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Der Bescheid für 2018 über Umsatzsteuer vom 17.3.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.12.2020 wird dahingehend geändert, dass die Umsatzsteuer 2018 unter Berücksichtigung weiterer Vorsteuern in Höhe von 5.045,45 Euro auf ./.10.489,49 Euro festgesetzt wird.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Kläger begehrt den Vorsteuerabzug aus der Anschaffung einer Photovoltaikanlage (PV-Anlage). Die Beteiligten streiten in diesem Zusammenhang über die Frage, ob die Lieferung von Mieterstrom eine unselbständige Nebenleistung zur umsatzsteuerfreien Wohnraumvermietung darstellt oder ob es sich dabei um eine selbständige Hauptleistung neben der Vermietungsleistung handelt.
2Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks A-Str. 34b in C, das mit einem Mehrfamilienhaus bebaut ist. Er vermietet die dortigen sieben Wohnungen seit Fertigstellung im Jahr 2018 umsatzsteuerfrei. Der Kläger lieferte den Mietern Strom, den er seinerseits zunächst von einem externen Stromanbieter bezog. Einen schriftlichen Stromlieferungsvertrag zwischen dem Kläger und den Mietern gab es nicht. In den Mietverträgen sind jedoch jeweils in § 7 Nr. 2 Betriebskostenvorauszahlungen vorgesehen, die auch die Lieferung von Strom in Höhe von 42 Euro bis 84 Euro monatlich (je nach Größe der Wohnung) ohne gesonderten Umsatzsteuerausweis umfassen. Die Abrechnung erfolgte im Rahmen der jährlichen Betriebskostenabrechnung mit separatem Stromzähler je Wohneinheit (siehe auch § 7 Nr. 3 des jeweiligen Mietvertrags), die jeweils mit einer Grundgebühr von 5 Euro monatlich abgerechnet worden sind. Die Kilowattstunde Strom berechnete der Kläger ausweislich der Nebenkostenabrechnungen 2018 mit 0,25 Euro.
3Im Dezember 2018 installierte er – wie von Anfang an beabsichtigt – auf dem Mehrfamilienhaus eine PV-Anlage mit 15 Kilowatt Peak (kWp) und betreibt diese seit dem 14.12.2018. Im Rahmen einer Förderung der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) hatte er sich verpflichtet, 50 Prozent der Stromlieferungen innerhalb des Mietobjekts abzunehmen. Soweit der Strom aus der PV-Anlage nicht ausreichte, gewährleistete der Kläger die Stromversorgung weiterhin durch den Bezug und die Weiterlieferung externen Stroms. Über dortige Strompreisentwicklungen und in einem Fall auch darüber, dass er den Stromanbieter gewechselt habe, informierte der Kläger die Mieter per E-Mail. Für die Einspeisung von Strom der PV-Anlage erhielt er von dem Netzbetreiber im Streitjahr noch kein Entgelt. Umsatzsteuer stellte er den Mietern auf die Stromlieferungen nicht in Rechnung und erklärte diese auch nicht.
4In den vierteljährigen Umsatzsteuer-Voranmeldungen sowie der Umsatzsteuer-Jahreserklärung für 2018 erklärte der Kläger (nur) steuerpflichtige Umsätze aus der Vermietung der Gewerbeimmobilie B-Str. 32 sowie aus der dort betriebenen PV-Anlage in Höhe von 35.340 Euro. Erst mit der Umsatzsteuer-Voranmeldung für das II. Quartal 2019 erklärte er erstmals die Umsatzsteuer auf die Stromlieferungen an die Mieter in Höhe von monatlich 150 Euro. Ab Juli 2019 erhielt er zudem Entgelt für die Einspeisung des Stroms aus der PV-Anlage an der A-Str. 34b in C und meldete diese im Rahmen der Umsatzsteuer-Voranmeldung für das III. Quartal 2019 an.
5Aus der Anschaffung der PV-Anlage machte der Kläger Vorsteuern für 2018 in Höhe von insgesamt 10.090,89 Euro geltend.
