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Die Festsetzung der Umsatzsteuer für das Jahr 2019 vom 22.2.2021 wird dahingehend abgeändert, dass die Umsatzsteuer um xxx Euro auf xxx Euro herabgesetzt wird.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig voll-streckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Streitig ist, ob eine Zahlung, die die Klägerin von einem Dienstleister im Rahmen der Migration ihres IT-Systems erhalten hat, Teil eines Leistungsaustauschs und somit der Umsatzsteuer zu unterwerfen war.
2Die Klägerin, Rechtsnachfolgerin der Genossenschaftsbank Y, ist eine Genossenschaftsbank. Im Streitjahr 2019 betrug ihre Vorsteuerquote in Bezug auf den Vorsteuerabzug aus Gemeinkosten 23,11 Prozent. Sie bezieht dauerhaft – so auch im Streitjahr – IT-Dienstleistungen von der Z AG, die seit dem 00.00.2021 unter Q AG firmiert (im Folgenden: Dienstleister), die ebenfalls integrierter Bestandteil der genossenschaftlichen Finanzgruppe ist. Diese IT-Dienstleistungen umfassen integrierte Hardware- und Software-Lösungen insbesondere durch den Anschluss an das Rechenzentrum des Dienstleisters sowie die Nutzung des Kernbanksystems, also der grundlegenden Software einer Bank, in der die Kernprozesse der Bank (Verwaltung und Buchung von Kundenkonten und Kundendaten, automatisierte Abwicklung von Kreditgenehmigungen usw.) durchgeführt werden. Hinzu kommen Wartungs- und Support-Dienstleistungen. Dies erfolgt gegen ein monatliches Entgelt auf Grundlage eines Rahmendienstleistungsvertrags.
3Im Streitjahr 2019 führte der Dienstleister – wie für etwa 400 weitere Institutionen der genossenschaftlichen Finanzgruppe auch – den Wechsel vom bisherigen von der Klägerin benutzten Kernbanksystem „aa“ auf das neue Kernbanksystem „bb“ (Migration) durch. Diese Migration war erforderlich geworden, weil verbundpolitisch die Entscheidung getroffen worden war, das bisherige Kernbanksystem aa nicht weiter zu betreuen. Institutionen, die sich der Migration verschlossen hätten, wären deshalb gezwungen gewesen, sich einen anderen IT-Dienstleister – außerhalb der genossenschaftlichen Finanzgruppe – zu suchen.
4Über die fortgesetzten Leistungen in Bezug auf bb wurde ein Servicevertrag abgeschlossen, der das Vertragsverhältnis der Klägerin mit dem Dienstleister umfassend neu regelte. Durch Abschluss dieses Servicevertrages wurden „sämtliche Verträge der Parteien über regelmäßig zu erbringende Leistungen (Dauerschuldverhältnisse)“, die bis zur Migration auf bb bestanden hatten, abgelöst und durch den neuen Servicevertrag ersetzt. Gegenstand dieses Servicevertrags sind vom Dienstleister gegenüber der Klägerin zu erbringende Leistungen insbesondere auf dem Gebiet der Datenverarbeitung, Bereitstellung von Hardware- und Speicherkapazitäten, Telekommunikationsleistungen sowie der dazugehörigen Dienstleistungen, Softwareüberlassung, Werkleistungen und Produktverkäufe.
5Der Migration lag organisatorisch ein sogenannter Projektvertrag vom 1.3.2018 zugrunde, in dem die Abläufe sowie Rechte und Pflichten der Vertragspartner während der Migrationsphase geregelt sind, beispielsweise Vorbereitungs- und Unterstützungsleistungen des Dienstleisters und Mitwirkungshandlungen der Klägerin. Die Mitwirkungshandlungen der Klägerin werden in § 3 Abs. 1 des Projektvertrags konkretisiert. Dort heißt es:
6„Insbesondere zu folgenden Punkten müssen Mitwirkungsleistungen durch die BANK erbracht werden:
7• Benennung und rechtzeitige Bereitstellung der Projektmitarbeiter der BANK (fachlich qualifiziertes Bankpersonal)
8• Teilnahme an Schulungen
9• Schaffung bzw. Sicherstellung der bankorganisatorischen strukturellen Voraussetzungen, insbesondere Innenbetrieb einer BANK (Rechnungswesen / Meldewesen / Zahlungsverkehr / EDV-Organisation und -administration)
10• Rechtzeitige Zurverfügungstellung der benötigten Daten (z.B. Produktparameter, Kompetenzen und Auskünfte für die Implementierung (Abbildung im Laufe des Projektes im Bankaktivitätenplan)
11• Datenpflege- und -bereinigung (Abbildung im Service Portal)
12• Zeitnahe Durchführung von Tests und Abnahmen (nach Anlagen 4.1 bis 4.3)
13• Unverzügliche (gegenseitige) Information über eventuell in den Tests festgestellte Unstimmigkeiten
14• Mitwirkung bei individuellen Spezifikationsbedarfen, sofern benötigt (Pflege der zur Verfügung gestellten Migrationstabellen)
15• Mitwirkung bei der für die Produktion benötigten fachlichen Detail-Parameter
16• Beschaffung der mit der Z abgestimmten dezentralen Systemhardware und -software (für im Ausnahmefall notwendige Ersatz-/ Aufrüstbeschaffungen während des Migrationsprojektes - s.a. § 4)
17• Mitwirkung bei der Planung des Migrationswochenendes
18• Begleitung am Migrationswochenende durch einen verantwortlichen Mitarbeiter der BANK“.
