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Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Die Beteiligten streiten über die Abzugsfähigkeit von Schulgeld für den Besuch einer Privatschule in der Schweiz als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 Einkommensteuergesetz (EStG).
2Der Kläger ist deutscher Staatsbürger und wohnt mit seiner Familie – seiner Ehefrau J. und den beiden gemeinsamen Söhnen G. und H., geboren am 00.00.2008 bzw. am 00.00.2016 – in C. (Schweiz). Der (in Deutschland) im Streitjahr 2020 einzelveranlagte Kläger ist als […] tätig und unterhält zu diesem Zwecke (auch) eine Wohnung in B.. Er erzielte im Streitjahr Einkünfte aus […]. Die Ehefrau des Klägers ist als […] tätig.
3Nach § […] Schulgesetz des Kantons C. werden die Kinder mit dem Beginn jedes Schuljahres schulpflichtig, die bis zum vorangegangenen 31. Juli das fünfte Altersjahr begonnen haben. Das Schuljahr beginnt gemäß § […] Schulgesetz des Kantons C um Mitte August an dem vom […] alljährlich festzusetzenden Tage; das Schuljahr 2020/2021 begann am 00.08.2020. Nach §§ […] Schulgesetz des Kantons C. beginnt in C. die obligatorische Schulpflicht für Kinder im fünften Lebensjahr mit der Primarstufe, die sich aus einem zweijährigen „Kindergarten“ und einer sechsjährigen „Primarschule“ zusammensetzt (vgl. dazu auch […]).
4Seit dem 00.01.2020 besuchte H. in C. die private Einrichtung „O.“. Dabei handelt es sich um einen zweisprachigen […] Kindergarten und Primarschule. Nach der Beschreibung der Einrichtung auf ihrer Internetseite ([…]) bietet die Einrichtung […] und zudem außerschulische Aktivitäten und Betreuung sowie Verpflegung (Znüni (zweites Frühstück) und Mittagessen) an. Die vom Kanton C. bewilligte Einrichtung gewährleistet den Anschluss an das schweizerische und französische Schulsystem. […].
5Nach der von der Einrichtung an den Kläger und dessen Ehefrau ausgestellten Steuerbescheinigung vom 00.00.2021 wurden für H. im Jahr 2020 insgesamt […] CHF an die Einrichtung bezahlt. Davon entfielen auf „Kindergarten und Schule“ […] CHF vor bzw. […] CHF nach Eintritt in die obligatorische Schulpflicht sowie […] CHF auf die außerschulische Betreuung und […] CHF auf die Verpflegung von H..
6In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger – neben Kinderbetreuungskosten für G. in Höhe von […] Euro und für H. in Höhe von […] Euro – Schuldgeld für H.‘s Besuch einer Privatschule in Höhe von […] Euro geltend und erklärte, die vorgenannten Kosten in voller Höhe selbst getragen zu haben. Neben seinen Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit erklärte er in Deutschland steuerpflichtige Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit in Höhe von […] Euro sowie in Deutschland steuerfreie, dem Progressionsvorbehalt unterliegende ausländische Einkünfte in der Schweiz aus selbständiger Arbeit in Höhe von […] Euro.
7Im Einkommensteuerbescheid für 2020 vom 30.06.2022 berücksichtigte der Beklagte Kinderbetreuungskosten in Höhe von […] Euro (2/3 der Aufwendungen für G. zzgl. 4.000 Euro der Aufwendungen für H.) als unbeschränkt abziehbare Sonderausgaben. In den Erläuterungen wies er darauf hin, dass das Schuldgeld nicht als Sonderausgabe abzugsfähig sei, da es sich um eine private Schulde handle, deren Sitz sich nicht im EU/EWR-Raum befinde.