6Im Rahmen einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung für den Zeitraum IV. Quartal 2018 bis einschließlich III. Quartal 2019 gelangte der Beklagte zu dem Ergebnis, dass die beiden Leistungen Vermietung und Stromlieferung so eng zusammenhingen, dass die Stromlieferung als Nebenleistung umsatzsteuerrechtlich das Schicksal der Hauptleistung (Vermietung) teile. Da die Wohnungen umsatzsteuerfrei vermietet würden, sei der Vorsteuerabzug aus der Anschaffung der PV-Anlage insoweit ausgeschlossen. Die Vorsteuer aus der Anschaffung der PV-Anlage sei deshalb um 50 Prozent auf 5.045,45 Euro zu kürzen. Auf den Bericht über die Umsatzsteuer-Sonderprüfung vom 24.1.2020 wird Bezug genommen.
7Diese Feststellungen setzte der Beklagte im Änderungsbescheid für 2018 über Umsatzsteuer vom 17.3.2020 um und setzte die Umsatzsteuer auf ./.5.444,04 Euro fest.
8Den hiergegen gerichteten Einspruch vom 8.4.2020 wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 14.12.2020 als unbegründet zurück.
9Hiergegen hat der Kläger am 13.1.2021 Klage erhoben. Er ist der Auffassung, dass ihm der Vorsteuerabzug aus der Anschaffung der PV-Anlage A-Str. 34b in voller Höhe zu gewähren sei. Insbesondere teilten die Stromlieferungen umsatzsteuerrechtlich nicht das Schicksal der steuerfreien Vermietungsleistungen. Die Mieter seien frei in der Wahl des Stromversorgers. Aufgrund der Preisentwicklung sowie der Auswahl der Art der Stromproduktion sei der Strombezug im Vergleich zu anderen Aufwendungen für Wohnraum auch nicht von untergeordneter Bedeutung. Soweit die Mieter weniger als 50 Prozent des eigenproduzierten Stroms abnehmen würden, würde dieser in die Heizungsanlage des Mehrfamilienhauses eingespeist.
10Der Kläger beantragt,
11den Bescheid für 2018 über Umsatzsteuer vom 17.3.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.12.2020 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer 2018 auf ./.10.489,49 Euro festgesetzt wird,
12hilfsweise, die Revision zuzulassen.
13Der Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen,
15hilfsweise, die Revision zuzulassen.
16Der Beklagte ist der Auffassung, dass der Vorsteuerabzug zu Recht teilweise versagt worden sei. Der Kläger sei in Bezug auf die Stromlieferungen zwar als Unternehmer anzusehen, die Stromlieferungen seien nach Abschn. 4.12.1. Abs. 5 Satz 3 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (UStAE) jedoch keine selbständigen umsatzsteuerpflichtigen Leistungen, sondern unselbständige Nebenleistungen zur Hauptleistung Vermietung. Im Streitfall seien die Mieter nicht frei in der Wahl des Stromanbieters; es sei mündlich vereinbart worden, dass sie den Strom aus der PV-Anlage abnehmen müssten. Nur so habe der Kläger die Kriterien einer Förderung für ein sog. KfW 40 Plus-Haus erreichen können, wonach 50 Prozent des erzeugten Stroms selbst abzunehmen sei. Der Kläger habe offenbar auf die Mieter eingewirkt, sich keinen fremden Stromanbieter zu suchen, sondern den eigenproduzierten Strom zu nutzen. Dass die Mieter nicht frei in der Wahl des Stromanbieters gewesen seien, folge auch daraus, dass die Stromabrechnung über die Nebenkostenabrechnung erfolgt sei. Zwar enthielten die Mietverträge keine Regelungen über die Verpflichtung zur Nutzung des eigenen Stroms, doch seien monatliche Vorauszahlungen auf die Betriebskosten wie Wärme, Wasser und Strom vereinbart worden, wobei die Stromkosten je nach Größe der Wohnung beispielsweise mit 42 Euro berücksichtigt worden seien. Hätte es den Mietern freigestanden, einen externen Stromanbieter zu wählen, wären nach Auffassung des Beklagten keine Vorauszahlungen vereinbart worden.
