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Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 21.02.2022 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 27.05.2022, vom 25.07.2022 und letztlich der Einspruchsentscheidung vom 26.07.2022 verpflichtet, der Klägerin Kindergeld für das Kind B für den Zeitraum März bis August 2022 in voller gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
2Streitig ist, ob der Klägerin für den Zeitraum März bis August 2022 (Streitzeitraum) ein Anspruch auf ungekürztes Kindergeld für ihr Kind B zusteht.
3Die in C geborene Klägerin besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit und ist gemäß Bescheinigung des Finanzamts C vom 13.03.2020 (jedenfalls) seit dem …10.2019 unbeschränkt steuerpflichtig in Deutschland.
4Im Oktober 2019 beantragte die Klägerin bei der Beklagten nach (Wieder-)Einreise in Deutschland die Festsetzung von Kindergeld für ihr am …07.2015 in Großbritannien geborenes Kind B, welches ebenfalls die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und bei ihr in Deutschland lebte. Der Kindesvater (D, wohnhaft in E [Stadt in Großbritannien]) habe in Großbritannien bis September 2019 Child benefit bezogen. Er sei dort seit ca. 2000 bis dato in der Gastronomie beschäftigt.
5Mit Bescheid vom 04.06.2020 setzte die Beklagte gegenüber der Klägerin vorläufig Differenzkindergeld ab Oktober 2019 fest. Dazu teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass nach den Angaben der Klägerin für das Kind B gleichzeitig auch in dem Vereinigten Königreich ein Anspruch auf Familienleistungen bestehe. Der Kindergeldanspruch der Klägerin nach deutschem Recht sei deshalb unter Berücksichtigung der dort vorgesehenen Leistungen zu prüfen. Bei der Beurteilung des Anspruchs komme es nicht darauf an, ob die ausländischen Leistungen tatsächlich gezahlt werden oder mangels Antragstellung nicht gezahlt werden. Bei dem Vergleich des Kindergeldes mit den ausländischen Leistungen ergebe sich, dass der Bruttobetrag der ausländischen Leistungen niedriger sei als das der Klägerin zustehende Kindergeld. Der sich daraus ergebende Unterschiedsbetrag werde ab Oktober 2019 vorläufig festgesetzt. Eine endgültige Entscheidung über die Höhe des Kindergeldes erfolge, wenn eine Bescheinigung über die Höhe der in dem Vereinigten Königreich zustehenden Familienleistungen vorliege. Diese Bescheinigung werde im Zusammenhang mit der nächsten Überprüfung des Kindergeldanspruchs angefordert.
6Hierauf teilte die Klägerin dem Beklagten mit Schreiben vom 09.07.2020 mit, dass es nicht stimme, dass für ihr Kind im Vereinigten Königreich auch ein Anspruch auf Kindergeld bestehe. Ihr Sohn habe nur den deutschen Pass. Sie sei wieder nach Deutschland zurückgewandert und habe alle ihre Ansprüche dort gekündigt, weil sie dort nicht mehr ansässig sei. Sie habe keinen Wohnsitz mehr in Großbritannien und somit auch keinen Anspruch mehr. Zu ihrem Ehemann habe sie keinen Kontakt mehr.
7Daraufhin stellte die Beklagte am 14.07.2020 bei der britischen Verbindungsstelle („HM Revenue and Customs“) ein „Ersuchen zur Entscheidung über die Zuständigkeit“ auf dem Vordruck F001 nebst Anlagen (u.a. den bei ihr eingegangenen Kindergeldantrag der Klägerin). Darin teilte sie der Verbindungsstelle u.a. mit, dass sie – die Beklagte – nach Prüfung der Sach- u. Rechtslage zu dem Ergebnis gekommen sei, dass Deutschland ab dem 01.10.2019 nachrangig für die Zahlung von Familienleistungen zuständig sei, da der Kindesvater eine Erwerbstätigkeit in Großbritannien ausübe. Sie bitte daher, das Vorliegen eines britischen Kindergeldanspruchs zu prüfen. Am 27.10.2020 erinnerte die Beklagte an die Beantwortung des Ersuchens auf dem Vordruck X009. Wegen der Einzelheiten wird auf die genannten Unterlagen verwiesen.