19Diese Pflichten konnte der Dienstleister nach eigenen Angaben auch nicht – auch nicht mit externer Expertise – erfüllen, weil es sich um Interna der Klägerin gehandelt habe, die nur diese habe erfüllen können. Die konkrete Ausgestaltung der Mitwirkungshandlungen sollte gemäß § 3 Abs. 2 des Projektvertrags zwischen den Vertragsparteien vereinbart und dokumentiert werden. In Absatz 3 heißt es zudem:
20„Kommt die BANK mit der Erfüllung gem. Abs. 2 festgelegten Mitwirkungspflichten in Verzug, ruhen für die Dauer des Verzugs diejenigen Leistungsverpflichtungen der Z, die ohne diese Handlung nicht oder nur mit nicht unerheblichem Mehraufwand erbracht werden können. Kommt es dadurch zu einem Verzug der Leistung, hat die Z diesen nicht zu vertreten.“
21Technisch bedeutete die Migration von aa auf bb, dass anstelle einer Browseranwendung, die rein serverseitig betrieben wurde, auf ein Citrix-Verfahren umgestellt wurde, bei der eine Anwendung serverseitig läuft und Bild und Ton auf den Client, also den Computer des Bankmitarbeiters, übertragen wird.
22Der Dienstleister erbrachte die Migrationsleistung unentgeltlich. Die Klägerin erhielt – wie die anderen migrierenden Institutionen der genossenschaftlichen Finanzgruppe auch – zudem von dem Dienstleister gemäß § 10 des Projektvertrags „für die ihr entstandenen Migrationsaufwendungen eine Kompensation“. Diese war auf Grundlage einer Kompensationsvereinbarung als Pauschale ausgestaltet und richtete sich nach der Größe der jeweiligen Bank gemessen an der Anzahl der umzustellenden Arbeitsplätze. Für die Klägerin betrug sie bei xxx umzustellenden Arbeitsplätzen und einer Pauschale von xxx Euro netto je Arbeitsplatz (xxx * xxx Euro =) xxx Euro netto und wurde fällig nach durchgeführter Migration und Unterzeichnung der Abnahmeerklärung. In der Kompensationsvereinbarung heißt es:
23„Durch die notwendige Verfahrenskonsolidierung werden die von der Migration betroffenen aa-Banken umfangreiche Unterstützungsleistungen in der Umstellungsphase erbringen müssen. Dafür ist vorgesehen, dass die betroffenen aa-Banken eine Vergütung in Form einer einmaligen Kompensationszahlung erhalten.“
24In einem Schreiben vom 23.10.2018 an die Oberfinanzdirektion … hatten die steuerlichen Berater des Dienstleisters zu den Hintergründen der Kompensationszahlung Folgendes ausgeführt:
25„Um die Entscheidung für den Wechsel von „aa“ auf „bb“ positiv zu beeinflussen, wurde den Banken – da diese in der Umstellungsphase umfangreiche Unterstützungsleistungen zu erbringen haben – für diese Unterstützungsleistungen eine Vergütung in Form einer einmaligen Kompensationszahlung vertraglich zugesagt. […] Die Auszahlung soll zu dem Zeitpunkt erfolgen, an dem die Migration der Daten abgeschlossen sein wird. Dieser Zeitpunkt liegt zeitlich vor der "Echtüberleitung" der Daten und auch vor der finalen Umstellung.“
26In einem Schreiben vom 23.6.2015 an das Finanzamt L hatten die steuerlichen Berater des Dienstleisters zur Kompensationszahlung Folgendes ausgeführt:
27„Um die Frage einer umsatzsteuerlichen Erfassung zu beantworten, könnte darauf abgestellt werden, was Ursache für die Zahlung der Kompensation/Datenaufbereitung ist.
28Wenn durch Umstellungsprojekte derart in unternehmerische Abläufe eingegriffen wird, ist es unerlässlich, dass der umstellende Unternehmer umfangreiche Mitwirkungspflichten hat, denen er sich nicht entziehen kann. Diese sind zwangsläufig mit dem Projekt verbunden, um es erfolgreich abschließen zu können.
29Die Z AG wiederum verfolgt mit den Zahlungen die Absicht, den potenziellen Kunden eher zu einem Systemwechsel zu bewegen. Wirtschaftlich gesehen offeriert die Z AG die Kompensationen, um damit zukünftige Umsatzerlöse zu erzielen. Vorstellbar wäre auch, den Kunden nach erfolgreich durchgeführter Migration, einen Nachlass zu gewähren. Dann bestünden keine Zweifel, diesen Nachlass als Entgeltminderung zu erfassen. Um die einmalig durch den Wechsel anfallenden Aufwendungen bei der Bank im Zeitpunkt der Entstehung zu kompensieren, und nicht erst nach erfolgreichem Projektabschluss, wurde die jetzige Vereinbarung getroffen.“
30Am 6.4.2019 erteilte die Klägerin die Freigabe zur Produktionsaufnahme von bb, das heißt für den laufenden Betrieb (sog. Produktionsbetrieb). Während der ersten Woche des Echtbetriebs von bb, also dem tatsächlichen und ausschließlichen Einsatz des neuen Kernbanksystems, ab dem 8.4.2019 waren Mitarbeiter des Dienstleisters und einer Tochtergesellschaft bei der Klägerin unterstützend tätig. Mit der Abnahmeerklärung vom 12.4.2019 wurde das neue Kernbanksystem bb in den Regelbetrieb genommen. Damit endeten das Migrationsprojekt (mit Ausnahme der nachgelagerten Migration des Moduls „…“ ab dem 13.4.2019) und gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 des Projektvertrags auch dessen Vereinbarungen.
31Unter dem 15.4.2019 rechnete der Dienstleister gegenüber der Klägerin die vereinbarte Kompensationszahlung in Höhe von (xxx Euro zuzüglich offen ausgewiesener Umsatzsteuer in Höhe von xxx Euro =) xxx Euro ab. Dieser Gutschrift widersprach die Klägerin am 5.6.2019 mit der Begründung, dass sie im Rahmen der Migration gegenüber dem Dienstleister keine Leistung erbracht habe und verwies in diesem Zusammenhang auf die Abschnitte 1.1. (Leistungsaustausch) und 3.8. Abs. 2 bis 4 (Werklieferung, Werkleistung) des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (UStAE). Die in der Gutschrift ausgewiesene Leistung erklärte die Klägerin in ihrer Umsatzsteuer-Voranmeldung für April 2019 zunächst nicht.