17Das Gericht hat von den Mietern des Klägers schriftlich Auskünfte zu den Umständen des Strombezugs eingeholt. Auf diese Auskünfte wird Bezug genommen.
18Im Erörterungstermin vom 27.6.2022 vor dem damaligen Berichterstatter haben sich die Beteiligten in tatsächlicher Hinsicht darauf verständigt, dass davon ausgegangen werde, dass der eigene Verbrauch des Klägers mehr als fünf Prozent im Verhältnis zu dem vom Kläger an die Mieter gelieferten und zuvor vom Stromanbieter bezogenen Stroms ausmache.
19In der Sache ist am 18.2.2025 mündlich vor dem Senat verhandelt worden. Auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls, der übrigen Gerichtsakte und der Verwaltungsakte des Beklagten wird Bezug genommen.
A. Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid für 2018 über Umsatzsteuer vom 17.3.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.12.2020 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO). Der Beklagte hat dem Kläger zu Unrecht den hälftigen Vorsteuerabzug aus der Anschaffung der PV-Anlage in Höhe von 5.045,45 Euro versagt.
21I. Ein Unternehmer kann gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes in der im Streitzeitraum gültigen Fassung (UStG) die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Diese Regelung beruht auf Art. 168 Buchst. a) der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL). Soweit Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist danach der Steuerpflichtige berechtigt, die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert oder erbracht wurden oder werden, vom Betrag der von ihm geschuldeten Steuer abzuziehen.
221. Der Unternehmer muss die Leistung danach insbesondere für sein Unternehmen beziehen. Dazu muss ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen, die das Recht auf Vorsteuerabzug eröffnen, bestehen. Das Abzugsrecht ist nur gegeben, wenn die Ausgaben zu den Kostenelementen der besteuerten, zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätze gehören. Das Vorhandensein eines solchen Zusammenhangs ist in Anbetracht des objektiven Inhalts des betreffenden Umsatzes zu beurteilen, wozu auch der ausschließliche Entstehungsgrund des Eingangsumsatzes gehört, da dieser ein Kriterium für die Bestimmung des objektiven Inhalts ist (Bundesfinanzhof – BFH –, Urteil vom 17.7.2024 XI R 8/21, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFH/NV – 2024, 1397, Rn 34 m.w.N.).
232. Ein Recht auf Vorsteuerabzug wird zugunsten des Steuerpflichtigen auch bei Fehlen eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätzen dann angenommen, wenn die Kosten für die fraglichen Dienstleistungen zu den allgemeinen Aufwendungen des Steuerpflichtigen gehören und als solche Kostenelemente der von ihm gelieferten Gegenstände oder erbrachten Dienstleistungen sind. Derartige Kosten hängen nämlich direkt und unmittelbar mit der gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen zusammen (BFH, Urteil vom 17.7.2024 XI R 8/21, BFH/NV 2024, 1397, Rn 35 m.w.N.).
243. Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist hingegen gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG die Steuer für Lieferungen, die der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet (BFH, Urteil vom 17.7.2024 XI R 8/21, BFH/NV 2024, 1397, Rn 36 m.w.N.).
25II. Nach diesen Grundsätzen steht dem Kläger der vollständige Vorsteuerabzug aus der Anschaffung der PV-Anlage zu.
261. Der Kläger ist unstreitig Unternehmer. Der begehrte Vorsteuerabzug resultiert aus der gesetzlichen Steuer aus der Lieferung der PV-Anlage durch einen anderen Unternehmer.