8Am 12.11.2020 reagierte die britische Verbindungsstelle hierauf mit dem Vordruck F027 wie folgt: „We are waiting for a reply to our enquiries and will advise you of the outcome as soon as a reply is received.“ Am 26.01.2021 antwortete sie dann auf dem Vordruck F002: „THE CONDITIONS TO CLAIM A DERIVED RIGHT TO UK FAMILY BENEFITS UNDER EU LEGISLATION CANNOT BE ESTABLISHED. WE HAVE NOT RECEIVED A REPLY TO OUR ENQUIRIES.“
9Daraufhin versandte die Beklagte einen Fragebogen an die Klägerin. In diesem füllte die Klägerin u.a. aus, dass der Kindesvater seit 2009 bis jetzt in einem Hotel arbeite. Er lebe in Großbritannien. Wegen der Einzelheiten wird auf den von der Klägerin ausgefüllten Fragebogen verwiesen.
10Auf die Anfrage der Klägerin, warum ihr das Kindergeld nicht vollständig ausgezahlt werde, obwohl im Vereinigten Königreich kein Anspruch auf Kindergeld bestehe, antwortete die Beklagte mit Schreiben vom 22.10.2021 im Wesentlichen Folgendes: Der andere Elternteil übe im Vereinigten Königreich eine Erwerbstätigkeit aus bzw. erfülle einen gleichgestellten Tatbestand. Sie – die Klägerin – lebe dagegen mit dem Kind in Deutschland und übe keine Erwerbstätigkeit aus bzw. erfülle keinen gleichgestellten Tatbestand. Somit sei das Vereinigte Königreich für die Zahlung von Familienleistungen vorrangig zuständig. Im Vereinigten Königreich habe der Anspruch nicht festgestellt werden können, da dort der Antrag wegen fehlender Mitwirkung abgelehnt worden sei.
11Daraufhin übersandte die Klägerin der Beklagten am 29.12.2021 ein Schreiben der britischen Kindergeldstelle (HM Revenue and Customs) vom 10.03.2020 als Nachweis dafür, dass sie aus dem Vereinigten Königreich kein Kindergeld beziehe und auch kein Anrecht auf Kindergeld habe. Die Beklagte ließ dieses Schreiben der britischen Behörde amtlich übersetzen. Danach steht dort auszugsweise: „[…] vielen Dank für Ihre Mitteilung, dass Sie das Vereinigte Königreich […] verlassen haben. […] Es bedeutet, dass Sie für B ab dem … November 2019 kein Kindergeld mehr erhalten. […] Wir können Ihnen ab einschließlich … November 2019 kein Kindergeld mehr zahlen.“
12Mit Schreiben vom 21.02.2022 forderte die Beklagte die Klägerin auf, für den Erhalt des vollen Kindergeldes selbst einen Antrag bei der britischen Verbindungsstelle zu stellen.
13Gleichzeitig erteilte sie gegenüber der Klägerin unter dem 21.02.2022 einen Bescheid, mit dem sie die vorläufige Festsetzung des Kindergeldes für die Zeit ab März 2022 nunmehr für endgültig erklärte. Das Vereinigte Königreich sei für die Zahlung von Familienleistungen vorrangig zuständig. Die Berechnung könne die Klägerin der Anlage zu diesem Bescheid entnehmen. In der genannten Anlage wird der der Klägerin zustehende Unterschiedsbetrag für den Zeitraum ab März 2022 wie folgt berechnet:
14Ausländische Familienleistungen in Höhe von 91,65 GBP
15Umrechnungskurs 0,86285 106,22 €
16Kindergeld nach dem EStG 219,00 €
17Unterschiedsbetrag 112,78 € x 1 Monat(e) = 112,78 €
18Unterschiedsbetrag insgesamt 112,78 €
19Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein. Sie habe der Beklagten bereits den Brief der britischen Kindergeldstelle vom 10.03.2020 zugesandt. Darin habe nicht gestanden, dass sie abgelehnt worden sei, sondern, dass sie keinen Anspruch habe, da sie im Ausland lebe.
20Mit Änderungsbescheid vom 27.05.2022 setzte die Beklagte den Unterschiedsbetrag gegenüber der Klägerin ab März 2022 wieder vorläufig fest Eine endgültige Entscheidung über die Höhe des Kindergeldes werde erfolgen, wenn eine Bescheinigung über die Höhe der in dem Vereinigten Königreich zustehenden Familienleistungen vorliege.
21Hierzu übersandte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin der Beklagten erneut das Schreiben der britischen Kindergeldstelle vom 10.03.2020 und bat um eine abschließende Bescheidung. Daraufhin übersandte die Beklagte der Klägerin erneut einen Fragebogen, den diese wiederum erneut ausgefüllt zurücksandte.
