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Unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 25.02.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.11.2022 wird der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des dem Organträger zuzurechnenden Einkommens der Organgesellschaft und damit zusammenhängender anderer Besteuerungsgrundlagen nach § 14 Abs. 5 KStG vom 11.04.2018 dahingehend geändert, dass dort festgestellt wird:
a) Dem Organträger zuzurechnendes Einkommen der Organgesellschaft: … €
b) Minderabführungen, die ihre Ursache in organschaftlicher Zeit haben (§ 14 Abs. 4 KStG): … €
c) Minderabführungen, die ihre Ursache in vororganschaftlicher Zeit haben (§ 14 Abs. 3 Satz 2 KStG): … €.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, soweit nicht die jeweilige Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
2Die Klage richtet sich im Wesentlichen gegen den Bescheid des Beklagten, mit dem dieser für 2016 die gesonderte und einheitliche Feststellung des dem Organträger zuzurechnenden Einkommens der Organgesellschaft und damit zusammenhängender anderer Besteuerungsgrundlagen nach § 14 Abs. 5 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) aufgehoben hat.
3Streitig ist in diesem Zusammenhang das Vorliegen einer ertragsteuerlichen Organschaft im Jahr 2016 (Streitjahr) zwischen der Klägerin zu 1. als Organgesellschaft und der Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 2. (D GmbH, im Folgenden: D GmbH) als Organträgerin.
4Die Klägerin zu 1. ist in der …branche tätig und erbringt Dienstleistungen aller Art im Zusammenhang mit …. Alleinige Gesellschafterin der Klägerin zu 1. im Streitjahr (2016) war die D GmbH, welche mit Umwandlungsbeschluss vom 26.07.2018 in die Klägerin zu 2. als KG formgewechselt wurde.
5Am 28.11.2016 fasste die D GmbH als alleinige Gesellschafterin der Klägerin zu 1. den Beschluss, alle Betriebsabteilungen einschließlich des Verwaltungsbereichs der Klägerin zu 1. mit Wirkung zum 31.12.2016 komplett zu schließen. Bis zu diesem Zeitpunkt sollte die Geschäftstätigkeit eingestellt werden. Die Aktivitäten in den einzelnen Betriebsabteilungen sollten ab diesem Zeitpunkt nach Abschluss etwaiger Restarbeiten endgültig eingestellt werden.
6Am 19.12.2016 schlossen die Klägerin zu 1. als Organgesellschaft und die D GmbH als Organträgerin mit Wirkung zum 01.01.2016 einen Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag (EAV). Der EAV wurde auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen (§ 6 Nr. 2 des Vertrags). Wegen der Einzelheiten wird auf diesen EAV Bezug genommen. Dem EAV stimmte die Gesellschafterversammlung der Klägerin zu 1. am selben Tag zu. Die Eintragung in das Handelsregister erfolgte am 23.12.2016.
7Mit Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des dem Organträger zuzurechnenden Einkommens der Organgesellschaft und damit zusammenhängender anderer Besteuerungsgrundlagen nach § 14 Abs. 5 KStG vom 11.04.2018 rechnete der Beklagte zunächst erklärungsgemäß der D GmbH als Organträgerin das Einkommen der Klägerin zu 1. als Organgesellschaft zu. Eine Ausfertigung für die Organgesellschaft wurde der Klägerin zu 1., eine Ausfertigung für die Organträgerin wurde der D GmbH bekanntgegeben. Festgestellt wurden u.a. erklärungsgemäß ein der Organträgerin zuzurechnendes Einkommen der Klägerin zu 1. i.H.v. … €, vororganschaftliche Minderabführungen i.H.v. … €, vororganschaftliche Mehrabführungen i.H.v. … € sowie organschaftliche Minderabführungen i.H.v. … €. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Wegen der Einzelheiten der Feststellungen wird auf den Bescheid vom 11.04.2018 verwiesen.
8Das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung E (GKBP) führte sodann eine Betriebsprüfung (BP) bei der Klägerin zu 1. für die Jahre 2015 und 2016 durch. Im BP-Bericht vom 27.09.2019 stellten die mit der Prüfung beauftragten Prüfer fest, dass die Voraussetzungen für die steuerliche Anerkennung einer ertragsteuerlichen Organschaft nicht vorlägen. Mit Gesellschafterbeschluss vom 28.11.2016 sei entschieden worden, dass alle Betriebsabteilungen einschließlich des Verwaltungsbereichs der Klägerin zu 1. mit Wirkung zum 31.12.2016 komplett geschlossen werden sollten. Am 19.12.2016 sei anschließend zwischen der Klägerin zu 1. und der D GmbH ein EAV abgeschlossen worden. Im Interessenausgleich/Sozialplan der Klägerin zu 1. vom 21.12.2016 fänden sich folgende Aussagen:
9Präambel
10„Seit mehreren Jahren erzielt die B trotz umfangreicher Restrukturierungen und Aquisemaßnahmen ein wirtschaftlich negatives Ergebnis (DB III v. St. 2014: -…T€; 2015: -…T€; 2016: -…T€ bis 30.11.2016). Durch entsprechende Umorganisationen und den Abschluss eines Sanierungstarifvertrages mit der H konnte die negative Entwicklung auch nicht gestoppt werden. Es besteht auch keine anderweitige kurz- und mittelfristige Möglichkeit, die Ergebnissituation zu verbessern. Auch die Bemühungen, das Unternehmen an einen Erwerber zu veräußern, sind ergebnislos geblieben.“
11„Die Geschäftsleitung hat die Entscheidung getroffen, alle Betriebsabteilungen einschließlich des Verwaltungsbereichs der B komplett mit Wirkung zum 31.12.2016 zu schließen. Bis zu diesem Zeitpunkt soll die Geschäftstätigkeit eingestellt werden. Die Aktivitäten in den einzelnen Betriebsabteilungen werden ab diesem Zeitpunkt nach Abschluss etwaiger Restarbeiten endgültig eingestellt.“
12§ 2a)
13„Gegenstand der Betriebsänderung und des Interessenausgleichs ist die endgültige Einstellung der betrieblichen Tätigkeit und die Stilllegung der B GmbH zum 31.12.2016.“
14§ 2b 1)
15„Im Rahmen dieser Betriebsschließung wird die Geschäftstätigkeit eingestellt. Nach diesem Zeitpunkt findet nur noch die Restabwicklung statt.“
16In einer Mitteilung der H vom … heiße es: „….“