272. Der Kläger hat die Lieferung der PV-Anlage für sein Unternehmen bezogen. Den dafür erforderlichen Zusammenhang zwischen Eingangs- und Ausgangsseite prägen auf der Ausgangsseite die beabsichtigten und ab Inbetriebnahme der Anlage am 14.12.2018 tatsächlich erfolgten Lieferungen eigenproduzierten Stroms an die Mieter (sowie die ab 2019 erfolgte Einspeisung in das externe Stromnetz), weil es sich dabei neben den Vermietungsleistungen um selbständige Leistungen handelt (dazu a)). Zwischen der Eingangsleistung in Form der Lieferung der PV-Anlage und den vorbezeichneten Ausgangsleistungen in Form der Lieferungen eigenproduzierten Stroms besteht der erforderliche, den Bezug für das Unternehmen manifestierende Zusammenhang (dazu b)).
28a) Der Beklagte ist nur hinsichtlich der beabsichtigten Stromeinspeisung von 50 Prozent des durch die PV-Anlage produzierten Stroms in das externe Stromnetz von steuerpflichtigen Ausgangsleistungen ausgegangen und hat entsprechend auch nur den hälftigen Vorsteuerabzug aus deren Anschaffung bei der streitgegenständlichen Festsetzung berücksichtigt. Bei den Stromlieferungen des Klägers an seine Mieter, und zwar sowohl von mit der streitgegenständlichen PV-Anlage ab Mitte Dezember 2018 eigenproduziertem Strom als auch von – vor Inbetriebnahme der PV-Anlage seit Bezug der einzelnen Wohnungen in vollen Umfang und danach zusätzlich zum selbstproduzierten Strom in geringerem Umfang – extern von anderen Stromanbietern bezogenem Strom, handelt es sich jedoch entgegen der Auffassung des Beklagten nicht um unselbständige Nebenleistungen zu den gemäß § 4 Nr. 12 Buchst. a) UStG umsatzsteuerfreien Vermietungsleistungen, sondern um selbständige steuerpflichtige Hauptleistungen in Form von Lieferungen (vgl. Art. 15 Abs. 1 MwStSystRL).
29Zur Überzeugung des Senats beabsichtigte der Kläger, die PV-Anlage für die Ausführung steuerpflichtiger Lieferungen zu verwenden, nämlich für die Lieferung von eigenproduziertem Strom, die nach den nachstehenden Ausführungen als selbständige Leistung zu beurteilen ist und der Steuerpflicht unterliegt. Dafür spricht, dass der Kläger von Anfang an geplant hat, den Mietern die Versorgung mit Strom anzubieten. Dies zeigt sich zunächst an der Konzeption des Hauses als Niedrigenergiehaus mit PV-Anlage, für das der Kläger einen eigenen Internetauftritt eingerichtet hat, in dem das Konzept dargelegt wird. Die beabsichtigte Entgeltlichkeit manifestiert sich in den Abschlagszahlungen für Strom, die bereits vor der Inbetriebnahme der PV-Anlage vereinbart worden sind. Die nachstehenden Umstände, die den Charakter der Stromlieferungen als selbständige Leistungen erscheinen lassen, waren dem Kläger ebenfalls bekannt. Da es sich bei der Stromlieferung um eine selbständige Leistung handelt, greift insbesondere nicht das Abzugsverbot im Zusammenhang mit steuerfreien Vermietungsleistungen im Sinne des § 4 Nr. 12 Buchst. a) UStG.
30aa) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) und des BFH, der sich der erkennende Senat anschließt, ist bei einem Umsatz, der verschiedene Einzelleistungen und Handlungen umfasst, eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, um zu bestimmen, ob dieser Umsatz für Zwecke der Mehrwertsteuer zweioder mehr getrennte Leistungen oder eine einheitliche Leistung umfasst (zuletzt BFH, Urteil vom 17.7.2024 XI R 8/21, BFH/NV 2024, 1397, Rn 15 m.w.N.).
31(1) Jeder Umsatz ist zwar im Hinblick auf die Mehrwertsteuer in der Regel als eigenständige und selbständige Leistung zu betrachten; ein Umsatz, der eine wirtschaftlich einheitliche Leistung darstellt, darf aber im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht künstlich aufgespalten werden.