32Zuvor hatte der Dienstleister unter dem 30.4.2019 erstmals gegenüber der Klägerin über die neue Serviceleistung betreffend bb in Höhe von (xxx Euro zzgl. Umsatzsteuer in Höhe von xxx Euro =) xxx Euro abgerechnet.
33Mit berichtigter Umsatzsteuer-Voranmeldung für April 2019 vom 26.9.2019 für den Besteuerungszeitraum April 2019 erklärte die Klägerin die vorgenannte Umsatzsteuer aus der Gutschrift vom 15.4.2019.
34Den hiergegen gerichteten Einspruch vom 10.10.2019 wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 26.10.2020 als unbegründet zurück.
35Am 30.11.2020 hat die Klägerin Klage erhoben.
36Der am 30.12.2020 eingereichten Umsatzsteuer-Jahreserklärung für 2019, mit der die Klägerin xxx Euro Umsatzsteuer anmeldete, stimmte der Beklagte am 22.2.2021 zu. Dagegen legte die Klägerin unter Verweis auf das vorliegende Klageverfahren am 22.3.2021 Einspruch ein.
37Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren – die Nichtberücksichtigung der in der Gutschrift vom 15.4.2019 ausgewiesenen Umsatzsteuer – nunmehr in Bezug auf die Jahresumsatzsteuer 2019 weiter. Sie ist im Wesentlichen der Auffassung, dass der Kompensationszahlung kein Leistungsaustausch zugrunde liege, sodass darauf keine Umsatzsteuer anfalle. Es handele sich vielmehr um eine nicht steuerbare Beistellung, um Wertabgaben aus dem Verfügungsbereich der Klägerin als Leistungsempfängerin, die in die bezogene Leistung (Migration, Zurverfügungstellung eines Kernbanksystems) eingingen. Im Umfang der Beistellung werde der Leistungsaustausch begrenzt. Der Dienstleister habe keine Verfügungsmacht erhalten, sondern habe die beigestellten Leistungen und Arbeitskräfte nur für Zwecke der Migration einfließen lassen.
38Es bestehe keine innere Verknüpfung im Sinne eines Kausalzusammenhangs zwischen der Leistung der Klägerin in Form der Mitwirkungshandlungen einerseits und der Gegenleistung des Dienstleisters in Form der Kompensationszahlung andererseits. Denn die Mitwirkungshandlung sei aufgrund der faktisch alternativlos erforderlichen Migration zwingend gewesen. Die Klägerin würde diese Mitwirkungshandlungen auch erbracht haben, wenn sie keine Kompensationszahlung erhalten hätte, weil sie auf die Migration angewiesen gewesen sei. Die Mitwirkungshandlungen seien zudem unabdingbar für die Migration gewesen, weil der Dienstleister diesbezüglich nicht über die erforderliche Fachkompetenz verfügt habe, und es zum anderen faktisch unmöglich gewesen wäre, dem Dienstleister den uneingeschränkten Zugang zu den Geschäftsräumen, Datenbanken, Unterlagen usw. zu verschaffen. Die Kompensationszahlung sei nicht als Entgelt im Sinne eines Gegenwerts für eine Leistung, sondern als Kostenausgleich erfolgt.
39Regelungen über die Vergütung seien keine geeigneten Beurteilungskriterien für die Annahme einer Beistellung bzw. eines Leistungsaustauschs.
40Hilfsweise sei das monatliche Entgelt für die IT-Dienstleistungen, insbesondere für die Nutzung des Kernbanksystems bb, ratierlich insgesamt in Höhe der Kompensationszahlung zu mindern. Dieses monatliche Entgelt umfasse kalkulatorisch die unentgeltlich durchgeführte Migration. Die Kompensationszahlung sei überdies nach der Übernahme von bb erfolgt, ebenso habe die Klägerin dem Dienstleister das erste monatliche Nutzungsentgelt dafür bereits im April 2019 gezahlt.
41Die Klägerin beantragt,
42die Festsetzung der Umsatzsteuer für das Jahr 2019 vom 22.2.2021 dahingehend abzuändern, dass die Umsatzsteuer um xxx Euro auf xxx Euro herabgesetzt wird,
43hilfsweise, die Revision zuzulassen.
44Der Beklagte beantragt,
45die Klage abzuweisen,
46hilfsweise, die Revision zuzulassen.
47Er ist der Auffassung, dass die Mitwirkungshandlungen der Klägerin einerseits und die Kompensationszahlung des Dienstleisters andererseits einen steuerbaren Leistungsaustausch darstellten. Es bestehe ein wechselseitiger Zusammenhang zwischen den Mitwirkungshandlungen und der Kompensationszahlung.
48Insbesondere handele es sich bei den Mitwirkungshandlungen nicht um eine Beistellung. Diese trage zwar zum Erfolg der Migration bei, durch die Regelung über die Kompensationszahlung überwiege jedoch bei der Klägerin die Absicht, eine eigene Leistung gegen Entgelt zu erbringen. Der Dienstleister erhalte dadurch einen qualifizierten Vorteil, nämlich die Möglichkeit, die Migration durchführen zu können. Grundsätzlich seien Leistungen gegen Entgelt zu besteuern. Die Beurteilung als Beistellung sei daher eng zu fassen. Daher komme die Annahme einer Beistellung nur in Betracht, sofern die von der Klägerin erbrachten Leistungen Teil der vom Dienstleister geschuldeten Leistungen gewesen seien bzw. in die von dem Dienstleister geschuldeten Leistungen eingeflossen seien. Dies sei jedoch aufgrund der vorliegenden Unterlagen ohne weitere Erläuterung nicht erkennbar.