17Aus dieser Historie sei zu entnehmen, dass ein defizitärer Betriebszweig zum 31.12.2016 habe eingestellt werden sollen. Erst nach dem Gesellschafterbeschluss zur Beendigung der Klägerin zu 1. sei ein EAV mit der D GmbH geschlossen worden. Nach der Einstellung des aktiven Betriebs seien die Umsätze von 2017 bis 2018 um ca. 90 % gesunken. Innerhalb der ersten beiden Quartale 2019 hätten sich negative Umsätze in Höhe von ca. … € ergeben. Diese Zahlen deuteten bereits darauf hin, dass die Klägerin zu 1. planmäßig abgewickelt werde. Von einer aktiven Erwerbsgesellschaft könne hiernach nicht mehr ausgegangen werden. Dies würde auch den umfangreichen Abwicklungs- und Einstellungsplänen widersprechen. Das § 14 KStG eine aktive Erwerbsgesellschaft erfordere, ergebe sich aus der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu § 14 KStG. Insofern sei auf die BFH-Urteile vom 18.10.1967 (I 262/63) und vom 17.02.1971 (I R 148/68) zu verweisen. Die Grundaussage dieser Entscheidungen werde auch nicht durch den zwischenzeitlichen Wegfall der Erforderlichkeit einer wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung negiert. Zum einen sei der Tatbestand der finanziellen Eingliederung nach wie vor erforderlich. Zum anderen sei die erwähnte Ähnlichkeit, dass sich eine Gesellschaft verpflichtet, ihr gewerbliches Unternehmen für Rechnung der anderen Gesellschaft zu betreiben, weiterhin aktuell. Der durch die Rechtsprechung geschaffene Begriff der Erwerbsgesellschaft erscheine damit im Hinblick auf den Sinn und Zweck des § 14 KStG immanent. Ein formeller Auflösungsbeschluss oder eine Liquidation seien aus steuerrechtlichen Erwägungen nicht erforderlich, um von einer Auflösung der Gesellschaft auszugehen. Die BFH-Rechtsprechung gehe hierbei von der Möglichkeit eines formlosen Beschlusses zur Auflösung aus (BFH-Urteil vom 17.02.1971, I R 148/68). Ausgehend hiervon seien die Voraussetzungen für eine steuerliche Anerkennung der Organschaft i.S.d. § 14 KStG nicht gegeben. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KStG müsse der EAV auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen und auch tatsächlich durchgeführt worden sein. Die tatsächliche Durchführung des EAV sei hier aber bereits zum Zeitpunkt der Vertragserstellung am 19.12.2016 faktisch nicht mehr gegeben gewesen, da die Einstellung des Geschäftsbetriebs am 28.11.2016 bereits beschlossen worden sei. Mit Einstellung des Geschäftsbetriebs zum 31.12.2016 würden die danach anfallenden Gewinne/Verluste wie Abwicklungsgewinne/-verluste behandelt. Die Gesellschaft führe keine auf Erwerb gerichtete Tätigkeit mehr aus. Hinsichtlich der Abwicklungsgewinne/-verluste bestehe keine Abführungs-/Übernahmeverpflichtung. Auch in dem unwahrscheinlichen Fall, dass nach dem 31.12.2016 noch teilweise laufende Verluste (auf Erwerb gerichtete Tätigkeit) entstehen und Abwicklungsverluste anfallen, sei der EAV nicht durchführbar. Denn die für die Begründung der ertragsteuerlichen Organschaft erforderliche Abführung des „ganzen Gewinns“ liege nicht vor, wenn nur der Gewinn aus einer bestimmten Einrichtung oder einem bestimmten Betätigungsfeld einer Kapitalgesellschaft abgeführt werden soll (BFH-Beschluss vom 31.03.2011, I B 177/10). Aus der genannten Historie sei offensichtlich, dass die Verluste hätten steuerlich gerettet werden sollen. Derartige Konsolidierungsmaßnahmen im Konzern seien betriebswirtschaftlich nachvollziehbar und früher von der Finanzverwaltung offenbar toleriert worden (Verwaltungsanweisung in R 60 Abs. 6 Satz 4 KStR 2004). Gleichwohl widerspreche diese Praxis dem Sinn und Zweck der Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG.
18Mit Änderungsbescheid vom 25.02.2020 (Änderung nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung – AO) folgte der Beklagte diesen Feststellungen und hob die gesonderte und einheitliche Feststellung des dem Organträger zuzurechnenden Einkommens und sonstiger damit im Zusammenhang stehender Besteuerungsgrundlagen nach § 14 Abs. 5 KStG vom 11.04.2018 auf.
19Hiergegen legte die Klägerin zu 1. Einspruch ein.
20Der Beklagte zog mit Schreiben vom 26.10.2022 die Klägerin zu 2. gemäß § 360 Abs. 3 AO zum Einspruchsverfahren hinzu.
21Mit Einspruchsentscheidung vom 07.11.2022 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Die Einspruchsentscheidung erging auch an die Klägerin zu 2. als Hinzugezogene zum Einspruchsverfahren. Zur Begründung führte der Beklagte im Wesentlichen Folgendes aus: In dem Gesellschafterbeschluss vom 28.11.2016 heiße es wörtlich: „Alle Betriebsabteilungen einschließlich des Verwaltungsbereichs der B GmbH sollen komplett mit Wirkung zum 31. Dezember 2016 geschlossen werden. Bis zu diesem Zeitpunkt soll die Geschäftstätigkeit eingestellt werden. Die Aktivitäten in den einzelnen Betriebsabteilungen sollen ab diesem Zeitpunkt nach Abschluss etwaiger Restarbeiten endgültig eingestellt werden. Es soll in Verhandlungen mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich/Sozialplan zur beabsichtigten Schließung eingetreten werden.“ Die Mitteilung an den Betriebsrat über die Schließung datiere auf den 02.12.2016. Daraufhin sei in einer Pressemitteilung der Klägerin zu 1. verkündet worden, dass den … Mitarbeitern zum Jahresende gekündigt werden müsse. Der Betriebsrat sei am 14.12.2016 über die Entlassung aller Mitarbeiter unterrichtet worden. Nach diversen Verhandlungen im Laufe des Dezembers sei im Einvernehmen mit dem Betriebsrat am 21.12.2016, somit nach Abschluss des EAV, ein Sozialplan und Interessenausgleich mit einem Gesamtvolumen von … Mio. € vereinbart worden. Zum 31.12.2016 seien Rückstellungen für die Abfindungen der Mitarbeiter in Höhe von 4,7 Mio. € passiviert worden. Im Wirtschaftsprüfungsbericht der D GmbH auf den 31.12.2016 heiße es außerdem, dass die Klägerin zu 1. am 28.11.2016 die „Aufgabe der operativen Tätigkeit“ zum nächst möglichen Zeitpunkt beschlossen und die D GmbH daher eine Abschreibung des Beteiligungsbuchwerts bis zur Höhe des Eigenkapitals vorgenommen habe. Vor diesem Hintergrund erfülle die Klägerin zu 1. nicht die Voraussetzungen für eine Organgesellschaft, da es sich nicht um eine aktive Erwerbsgesellschaft handele. Anhand der Rechtsprechung des BFH habe sich die Voraussetzung ergeben, dass die Organgesellschaft als Erwerbsgesellschaft tätig sein müsse (BFH, Urteile vom 18.10.1967, I 262/63 und vom 17.02.1971, I R 148/68). Außerdem sei die Voraussetzung einer Erwerbsgesellschaft auch in dem für die Finanzverwaltung bindenden H14.6 festgelegt, welcher bis heute in den KStH zu finden sei. In der Literatur werde der Beschluss des BFH vom 18.10.1967 teilweise auf folgende Aussage reduziert (Rz. 20, Satz 4): „Dafür spricht auch der Zusammenhang des EAV mit dem Organschaftsverhältnis, das dadurch gekennzeichnet ist, dass die Organgesellschaft finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch, gleich einer Geschäftsabteilung, in das andere Unternehmen eingegliedert ist.