32Eine einheitliche Leistung liegt vor, wenn mehrere Einzelleistungen oder Handlungen des Steuerpflichtigen für den Kunden so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Das ist dann der Fall, wenn ein Teil oder mehrere Teile als Hauptleistung anzusehen sind, während andere Teile als eine oder mehrere Nebenleistungen einzustufen sind, die steuerlich ebenso zu behandeln sind wie die Hauptleistung. Insbesondere ist eine Leistung als Nebenleistung einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für die Kunden keinen eigenen Zweck darstellt, sondern das Mittel, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen.
33Zur Klärung der Frage, ob die erbrachten Leistungen mehrere voneinander unabhängige Leistungen oder eine einheitliche Leistung darstellen, sind die charakteristischen Merkmale des betreffenden Umsatzes zu ermitteln (BFH, Urteil vom 17.7.2024 XI R 8/21, BFH/NV 2024, 1397, Rn 16 m.w.N.). Entscheidend ist dabei die Sicht des Durchschnittsverbrauchers (Finanzgericht – FG – Niedersachsen, Urteil vom 25.2.2021 11 K 201/19, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2021, 883, Rn 34).
34(2) In diesem Zusammenhang sind hinsichtlich der Vermietung von Immobilien zwei Fallgruppen zu unterscheiden (EuGH, Urteil vom 16.4.2015 C-42/14, Wojskowa Agencja Mieszkaniowa w Warszawie, EU:C:2015:229, Amtsblatt der Europäischen Union – Abl EU – 2015, Nr C 198, 11, Rn 38 ff.; BFH, Beschluss vom 10.1.2024 XI R 11/23 (XI R 34/20), BFH/NV 2024, 1021, Rn 26 ff. und Urteil vom 17.7.2024 XI R 8/21, BFH/NV 2024, 1397, Rn 17).
35(i) Für den Fall, dass der Mieter über die Möglichkeit verfügt, die Lieferanten und/oder die Nutzungsmodalitäten der in Rede stehenden Gegenstände oder Dienstleistungen auszuwählen, können die Leistungen, die sich auf diese Gegenstände oder Dienstleistungen beziehen, grundsätzlich als von der Vermietung getrennt angesehen werden. Insbesondere wenn der Mieter über seinen Verbrauch von Leistungen, die in Abhängigkeit des Verbrauchs abgerechnet werden können, entscheiden kann, können die Leistungen, die sich auf diese Gegenstände oder Dienstleistungen beziehen, grundsätzlich als von der Vermietung getrennt angesehen werden (BFH, Urteil vom 17.7.2024 XI R 8/21, BFH/NV 2024, 1397, Rn 18 m.w.N.).
36(ii) Für den Fall, dass die Vermietung eines Gebäudes in wirtschaftlicher Hinsicht offensichtlich mit den begleitenden Leistungen objektiv eine Gesamtheit bildet, kann demgegenüber davon ausgegangen werden, dass Letztere mit der Vermietung eine einheitliche Leistung bilden. Das kann unter anderem bei der Vermietung von Immobilien für kurze Zeiträume, insbesondere für die Ferienzeit oder aus beruflichen Gründen, die mit diesen Leistungen angeboten wird, ohne dass diese davon getrennt werden können, der Fall sein (BFH, Urteil vom 17.7.2024 XI R 8/21, BFH/NV 2024, 1397, Rn 19 m.w.N.).
37(iii) Ausgehend davon hat der BFH angenommen, dass die den Mietnebenkosten zugrunde liegenden Leistungen wie die Zurverfügungstellung von Wasser, Elektrizität oder Wärme, über deren Verbrauch der Mieter entscheiden kann und die durch die Anbringung von individuellen Zählern kontrolliert und in Abhängigkeit des Verbrauchs abgerechnet werden, grundsätzlich als von der Vermietung getrennt anzusehen sind (BFH, Urteile vom 11.11.2015 V R 37/14, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFHE – 251, 517, Bundessteuerblatt Teil II – BStBl II – 2017, 1259, Rn 19 und vom 17.7.2024 XI R 8/21, BFH/NV 2024, 1397, Rn 20).