49Ebenso wenig handele es sich bei der Kompensationszahlung um eine Minderung des Entgelts für die Nutzung des Kernbanksystems bb. Aufgrund der entgeltlichen Mitwirkungshandlungen der Klägerin gegenüber dem Dienstleister bei der Migration gehörten die daraus resultierende Kompensationszahlung sowie der Aufwendungsersatz zur Migrationsleistung der Klägerin und könnten nicht entgeltmindernd der Leistung des Dienstleisters zugeordnet werden. Auch der zeitliche Ablauf stehe der Annahme einer Entgeltminderung entgegen. Die Kompensationszahlung sei nach durchgeführter Migration unabhängig von der tatsächlichen Einführung des neuen Kernbankverfahrens fällig gewesen. Sie erfolge damit vor der tatsächlichen Leistungserbringung des Dienstleisters in Rahmen des neuen Bankverfahrens. Danach liege der Zeitpunkt der Migration „zeitlich vor der Echtüberleitung der Daten und auch der finalen Umstellung". Entsprechende konditionale Zahlungen oder ein Rückerstattungsanspruch seien nicht vereinbart. Dies belege auch § 2 Abs. 5 des Projektvertrags, wonach die Kompensationsvereinbarung vom Umfang der Projektleistungen unberührt bleibe.
50In der Sache haben am 15.11.2022 ein Erörterungstermin sowie am 11.3.2025 die mündliche Verhandlung vor dem Senat stattgefunden. Auf den Inhalt der Protokolle, der Gerichtsakte und der übersandten Verwaltungsvorgänge wird Bezug genommen.
A. Die zulässige Klage ist begründet. Die Festsetzung der Umsatzsteuer für 2019 aufgrund der Umsatzsteuerjahreserklärung der Klägerin vom 30.12.2020 und der durch den Beklagten erteilten Zustimmung vom 22.2.2021, die gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens geworden ist, ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, soweit darin eine Kompensationszahlung für die Mitwirkungshandlungen der Klägerin entsprechend der Gutschrift des Dienstleisters gegenüber der Klägerin vom 15.4.2019 in Höhe von xxx Euro der Umsatzsteuer unterworfen worden ist (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 FGO). Bei dem an die Klägerin gezahlten Kompensationsbetrag handelt es sich weder um Entgelt für die im Rahmen der Migration zu erbringenden Mitwirkungshandlungen der Klägerin (dazu I.) noch um eine Entgeltminderung in Bezug auf den Servicevertrag betreffend bb (dazu II.), sondern vielmehr um Entgelt für die Eingehung des Servicevertrags betreffend bb, was eine nach § 4 Nr. 8 Buchst. g) UStG steuerfreie Begründung einer Geldverbindlichkeit darstellt (dazu III.).
52I. Die Mitwirkungshandlungen der Klägerin sind keine steuerbaren Leistungen; sie begründen mit der Kompensationszahlung keinen steuerbaren Leistungsaustausch.
531. Der Umsatzsteuer unterliegen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (UStG) die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Unionsrechtliche Grundlage dieser Vorschrift ist Art. 2 Abs. 1 Buchst. a) und c) der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (RL 2006/112/EG – MwStSystRL). Danach unterliegen der Mehrwertsteuer Lieferungen von Gegenständen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaates gegen Entgelt tätigt sowie Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt erbringt.
54a) Lieferungen eines Unternehmers sind gemäß § 3 Abs. 1 UStG Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht). Sonstige Leistungen sind Leistungen, die keine Lieferungen sind. Sie können auch in einem Unterlassen oder im Dulden einer Handlung oder eines Zustands bestehen (§ 3 Abs. 9 UStG). Die unionsrechtlichen Grundlagen dieser Vorschriften finden sich in den Art. 14 Abs. 1 und 24 Abs. 1 MwStSystRL.
55Dieser Tatbestand ist weit auszulegen, da die entsprechenden unionsrechtlichen Vorgaben der Mehrwertsteuer einen sehr weiten Anwendungsbereich zuweisen (Europäischer Gerichtshof – EuGH –, Urteil vom 29.9.2015, C-276/14, Gmina Wroclaw, Amtsblatt der Europäischen Union – Abl EU – 2015, Nr C 381, 7, EU:C:2015:635, Rn 26; Bundesfinanzhof – BFH –, Urteil vom 12.8.2015 XI R 43/13, Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFHE – 251, 253, Bundessteuerblatt Teil II – BStBl II – 2015, 919, Rn 33). Erforderlich ist jedoch eine beliebige Vorteilsgewährung, die zu einem Verbrauch führen kann; der Vorteil muss dabei einem identifizierbaren Leistungsempfänger eingeräumt werden (BFH, Urteile vom 27.2.2008 XI R 50/07, BFHE 221, 410, BStBl II 2009, 426, Rn 9 und vom 11.12.2019 XI R 13/18, BFHE 268, 262; BStBl II 2020, 296, Rn 18). Es bedarf also einer besteuerungswürdigen Konsumleistungsfähigkeit bzw. bei einem unternehmerischen Abnehmer eines im Allphasensystem relevanten Kostenbestandteils (Englisch in Tipke/Lang, Steuerrecht, 25. Auflage 2024, Rn 17.123).
56b) Bei einer sog. Beistellung handelt es sich nicht etwa um ein (negatives) Tatbestandsmerkmal, sondern um die Beschreibung einer Sachverhaltskonstellation, in der der Erbringer der prägenden Leistung etwas von dem Empfänger der prägenden Leistung erhält, das über die Entgeltzahlung hinausgeht. Erhält jedoch der Erbringer der prägenden Leistung durch das Zutun des Empfängers der prägenden Leistung keinen verbrauchsfähigen Vorteil, weil dieses Zutun nur in die prägende Leistung eingeht und nur hierfür verwendet werden darf und wird, fehlt es insoweit an einer Leistung des Empfängers der prägenden Leistung. Zugleich fehlt es insoweit am unmittelbaren Zusammenhang, weil der Erbringer der prägenden Leistung seine Leistung nicht erbringt, um die Beistellung zu erhalten. Eine Beistellung ist damit nur gegeben, wenn der Empfänger der prägenden Leistung dem Leistenden Sachmittel nur für die Leistungserbringung an ihn zur Verfügung stellt und eine anderweitige Verwendung ausgeschlossen ist (BFH, Urteil vom 6.12.2007 V R 42/06, BFHE 221, 74, BStBl II 2009, 493, Rn 20). Lediglich im Hinblick auf derartige Verwendungsbeschränkungen ist die Beistellung weder als Gegenwert für die erbrachte Leistung noch als eigenständige Leistung anzusehen (BFH, Urteil vom 15.4.2010 V R 10/08, BFHE 229, 406, BStBl II 2010, 879).