“ Nicht berücksichtigt werde in einigen Kommentaren, dass die finanzielle Eingliederung weiterhin erforderlich und im o.g. BFH-Urteil auch aufgeführt sei. Die Merkmale finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch bekämen in der Aussage des BFH keine unterschiedlichen Wertigkeiten. Es sei auch nicht erkennbar, dass diese Merkmale kumulativ vorhanden sein müssten. Die Kernaussage des Satzes befasse sich vielmehr mit der Eingliederung eines Unternehmens (Organgesellschaft) in ein anderes Unternehmen (Organträger) im Zusammenhang mit einem EAV. Dafür reiche bereits die finanzielle Eingliederung aus. Auch hier scheine es immanent, dass eine Geschäftsabteilung einer Organgesellschaft auf Erwerb gerichtet ist. Dies ergebe sich sodann aus dem folgenden Satz des BFH: „Der EAV im Rahmen eines Organschaftsverhältnisses ähnelt dem Fall, daß sich eine Gesellschaft verpflichtet, ihr gewerbliches Unternehmen für Rechnung der anderen Gesellschaft zu betreiben. Diese Verpflichtung steht auch handelsrechtlich einem Gewinnabführungsvertrag gleich, wie § 291 Abs. 1 Satz 2 des Aktiengesetzes (AktG) 1965 ausdrücklich klargestellt hat. Sie kann eine Gesellschaft nur treffen, solange diese überhaupt noch ein auf Erwerb gerichtetes Unternehmen betreibt. Das ist nach ihrer Auflösung nicht mehr der Fall.“ In der grundlegenden Sache habe die Anpassung der Organschaftsvoraussetzungen ab 2001 also nichts an der richtungsweisenden Feststellung des BFH aus dem Jahr 1967 geändert. Zwar sei unstreitig, dass vermögensverwaltende Gesellschaften und Vorratsgesellschaften auch Erwerbsgesellschaften und folglich Organgesellschaften sein könnten. Im vorliegenden Fall stelle die Klägerin zu 1. aber keine Erwerbsgesellschaft dar, da sie in Auflösung befindlich sei. Zudem sei zwar auch richtig, dass die Einstellung des Geschäftsbetriebs und die Veräußerung des Vermögens der Gesellschaft für sich allein die Auflösung der Gesellschaft nicht zwingend herbeiführen. Die Auflösung der Gesellschaft könne allerdings auch formlos beschlossen werden, wenn in der Auflösung keine Satzungsänderung liege. Sie bedürfe in diesem Fall zu ihrer Wirksamkeit nicht der Eintragung im Handelsregister. Eine Gesellschaft sei wirtschaftlich gesehen auch dann keine Erwerbsgesellschaft mehr, wenn sie ohne Auflösungsbeschluss ihre gewerbliche Tätigkeit einstelle und ihr Vermögen in Geld umsetze. Eine solche formlose Auflösung liege hier vor. Mit dem Gesellschafterbeschluss vom 28.11.2016 habe nicht nur die Betriebsabteilung zum 31.12.2016 geschlossen werden sollen, sondern auch die gesamte Verwaltungsabteilung. Laut „Interessenausgleich“ habe sogar die gesamte Gesellschaft stillgelegt werden sollen. Die erfolglosen Verkaufsbemühungen der Klägerin zu 1. in 2016, die Notwendigkeit des Beschlusses über die Schließung des Betriebs und der Verwaltung und die Entlassung sämtlicher Mitarbeiter sowie die seit Jahren schlechte wirtschaftliche Situation der Gesellschaft trotz diverser Umstrukturierungsmaßnahmen und dem Abschluss eines Sanierungstarifvertrags, ebenso wie die hohen Verluste (insbesondere in 2016) und die sehr deutliche Minderung der aktiven Bilanzposten und laufenden Aufwendungen bis 2018 deuteten zusätzlich auf einen Willen zur Auflösung hin. Hinzu komme die deutliche Minderung der Umsätze, insbesondere ab dem Veranlagungszeitraum 2018, als die laufenden Aufträge aus 2016 bereits nahezu abgeschlossen gewesen seien. Das operative Geschäft sei faktisch zum Erliegen gekommen. Die Aussage der Klägerin zu 1., dass in 2017 noch Aufträge neu begonnen worden seien, schließe nicht aus, dass diese in 2016 oder den Vorjahren bereits vereinbart und nur deren Ausführung in 2017 begonnen worden seien. Allein die Beendigung von Projekten und die daraus resultierenden Umsätze führten jedoch nicht dazu, dass weiterhin eine Erwerbsgesellschaft vorliege. Unerheblich sei daher, dass der Umsatz im Folgejahr 2017 annähernd so hoch gewesen sei wie in 2016 und sich die Abwicklung der bestehenden Aufträge über einen längeren Zeitraum hinziehe. Dies sei dem Geschäftsfeld der Klägerin zu 1. geschuldet. So lasse sich z.B. die Sanierung eines Tunnels nicht innerhalb kürzester Zeit realisieren. Zu vermuten sei, dass die entsprechenden bestehenden Aufträge mit einer gewissen Vorlaufzeit vereinbart worden seien und Abschlagszahlungen oder Fertigstellungen in 2017 zu den noch recht hohen Umsätzen geführt hätten. Umso auffälliger sei, dass der Umsatz in 2018 auf lediglich … Mio. € sinke. Darüber hinaus sei mit BFH-Urteil vom 10.05.2017 (l R 19/15) klargestellt worden, dass der Gesetzgeber mit dem Erfordernis der fünfjährigen Mindestdauer des EAV das Ziel verfolge, Manipulationen zu verhindern. Organschaften hätten nicht zum Zweck willkürlicher Beeinflussung der Besteuerung und zu Einkommensverlagerungen von Fall zu Fall abgeschlossen bzw. beendet werden können sollen. Im vorliegenden Fall sei dies nicht auszuschließen. Im Hinblick auf Missbrauchsproblematiken spreche also auch die Systemgerechtigkeit für die immanente Erforderlichkeit einer Erwerbsgesellschaft. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Klägerin zu 1. ab 2020 durch den Hinzuerwerb von operativen Aktivitäten per Asset Deal zur Organgesellschaft geworden sei, da dies nicht das Streitjahr betreffe. Ebenfalls sei unerheblich, ob der Asset Deal in 2020 und die Änderung der Firma und des Unternehmensgegenstandes (Beschluss vom 20.04.2020, Handelsregistereintragung am 13.05.2020) nur wenige Monate nach Bekanntgabe des BP-Berichts zum Zweck der Anerkennung der Organschaft oder aus betriebswirtschaftlichen Gründen erfolgt seien. Denn die Änderungen in 2020 könnten den in 2016 gefassten Entschluss zur Betriebseinstellung und die Absicht zur Auflösung und Abwicklung der Gesellschaft nicht rückwirkend beeinflussen (steuerliches Rückwirkungsverbot). Darüber hinaus müsse nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG der EAV auf mindestens fünf Zeitjahre abgeschlossen und auch tatsächlich durchgeführt werden. Lediglich ein wichtiger Grund könne die vorzeitige Beendigung des Vertrags rechtfertigen. Ein wichtiger Grund könne gemäß R 14.5 Abs. 6 Satz 3 KStR die Liquidation der Organgesellschaft sein. Bis zum Veranlagungszeitraum 2014 habe es nach der Auffassung der Finanzverwaltung der Annahme eines wichtigen Grundes nicht entgegengestanden, wenn eine vorzeitige Beendigung des EAV bereits bei Vertragsschluss festgestanden habe und der EAV etwa aufgrund Liquidation der Organgesellschaft beendet worden sei. Mit Einführung der R 14.5 Abs. 6 KStH 2015 sei diese Ausnahme allerdings weggefallen. Wenn nun also bereits bei Vertragsabschluss feststehe, dass die im EAV festgelegte Mindestdauer von fünf Jahren nicht eingehalten werden könne, liege auch im Fall einer Liquidation/Auflösung kein wichtiger Grund für eine vorzeitige Beendigung des Organschaftsverhältnisses vor. Im vorliegenden Fall habe sich die Klägerin zu 1. bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des EAV am 19.12.2016 in Auflösung befunden. Es liege daher kein wichtiger Grund für die vorzeitige Beendigung der Organschaft vor. Die Organschaft sei daher zutreffend rückwirkend als steuerlich unwirksam betrachtet worden.