22Mit Bescheid vom 25.07.2022 änderte die Beklagte die Festsetzung des Kindergeldes insoweit, als dass das Kindergeld ab August 2022 vorläufig in Höhe von nunmehr 108,07 € monatlich festgesetzt wurde. Dieser Betrag errechne sich gemäß der Anlage zu diesem Bescheid für den Zeitraum ab August 2022 wie folgt:
23Ausländische Familienleistungen in Höhe von 94,47 GBP
24Umrechnungskurs 0,85158 110,93 €
25Kindergeld nach dem EStG 219,00 €
26Unterschiedsbetrag 108,07 € x 1 Monat(e) = 108,07 €
27Unterschiedsbetrag insgesamt 108,07 €
28Mit Einspruchsentscheidung vom 26.07.2022 wies die Beklagte schließlich den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen Folgendes aus: Mit der angefochtenen Entscheidung sei das Kindergeld für das Kind B ab März 2022 abschließend unter Anrechnung britischer Familienleistungen festgesetzt worden. Hiergegen habe sich der Einspruch gerichtet. Die angefochtene Entscheidung sei sodann mit Bescheid vom 27.05.2022 dahingehend geändert worden, dass Kindergeld für das Kind B ab März 2022 wieder vorläufig unter Anrechnung britischer Familienleistungen festgesetzt worden sei. Der Einspruch sei nach Erlass dieses Änderungsbescheides nicht mehr begründet. Die Klägerin sei in Deutschland nicht erwerbstätig. Der Kindesvater sei in dem Vereinigten Königreich erwerbstätig. Das Kind lebe in Deutschland. Der Kindergeldanspruch im Vereinigten Königreich sei also gegenüber dem deutschen Kindergeldanspruch vorrangig. Die Aussetzung des deutschen Kindergeldes in Höhe der ausländischen Leistung führe zu der im Berechnungsbogen angegebenen Berechnung. Aus dem vorliegenden Schreiben der britischen Behörde HM Revenue & Customs vom 10.03.2020 gehe zwar hervor, dass kein Anspruch auf Child Benefit bestehe. Jedoch werde in diesem Schreiben nicht darauf eingegangen, ob ein Anspruch auf Child Benefit aufgrund der Regelungen der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 und der hierzu ergangenen Durchführungsverordnung (EG) Nr. 987/2009 bestehe. Da Gegenteiliges bisher nicht nachgewiesen bzw. abgeklärt sei, sei die vorläufige Festsetzung nicht zu beanstanden.
29Am 29.07.2022 richtete die Beklagte ein erneutes Ersuchen an die britische Behörde auf dem Vordruck F001. Darin heißt es u.a.: „Die Kindsmutter ist in Deutschland nicht erwerbstätig. Der Kindsvater ist in Großbritannien erwerbstätig. Großbritannien ist vorrangig zuständig. Bitte prüfen Sie den beigefügten Antrag im Rahmen der Antragsgleichstellung.“
30Hierauf antwortete die britische Behörde am 26.11.2022 u.a.: „WE HAVE CONSIDERED YOUR CLAIM UNDER ARTICLE 60 OF 987/09 AND CANNOT ACCEPT COMPETENCY AS THE CONDITIONS TO CLAIM A DERIVED RIGHT TO UK FAMILY BENEFITS HAVE NOT BEEN SATISFIED.“
31Am 29.11.2022 stellte die Beklagte bei der britischen Behörde auf dem Vordruck F026 die Anfrage: „Bitte teilen Sie mit, warum kein Anspruch auf Familienleistungen besteht.“
32Hierzu antwortete die britische Verbindungsstelle am 18.09.2024 auf dem Vordruck F027 u.a.: „THE CONDITIONS TO CLAIM A DERIVED RIGHT TO UK FAMILY BENEFITS UNDER EU LEGISLATION CANNOT BE ESTABLISHED. WE HAVE NOT RECEIVED A REPLY TO OUR ENQUIRIES FROM THE CUSTOMER. WITHOUT A REPLY WE CAN NOT MAKE A DECISION THEREFORE WE ARE UNABLE TO AWARD ANY FAMILY BENEFIT IN THE UK.“
33Ebenfalls am 18.09.2024 teilte die britische Verbindungsstelle auf dem Vordruck F027 u.a. mit: „THE CONDITIONS TO CLAIM A DERIVED RIGHT TO UK FAMILY BENEFITS UNDER EU LEGISLATION CANNOT BE ESTABLISHED. WE HAVE NOT RECEIVED A REPLY TO OUR ENQUIRIES FROM THE CUSTOMER. WITHOUT A REPLY WE CAN NOT MAKE A DECISION THEREFORE WE ARE UNABLE TO AWARD ANY FAMILY BENEFIT IN THE UK. PLEASE CLOSE YOUR RINA“