38bb) Nach diesen Grundsätzen handelt es sich bei den Lieferungen von eigenproduziertem und von extern bezogenem Strom durch den Kläger an die Mieter um selbständige, steuerbare und steuerpflichtige Leistungen und nicht um unselbständige Nebenleistungen zu den Vermietungsleistungen. Bei den Stromlieferungen und den Vermietungsleistungen handelt sich nicht um einheitliche Leistungen. Sie bilden keine untrennbare wirtschaftliche Einheit.
39(1) Zur Überzeugung des Senats verfügen die Mieter über die Möglichkeit, den Lieferanten und die Nutzungsmodalitäten des Stroms frei zu wählen, was ein gewichtiges Indiz für die Selbständigkeit der Stromlieferung ist (BFH, Urteil vom 17.7.2024 XI R 8/21, BFH/NV 2024, 1397, Rn 23; FG Niedersachsen, Urteil vom 25. Februar 2021 11 K 201/19, EFG 2021, 883, Rn 40).
40(i) Dafür spricht bereits das gesetzliche Koppelungsverbot von Miet- und Energieversorgungsvertrag des § 42a Abs. 2 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG). Nach Satz 1 dieser Vorschrift darf ein Vertrag über die Belieferung von Letztverbrauchern mit Mieterstrom (Mieterstromvertrag) nicht Bestandteil eines Vertrags über die Miete von Wohnräumen sein. Bei einem Verstoß gegen dieses Verbot ist der Mieterstromvertrag nichtig (§ 42a Abs. 2 Satz 2 EnWG). Nach § 42a Abs. 3 Satz 3 EnWG ist eine Bestimmung, durch die das Kündigungsrecht während der Dauer des Mietverhältnisses ausgeschlossen oder beschränkt wird, unwirksam. Damit soll jegliche Einwirkung auf die Entscheidungsfreiheit des Mieters ausgeschlossen werden. Der Abschluss eines Mietvertrags soll nicht vom Abschluss eines Mieterstromvertrags abhängen. Die Vertragsfreiheit des Mieters in Bezug auf die Belieferung mit Strom ist umfassend sicherzustellen (BFH, Urteil vom 17.7.2024 XI R 8/21, BFH/NV 2024, 1397, Rn 25).
41Daraus ergibt sich, dass der maßgebliche durchschnittliche Verbraucher, der sich zumindest in Ansätzen mit der Frage der Stromversorgung bzw. einem Anbieterwechsel beschäftigt, erkennen kann, dass ein Mietvertrag unabhängig von einem Stromlieferungsvertrag ist.
42(ii) Diese Erkenntnismöglichkeit des Durchschnittsverbrauchers bestätigt sich auch im konkreten Fall.
43Zum einen verstoßen die Mietverträge zwischen dem Kläger und den Mietern nicht gegen das Koppelungsverbot. Sie enthalten keine gegenteiligen Regelungen, die zwar nach dem Koppelungsverbot unwirksam wären, die aber zumindest die Wahrnehmung der Mieter beeinflussen und eine subjektive Bindung an den – allenfalls mündlich oder konkludent vereinbarten – Stromlieferungsvertrag bewirken. Sie enthalten diesbezüglich allein die Regelung über die Zusammensetzung der Betriebskosten, die die Stromkosten einschließen.
44Zum anderen bestätigen vier der sieben Mietparteien (Z1, Z2, Z3 und Z4), dass sie Kenntnis von ihrer Freiheit zum Wechsel des Stromanbieters haben. Bei den übrigen drei Parteien (Z5, Z6 und Z7) geht der Senat davon aus, dass sie sich nicht ernsthaft mit der Wechselmöglichkeit beschäftigt haben, dies aber leicht hätten erkennen können. So gibt Z6 an, es gebe schon keine Veranlassung für einen Anbieterwechsel. Z5 ist auch nicht bewusst, dass es separate Stromzähler gibt. Allein Z7 dachte, es gebe eine Koppelung.