22Hiergegen haben die Klägerinnen die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung tragen sie im Wesentlichen Folgendes vor: Trotz des am 28.11.2016 getroffenen Beschlusses habe die Klägerin zu 1. ihre bisherigen operativen Tätigkeiten im Streitjahr 2016 und in den Folgejahren weiter fortgesetzt. Ihre gewerbliche Tätigkeit habe sie teilweise durch eigene Arbeitnehmer und teilweise durch Subunternehmer ausgeführt. Sie sei weder liquidiert noch aufgelöst worden. Im Streitjahr habe sie weder ihr gesamtes Anlagevermögen veräußert noch ihren Geschäftsbetrieb eingestellt. Sie sei nicht abgewickelt worden, sondern habe sich weiterhin am Erwerbsleben beteiligt durch Vertragsneuabschluss bzw. wesentliche Auftragserweiterung im Zuge eines Großprojekts. Es habe nie die Absicht bestanden, die Klägerin zu 1. bzw. deren Geschäftstätigkeit zu liquidieren, aufzulösen bzw. abzuwickeln. Bei Beschlussfassung habe festgestanden, dass sie weiterhin gewerblich tätig sein solle. Der EAV vom 19.12.2016 sei im Streitjahr und in den Folgejahren gemäß der testierten Jahresabschlussberichte tatsächlich durchgeführt worden. Im Streitjahr 2016 hätten sich die Umsatzerlöse der Klägerin zu 1. auf insgesamt … Mio. € (2015: auf … Mio. €) belaufen. Die im Streitjahr 2016 erzielten Umsatzerlöse der Klägerin zu 1. seien auf die Bereiche … entfallen. Im Jahr 2017 habe sie Umsatzerlöse i.H.v. … Mio. € erzielt. Darin enthalten seien Erlöse aus Aufträgen, die erst in der zweiten Jahreshälfte 2017 begonnen und teilweise gänzlich durch eigenes Personal abgewickelt worden seien. Die Klägerin zu 1. habe im Geschäftsjahr 2017 mit der Durchführung eines weiteren Großprojekts begonnen, deren Teilbereiche in den Jahren 2019 bzw. 2022 abgeschlossen worden seien. Mit Vertrag vom 17.02.2020 (mit Wirkung zum 01.05.2020) habe sie weitere operative Aktivitäten per Asset Deal erworben. Das negative Jahresergebnis 2016 der Klägerin zu 1. sei nach Feststellung des testierten Berichts über die Prüfung des Jahresabschlusses zum 31.12.2016 aufgrund des bestehenden EAV von der Klägerin zu 2. ausgeglichen worden. Der testierte Jahresabschlussbericht 2016 weise für das Streitjahr einen Jahresüberschuss von … € aus. Der Ertrag aus Verlustübernahme betrage nach dem testierten Jahresabschlussbericht … €. Aufgrund der Ausgleichsverpflichtung in § 4 des EAV sei dieser Betrag zum 31.12.2016 zunächst als Forderung aktiviert und im Jahr 2017 durch Zahlung per Banküberweisung ausgeglichen worden. Das negative Jahresergebnis 2017 der Klägerin zu 1. sei nach Feststellung des testierten Berichts über die Prüfung des Jahresabschlusses zum 31.12.2017 aufgrund des bestehenden EAV ebenfalls von der Klägerin zu 2. ausgeglichen worden. Der testierte Jahresabschlussbericht 2017 weise für das Streitjahr ebenfalls einen Jahresüberschuss von … € aus. Der Ertrag aus Verlustübernahme betrage … €. Unabhängig von der Tatsache, dass die Klägerin zu 1. ihrer Ansicht nach im Streitjahr eine Erwerbsgesellschaft gewesen sei, sei dieses Erfordernis dem Gesetz nicht zu entnehmen. Die Behauptung des Beklagten, dass eine Voraussetzung für das Vorliegen einer ertragsteuerlichen Organschaft das Vorliegen einer Organgesellschaft als Erwerbsgesellschaft sei, gäben auch die Begründungen der von dem Beklagten angeführten BFH-Urteile nicht her. Weder das BFH-Urteil aus dem Jahr 1967 noch das BFH-Urteil aus dem Jahr 1971 hätten weitere Tatbestandvoraussetzungen für das Vorliegen einer ertragsteuerlichen Organschaft aufgestellt. Zudem seien die diesen Entscheidungen zu Grunde liegenden Sachverhalte nicht mit dem Streitfall vergleichbar. Der BFH habe in diesen Entscheidungen nur zu Gewinnfällen Stellung genommen. Zu „Einstellungsverlusten“ habe der BFH bisher keine Stellung bezogen. Die Auflösung einer Organgesellschaft habe nach Ansicht des BFH zur Folge, dass diese eine auf Erwerb gerichtete Tätigkeit nicht mehr ausüben könne. Der im Zeitraum der Abwicklung erzielte Gewinn solle dann nicht der Gewinnabführungsverpflichtung unterliegen. Denn die Verpflichtung der Organgesellschaft zur Abführung des Gewinns werde durch die Auflösung der Organgesellschaft beendet. Da der EAV zwischen Gesellschaften vor ihrer Auflösung (Erwerbsgesellschaften) geschlossen und der Fall der Auflösung der Organgesellschaft in der Regel nicht in Betracht gezogen werde, sei er so auszulegen, dass er nur auf die Abführung des Gewinns einer Erwerbsgesellschaft gerichtet sei. Die damalige Begründung entspreche nicht mehr der heutigen Rechtslage. Die Organschaftsvoraussetzungen hätten sich im Jahr 2001 dahingehend geändert, dass ab 2001 – neben dem Abschluss eines EAV – einzige Voraussetzung für das Bestehen einer ertragsteuerlichen Organschaft die finanzielle Eingliederung sei. In dem Urteil aus 1967 werde das Erfordernis einer Erwerbsgesellschaft dagegen noch insbesondere auch mit dem Tatbestandsmerkmal der wirtschaftlichen Eingliederung begründet. Es liege nahe, dass die Umstellung des Gesellschaftszwecks auf die eigene Abwicklung eine früher erforderliche wirtschaftliche Eingliederung beendet habe, da mit der veränderten Zielsetzung im Regelfall kein wirtschaftlicher Nutzen mehr aus dem Geschäftszweck der Organgesellschaft für die Organträgerin verbunden gewesen sein dürfte. Da die wirtschaftliche Eingliederung im Streitjahr jedoch keine gesetzlich normierte Voraussetzung für eine ertragsteuerliche Organschaft mehr sei, könnten aus der geplanten und/oder tatsächlichen Veränderung der Tätigkeit der Organgesellschaft keine negativen Auswirkungen für die steuerliche Anerkennung der Organschaft erwachsen. Nach den Grundsätzen des BFH-Urteils vom 17.02.1971 (I R 148/68) falle der Gewinn, den eine Organgesellschaft während ihrer (tatsächlichen) Abwicklung erziele, nicht unter die Ergebnisabführungsverpflichtung, wenn sie ohne förmlichen Auflösungsbeschluss ihre gewerbliche Tätigkeit einstelle und ihr Vermögen in Geld umsetze. Wenn die Grundsätze auf den Streitfall Anwendung finden sollten, müsste