57c) Die Leistung muss zudem gegen Entgelt ausgeführt werden, das heißt, es muss ein Leistungsaustausch stattfinden.
58Demnach muss zwischen der Leistung und dem erhaltenen Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang bestehen, wobei die gezahlten Beträge die tatsächliche Gegenleistung für eine bestimmbare Leistung darstellen, die im Rahmen eines zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger bestehenden Rechtsverhältnisses, in dem gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, erbracht wurde (EuGH, Urteil vom 22.11.2018 C-295/17, Meo - Serviços de Comunicações e Multimédia, EU:C:2018:942, ABl EU 2019, Nr C 25, 8, Rn 39; BFH, Urteil vom 13.2.2019 XI R 1/17, BFHE 263, 560, BStBl II 2021, 785, Rn 16 jeweils m.w.N.). Eine Leistung gegen Entgelt erfordert demnach nicht notwendig eine „Finalität“ des Handelns in dem Sinne, dass der Leistende leistet, um eine Gegenleistung zu erhalten (BFH, Urteil vom 16.1.2003 V R 92/01, BFHE 201, 339, BStBl II 2003, 732, Rn 19; Meyer in: Offerhaus/Söhn/Lange, Umsatzsteuer, 363. Lieferung, 12/2024, § 1 UStG 1980, Rn 113).
59Ob die Leistung des Unternehmers derart mit der Zahlung verknüpft ist, dass sie sich auf die Erlangung einer Gegenleistung (Zahlung) richtet, bestimmt sich dabei in erster Linie nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis (BFH, Urteil vom 13.2.2019 XI R 1/17, BFHE 263, 560, BStBl II 2021, 785 Rn 17). Ein synallagmatischer Zusammenhang zwischen Leistung und Entgelt ist aber für die Annahme eines Leistungsaustausches nicht zwingend erforderlich, soweit ein unmittelbarer Zusammenhang gegeben ist, der sich zum Beispiel aus gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen oder auch aus verschiedenen unmittelbar zusammenhängenden Rechtsverhältnissen ergeben kann (BFH, Urteil vom 15.4.2010 V R 10/08, BFHE 229, 406, BStBl II 2010, 879, Rn 34; Meyer in: Offerhaus/Söhn/Lange, Umsatzsteuer, 363. Lieferung, 12/2024, § 1 UStG 1980, Rn. 115).
602. Nach diesen Grundsätzen liegt in den im Rahmen der Migration erbrachten Mitwirkungshandlungen der Klägerin keine steuerbare Leistung, die einen verbrauchsfähigen Vorteil des Dienstleisters begründet, sondern eine Beistellungshandlung zur Leistung des Dienstleisters (dazu a)). Zudem fehlt es an einem unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Kompensationszahlung und den Mitwirkungshandlungen (dazu b)).
61a) Die Klägerin gewährt dem Dienstleister keinen wirtschaftlichen Vorteil, der bei ihm zu einem Verbrauch führen kann. Es liegt weder eine besteuerungswürdige Konsumleistungsfähigkeit vor, noch ist dargelegt, inwieweit sich die Mitwirkungshandlungen als relevanter Kostenbestandteil in Ausgangsleistungen des Dienstleisters niederschlagen. Die Mitwirkungshandlungen sind vielmehr nur in die Migrationsleistung des Dienstleisters eingegangen und wurden nur hierfür verwendet.
62Die Mitwirkungshandlungen erscheinen auch nur im Rahmen dieser Migrationsleistung des Dienstleisters sinnvoll, weil es sich um unterstützende Tätigkeiten für die Migration handelt, die für sich genommen allein einen Vorteil für die Klägerin und nicht den Dienstleister begründet. Die Migration ist eine Leistung, die zwangsläufig in die Sphäre der Klägerin eingreift und damit deren Mitwirkung bedarf.
63aa) Im Rahmen der Migration war die Klägerin gehalten, zum einen organisatorische Tätigkeiten wie die Benennung und rechtzeitige Bereitstellung von fachlich qualifiziertem Personal für die Projektmitarbeit und Mitwirkung bei der Planung des Migrationswochenendes vorzunehmen. Sie hatte weitere Mitwirkungshandlungen durchzuführen, wie z.B. die Zurverfügungstellung und Pflege eigener Daten und Spezifikationsanforderungen mitzuteilen sowie die interne und externe Kommunikation des Projekts vorzunehmen. Der Klägerin hatte zudem dafür zu sorgen, dass sie später bb nutzen konnte, durch die Einrichtung der eigenen lokalen Hardware sowie durch die Durchführung von Tests und die Vornahme von Abnahmen sowie die Teilnahme an Schulungen, um ihr Personal mit dem neuen Kernbanksystem vertraut zu machen.
64Dies alles ist Ausdruck der intensiven Verflechtung der Tätigkeiten des Dienstleisters und der Klägerin in einem auf zehn Monate angelegten Projekt, das intensiv in die betriebliche Sphäre und die Arbeitsmittel der Klägerin eingreift, weil ein neues Kernbanksystem eingeführt wird mit neuer Nutzeroberfläche und neuen technischen Strukturen im Hintergrund. Die Mitwirkungshandlungen der Klägerin sind Voraussetzung für eine erfolgreiche Migration. Diese Leistungen gewähren dem Dienstleister aber keinen eigenen verbrauchsfähigen Vorteil. Denn von den konkreten Mitwirkungshandlungen hat der Dienstleister nichts. Er kann diese Mitwirkungshandlungen weder verwenden, um andere Umsätze zu generieren noch sind diese Handlungen Bestandteil anderer Umsätze geworden. Der Dienstleister hat diese Handlungen auch nicht konsumiert. Die Mitwirkungshandlungen sind lediglich und ausschließlich Voraussetzung dafür gewesen, dass der Dienstleister seine eigene Leistung, nämlich die Durchführung der Software-Migration gegenüber der Klägerin, erbringen konnte.