8Der dagegen erhobene Einspruch blieb ohne Erfolg. In der Einspruchsentscheidung vom 02.11.2022 wies der Beklagte darauf hin, dass der begehrte Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG unter anderem voraussetze, dass die Schule in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union (EU) oder in einem Staat belegen sei, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) Anwendung finde; dies sei bei der Schule in der Schweiz nicht der Fall. Nach dem Urteil des BFH vom 09.05.2012 (X R 3/11, BFHE 237, 223) gewähre das Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit („FZA“) vom 21.06.1999 (BGBl. II 2001, 811) keine Gleichbehandlung Schweizer Schulen mit Privatschulen, die in der EU oder im EWR-Raum belegen seien.
9Der Kläger hat Klage erhoben.
10Als deutscher Staatsangehöriger, der seinen abkommensrechtlichen Wohnsitz in der Schweiz habe und im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland eine nichtselbstständige Tätigkeit ausübe, von der er regelmäßig mindestens einmal die Woche an seinen Wohnsitz zurückkehre, sei er, der Kläger, sog. umgekehrter Grenzgänger im Sinne des Art. 15a Abs. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen („DBA-Schweiz“) vom 11.08.1971 (BGBl. II 1972, 1022) in der Fassung des Änderungsprotokolls vom 27.10.2010 (BGBl. II 2011, 1092) und zugleich unselbständiger Grenzgänger im Sinne des Art. 7 Abs. 1 des Anhangs I des FZA, für den gemäß Art. 4 FZA das Rechts auf Arbeitnehmerfreizügigkeit gelte. Der EuGH habe mehrfach festgestellt, dass die Freizügigkeit nicht nur dann beeinträchtigt werde, wenn der Staatsangehörige eines Vertragsstaats nach seinem Umzug in einen anderen Vertragsstaat von diesem schlechter als seine eigenen Staatsangehörigen behandelt werde, sondern auch dann, wenn er in seinem Herkunftsland einen steuerlichen oder sonstigen Nachteil allein deshalb erleide, weil er sein Freizügigkeitsrecht ausgeübt habe (EuGH, Urteile vom 15.12.2011, Rs. C-257/10 – Bergström, Slg. 2011, I-13227; vom 28.02.2013, Rs. C-425/11 – Ettwein, DStR 2013, 514).
11Das FZA untersage eine steuerliche – hier nicht gerechtfertigte – Ungleichbehandlung durch den Herkunftsstaat allein wegen des Wohnsitzwechsels in den Aufnahmestaat, sodass § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG abweichend vom Wortlaut abkommenskonform dahingehend auszulegen sei, dass auch die in der Schweiz belegene Schule erfasst werde. Hätte er, der Kläger, nämlich von seinem Recht auf Freizügigkeit nach dem FZA nicht Gebrauch gemacht, sondern wäre mit seiner Familie in Deutschland ansässig geblieben und hätte er seinen Sohn dort auf eine (anerkannte) Privatschule geschickt, so hätte er – nach seiner Auffassung – das Schulgeld nach Maßgabe des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG steuerlich geltend machen können. Das Schulgeld müsse sich daher nach dem Urteil des EuGH vom 28.02.2013 (Rs. C-425/11 – Ettwein, DStR 2013, 514 Rn. 46) bei der deutschen Einkommensteuer steuermindernd auswirken, so wie es auch bei einem in Deutschland ansässigen Steuerpflichtigen der Fall wäre, der sein Kind auf eine Privatschule an seinem Wohnort schicke. Würde der Sonderausgabenabzug mit der Begründung verwehrt, die Schule liege nicht in Deutschland (oder im EU/EWR-Raum), sondern am Wohnort des Klägers in der Schweiz, erleide er, der Kläger, allein deshalb einen steuerlichen Nachteil, weil er sein Freizügigkeitsrecht ausgeübt habe und in die Schweiz umgezogen sei (so auch Verbundene Schlussanträge der Generalanwältin Stix-Hackl vom 21.09.2006 in den Rechtssachen C-76/05 – Schwarz – und C-318/05 – Kommission/Deutschland – Rz. 82 ff.). Seine, des Klägers, Wohnsitznahme in der Schweiz ändere nämlich nichts daran, dass er im Hinblick auf sein Einkommen aus unselbstständiger Tätigkeit nach dem DBA-Schweiz in Deutschland steuerpflichtig sei und sich deshalb hinsichtlich des Sonderausgabenabzugs für die Kosten einer Privatschule an seinem Wohnsitz in der gleichen Situation wie derjenige in Deutschland Steuerpflichtige befinde, der von seinem Freizügigkeitsrecht keinen Gebrauch gemacht habe.