die Klägerin zu 1. ihren Geschäftsbetrieb für das Streitjahr 2016 eingestellt haben. Dies sei aber gerade nicht der Fall. Selbst ein formeller Liquidationsbeschluss ohne dessen tatsächliche Umsetzung führe nicht zum Eingreifen der Rechtsfolgen einer Liquidation (sog. Scheinliquidation). Erst recht könne ein reiner Beschluss zur Einstellung des Geschäftsbetriebs ohne entsprechende Umsetzungsmaßnahmen zu einer Versagung der Verpflichtungen aus dem EAV und der Rechtsfolgen der ertragsteuerlichen Organschaft führen. In beiden genannten BFH-Urteilen habe der BFH eine ergänzende Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) der den Streitfällen zugrundeliegenden EAV vorgenommen. Die EAV seien dahingehend auszulegen gewesen, dass sie nur auf die Abführung des Gewinns einer Erwerbsgesellschaft gerichtet seien. Eine ergänzende Vertragsauslegung i. S. von §§ 133, 157 BGB setze aber das Bestehen einer Regelungslücke im Vertrag voraus. Der EAV sei hier am 19.12.2016 geschlossen worden, also nach dem Beschluss der Gesellschafterversammlung der Klägerin zu 1. vom 28.11.2016 über die Einstellung der Betriebsabteilungen. Der EAV enthalte keine Einschränkungen bzgl. der Abführungs- bzw. Ausgleichsverpflichtung. Es existierten auch keine ausdrücklichen gesetzlichen Regelungen zur zivilrechtlichen Behandlung eines Abwicklungsgewinns bzw. -verlusts im Rahmen eines EAV. Der EAV sei hier auch tatsächlich durchgeführt worden (Übernahme des Verlusts 2016 durch die D GmbH). Zumindest von einer konkludenten Abrede der Parteien zur Abführung eines Abwicklungsergebnisses müsse aber ausgegangen werden, wenn alle Beteiligten einverständlich von einer bestimmten Vertragssituation ausgehen und entsprechend diesem Verständnis auch tatsächlich verfahren. Werde daher der (im Streitfall ihrer Ansicht nach ohnehin nicht gegebene) Abwicklungsgewinn ohne ausdrückliche (entgegenstehende) Regelung im EAV von der Organgesellschaft abgeführt bzw. ein Abwicklungsverlust vom Organträger ausgeglichen, sei dies auch ohne ausdrückliche vertragliche Vereinbarung maßgeblich. Nach dem im EAV zum Ausdruck gebrachten Parteiwillen solle das Ergebnis aus der Einstellung der Betriebsabteilungen gerade vom EAV umfasst sein. Der objektive Sinn, der Zweck des EAV für die Vertragsparteien, sei die umfassende Zurechnung des Ergebnisses der Organgesellschaft zur Organträgerin. Dies gelte gerade auch für den Fall der Einstellung des Geschäftsbetriebs der Organgesellschaft. Insoweit komme eine einschränkende Auslegung gegen den objektiven Wortlaut nicht in Betracht. Im Gegenteil sprächen die objektiven Umstände dafür, dass jedweder Gewinn der Organgesellschaft abzuführen bzw. ein entsprechender Verlust auszugleichen sei. Die Verlustübernahme stelle auch eine wichtige Sicherung der Gesellschaft und ihrer Gläubiger gegen den Verlust ihrer bilanzmäßigen Vermögenssubstanz dar. Während der Dauer der Verträge verhindere sie eine Überschuldung der Gesellschaft. Einen „Einstellungsverlust“ der Organgesellschaft aus der Verlustübernahmeverpflichtung des EAV auszunehmen, widerspräche also dem Gläubigerschutzgedanken des § 302 AktG. Der Abschluss eines EAV in einer solchen Situation sei entgegen der Ansicht des Beklagten auch nicht rechtsmissbräuchlich. Die Möglichkeit eines EAV mit den Wirkungen einer ertragsteuerlichen Organschaft sehe das Gesetz ausdrücklich in § 14 KStG vor. Auch § 291 AktG enthalte keine Einschränkungen. Ein Missbrauch werde durch die Mindestlaufzeit des EAV und die tatsächliche Durchführung des EAV vermieden. Nach R 14.5 Abs. 5 Nr. 4 KStR stehe der Durchführung eines EAV auch nicht entgegen, wenn die Organgesellschaft ständig Verluste erwirtschafte. Schließlich sei vorliegend der EAV entgegen den Behauptungen des Beklagten nicht vorzeitig beendet worden. Der EAV sei weder gekündigt noch in anderer Weise vorzeitig beendet worden. Es bedürfe daher keines wichtigen Grundes für eine nicht vorliegende vorzeitige rechtliche Beendigung des EAV. Im Übrigen habe nicht bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses festgestanden, dass die Mindestlaufzeit des EAV von fünf Jahren nicht erfüllt werden könne. Vielmehr werde der nach wie vor bestehende EAV tatsächlich durchgeführt.
23Zu ihrem Klageantrag tragen die Klägerinnen vor, dieser berücksichtige betragsmäßig die Ergebnisse des BP-Berichts vom 27.09.2019 für die Jahre 2015 bis 2016 und die Ergebnisse aus der Lohnsteueraußenprüfung für die Jahre 2013 bis 2015. Die Beträge seien zwischen den Beteiligten unstreitig.
24Die Klägerinnen beantragen,
25unter Aufhebung des Bescheides für 2016 vom 25.02.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.11.2022 den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des dem Organträger zuzurechnenden Einkommens der Organgesellschaft und damit zusammenhängender anderer Besteuerungsgrundlagen nach § 14 Abs. 5 KStG vom 11.04.2018 dahingehend zu ändern, dass dort festgestellt wird,
26a) Die Klägerin zu 2. ist im Wirtschaftsjahr vom 01.01.2016 bis 31.12.2016 Organträgerin der Klägerin zu 1.
27b) Das dem Organträger zuzurechnende Einkommen der Organgesellschaft beträgt … €
28c) Minderabführungen, die ihre Ursache in organschaftlicher Zeit haben: … €
29d) Minderabführungen, die ihre Ursache in vororganschaftlicher Zeit haben: … €,
30hilfsweise, die Revision zuzulassen.
31Der Beklagte beantragt,
32die Klage abzuweisen,
33hilfsweise, die Revision zuzulassen.
34Zur Begründung verweist er auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung. Zu den im Klageantrag der Klägerinnen genannten Beträgen trägt der Beklagte vor, diese seien auch aus seiner Sicht tatsächlich unstreitig.
35Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze, den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Steuerakten des Beklagten Bezug genommen.
36Der Senat hat am 27.03.2025 mündlich verhandelt. Insoweit wird auf das Protokoll verwiesen.
37Entscheidungsgründe
38I. Die Klagen der beiden Klägerinnen sind jeweils zulässig und begründet.