65Dass der Dienstleister durch diese Mitwirkungshandlungen in die Lage versetzt wird, seine eigene Leistung in Form der Migration zu erbringen, rechtfertigt die Annahme eines wirtschaftlichen Vorteils nicht. Die Mitwirkung erspart dem Dienstleister nämlich keine Aufwendungen; sie ist vielmehr elementar erforderlich, damit die Migration überhaupt durchgeführt werden kann; deshalb sind die Verantwortlichkeiten zwischen den Parteien entsprechend aufgeteilt worden (vgl. hierzu Anlage 2 zum Projektvertrag). Das Ersparen von Leistungshandlungen – zu deren Erbringung der Dienstleister nicht anderweitig verpflichtet ist – beinhaltet keine Leistung an den Dienstleister, weil es insoweit an einem verbrauchsfähigen Vorteil fehlt.
66b) Die Klägerin hat ihre Mitwirkungshandlungen zur Überzeugung des Senats auch nicht gegen Entgelt im Sinne einer Verknüpfung zwischen Leistungserbringung (Mitwirkungshandlungen) und Erhalt des Entgelts (Kompensationszahlung) erbracht.
67aa) Aus Sicht der Klägerin waren die Mitwirkungshandlungen nicht auf den Erhalt der Kompensationszahlung, sondern auf die Einführung von bb gerichtet. Dafür spricht bereits das zugrunde liegende Rechtsverhältnis. Die Kompensationszahlung ist Teil einer umfassenden vertraglichen Beziehung zwischen der Klägerin und dem Dienstleister. In diesem Rahmen hat sich die Klägerin verpflichtet, bb einzuführen und in der Folge Serviceleistungen des Dienstleisters zu beziehen, unter anderem weil ihr bisheriges Kernbanksystem eingestellt werden sollte. Ihre Mitwirkungshandlungen waren notwendige Bedingung für eine erfolgreiche Migration und die Einführung von bb. Die Kompensationszahlung spielte insoweit eine untergeordnete Rolle.
68bb) Auch aus Sicht des Dienstleisters fehlt eine derartige Verknüpfung zwischen Kompensationszahlung und Mitwirkungshandlungen in dem Sinne, dass sich die Kompensationszahlung auf den Erhalt der Mitwirkungshandlungen richtet. Zentral ist insoweit, dass § 3 Abs. 3 des Projektvertrags vorsieht, dass im Falle des Verzugs der Klägerin mit ihren Mitwirkungshandlungen die Leistungsverpflichtungen des Dienstleisters lediglich ruhen und dieser einen etwaigen Verzug der Migrationsleistung nicht zu vertreten hat. Damit haben die Vertragsparteien die Erbringung der Migrationshandlungen als Obliegenheit und nicht als originäre Leistungsverpflichtung ausgestaltet. Der Dienstleister hat durch diese Vereinbarung keinen zivilrechtlich durchsetzbaren Anspruch gegen die Klägerin auf Durchführung der Mitwirkungshandlungen erworben. Erbringt sie ihre Mitwirkungshandlungen nicht, schmälert sie lediglich ihre eigene Rechtsposition (kein Verzug und Verschulden des Dienstleisters). Hierdurch wird deutlich, dass der Dienstleister die Kompensationszahlung nicht für die Durchführung der Mitwirkungshandlungen erbringt.
69II. Es handelt sich bei der Kompensationszahlung auch nicht um eine originäre Reduzierung der Bemessungsgrundlage oder nachträgliche Entgeltminderung bezüglich des Servicevertrags betreffend bb, über den der Dienstleister gegenüber der Klägerin erstmals unter dem 30.4.2019 abgerechnet hat.
701. Der Umsatz wird bei Lieferungen und sonstigen Leistungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG) gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG nach dem Entgelt bemessen. Entgelt ist alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der leistende Unternehmer vom Leistungsempfänger oder von einem anderen als dem Leistungsempfänger für die Leistung erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen, jedoch abzüglich der für diese Leistung gesetzlich geschuldeten Umsatzsteuer (§ 10 Abs. 1 Satz 2 UStG).
71Hat sich die so bestimmte Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG geändert, hat der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen. Ebenfalls ist nach Satz 2 der Vorschrift der Vorsteuerabzug bei dem Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt wurde, zu berichtigen.
722. Nach diesen Grundsätzen hat die Kompensationszahlung keine Auswirkungen auf die Bemessungsgrundlage bezüglich des Servicevertrags. Die Klägerin hat etwa für den Monat April 2019 netto xxx Euro aufgewendet, um die Serviceleistungen betreffend bb zu erhalten. Es ist nicht ersichtlich, dass dieses Entgelt oder ein Entgelt in den Folgemonaten durch die Kompensationszahlung modifiziert worden ist. Es besteht weder ein vertraglicher (dazu a)) noch ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der Kompensationszahlung und der Abrechnung über den Servicevertrag (dazu b)).
73a) In den Verträgen findet sich keine direkte Verknüpfung zwischen der Kompensationszahlung und den monatlichen Abrechnungen über den Servicevertrag ab April 2019.
74Auch indirekt ist die Kompensationszahlung nicht an die Abrechnungen auf Grundlage des Servicevertrags angelehnt. Der Servicevertrag ist modular aufgebaut: Neben der Basisversion von bb haben die Banken die Möglichkeit, je nach Bedürfnis und Wünschen weitere Module gegen Aufpreis zu beziehen. Die Kompensationszahlung hat aber hierzu keinen direkten oder indirekten Bezug. Sie berechnet sich pauschal nach der Größe der Bank gemessen an den umzustellenden Bankarbeitsplätzen. Eine Orientierung an der Anzahl gebuchter Module und damit an den monatlichen Kosten oder bezogenen Dienstleistungen für bb, was eine Verknüpfung zwischen der Kompensationszahlung und dem (etwaig zu mindernden) Entgelt für die Überlassung von bb indizieren könnte, besteht nicht.