45Soweit der Beklagte die Glaubwürdigkeit der Angaben der Mieter unter Hinweis auf eine Kontaktaufnahme des Klägers mit seinen Mietern im Zusammenhang mit dem gerichtlichen Auskunftsersuchen erschüttern will, hält der Senat dies – abgesehen davon, dass die Sicht des Durchschnittsverbrauchers maßgeblich ist – für nicht durchgreifend. Zwar ist eine E-Mail des Klägers an Z7 aktenkündig, wonach er versucht hat, die Mieterin in Zusammenhang mit dem gerichtlichen Auskunftsersuchen zu erreichen und ihr mitgeteilt hat, dass sie grundsätzlich „natürlich den Stromanbieter wechseln“ könne. So gibt aber gerade Z7 an, sie sei von einer Koppelung von Mietvertrag und Stromlieferung ausgegangen, habe sich aber auch bewusst für den Einzug in eine Wohnung in einem Energiesparhaus mit Pelletheizung und Photovoltaikanlage entschieden, ohne zu wissen, wie die Abrechnungsmodalitäten in der Regel aussähen. Auch sonst sind keine auffälligen Tendenzen zugunsten des Klägers in den Auskünften erkennbar.
46(iii) Nichts anderes ergibt sich aus dem Umstand, dass alle Mieter angegeben haben, Strom vom Kläger zu beziehen und den Stromanbieter noch nicht gewechselt zu haben. Der Senat hat aus den Auskünften vielmehr die Überzeugung gewonnen, dass die Mieter schlicht keinen Grund für einen Anbieterwechsel sahen, weil sie mit dem Preis und dem Service des Klägers zufrieden waren. Der Preis von 0,25 Euro je Kilowattstunde lag im Jahr 2018 unter dem vom BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. angegebenen Durchschnittspreis für einen Haushalt von 0,29 Euro.
47(iv) Dass umgekehrt der Kläger die Mieter über einen durch ihn durchgeführten Anbieterwechsel informiert hat, kann den Gesamteindruck der Freiheit zum Stromanbieterwechsel ebenso wenig erschüttern. Sie ist schlicht Ausdruck des status quo, wonach er externen Strom bezieht, um Versorgungslücken zu vermeiden. Er handelte damit im Interesse seiner Mieter, möglichst kostengünstig Strom zu beziehen. Ob dies angesichts der Verpflichtung gegenüber der KfW, 50 Prozent des eigenproduzierten Stroms für das Haus zu verwenden, Ausdruck der Sorge ist, dass die Mieter den Stromanbieter ansonsten wechseln würden oder ob dem Kläger dies egal war, weil er – wie in der mündlichen Verhandlung vorgetragen – den Strom andernfalls zu dem erforderlichen Anteil in die Heizungsanlage fließen lassen kann, ist letztendlich unerheblich, weil das Risiko, die KfW-Förderkriterien nicht einzuhalten, allein beim Kläger liegt und keinen Einfluss auf die umsatzsteuerrechtliche Würdigung hat. Sollte sich der Kläger um den Anbieterwechsel durch die Mieter sorgen, ist dies vielmehr Ausdruck der Wechselmöglichkeit, der der Kläger durch den günstigen Fremdeinkauf und Weiterlieferung an seine Mieter entgegenwirken wollte.
48(2) Die Mieter konnten auch über ihren Stromverbrauch, der in Abhängigkeit des Verbrauchs abgerechnet wird, entscheiden. Mithilfe separater Stromzähler erfolgte eine jährliche Abrechnung des verbrauchten Stroms.
49(3) Es handelt sich zudem nicht um eine Vermietung der einzelnen Wohnungen für kurze Zeiträume, die die Annahme einer einheitlichen Leistung in Form eines Gesamtpakets unter anderem aus der Vermietungsleistung und der Stromlieferung nahelegen würde.