12Die Regelung des Art. 21 Abs. 2 FZA, wonach „keine Bestimmung dieses Abkommens so auszulegen [ist], dass sie die Vertragsparteien daran hindert, bei der Anwendung ihrer Steuervorschriften eine Unterscheidung zwischen Steuerpflichtigen zu machen, die sich – insbesondere hinsichtlich ihres Wohnsitzes – nicht in vergleichbaren Situationen befinden“ stehe diesem Ergebnis nicht entgegen. Zwar lege der EuGH diese Regelung in ständiger Rechtsprechung dahingehend aus, dass sich gebietsansässige und gebietsfremde Personen grundsätzlich nicht in einer vergleichbaren Lage befinden würden; etwas Anderes gelte jedoch „wenn der Gebietsfremde in seinem Wohnsitzstaat keine nennenswerten Einkünfte hat und sein zu versteuerndes Einkommen im Wesentlichen aus einer Tätigkeit bezieht, die er in einem anderen Staat ausübt, sodass der Wohnsitzstaat nicht in der Lage ist, ihm die Vergünstigung zu gewähren, die sich aus der Berücksichtigung seiner persönlichen Verhältnisse und seines Familienstands ergeben“ (EuGH, Urteil vom 28.02.2013, Rs. C-425/11 – Ettwein, DStR 2013, 514 Rn. 46, zum FZA; EuGH, Urteile vom 27.06.1996, Rs. C-107/94 – Asscher, NJW 1996, 2921 Rn. 43, und vom 14.02.1995, Rs. C-279/93 – Schumacker, DStR 1995, 326 Rn. 36, zur Arbeitnehmerfreizügigkeit nach AEUV/EGV/EWGV). So liege der Fall hier, da er, der Kläger, sein Einkommen nahezu ausschließlich in Deutschland beziehe, weshalb er in der Schweiz keiner Besteuerung unterworfen werde, bei der die Schulgeldzahlung steuermindernd berücksichtigt werden könne.
13Das Urteil des BFH vom 09.05.2012 (X R 43/10, BFH/NV 2012, 1947) stehe dieser Einschätzung – anders als vom Beklagten vertreten – nicht entgegen. Der dort zulasten des Steuerpflichtigen entschiedene Fall, in dem der Sohn eines in Deutschland ansässigen und arbeitenden Steuerpflichtigen eine Privatschule in der Schweiz besucht habe, habe nicht die Arbeitnehmerfreizügigkeit nach dem FZA betroffen, sodass die Entscheidung nicht übertragbar sei.
14Eine inländische Anerkennung der Schweizer Privatschule nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 EStG sei nicht erforderlich, da die Privatschule hier nicht als Ersatz für eine deutsche staatliche Schule diene (für diesen Fall sei die Voraussetzung vorgesehen), sondern als Ersatz für eine in C. belegene staatliche Schule. Insoweit könne allenfalls der Nachweis der staatlichen Anerkennung der Schule in der Schweiz gefordert werden.