75Die Parteien wollten letztlich auch keine Ausgestaltung der Kompensationszahlung als Entgeltminderung. Aus dem Schreiben der steuerlichen Berater des Dienstleisters vom 23.6.2015 an das Finanzamt L geht hervor, dass eine solche Ausgestaltung zwar angedacht war; um „die einmalig durch den Wechsel anfallenden Aufwendungen bei der Bank im Zeitpunkt der Entstehung zu kompensieren, und nicht erst nach erfolgreichem Projektabschluss,“ sei dann aber die jetzige Vereinbarung getroffen worden.
76Auch die Rechnung vom 30.4.2019 enthält keinen Hinweis auf eine Reduzierung der Bemessungsgrundlage.
77b) Der zeitliche Ablauf spricht ebenfalls gegen einen Zusammenhang der Kompensationszahlung mit den monatlichen Abrechnungen auf Grundlage des Servicevertrags. Die Gutschrift in Bezug auf die Kompensationsvereinbarung datiert vom 15.4.2019 und damit noch vor Ablauf des ersten Teilzahlungszeitraums des Servicevertrags für April 2019, über den der Dienstleister unter dem 30.4.2019 abrechnete.
78Für eine Anwendung des §17 Abs. 1 Satz 1 UStG, wonach der Unternehmer im Falle der Änderung der Bemessungsgrundlage den geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen hat, ist dabei kein Raum. Im Zeitpunkt der Gutschrifterteilung über den Kompensationsbetrag lag eine Bemessungsgrundlage betreffend die Leistung aus dem Servicevertrag noch nicht vor, weil hier monatlich und erstmals im April 2019 geleistet und abgerechnet wurde. Von einer Änderung der Bemessungsgrundlage im Sinne des § 17 UStG kann erst nach Abschluss der Leistungserbringung für den ersten Teilzahlungszeitraum (April 2019) die Rede sein.
79Im Übrigen fehlt auch im Hinblick auf eine Änderung der Bemessungsgrundlage die unter A. II. 2. a) dargestellte Verknüpfung zwischen der Kompensationszahlung und den monatlichen Abrechnungen über den Servicevertrag.
80III. Der Kompensationsbetrag wurde nach Auffassung des erkennenden Senats vom Dienstleister dafür gezahlt, dass sich die Klägerin ihm gegenüber zur Einführung von bb entschlossen hat, also letztlich um die Klägerin zum Abschluss des Servicevertrags zu bewegen, aufgrund dessen der Dienstleister mit der monatlichen Abnahme von Servicedienstleistungen Umsätze generieren konnte (dazu 1.). Zweifel an der Steuerbarkeit dieser Leistung (dazu 2.) lässt der Senat dahinstehen, weil sie – die Eingehung des Servicevertrags seitens der Klägerin – jedenfalls gemäß § 4 Nr. 8 Buchst. g) Var. 1 UStG steuerfrei ist (dazu 3.).
811. In der Gesamtschau der Vertragsverhältnisse zwischen den Parteien, ihrem Zustandekommen und ihrer Durchführung ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass insbesondere der Dienstleister mit der Kompensationszahlung den Zweck verfolgte, die Klägerin – wie auch die anderen Banken – zum Abschluss des Servicevertrags zu bewegen. Dahinter steht das wirtschaftliche Interesse des Dienstleisters am Abschluss unbefristeter Serviceverträge, die ihm wirtschaftliche Planungssicherheit bringen, und für die er bereit ist, zu zahlen. Dieser Zweck kommt in den Schreiben der steuerlichen Berater vom 23.10.2018 an die Oberfinanzdirektion … und vor allem vom 23.6.2015 an das Finanzamt L deutlich zum Ausdruck, wenn es dort heißt, der Dienstleister „verfolgt mit den Zahlungen die Absicht, den potenziellen Kunden eher zu einem Systemwechsel zu bewegen. Wirtschaftlich gesehen offeriert die Z AG die Kompensationen, um damit zukünftige Umsatzerlöse zu erzielen.“
82Eine entsprechende vertragliche Verknüpfung zwischen der Kompensationszahlung und der Eingehung des Servicevertrags enthält der Projektvertrag, der unter anderem die Grundlage der Kompensationszahlung bildet. Dort heißt es in § 1 Abs. 1 Satz 3, dass die Leistungen für den laufenden Betrieb von bb in dem gesondert abzuschließenden Servicevertrag nebst AGB geregelt seien.
83Vor dem Hintergrund, dass zwischen den Mitwirkungshandlungen und der Kompensationszahlung kein steuerbarer Leistungsaustausch vorliegt (vgl. vorstehend unter A. I. 2.), dass auch keine Entgeltminderung in Betracht kommt (A. II.) und dass im Wirtschaftsleben – trotz der Verbundenheit der Partien innerhalb der genossenschaftlichen Finanzgruppe – im Allgemeinen niemand bereit ist, eine Leistung ohne Gegenleistung zu erbringen (BFH, Urteile vom 4.2.1971 V R 41/69, BFHE 102, 136, BStBl II 1971, 467, Rn 12 und vom 7.5.2020 V R 22/18, BFHE 270, 151, BStBl II 2021, 921, Rn 24), ist für den Senat die Absicht des Dienstleisters entscheidend, wie sie in den vorgenannten Schreiben an die Finanzverwaltung manifestiert ist. Es sollte letztlich ein Gesamtpaket geschnürt werden, das die Banken von dem Angebot des Dienstleisters überzeugt. Dass für die Klägerin auch andere Umstände wie etwa die Einstellung des Supports für aa oder qualitative und bankenaufsichtsrechtliche Vorzüge von bb eine Rolle spielten, ist unerheblich. Eines synallagmatischen Zusammenhangs bedarf es nicht.