391. Die Anfechtungsklage (§ 40 Abs. 1, 1. Var. der Finanzgerichtsordnung – FGO) ist die statthafte Klageart. Die Klägerinnen begehren zunächst, die Aufhebung des ursprünglichen Bescheids über die gesonderte und einheitliche Feststellung des dem Organträger zuzurechnenden Einkommens der Organgesellschaft und damit zusammenhängender anderer Besteuerungsgrundlagen nach § 14 Abs. 5 KStG aufzuheben. Darüber hinaus begehren sie die Feststellung von Beträgen, die von dem ursprünglichen Bescheid abweichen. Dies ist im Wege des § 100 Abs. 2 FGO möglich. Mit der von den Klägerinnen zunächst begehrten Aufhebung des Bescheides vom 25.02.2020 lebt der ursprüngliche Bescheid vom 11.04.2018 wieder auf und kann – da er hier mitangefochten wird – durch das Gericht nach § 100 Abs. 2 FGO geändert werden. Auch stand der ursprüngliche Feststellungsbescheid vom 11.04.2018 zum Zeitpunkt seiner streitgegenständlichen Aufhebung noch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung und war damit noch änderbar (§ 42 FGO).
402. Die Aufhebung des Bescheides über die gesonderte und einheitliche Feststellung des dem Organträger zuzurechnenden Einkommens der Organgesellschaft und damit zusammenhängender anderer Besteuerungsgrundlagen nach § 14 Abs. 5 KStG war rechtswidrig und verletzt die Klägerinnen zu 1. und zu 2. in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
41Nach § 14 Abs. 5 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes in der im Streitjahr 2016 geltenden Fassung (KStG) werden das dem Organträger zuzurechnende Einkommen der Organgesellschaft und damit zusammenhängende andere Besteuerungsgrundlagen gegenüber dem Organträger und der Organgesellschaft gesondert und einheitlich festgestellt. Die Feststellungen sind für die Besteuerung des Einkommens des Organträgers und der Organgesellschaft bindend (§ 14 Abs. 5 Satz 2 KStG).
42Der Senat folgt dabei der Auffassung, dass in der einheitlichen und gesonderten Feststellung nach § 14 Abs. 5 KStG neben der Einkommenszurechnung auch über das Bestehen einer Organschaft als solches, als Grund der Einkommenszurechnung, entschieden wird (vgl. dazu Finanzgericht – FG – Düsseldorf, Urteile vom 24.11.2020, 6 K 3291/19 F, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2021, 228 m. w. N. und vom 20.11.2024, 7 K 2466/22 F, EFG 2025, 269). Dies muss aus Sicht des Senats erst recht gelten, wenn – wie vorliegend – zunächst ein positiver Bescheid gemäß § 14 Abs. 5 Satz 1 KStG vorlag, der durch einen folgenden Bescheid aufgehoben wird, weil aus Sicht des Finanzamtes die Voraussetzungen einer Organschaft nach §§ 14 ff. KStG nicht gegeben sind (so auch FG Düsseldorf, Urteile vom 24.11.2020, 6 K 3291/19 F, EFG 2021, 228 und vom 20.11.2024, 7 K 2466/22 F, EFG 2025, 269).
43Der Beklagte ist vorliegend zu Unrecht davon ausgegangen, dass zwischen der D GmbH als Organträgerin und der Klägerin zu 1. als Organgesellschaft bereits im Jahr 2016 (Streitjahr) keine wirksame Organschaft i.S. des § 14 KStG begründet wurde, weil deren steuerrechtlichen Voraussetzungen nicht vorlagen.
44Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG ist das Einkommen der Organgesellschaft unter bestimmten Voraussetzungen dem Träger des Unternehmens (Organträger) zuzurechnen, wenn sich eine Europäische Gesellschaft, Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien mit Geschäftsleitung und Sitz im Inland (Organgesellschaft) durch einen Gewinnabführungsvertrag i.S. des § 291 Abs. 1 des Aktiengesetzes (AktG) verpflichtet, ihren ganzen Gewinn an ein einziges anderes gewerbliches Unternehmen abzuführen. Sofern sich eine andere als die in § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG bezeichnete Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung und Sitz im Inland (und damit auch eine inländische GmbH wie hier die Klägerin zu 1.) wirksam verpflichtet, ihren ganzen Gewinn an ein anderes Unternehmen i.S. des § 14 KStG abzuführen, gelten nach § 17 Satz 1 KStG die §§ 14 bis 16 KStG entsprechend. Darüber hinaus sind die zusätzlichen Voraussetzungen des § 17 Satz 2 KStG zu berücksichtigen.
45Eine der Voraussetzungen des § 14 KStG ist, dass der Organträger an der Organgesellschaft vom Beginn ihres Wirtschaftsjahrs an ununterbrochen in einem solchen Maße beteiligt ist, dass ihm die Mehrheit der Stimmrechte aus den Anteilen an der Organgesellschaft zusteht (finanzielle Eingliederung, siehe § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 KStG). Dies ist hier unstreitig erfüllt.
46Darüber hinaus muss der Vertrag auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen und während seiner gesamten Geltungsdauer durchgeführt sein (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG). Mit dem zuletzt angeführten Erfordernis der fünfjährigen Mindestdauer des Gewinnabführungsvertrags verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, Manipulationen zu verhindern: Die Organschaft soll nicht zum Zweck willkürlicher Beeinflussung der Besteuerung und zu Einkommensverlagerungen von Fall zu Fall abgeschlossen bzw. beendet werden können (BFH, Urteil vom 10.05.2017, I R 19/15, BFHE 258, 344, BStBl II 2019, 81, m.w.N.).
47Auch dies ist hier gegeben. Der EAV zwischen der Klägerin zu 1 und der D GmbH erfüllte die Bedingung der Mindestvertragslaufzeit von fünf Jahren (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG). Hierfür reicht es aus, dass ein EAV auf mindestens fünf Zeitjahre vereinbart wird (BFH, Urteil vom 12.01.2011 I R 3/10, BFHE 232, 426, BStBl II 2011, 727). Dies ist im vorliegenden Fall in § 6 Nr. 2 des EAV ausdrücklich geschehen.
48Entgegen der Ansicht des Beklagten führte auch der bereits am 28.11.2016 (und damit vor Abschluss des EAV) gefasste Beschluss der D GmbH nicht dazu, dass es an den Voraussetzungen für das Vorliegen einer Organschaft fehlte. Nach diesem Beschluss sollten alle Betriebsabteilungen einschließlich des Verwaltungsbereichs der Klägerin zu 1. mit Wirkung zum 31.12.2016 komplett geschlossen werden. Bis zu diesem Zeitpunkt sollte die Geschäftstätigkeit eingestellt werden und die Aktivitäten in den einzelnen Betriebsabteilungen sollten ab diesem Zeitpunkt nach Abschluss etwaiger Restarbeiten endgültig eingestellt werden.
49a) Zum einen führen die vorgenannten Umstände nicht dazu, dass die Rechtsprechung des BFH mit seinen Urteilen vom 18.10.1967 (I 262/63, BFHE 90, 370, BStBl II 1968, 105) und vom 17.02.1971 (I R 148/68, BFHE 101, 509, BStBl II 1971, 411) einem anzuerkennenden Organschaftsverhältnis entgegen stand.