34Bereits am 01.09.2022 hat die Klägerin gegen die Einspruchsentscheidung der Beklagten die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung legt sie im Wesentlichen Folgendes dar: Der in Großbritannien lebende Kindesvater und sie und hätten am …09.2013 geheiratet. Am …07.2015 sei ihr gemeinsamer Sohn B geboren worden. Eine eheliche Lebensgemeinschaft bestehe bereits seit Oktober 2019 nicht mehr. Bei dem Amtsgericht – Familiengericht – C sei das Scheidungsverfahren seit Juli 2021 anhängig gewesen und inzwischen abgeschlossen. Das gemeinsame Kind lebe mit ihr in C. Sie habe früher gemeinsam mit dem Kind und ihrem damaligen Ehemann in Großbritannien gelebt. Sie habe aber am …11.2019 Großbritannien verlassen, sodass seitdem kein Anspruch mehr auf die Gewährung von Child benefit bestehe. Die angefochtenen Bescheide seien rechtswidrig. Für das Kind B habe sie ab März 2022 nur in Höhe von 112,78 € und ab August 2022 nur in Höhe von 108,07 € monatlich Kindergeld erhalten. Ihrer Ansicht nach stehe ihr aber Kindergeld in gesetzlicher Höhe zu, also im Streitzeitraum in Höhe von monatlich 219,00 €.
35Die Klägerin beantragt sinngemäß,
36die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21.02.2022 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 27.05.2022, vom 25.07.2022 und letztlich der Einspruchsentscheidung vom 26.07.2022 zu verpflichten, ihr Kindergeld für das Kind B für den Zeitraum März bis August 2022 in voller gesetzlicher Höhe zu gewähren.
37Die Beklagte beantragt,
38die Klage abzuweisen.
39Zur Begründung verweist sie auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung. Darüber hinaus macht sie im Wesentlichen Folgendes geltend: Gegenüber der Klägerin sei mit Bescheid vom 04.06.2020 ab Oktober 2019 Kindergeld unter vorläufiger Anrechnung britischer Familienleistungen festgesetzt worden. Mit der angefochtenen Entscheidung sei diese Festsetzung zunächst in eine endgültige Festsetzung geändert worden. Auf den Einspruch der Klägerin hin sei diese Entscheidung mit Bescheid vom 27.05.2021 aber wieder in ihren ursprünglichen Zustand versetzt und der Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 26.07.2022 im Übrigen zurückgewiesen worden. Dem Einspruch der Klägerin sei somit vollständig abgeholfen worden. Der Klägerin habe im Rahmen des Einspruchsverfahrens keine weitergehende Rechtsposition zugesprochen werden können, als sie aufgrund des ursprünglichen Festsetzungsbescheides vom 04.06.2020 innegehabt habe.
40Am 11.12.2024 hat die für das vorliegende Verfahren zuständige Berichterstatterin einen Erörterungstermin durchgeführt. Die Beteiligten haben sich in dem Erörterungstermin mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Wegen der Einzelheiten wird auf das entsprechende Protokoll verwiesen.
41Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt und zum Vorbringen der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der vorgelegten Kindergeldakte verwiesen.
42Entscheidungsgründe
43I. Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung.
44II. Die Klage ist zulässig. Insbesondere besteht ein Rechtsschutzbedürfnis für die vorliegende Klage. Entgegen der Ansicht der Beklagten hat diese dem Einspruchsbegehren der Klägerin nicht voll abgeholfen. Denn mit ihrem Einspruch richtete sich die Klägerin nicht nur gegen die Aufhebung der Vorläufigkeit der Festsetzung von Differenzkindergeld in dem Bescheid vom 21.02.2022, sondern begehrte ersichtlich die Festsetzung von ungekürztem Kindergeld. Denn von Anfang an (schon mit Schreiben vom 09.07.2020, aber auch mit ihrem Einspruchsschreiben) machte sie gegenüber der Beklagten geltend, dass es nicht stimme, dass für ihr Kind im Vereinigten Königreich auch ein Anspruch auf Kindergeld bestehe.
45Nach Ansicht des Senats trifft auch die Rechtsauffassung der Beklagten nicht zu, dass der Klägerin im Rahmen des Einspruchsverfahrens keine weitergehende Rechtsposition hätte zugesprochen werden können, als sie aufgrund des ursprünglichen Festsetzungsbescheides vom 04.06.2020 innegehabt habe. Denn von dem ursprünglichen Festsetzungsbescheid vom 04.06.2020 ist – unabhängig davon, dass dort die Festsetzung des Differenzkindergeldes nur vorläufig erfolgte – der hiesige Streitzeitraum (März bis August 2022) nicht umfasst gewesen.
