf die private Ebene des Gesellschafters gelangen darf (Stalleiken in von Oertzen/Loose/Stalleiken, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, 3. Auflage 2024, § 13a ErbStG, Rn. 146). Es besteht nur insoweit kein Bedarf für eine Nachsteuer, als in Umwandlungsfällen i. S. d. § 20 Abs. 1 UmwStG die ausgegebenen Anteile als Surrogat für das ursprünglich begünstigt erworbene Betriebsvermögen der fortlaufenden Sperrfristbindung unterliegen (Geck in Kapp/Ebeling, ErbStG, 101. Lieferung, 7/2024, § 13a ErbStG, Rn. 111). Die Steuerbefreiung soll nur solches Betriebsvermögen begünstigen, das durch die Gemeinwohlbindungen und -verpflichtungen verminderte finanzielle Leistungsfähigkeit aufweist (BFH-Urteil vom 17.03.2010, II R 3/09, BFHE 229, 369, BStBl II 2010, 749, Rn. 14). Entsprechend unterliegt entnommenes Betriebsvermögen, selbst wenn es im Anschluss erneut als Fremdkapital dem Unternehmen zur Verfügung gestellt wird, nicht mehr dieser Zwecksetzung und rechtfertigt keine Begünstigung.
31So liegt der Fall hier. Indem der Kläger für die Einbringung des Einzelunternehmens neben den Gesellschaftsanteilen zusätzlich eine Darlehnsforderung gegenüber der Gesellschaft erhalten hat, hat er die Bindung dieses Vermögensteils zum Betrieb gelöst und das Vermögen insoweit auf die private Ebene verlagert. Er ist in der Verfügung über diese Darlehnsforderung frei und unterliegt insoweit keinen gesellschaftsrechtlichen Bindungen mehr. Überdies ist die Forderung nunmehr durch den Beitritt der neu aufgenommenen Gesellschafterin zu der Darlehnsvereinbarung weiter gesichert.
32c) Auf die ertragsteuerliche Gewährung des Buchwertprivilegs kommt es unter Berücksichtigung der o. a. Zielsetzung des § 13a Abs. 5 Nr. 1 Satz 2 ErbStG nicht an. Denn die Sicherstellung der Versteuerung stiller Reserven für Zwecke der Ertragsbesteuerung einerseits und die Sicherung der Bindung betrieblichen Vermögens für Zwecke der Erbschaftsbesteuerung andererseits verlaufen nicht zwingend deckungsgleich. So sind ertragsteuerlich als unentgeltlich geltende Einbringungs- und Übertragungsvorgänge erbschaft-/schenkungsteuerlich gesondert zu beurteilen und die anlässlich der Einbringung neben den Gesellschaftsanteilen erhaltenen Gegenleistungen als nachsteuerschädlich zu berücksichtigen (vgl. Weinmann in Moench/Weinmann § 13a Rn. 173; Claussen/Thonemann-Micker in BeckOK ErbStG 24. Ed. 1.7.2024, ErbStG § 13a Rn. 268, beck-online). Die Erbschaftsteuerbefreiung wird nicht an die Gewährung des Buchwertprivilegs geknüpft. Das Buchwertprivileg, insbesondere § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG, verfolgt eine andere Zielrichtung als die Erbschaftsteuerbefreiung für Betriebsvermögen. Das Buchwertprivileg soll die steuerneutrale Durchführung wirtschaftlich notwendiger oder sinnvoller Unternehmensumstrukturierungen ermöglichen (BFH-Beschluss vom 19.12 2007, I R 111/05; BT-Drs. 16/2710, 42; Dürrschmidt in BeckOK UmwStG, 31. Ed. 1.1.2025, UmwStG § 20 Rn. 164, beck-online). Ziel der vorliegenden Nachversteuerung ist hingegen, dass kein privilegiert erworbenes Betriebsvermögen innerhalb der Sperrfrist in das Privatvermögen übergeht und damit nicht mehr der Gemeinwohlbindung und -verpflichtung unterliegt (vgl. BFH-Urteil vom 17.03.2010, II R 3/09, BFHE 229, 369, BStBl II 2010, 749, Rn. 14; Stalleiken in von Oertzen/Loose/Stalleiken, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, 3. Auflage 2024, § 13a ErbStG, Rn. 146).
33Allein, dass auch die Gewährung von Gesellschaftsrechten eine vollwertige Gegenleistung sein könnte, führt nicht dazu, dass keine Nachversteuerung eintritt, wenn neben Gesellschaftsrechten andere Gegenleistungen gewährt werden (entgegen Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, 69. EL September 2024, ErbStG § 13a Rn. 303, beck-online).
342. Im Streitfall wird durch die Gewährung eines Darlehens i. H. v. 450.820,82 EUR als Gegenleistung in diesem Umfang Vermögen aus der betrieblichen Sphäre in die private Sphäre verlagert. Dies stellt einen § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 ErbStG unterfallenden Veräußerungsvorgang dar.
35II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
36III. Die Revision war zur Fortbildung des Rechts nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen.
37[…] […] […]