50aa) Nach dieser Rechtsprechung muss in einem Organschaftsverhältnis die Organgesellschaft eine sog. Erwerbsgesellschaft sein. Zu diesem Merkmal der Erwerbsgesellschaft hat der BFH hat in seinem Urteil vom 18.10.1967 (I 262/63, BFHE 90, 370, BStBl II 1968, 105) ausgeführt, dass im Falle der Auflösung einer Organgesellschaft zwar die von ihr abgeschlossenen Verträge und damit auch ein Ergebnisabführungsvertrag (EAV) weiterbestehen, da die Gesellschaft, wenn auch mit verändertem Zweck, im Zeitraum der Abwicklung fortbestehe. Die Verpflichtung der Organgesellschaft zur Abführung des Gewinns werde jedoch durch die Auflösung der Organgesellschaft beendet. Da der EAV zwischen Gesellschaften vor ihrer Auflösung (Erwerbsgesellschaften) geschlossen und der Fall der Auflösung der Organgesellschaft in der Regel nicht in Betracht gezogen werde, sei er so auszulegen (§§ 133, 157 BGB), dass er auf die Abführung des Gewinns einer Erwerbsgesellschaft gerichtet sei. Dafür spreche auch der Zusammenhang des EAV mit dem Organschaftsverhältnis, das dadurch gekennzeichnet sei, dass die Organgesellschaft finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das andere Unternehmen eingegliedert sei. Der EAV im Rahmen eines Organschaftsverhältnisses ähnele dem Fall, dass sich eine Gesellschaft verpflichtet, ihr gewerbliches Unternehmen für Rechnung der anderen Gesellschaft zu betreiben. Diese Verpflichtung stehe auch handelsrechtlich einem Gewinnabführungsvertrag gleich, wie § 291 Abs. 1 Satz 2 des Aktiengesetzes (AktG) 1965 ausdrücklich klargestellt habe. Sie könne eine Gesellschaft nur treffen, solange diese überhaupt noch ein auf Erwerb gerichtetes Unternehmen betreibe. Das sei nach ihrer Auflösung nicht mehr der Fall. Durch die Auflösung werde aus der Erwerbsgesellschaft eine Abwicklungsgesellschaft. Ihr Zweck sei nicht mehr auf Erwerb, sondern auf „Selbstvernichtung in gesetzlich geregelter Weise“ gerichtet. Hinzu komme Folgendes: Der auf Grund eines EAV abzuführende Gewinn werde in der Regel auf Grund des Jahresabschlusses der Organgesellschaft unter Beachtung der dafür geltenden handelsrechtlichen Vorschriften über den höchstzulässigen Wert ermittelt (§§ 41, 42 GmbHG). Ein Gewinn oder Verlust nach den handelsrechtlichen Vorschriften über die Jahresbilanz werde aber im Zeitraum der Abwicklung nicht mehr ermittelt. Denn für die Abwicklungsbilanzen der Gesellschaft (§ 71 GmbHG) würden, da sie nicht der Ermittlung des verteilbaren Gewinns, sondern der Ermittlung des verteilbaren Vermögens dienen, andere Bewertungsgrundsätze als für die Jahresbilanzen der Erwerbsgesellschaft gelten. Insbesondere würden die Anschaffungs- oder Herstellungskosten nicht mehr als obere Grenze für die Bewertung gelten. Die Vermögensgegenstände seien vielmehr mit ihrem voraussichtlichen Veräußerungswert anzusetzen oder könnten jedenfalls mit diesem Wert angesetzt werden. Das gleiche gelte im Steuerrecht. Schließlich dürfe ein EAV rechtlich gar nicht bestimmen, dass auch „der im Zeitraum der Abwicklung erzielte Gewinn“, wie ihn das Steuerrecht nenne, abzuführen sei. Denn dieser Gewinn, der sich vor allem aus der Auflösung stiller Reserven bei der Veräußerung von Wirtschaftsgütern im Zuge der Abwicklung ergeben könne, sei kein verteilbarer Reingewinn (§ 29 GmbHG), sondern gehöre zu dem Vermögen der Gesellschaft, das nach §§ 72, 73 GmbHG nach dem Verhältnis der Geschäftsanteile an die Gesellschafter zu verteilen sei. Auf diese Abwicklungsquote hätten die Gesellschafter einen Anspruch, der nur durch den ursprünglichen Gesellschaftsvertrag oder durch nachträgliche Satzungsänderung mit Zustimmung der betroffenen Gesellschafter eingeschränkt werden könne. Handelsrechtlich sei daher der sog. Abwicklungsgewinn in Wahrheit kein „Gewinn“, sondern „Vermögen“, so dass auch begriffliche Erwägungen dagegen sprächen, auf ihn einen EAV zu erstrecken. Das neue AktG spreche nicht für, sondern gegen die Auffassung, dass der EAV auch den im Zeitraum der Abwicklung erzielten Gewinn erfasse. Nach § 301 AktG 1965 könne eine Gesellschaft als ihren Gewinn höchstens den ohne die Gewinnabführung entstehenden Jahresüberschuss, vermindert um den Verlustvortrag aus dem Vorjahr und um den Betrag, der nach § 300 AktG 1965 in die gesetzliche Rücklage einzustellen sei, abführen. Aus dieser Umschreibung ergebe sich, dass nur ein Betrag gemeint sein könne, der nach den Vorschriften über den Jahresabschluss der Erwerbsgesellschaft ermittelt werde (§§ 148ff. AktG 1965). Diese Vorschriften würden aber im Wesentlichen nicht mehr für die Eröffnungsbilanz und den Jahresabschluss der Abwicklungsgesellschaft (§ 270 AktG 1965) gelten. Insbesondere fänden die Vorschriften über die Wertansätze in der Jahresbilanz keine Anwendung. § 301 AktG 1965 habe aber gerade den Sinn, die Abführung höherer Gewinne, als sie sich bei Anwendung der für die Jahresbilanz der Erwerbsgesellschaft geltenden Bewertungsvorschriften ergeben, zu unterbinden und damit einer Aushöhlung der zur Gewinnabführung verpflichteten Gesellschaft vorzubeugen. Den Gewinnabführungsvertrag (§ 291 Abs. 1 AktG 1965) auch auf den im Zeitraum der Abwicklung erzielten Gewinn zu erstrecken, stünde daher mit dem Wortlaut und mit dem Zweck des Gesetzes im Widerspruch.
51Ergänzend hat der BFH in seinem Urteil vom 17.02.1971 (I R 148/68, BFHE 101, 509, BStBl II 1971, 411) ausgeführt, dass eine Gesellschaft wirtschaftlich gesehen auch dann keine Erwerbsgesellschaft mehr sei, wenn sie ohne Auflösungsbeschluss ihre gewerbliche Tätigkeit einstelle und ihr Vermögen in Geld umsetze (vgl. § 70 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG). Es sei zwar richtig, dass die Einstellung des Geschäftsbetriebs und die Veräußerung des Vermögens der Gesellschaft für sich allein die Auflösung der Gesellschaft nicht herbeiführen. Andererseits könne die Auflösung der Gesellschaft auch formlos beschlossen werden, wenn in der Auflösung keine Satzungsänderung liege. Sie bedürfe in diesem Fall zu ihrer Wirksamkeit nicht der Eintragung im Handelsregister.
52Die Finanzverwaltung folgt dieser Rechtsprechung. So lautet etwa H 14.6 KStH: „Stellt eine Organgesellschaft ohne förmlichen Auflösungsbeschluss ihre gewerbliche Tätigkeit nicht nur vorübergehend ein und veräußert sie ihr Vermögen, fällt der Gewinn, den sie während der tatsächlichen Abwicklung erzielt, nicht mehr unter die Gewinnabführungsverpflichtung.”
53In der gegenwärtigen Literatur stößt die genannte Rechtsprechung des BFH dagegen inzwischen überwiegend auf Kritik (etwa Walter in: Bott/Walter, KStG, 182. Ergänzungslieferung, März 2025, § 14 KStG, Rn. 84, 780; Hierstetter in: Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, 3. Auflage 2024, Kapitel 23 Organschaft und Umwandlung/Umstrukturierung/Unternehmenskauf, Rn. 23.23; Prinz/Solowjeff, DB 2023, 1433; Baumgartner, BB 2020, 1241; Prinz/Ludwig, DB 2020, 1137; Bahns/Graw, DB 2008, 1645; dem BFH allerdings weiter folgend: Hageböke in: Rödder/Herlinghaus/Neumann, Körperschaftsteuergesetz, 2. Auflage 2023, § 11 KStG, Rn. 50).