46III. Die Klage ist auch begründet.
47Die Klägerin hat im Streitzeitraum (März bis August 2022) einen Anspruch auf ungekürztes Kindergeld für ihr Kind B.
48Unstreitig erfüllte die Klägerin im Streitzeitraum (März bis August 2022) die Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) für den Bezug von Kindergeld für ihr leibliches, in ihrem Haushalt in Deutschland lebendes minderjähriges Kind B.
49Der Beklagte hat allerdings zu Unrecht für den Streitzeitraum vorläufig nur Differenzkindergeld gewährt, indem es den teilweisen Ausschluss des Anspruchs gemäß Art. 68 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (Amtsblatt der Europäischen Union – ABlEU – 2004 Nr. L 166/1) in der für den Streitzeitraum maßgeblichen Fassung (VO Nr. 883/2004) annahm.
50Art. 68 Abs. 2 der VO Nr. 883/2004 schließt unter Umständen dann einen Kindergeldanspruch nach deutschem Recht ganz oder teilweise aus, wenn in einem anderen Mitgliedstaat (konkurrierende) Ansprüche auf Familienleistungen bestehen (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 01.06.2022 – III R 31/20 –, BFHE 277, 288, BStBl II 2023, 348, m.w.N.). Welcher Anspruch dann vorrangig ist, bestimmt sich ebenfalls nach den Regelungen der VO Nr. 883/2004, insbesondere nach Art. 67 und 68. Der Zweck dieser Vorschriften besteht darin, funktionsidentische Doppelleistungen in verschiedenen Staaten zu vermeiden. Art. 68 Abs. 2 Sätze 1 und 3 der VO sind aber nicht anwendbar – können also einen Kindergeldanspruch in Deutschland nicht ausschließen –, wenn in keinem anderen Mitgliedstaat Kindergeldansprüche bestehen; es fehlt dann an zu koordinierenden Ansprüchen (BFH, Urteile vom 01.06.2022 – III R 31/20 –, BFHE 277, 288, BStBl II 2023, 348 und vom 30.11.2023 – III R 40/22 –, BFH/NV 2024, 383)
51Anders als im Falle der Anwendbarkeit der Konkurrenzregelung des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ist im Anwendungsbereich des Art. 68 der VO Nr. 883/2004 grundsätzlich vorrangig das auf dem Prinzip der vertrauensvollen Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten basierende Koordinierungsverfahren (vgl. insbesondere Art. 68 Abs. 3 der VO Nr. 883/2004 und Art. 60 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.09.2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit -- ABlEU 2009 Nr. L 284/1 – in der für den Streitzeitraum maßgeblichen Fassung – VO Nr. 987/2009 –) zwischen den jeweils zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten durchzuführen. Dies bedeutet, dass im Regelfall mittels eines Auskunftsersuchens gegenüber der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats zu klären ist, ob und in welchem Umfang dort ein Anspruch auf Familienleistungen für ein Kind besteht (BFH, Urteil vom 01.06.2022 – III R 31/20 –, BFHE 277, 288, BStBl II 2023, 348, m.w.N.).
52Sowohl die VO Nr. 883/2004 als auch die VO Nr. 987/2009 und damit auch Art. 68 der VO Nr. 883/2004 und Art. 60 der VO Nr. 987/2009 finden hier gemäß Art. 30, 31 Abs. 1 des am 01.02.2020 in Kraft getretenen Abkommens über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft – Austrittsabkommen – (ABlEU 2020, Nr. L 29/7) weiter Anwendung.
53Der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union schließt auch Auskunftsersuchen der für die Familienleistungen zuständigen Träger der Mitgliedstaaten an die des Vereinigten Königreichs und umgekehrt nicht aus. Denn auch im Anwendungsbereich des o.g. Austrittsabkommens ist bei der Koordinierung von Sozialleistungen ein Datenaustausch zwischen den Trägern vorgesehen und nimmt das Vereinigte Königreich am elektronischen Austausch von Sozialversicherungsdaten teil (Art. 34 Abs. 2 des Austrittsabkommens, vgl. BFH, Urteil vom 30.11.2023 – III R 40/22 –, BFH/NV 2024, 383).
54Vorliegend steht nicht zweifelsfrei fest, ob für das Kind B zugleich in dem Vereinigten Königreich ein Anspruch auf Familienleistungen besteht, weil dort dessen Vater im Streitzeitraum wohnte und arbeitete.