15Bei der Einrichtung „O.“ handle es sich auch nicht um eine bloße Kinderbetreuungseinrichtung im Sinne eines Kindergartens, sondern um eine schulische Einrichtung mit vordefinierten Ausbildungszielen. So stehe im konkreten Fall – hinsichtlich der geltend gemachten Kosten – auch nicht die Betreuung von H., sondern dessen schulische Förderung im Vordergrund. Dafür spreche allgemein das gegenüber einer staatlichen Einrichtung höhere Ausbildungsniveau der Einrichtung, das wesentlicher Beweggrund für die Wahl der Einrichtung gewesen sei. Das Curriculum der Einrichtung „O.“ kombiniere den schweizerischen „Lehrplan 21“ mit dem Lehrplan des französischen Erziehungsministeriums, welcher weitaus anspruchsvoller sei und die Kinder bereits in der Vorschulphase fordere und fördere. Dies schlage sich auch im Lehr- und Wochenplan für das Schuljahr 2020/2021 (Anlage K6, Bl. 149) nieder, der für H.’s Altersklasse ([…], geboren in 2015 und 2016) einen wöchentlichen Stundenplan mit den Unterrichtsfächern Deutsch, Französisch, Sport und Musik vorsehe. Auch aus vorgelegten Berichten der Schule ergebe sich das breite Bewertungsspektrum und Anforderungsprofil der Einrichtung, das insbesondere unter der Überschrift „Entwicklungsstand im kognitiven Bereich“ unter anderem in den Unterkategorien „Sprache“, „Schreiben“, „Mathematik“ und „Musik“ beschrieben werde. Die Beurteilung der Fortschritte in den Bereichen Schreiben und Rechnen setze eine konkrete Förderung dieser Fähigkeiten voraus, was über die Förderung in einem deutschen Kindergarten hinausgehe. Der Umstand, dass die Lerninhalte ggfs. auch spielerisch vermittelt würden, stehe der Einordnung der Einrichtung als Schule statt als Kindergarten nicht entgegen, da beispielsweise auch die Lehrpläne für die Primarstufe des Landes NRW „erkundende und spielerische Lernformen“ vorsehen würden.
16Mit Blick auf das Alter H.’s im Streitjahr sowie den Hinweis des Berichterstatters vom 01.02.2024, dass angesichts des Urteils des BFH vom 16.11.2005 (XI R 79/03, BFHE 212, 69) möglicherweise auch im vorliegenden Fall der Beginn der Schulpflicht in Deutschland maßgeblich sein könne, vertritt der Kläger die Auffassung, dass es auf den Beginn der Schweizer Schulpflicht ankommen müsse; das Abstellen auf den Beginn der deutschen Schulpflicht sei willkürlich und verstoße seinerseits gegen das FZA. Der BFH habe ohnehin nur ausgeführt, dass Schulgeld „regelmäßig erst mit dem Beginn der öffentlich-rechtlichen Schulpflicht und der Möglichkeit des Zugangs zu öffentlichen Schulen einschließlich öffentlicher Vorschulen“ anzunehmen sei, sodass diese Voraussetzung in Ausnahmefällen ohne Bedeutung sei. Auch dem Wortlaut und der Gesetzesbegründung sei nicht zu entnehmen, dass es auf einen etwaigen Beginn der Schulpflicht in Deutschland ankäme. Zu berücksichtigen sei auch, dass in anderen EU-Ländern keine Schul-, sondern allenfalls eine Bildungs- oder Unterrichtspflicht bestehe, die zudem nicht flächendeckend erst für Kinder im Alter von 6 Jahren gelte. Zudem sei es auch in Deutschland nicht unüblich, dass Kinder je nach Entwicklungsstand bereits mit 5 Jahren oder erst mit 7 Jahren eingeschult werden.
17Der Kläger hat schließlich mitgeteilt, dass Schuldgeldzahlungen im Kanton C. generell nicht steuerlich abzugsfähig seien, und zwar weder bei der kantonalen Einkommensteuer noch bei der Bundeseinkommensteuer. Die Abzugstatbestände in §§ […] ff. Steuergesetz des Kantons C. (StG) bzw. Art. 33 und 34 Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer (DBG) seien abschließend und würden den Abzug nicht vorsehen. Dies betreffe sowohl ihn, den Kläger, als auch seine Ehefrau.