54bb) Der Senat lässt es dahinstehen, ob die vorgenannte bereits ältere Rechtsprechung des BFH für die Regelungen zur Organschaft in ihrer aktuellen Ausgestaltung noch uneingeschränkt gilt. Nach Ansicht des Senats greift diese Rechtsprechung im hier vorliegenden Fall nämlich schon nicht ein, da hier gerade keine Liquidation oder (formlose) Auflösung der Klägerin zu 1. im Raum steht, sondern am 28.11.2016 lediglich eine „Stilllegung“ der Klägerin zu 1. beschlossen wurde.
55Die Annahme eines konkludenten Auflösungsbeschlusses kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn etwa sämtliche Gesellschafter wechselseitig und aufeinander bezogen die Gesellschaft aufkündigen, oder wenn ein vorliegender Beschluss zwar nicht das Wort „Auflösung” enthält, aber anordnet, die Gesellschaft „sofort still zu liquidieren” (vgl. Hierstetter, BB 2015, 859, m.w.N.). Der Beschluss der Gesellschafter über die Einstellung, Stilllegung oder Veräußerung des Betriebs einer Kapitalgesellschaft beinhaltet auch nach Auffassung des BFH regelmäßig nicht die Auflösung der Gesellschaft (vgl. Hierstetter, BB 2015, 859, m.w.N.). Die Gesellschafter müssen vielmehr für klare Verhältnisse sorgen, aus denen sich die Auflösung eindeutig ergibt (vgl. Hierstetter, BB 2015, 859, m.w.N.). Im vorliegenden Fall stand aber – was der Beschluss vom 28.11.2016 zeigt – lediglich eine Stilllegung der Klägerin zu 1. im Raum bzw. war eine solche beabsichtigt.
56Zudem ist der Geschäftsbetrieb der Klägerin zu 1. trotz des Beschlusses vom 28.11.2016 und den hierzu getroffenen Maßnahmen (z.B. Kündigungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern) in der Folge tatsächlich nicht eingestellt worden. Trotz des am 28.11.2016 getroffenen Beschlusses hat die Klägerin zu 1. ihre bisherigen operativen Tätigkeiten im Streitjahr 2016 und in den Folgejahren weiter fortgesetzt. Ihre gewerbliche Tätigkeit hat sie teilweise durch eigene Arbeitnehmer und teilweise durch Subunternehmer ausgeführt. Zudem ist der EAV vom 19.12.2016 im Streitjahr und in den Folgejahren gemäß der testierten Jahresabschlussberichte tatsächlich durchgeführt worden. Die Klägerin zu 1. hat im Jahr 2017 mit der Durchführung eines Großprojekts begonnen, deren Teilbereiche in den Jahren 2019 bzw. 2022 abgeschlossen worden sind. Mit Vertrag vom 17.02.2020 (mit Wirkung zum 01.05.2020) hat sie dann weitere operative Aktivitäten per Asset Deal erworben.
57bb) Auch eine Auslegung des EAV vom 19.12.2016 nach §§ 133, 157 BGB würde jedenfalls im hier vorliegenden Fall nicht zu dem Ergebnis führen, dass dieser ab dem „Stilllegungsbeschluss“ vom 28.11.2016 nicht mehr gelten sollte. Denn dies würde den EAV ins Leere laufen lassen, was wiederum von den Vertragsparteien nicht gewollt gewesen sein kann. Denn der EAV ist hier gerade – anders als in den den BFH-Urteilen vom 18.10.1967 (I 262/63) und vom 17.02.1971 (I R 148/68) zugrundeliegenden Fällen – zeitlich erst nach dem „Stilllegungsbeschluss“ geschlossen worden.
58b) Zum anderen ist auch nicht ersichtlich, dass die Vertragsparteien schon im Zeitpunkt des Abschlusses des EAV davon ausgegangen waren, dass dieser (konkret zeitlich fixiert) vor Ablauf der fest vereinbarten Vertragslaufzeit beendet werden würde. Es kommt damit nicht in Betracht, das Organschaftsverhältnis schon unter dem Gesichtspunkt einer nicht ernsthaft vereinbarten Mindestlaufzeit steuerrechtlich nicht anzuerkennen (siehe dazu R 60 Abs. 6 Satz 3 KStR 2004; BFH, Urteil vom 13.11.2013, I R 45/12, BFHE 244, 277, BStBl II 2014, 486).
59c) Dass im Übrigen die tatsächliche Durchführung des EAV nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG im vorliegenden Fall aus sonstigen Gründen nicht über die gesamte Mindestvertragslaufzeit von fünf Zeitjahren erfolgt wäre, ist nicht ersichtlich und steht zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit.
60Nach der Rechtsprechung des BFH setzt die tatsächliche Durchführung des EAV voraus, dass er entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen vollzogen wird. Dies bedeutet u.a., dass die nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ermittelten Gewinne tatsächlich durch Zahlung oder Verrechnung an den Organträger abgeführt werden (BFH, Urteil vom 05.04.1995, I R 156/93, BFHE 177, 429 BFH, Urteile vom 02.11.2022 (I R 29/19, BFHE 278, 469, BStBl II 2023, 405 und I R 37/19, BFHE 278, 480, BStBl II 2023, 409).
61Da auf dieser Grundlage jedenfalls in dieser Hinsicht zwischen den Beteiligten kein Streit über die Erfüllung der sich aus dem EAV ergebenden Verpflichtungen und damit auch über die tatsächliche Durchführung des EAV besteht, sieht der Senat hierzu von weiteren Ausführungen ab.
623. Hinsichtlich der von den Klägerinnen begehrten festzustellenden Beträge besteht vorliegend kein Streit, sodass der durch die Aufhebung des Aufhebungsbescheids vom 25.01.2020 wieder aufgelebte ursprüngliche Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des dem Organträger zuzurechnenden Einkommens der Organgesellschaft und damit zusammenhängender anderer Besteuerungsgrundlagen nach § 14 Abs. 5 KStG vom 11.04.2018 entsprechend des Antrags der Klägerinnen zu ändern ist.
634. Von einer ausdrücklichen Tenorierung, dass (wie beantragt) auch festgestellt werden soll, dass die D GmbH im Wirtschaftsjahr vom 01.01.2016 bis 31.12.2016 Organträgerin der Klägerin zu 1. ist, sieht der Senat ab. Denn diese bereits im Ursprungsbescheid vom 11.04.2018 getroffene Feststellung lebt – ebenso wie die weiteren dort getroffenen und nicht vom hiesigen Klageantrag umfassten Feststellungen – bereits durch die Aufhebung des Aufhebungsbescheides vom 25.02.2020 wieder auf.
64II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
65III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
66IV. Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1, 2 FGO zuzulassen. Zu der Frage, ob ein steuerrechtlich anzuerkennendes Organschaftsverhältnis auch dann vorliegen kann, wenn zwar keine Auflösung der Organgesellschaft (formlos) erfolgt ist, aber ein Stilllegungsbeschluss getroffen worden ist, liegt bislang keine höchstrichterliche Rechtsprechung vor. Diese Frage ist klärungsbedürftig.