842. Der Senat hat jedoch Zweifel an der Steuerbarkeit dieser Leistung in Form der Eingehung des Servicevertrags.
85a) Nach der Rechtsprechung des EuGH erbringt ein Mieter, der sich nur verpflichtet, Mieter zu werden und den Mietzins zu zahlen, auch dann keine (steuerbare) sonstige Leistung, wenn er hierfür vom Mieter bezahlt wird. Wohnt dem jedoch unter wertender Betrachtung eine weitere Leistung inne – im EuGH-Fall eine Werbedienstleistung als Prestige- bzw. Ankermieter – kommt eine steuerbare Leistung in Betracht (EuGH, Urteil vom 9.10.2001 C-409/98, Mirror Group, Abl EG 2001, Nr C 331,1, Rn 26 f.; Finanzgericht – FG – Berlin-Brandenburg, Urteil vom 4.11.2015 7 K 7351/13, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2016, 1112, Rn 27; die Steuerbarkeit offenlassend in einem ähnlichen Fall hingegen BFH, Urteil vom 30.11.2016 V R 18/16, BFHE 255, 572, Rn 9).
86b) Eine solche weitere Leistung liegt im Streitfall nicht vor. Es ist für den Senat nicht ersichtlich und es wurde auch nicht vorgetragen, dass die Eingehung des Servicevertrags durch die Klägerin von Bedeutung für die Eingehung der jeweiligen Serviceverträge durch die anderen Banken der genossenschaftlichen Finanzgruppe wäre. Auch ein vergleichbarer Vorteil (vgl. FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 4.11.2015 7 K 7351/13, EFG 2016, 1112) ist nicht ersichtlich. Der Senat hat weder Anhaltspunkte dafür, dass der Dienstleister mit der Klägerin ein Muster für andere Banken schaffen wollte noch dass er in besonderer Weise Erfahrungen und Kenntnisse erwerben wollte, die er für andere Projekte fruchtbar machen könnte. Der Beklagte hat hierfür auch keine Nachweise erbracht.
872. Ob diese Leistung auf der Grundlage der vorstehenden Rechtsprechung steuerbar ist, kann der Senat jedoch angesichts der eventuellen Abweichung in der Einschätzung diesbezüglich zwischen EuGH und BFH (siehe A. III. 2. a)) offenlassen, weil sie jedenfalls gemäß § 4 Nr. 8 Buchst. g) Var. 1 UStG umsatzsteuerfrei ist (ähnlich BFH, Urteil vom 30.11.2016 V R 18/16, BFHE 255, 572, Rn 9).
88a) Gemäß § 4 Nr. 8 Buchst. g) UStG sind die Übernahme von Verbindlichkeiten, von Bürgschaften und anderen Sicherheiten sowie die Vermittlung dieser Umsätze steuerfrei. Die Vorschrift beruht auf Art. 135 Abs. 1 Buchst. c) MwStSystRL. Die Mitgliedstaaten befreien danach unter anderem die Vermittlung und Übernahme von Verbindlichkeiten, Bürgschaften und anderen Sicherheiten und Garantien sowie die Verwaltung von Kreditsicherheiten durch die Kreditgeber von der Steuer.
89Es handelt es sich um eine objektive Befreiung, die an sachliche Merkmale des Umsatzes und nicht an persönliche Merkmale des Unternehmers anknüpft (EuGH, Urteil vom 22.10.2009 C-242/08, Swiss Re, ABl EU 2009, Nr C, 10; EU:C:2009:647, Rn 44). Sie bezieht sich auf Finanzdienstleistungen (EuGH, Urteil vom 19.4.2007 C-455/05, Velvet Steel, Abl EU 2007, Nr C 96, 14, EU:C:2007:232, Rn 21 noch zu Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 2 der Richtlinie 77/388/EWG; BFH, Urteil vom 30.11.2016 V R 18/16, BFHE 255, 572, Rn 12) und bezweckt insbesondere die Beseitigung von Schwierigkeiten, die mit der Bestimmung der Bemessungsgrundlage verbunden sind (EuGH, Urteil vom 19.4.2007 C-455/05, Velvet Steel, Abl EU 2007, Nr C 96, 14, EU:C:2007:232, Rn 24).
90Als Ausnahmevorschrift ist § 4 Nr. 8 Buchst. g) UStG eng auszulegen (BFH, Urteil vom 30.11.2016 V R 18/16, BFHE 255, 572, Rn 13). Es kommt nicht darauf an, dass der Leistende eine bereits bestehende Verbindlichkeit, Bürgschaft oder andere Sicherheit übernimmt; die erstmalige Begründung einer Verbindlichkeit, Bürgschaft oder anderen Sicherheit ist ebenfalls erfasst (BFH, Urteil vom 30.11.2016 V R 18/16, BFHE 255, 572, Rn 16).
91Bei der Verbindlichkeit, die übernommen oder eingegangen wird, muss es sich trotz des weiten, allgemein gefassten Wortlauts um eine Geldleistung handeln (EuGH, Urteil vom 19.4.2007 C-455/05, Velvet Steel, Abl EU 2007, Nr C 96, 14, EU:C:2007:232, Rn 26; BFH, Urteil vom 30.11.2016 V R 18/16, BFHE 255, 572, Rn 12; kritisch dazu mit Hinweis auf unterschiedliche Sprachfassungen Philipowski in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz Kommentar, 213. Lieferung, 12/2024, § 4 UStG, Rn 458). Nach der Rechtsprechung des BFH liegt eine solche Geldleistung beispielsweise im Falle einer gegen Entgelt erfolgten Eingehung eines Mietvertrags in Form der Pflicht zur Entrichtung der Miete gemäß § 535 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) vor (BFH, Urteil vom 30.11.2016 V R 18/16, BFHE 255, 572, Rn 15).
92b) Nach diesen Grundsätzen handelt es sich bei der Verpflichtung zum Eingehen des Servicevertrags durch die Klägerin um die Eingehung einer Verbindlichkeit und damit um eine steuerfreie Leistung.
93Gegenstand der entgeltlichen Leistung der Klägerin ist die Eingehung des Servicevertrags mit dem Dienstleister. Sie verpflichtete sich zugleich, dem Dienstleister das Entgelt für die im Servicevertrag vereinbarten Leistungen zu entrichten und übernahm damit – entsprechend des weiten Wortlauts der Vorschrift in unionsrechtskonformer, enger Auslegung – lediglich eine Geldverbindlichkeit.
94B. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
95C. Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.
96D. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.