18In der mündlichen Verhandlung am 14.11.2024 hat der Kläger folgende Beweisanträge gestellt:
191. „Es wird beantragt, Beweis zu der Tatsache zu erheben, dass der Besuch der Schule „O.“ durch das Kind H. im Streitjahr 2020 schulisch geprägt war, durch Vernehmung der Schulleiterin der Schule „O.“, Frau F., zu laden über O., Kanton C.“
2. „Es wird beantragt, Beweis zu der Tatsache zu erheben, dass der Besuch der Schule „O.“ das Kind H. im Streitjahr 2020 auf einen staatlich anerkannten allgemein bildenden oder berufsbildenden Schul-, Jahrgangs- oder Berufsabschluss vorbereitet hat, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens (§ 10 Abs. 1 Nr. 9 S. 3 EStG).“
3. „Es wird beantragt, Beweis zu der Tatsache zu erheben, dass der Besuch der Schule „O.“ das Kind H. im Streitjahr 2020 zu einem staatlich anerkannten allgemein bildenden oder berufsbildenden Schul-, Jahrgangs oder Berufsabschluss führte, durch Einholung einer amtlichen Auskunft beim zuständigen inländischen Ministerium des Landes, der Kultusministerkonferenz der Länder oder einer inländischen Zeugnisanerkennungsstelle (§ 10 Abs. 1 Nr. 9 S. 2 EStG).“
4. „Es wird beantragt, Beweis zu erheben zu der Tatsache, dass Schulgeldaufwendungen in der Schweiz bzw. am Wohnort des Klägers und seiner Familie in C. steuerlich dem Grunde nach nicht abzugsfähig sind, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens.“
Der Kläger beantragt, hilfsweise (für den Fall, dass der Senat nicht vertagt, um die beantragte Beweiserhebung vorzunehmen),
25den Einkommensteuerbescheid 2020 vom 30.06.2022 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.11.2022 dahin zu ändern, dass Schulgeldaufwendungen in Höhe von […] EUR als Sonderausgaben berücksichtigt werden sowie
26äußerst hilfsweise, die Revision zuzulassen.
27Der Beklagte beantragt,
28die Klage abzuweisen und
29hilfsweise, die Revision zuzulassen.
30Der Beklagte verweist auf seine Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, der Kläger habe infolge seines Wegzugs in die Schweiz keinen Nachteil erlitten, den ein (allein) im Inland ansässiger Steuerpflichtiger nicht auch hätte hinnehmen müssen: in beiden Fällen seien die Aufwendungen für den Besuch einer Privatschule in der Schweiz nicht abzugsfähig. Anders als beim Ehegattensplitting (EuGH, Urteil vom 28.02.2013, Rs. C-425/11 – Ettwein, DStR 2013, 514) werde der Nachteil nicht durch die Verlagerung des Wohnsitzes in die Schweiz ausgelöst, sondern durch den Ort des Schulbesuches. Einem (etwa an der Schweizer Grenze wohnenden) Inländer, der sein Kind nicht (mehr) auf eine deutsche, sondern auf eine Schweizer Privatschule schicke, erleide denselben steuerlichen Nachteil wie der Kläger.
31Zudem sei der Besuch der Einrichtung „O.“ im Streitjahr überwiegend mit dem eines inländischen Kindergartens vergleichbar, sodass die streitigen Aufwendungen allenfalls als Kinderbetreuungskosten nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG zu berücksichtigen sein könnten, wobei der Höchstbetrag von 4.000 Euro im Streitfall bereits ausgeschöpft sei. Nach den vorgelegten Unterlagen gehe die „Ausbildung“ in der Einrichtung „O.“ nicht über das hinaus, was typischerweise auch in einem Kindergarten in Deutschland vermittelt werde, sodass erst die Primarschule einer inländischen Grundschule entspreche.