55Zwar ist vorliegend bereits ein Koordinierungsverfahren durchgeführt worden. Die britische Verbindungsstelle hat dabei aber nicht wie vorgesehen eine Erklärung über einen Anspruch auf Familienleistungen hinsichtlich des Kindes B in dem Vereinigten Königreich dem Grunde nach abgegeben, sondern mitgeteilt, dass eine Leistung wegen fehlender Mitwirkung nicht zu gewähren sei. Allerdings ist der Klägerin nach ihren Angaben jedenfalls kein Schreiben der britischen Behörden zugegangen.
56Nach Ansicht des Senats muss aber jedenfalls im vorliegenden Klageverfahren der Ausgang eines ggf. neu zu stellenden Auskunftsersuchens nicht abgewartet werden.
57Diese Ansicht stützt der Senat auf Ausführungen des EuGH in seiner Entscheidung vom 25.04.2024 (C-36/23, DStR 2024, 1237).
58Der EuGH hat dort entschieden, dass Art. 68 VO Nr. 883/2004 dahin auszulegen ist, dass er es dem Träger eines Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften nach den in Abs. 1 dieses Artikels genannten Kriterien nachrangig sind, nicht gestattet, von der betroffenen Person in diesem Mitgliedstaat gezahlte Familienleistungen aufgrund dessen teilweise zurückzuverlangen, dass nach den vorrangig geltenden Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats ein Anspruch auf solche Leistungen besteht, sofern in diesem anderen Mitgliedstaat eine Familienleistung weder festgesetzt noch ausgezahlt wurde; er gestattet es diesem Träger jedoch, von dem vorrangig zuständigen Träger die Erstattung des Betrags der Leistungen zu verlangen, der den Betrag übersteigt, den er nach der Verordnung leisten musste.
59Zur Begründung hat der EuGH unter anderem ausgeführt, dass Art. 68 Abs. 1 Buchst. a der VO Nr. 883/2004 die Prioritätsregeln für den Fall festlege, dass Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus unterschiedlichen Gründen zu gewähren sind, während Buchst. b dieses Absatzes die Rangfolge für Leistungen aufstellt, die aus denselben Gründen zu gewähren sind. Nach Art. 68 Abs. 2 der VO Nr. 883/2004 würden bei Zusammentreffen von Ansprüchen die Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften gewährt, die nach Absatz 1 dieses Artikels Vorrang haben, und Ansprüche auf Familienleistungen nach anderen Rechtsvorschriften bis zur Höhe des nach den vorrangig geltenden Rechtsvorschriften vorgesehenen Betrags ausgesetzt; erforderlichenfalls sei ein Unterschiedsbetrag in Höhe des darüber hinausgehenden Betrags der Leistungen zu gewähren.
60Hinsichtlich der Anwendbarkeit dieser Prioritätsregeln sei darauf hinzuweisen, dass es nach der Rechtsprechung des EuGH für die Annahme, dass in einem bestimmten Fall eine solche Kumulierung vorliegt, nicht genüge, dass Leistungen im Wohnmitgliedstaat des betreffenden Kindes geschuldet werden und zugleich in einem anderen Mitgliedstaat lediglich potenziell gezahlt werden können. Die betroffene Person müsse zudem alle in den Rechtsvorschriften dieses Staates aufgestellten – formellen und materiellen – Anspruchsvoraussetzungen erfüllen.
61Insoweit gehe aus Art. 68 Abs. 3 Buchst. a der VO Nr. 883/2004 hervor, dass der zuständige Träger eines Mitgliedstaats, bei dem ein Antrag auf Familienleistungen gestellt wird, dessen Rechtsvorschriften aber nach den Abs. 1 und 2 dieses Artikels nachrangig gelten, diesen Antrag unverzüglich an den zuständigen Träger des Mitgliedstaats weiterleitet, dessen Rechtsvorschriften vorrangig gelten, dies der betroffenen Person mitteilt und unbeschadet von Art. 60 der VO Nr. 987/2009 über die vorläufige Gewährung von Leistungen erforderlichenfalls den in Abs. 2 dieses Artikels genannten Unterschiedsbetrag gewährt.