50(4) An die Verwaltungsauffassung in von Abschn. 4.12.1. Abs. 5 Satz 3 UStAE, wonach als Nebenleistung zur umsatzsteuerfreien Wohnraumvermietung in der Regel unter anderem die Lieferung von Strom durch den Vermieter anzusehen sei, ist der erkennende Senat nicht gebunden, da es sich insoweit um eine norminterpretierende Verwaltungsanweisung handelt (BFH, Urteil vom 17.7.2024 XI R 8/21, BFH/NV 2024, 1397, Rn 29 m.w.N.).
51b) Zwischen der Lieferung der PV-Anlage an den Kläger und der Lieferung eigenproduzierten Stroms durch den Kläger besteht ein hinreichender Zusammenhang. Die Kosten für die PV-Anlage gehören zu den allgemeinen Aufwendungen des Klägers und fließen als Kostenelement in das Entgelt für den von ihm gelieferten selbst produzierten Strom. Der Kläger erhebt marktübliche Stromentgelte und deckt dadurch auch die Kosten der PV-Anlage (BFH, Urteil vom 17.7.2024 XI R 8/21, BFH/NV 2024, 1397, Rn 38).
52c) Anders als im Falle einer Heizungsanlage (BFH, Urteil vom 7.12.2023 V R 15/21, BFHE 283, 175, BStBl II 2024, 503, Rn 16 ff.) steht die Eingangsleistung in unmittelbarem und direktem Zusammenhang mit den Lieferungen eigenproduzierten Stroms und nicht mit den steuerfreien Vermietungsleistungen. Der Vermieter von Wohnraum schuldet zum vertragsgemäßen Gebrauch zwar die Versorgung mit Wärme und warmem Wasser, jedoch nicht die Lieferung von Strom. Aufgrund des Kopplungsverbots des § 42a Abs. 2 EnWG darf eine solche Verpflichtung sogar kein Vertragsbestandteil des Mietvertrags sein (BFH, Urteil vom 17.7.2024 XI R 8/21, BFH/NV 2024, 1397, Rn 39). Die Kosten dieser Eingangsleistungen finden keinen Eingang in den Preis der die umsatzsteuerfreie Wohnraumvermietung betreffenden Ausgangsumsätze, die der Kläger im Rahmen seiner umsatzsteuerfreien Vermietungstätigkeit ausführt. Dies gilt unabhängig davon, dass die Abrechnung über die Stromlieferung im Streitfall über die Betriebskostenabrechnung erfolgt. Denn die Stromkosten werden allein nach tatsächlichem Verbrauch abgerechnet. Außerdem haben die Mieter die Möglichkeit den Stromanbieter zu wechseln.
533. Der Kläger ist im Besitz einer nach §§ 14, 14a UStG ausgestellten Rechnung (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG).
54III. Der Kläger ist infolge der tatsächlichen Verständigung vom 27.6.2022 nicht als Wiederverkäufer von Elektrizität im Sinne der § 13b Abs. 2 Nr. 5 Buchst. b, Abs. 5 Satz 4, § 3g UStG anzusehen, sodass insoweit keine Auswirkungen auf die Höhe der festzusetzenden Umsatzsteuer eintreten.
55IV. Zwar hat der Kläger im Streitjahr bislang weder auf die Lieferung eigenproduzierten Stroms (ab Inbetriebnahme am 14.12.2018) noch auf die Lieferung des extern bezogenen und an die Mieter weitergelieferten Stroms, die jeweils nach den vorstehenden Ausführungen steuerpflichtig sind, Umsatzsteuer erklärt. Doch auch dies hat zur Überzeugung des Senats keine Auswirkungen auf die Höhe der festzusetzenden Umsatzsteuer, da den Mehrumsätzen bislang nicht berücksichtige Vorsteuerbeträge in gleicher Höhe gegenüberstehen.
56B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
57C. Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.
58D. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.