32Der Senat hat die Sache am 14.11.2024 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Einkommensteuerbescheid für 2020 vom 30.06.2022 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.11.2022 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Beklagte hat zutreffend davon abgesehen, die Zahlungen an die Einrichtung „O.“ in C. (Schweiz) als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG zu berücksichtigen.
341. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 EStG können 30 Prozent des Entgelts, höchstens 5.000 Euro, das der Steuerpflichtige für ein Kind, für das er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG oder auf Kindergeld hat, für dessen Besuch einer Schule in freier Trägerschaft oder einer überwiegend privat finanzierten Schule, mit Ausnahme des Entgelts für Beherbergung, Betreuung und Verpflegung, entrichtet, als Sonderausgaben abgezogen werden. Satz 2 der Vorschrift setzt weiter voraus, dass die Schule in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat belegen ist, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, und die Schule zu einem von dem zuständigen inländischen Ministerium eines Landes, von der Kultusministerkonferenz der Länder oder von einer inländischen Zeugnisanerkennungsstelle anerkannten oder einem inländischen Abschluss an einer öffentlichen Schule als gleichwertig anerkannten allgemein bildenden oder berufsbildenden Schul-, Jahrgangs- oder Berufsabschluss führt.
35Zwischen den Beteiligten ist zurecht unstreitig, dass insbesondere Satz 2 der Vorschrift aufgrund der Belegenheit der Schule in der Schweiz, die weder Mitglied der EU noch des EWR ist, seinem Wortlaut nach nicht erfüllt ist. Der Senat sieht daher von weiteren Ausführungen ab.
362. Ein Sonderausgabenabzug ergibt sich auch nicht aus § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG in Verbindung mit dem FZA.
37Da die Einrichtung „O.“ in der Schweiz und damit weder in der EU noch im EWR-Raum belegen ist, kann der Kläger nur dann den Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG beanspruchen, wenn sich dem FZA insoweit ein Anspruch auf Gleichbehandlung mit den EU/EWR-Staaten entnehmen ließe, der einer nationalen Steuerregelung vorginge und bei deren Auslegung entsprechend zu berücksichtigen wäre. Dies ist nicht der Fall.
38Dem Kläger ist zuzustimmen, dass das FZA als solches grundsätzlich bei der Auslegung des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG zu berücksichtigen ist. Gemäß Art. 300 ff., Art. 310 Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG; jetzt Art. 216 f. Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union – AEUV) ist das FZA Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung und stellt die Handlung eines Gemeinschaftsorgans dar. Damit nimmt der Abkommensinhalt, der für die Organe der Union und die Mitgliedstaaten verbindlich ist (vgl. Art. 216 Abs. 2 AEUV), am Vorrang des Unionsrechts gegenüber nationalem Recht teil und bewirkt im Fall einer abkommenswidrigen innerstaatlichen Vorschrift deren Nichtanwendbarkeit (BFH, Beschluss vom 07.09.2011 I B 157/10, BFHE 235, 215).