62Hinsichtlich Art. 60 der VO Nr. 987/2009, der aufgrund seines Verweises auf die Art. 67 und 68 der VO Nr. 883/2004 anhand dieser Bestimmungen zu prüfen sei, sei festzustellen, dass gemäß Art. 60 Abs. 3 Unterabs. 1 der VO Nr. 987/2009 der Träger, bei dem ein Antrag auf Familienleistungen gestellt wurde und der der Ansicht ist, dass seine Rechtsvorschriften nicht prioritär anwendbar sind, eine vorläufige Entscheidung über die anzuwendenden Prioritätsregeln trifft, den Antrag an den Träger des anderen Mitgliedstaats weiterleitet und den Antragsteller über diese Weiterleitung informiert. In Art. 60 Abs. 3 Unterabs. 2 der VO Nr. 987/2009 sei klargestellt, dass, falls der Träger, an den dieser Antrag weitergeleitet wurde, nicht innerhalb von zwei Monaten nach dessen Eingang Stellung nimmt, die vorläufige Entscheidung des Trägers, bei dem zuerst ein Antrag gestellt wurde, anwendbar wird und dieser die in seinen Rechtsvorschriften vorgesehenen Leistungen zahlen muss.
63Somit gehe aus dem Wortlaut von Art. 60 der VO Nr. 987/2009 klar hervor, dass der Träger eines Mitgliedstaats, bei dem ein Antrag auf Familienleistungen gestellt wird und der seine Rechtsvorschriften für nachrangig anwendbar hält, verpflichtet ist, die nach diesen Rechtsvorschriften vorgesehenen Leistungen zu zahlen, wenn der Träger, der als vorrangig zuständig gilt, keine Stellungnahme abgibt. Folglich dürfe dieser Träger in einem solchen Fall die Zahlung der genannten Familienleistungen nicht bis zur Höhe des Betrags, der möglicherweise nach den als vorrangig geltenden Rechtsvorschriften vorgesehen ist, aussetzen und sie als Unterschiedsbetrag in Höhe des darüber hinaus gehenden Betrags gewähren. Diese Auslegung werde im Übrigen durch Art. 60 Abs. 5 der VO Nr. 987/2009 bestätigt, wonach der Träger in dem Fall, dass er eine vorläufige Leistungszahlung vorgenommen hat, die höher ist als der letztlich zu seinen Lasten gehende Betrag, den zu viel gezahlten Betrag vom vorrangig zuständigen Träger zurückfordern kann.
64U.a. diese Bestimmungen sollen aus Sicht des EuGH die Freizügigkeit von Wanderarbeitnehmern erleichtern, indem sie ihr Vorgehen angesichts der Komplexität der Verwaltungsverfahren in den verschiedenen Mitgliedstaaten administrativ vereinfachen, und verhindern, dass die Betroffenen aus rein formalen Gründen ihre Ansprüche verlieren können. Es sei darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten für die Ausgestaltung ihrer Systeme der sozialen Sicherheit zuständig bleiben und es Sache des Rechts des jeweiligen Mitgliedstaats ist, die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen der sozialen Sicherheit, ihre Höhe, die Dauer ihrer Gewährung sowie die Fristen zur Beantragung dieser Leistungen zu bestimmen. Des Weiteren ergebe sich aus dem Wortlaut von Art. 1 Buchst. a und b der VO Nr. 883/2004, nach dessen Definition Beschäftigung oder selbständige Erwerbstätigkeit jede Tätigkeit oder gleichgestellte Situation bezeichnet, die für die Zwecke der Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit des Mitgliedstaats, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird oder die gleichgestellte Situation vorliegt, als solche gilt, dass die Beurteilung der Frage, ob eine Person eine solche Tätigkeit im Sinne von Art. 68 der Verordnung ausübt, dem zuständigen Träger des Mitgliedstaats obliegt, in dem diese Tätigkeit ausgeübt wird. Da nämlich die Entscheidung über die Gewährung von Familienleistungen von der Auslegung und der Anwendung der Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats abhänge, sei der Träger eines anderen Mitgliedstaats nicht in der Lage, zu entscheiden, ob alle Voraussetzungen für die Gewährung solcher Leistungen erfüllt sind. Dieser Träger müsse sich daher auf die Feststellung beschränken, dass der zuständige Träger eines anderen Mitgliedstaats der betroffenen Person entweder tatsächlich Familienleistungen gewährt hat oder dem Leistungsempfänger die Gewährung von Familienleistungen verweigert hat.
65Wie der Gerichtshof bereits entschieden habe, seien nach Art. 68 Abs. 3 Buchst. a der VO Nr. 883/2004 und Art. 60 Abs. 2 und 3 der VO Nr. 987/2009 der Träger des vorrangig zuständigen Mitgliedstaats und der Träger des nachrangig zuständigen Mitgliedstaats miteinander verbunden, und der Antrag auf Familienleistungen, der bei einem von ihnen gestellt wurde, sei von diesen beiden Trägern gemeinsam zu erledigen Außerdem ergebe sich aus dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit, wie er durch Art. 60 Abs. 5 der VO Nr. 987/2009 sowie durch Art. 84 der VO Nr. 883/2004 konkretisiert worden sei, dass ein Mitgliedstaat von einem anderen Mitgliedstaat die Erstattung der überzahlten Familienleistung, einschließlich für die Vergangenheit, verlangen könne, sofern die in der Regelung des zweiten Mitgliedstaats bestimmten formellen und materiellen Voraussetzungen für die Vergangenheit als erfüllt gelten. Ein anderes Verständnis, das darin bestünde, einem der zuständigen Träger mangelnde Zusammenarbeit in Bezug auf die Höhe der dem Empfänger zu zahlenden Familienleistungen vorzuwerfen, oder das den Empfänger verpflichten würde, die Beträge zu erstatten, die von einem Träger gezahlt wurden, der dafür aber nicht zuständig war, würde klar den Antikumulierungsvorschriften zuwiderlaufen, die dem Empfänger der von mehreren Mitgliedstaaten gezahlten Leistungen einen Gesamtbetrag an Leistungen garantieren sollen, der gleich dem Betrag der günstigsten Leistung ist, die ihm nach dem Recht nur eines dieser Staaten zusteht.
66Im hier vorliegenden Fall hat die britische Verbindungsstelle („HM Revenue and Customs“) auf das von der Beklagten bereits am 14.07.2020 auf dem Vordruck F001 gestellte „Ersuchen zur Entscheidung über die Zuständigkeit“ nicht innerhalb von zwei Monaten geantwortet. Eine konkrete Antwort zur Zuständigkeit hat sie auch später nicht abgegeben, sondern ausgeführt, dass sie keine Antwort auf ihre Fragen erhalten habe. Einen Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht der Klägerin kann der Senat im Streitfall jedoch nicht erkennen. Ein möglicher Verstoß wurde von der britischen Verbindungsstelle auch nicht näher begründet. Jedenfalls ist aber eine Stellungnahme zur Zuständigkeit unterblieben. Unter Berücksichtigung der oben genannten Ausführungen des EuGH ergibt sich hieraus, dass gemäß Art. 60 der VO Nr. 987/2009 die Beklagte, bei der die Klägerin zuerst den Antrag auf Familienleistungen gestellt hat und die ihre (deutschen) Rechtsvorschriften für nachrangig anwendbar hält, verpflichtet ist, die nach den deutschen Rechtsvorschriften vorgesehenen Leistungen zu zahlen. Die Beklagte durfte nach dieser Vorschrift die Zahlung des Kindergeldes nicht bis zur Höhe des Betrags, der möglicherweise nach den als vorrangig geltenden britischen Rechtsvorschriften vorgesehen ist, aussetzen und sie als Unterschiedsbetrag in Höhe des darüber hinausgehenden Betrags gewähren.
67Zwar wendet die Beklagte ein, dass die genannte Entscheidung des EuGH zu der Fallgestaltung ergangen ist, dass das Kindergeld zunächst voll ausgezahlt und danach wieder teilweise zurückgefordert worden ist. Allerdings kann nach Ansicht des Senats für den hier vorliegenden Fall, dass die Beklagte das Kindergeld nicht voll auszahlt und die Klägerin die volle Auszahlung des Kindergeldes begehrt, nichts anderes gelten. Vielmehr hat der EuGH – wie oben bereits ausgeführt – in seinen Entscheidungsgründen ausdrücklich dargestellt, dass aus dem Wortlaut von Art. 60 der VO Nr. 987/2009 klar hervorgehe, dass der Träger eines Mitgliedstaats, bei dem ein Antrag auf Familienleistungen gestellt wird und der seine Rechtsvorschriften für nachrangig anwendbar hält, verpflichtet ist, die nach diesen Rechtsvorschriften vorgesehenen Leistungen zu zahlen, wenn der Träger, der als vorrangig zuständig gilt, keine Stellungnahme abgibt und dass folglich dieser Träger in einem solchen Fall die Zahlung der genannten Familienleistungen nicht bis zur Höhe des Betrags, der möglicherweise nach den als vorrangig geltenden Rechtsvorschriften vorgesehen ist, aussetzen und sie als Unterschiedsbetrag in Höhe des darüber hinausgehenden Betrags gewähren darf. Dies betrifft aber gerade den hier vorliegenden Fall, in dem nur ein Unterschiedsbetrag gewährt worden ist, auch nachdem die britische Verbindungsstelle nicht innerhalb von zwei Monaten geantwortet hat.
68IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
69V. Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) zugelassen worden.
70VI. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
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