39Nach Art. 1 FZA ist zugunsten der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft und der Schweiz Ziel des FZA unter anderem (Buchst. a) die Einräumung eines Rechts auf Einreise, Aufenthalt, Zugang zu einer unselbständigen Erwerbstätigkeit und Niederlassung als Selbständiger sowie des Rechts auf Verbleib im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien. Art. 2 FZA regelt, dass die Staatsangehörigen einer Vertragspartei, die sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei aufhalten, bei der Anwendung dieses Abkommens gemäß den Anhängen I, II und III nicht aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit diskriminiert werden. Das Recht auf Aufenthalt und Zugang zu einer Erwerbstätigkeit wird gemäß Art. 4 FZA nach Maßgabe des Anhangs I, der der Freizügigkeit gewidmet ist, eingeräumt. Anhang I des FZA enthält unter anderem Regelungen für den abhängig beschäftigten Grenzgänger (Art. 7 des Anhangs I des FZA) und den selbständigen Grenzgänger (Art. 13 des Anhangs I des FZA). Diese sind definiert als Staatsangehöriger einer Vertragspartei mit Wohnsitz im Hoheitsgebiet einer Vertragspartei, der eine Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer bzw. eine selbständige Erwerbstätigkeit im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei ausübt und in der Regel täglich oder mindestens einmal in der Woche an seinen Wohnort zurückkehrt. Nach Art. 9 Abs. 2 des Anhangs I des FZA genießen ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger einer Vertragspartei ist, (und seine Familienangehörigen, Art. 3 des Anhangs I des FZA) im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei die gleichen steuerlichen und sozialen Vergünstigungen wie die inländischen Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen. Über die Verweisungsnorm des Art. 15 Abs. 2 des Anhangs I des FZA gilt (unter anderem) Art. 9 Abs. 2 des Anhangs I des FZA sinngemäß für selbständige Grenzgänger.
40Der EuGH hat bereits mehrfach entschieden, dass (unter bestimmten Umständen und nach Maßgabe der anwendbaren Bestimmungen) die Staatsangehörigen einer Vertragspartei aus dem FZA abgeleitete Rechte nicht nur gegenüber dem Land, wohin sie ihr Recht auf Freizügigkeit ausüben (hier Schweiz), sondern auch gegenüber ihrem eigenen Land (hier Deutschland) geltend machen können; die Freizügigkeit, die das FZA garantiert, würde nämlich beeinträchtigt, wenn ein Staatsangehöriger eines Vertragsstaats in seinem Herkunftsland einen Nachteil allein deshalb erlitte, weil er sein Freizügigkeitsrecht ausgeübt hat (vgl. EuGH, Urteil vom 26.02.2019, Rs. C-581/17 – Wächtler, DStR 2019, 425).
41Die geltend gemachten Sonderausgaben im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 EStG sind jedoch auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Gleichbehandlung aus Art. 9 Abs. 2 des Anhangs I des FZA (ggfs. in Verbindung mit Art. 15 Abs. 2 des Anhangs I des FZA) nicht anzuerkennen. Der Senat kann dabei offen lassen, ob der Kläger – wie er meint – als (umgekehrter) abhängig beschäftigter und/oder selbständiger Grenzgänger nach den vorgenannten Regelungen anzusehen ist, da der maßgebliche Gleichbehandlungsgrundsatz in Art. 9 Abs. 2 des Anhangs I des FZA, der entweder unmittelbar (für abhängig beschäftigte Grenzgänger) oder über Art. 15 Abs. 2 des Anhangs I des FZA sinngemäß (für selbständige Grenzgänger) gilt, die Abzugsfähigkeit der geltend gemachten Aufwendungen jedenfalls nicht gebietet.
42Das FZA untersagt – wie der Kläger zurecht festgestellt hat – eine steuerliche Ungleichbehandlung durch den Herkunftsstaat allein wegen des Wohnsitzwechsels in den Aufnahmestaat. Eine solche liegt jedoch nicht vor. Sofern der Kläger vorträgt, er hätte das in Frage stehende Schulgeld „ohne jeden Zweifel“ nach Maßgabe des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG steuerlich geltend machen können, wenn von seinem Recht auf Freizügigkeit nach dem FZA keinen Gebrauch gemacht hätte, wenn er und seine Familie also in Deutschland ansässig geblieben wären und H. im Streitjahr eine anerkannte Privatschule in Deutschland besucht hätte, so ist dieser Auffassung nicht zuzustimmen.
43Der Anerkennung der Sonderausgaben im Streitjahr 2020 hätte in dieser (innerdeutschen) Konstellation (Wohnsitz ausschließlich in Deutschland, Schulbesuch in Deutschland) entgegengestanden, dass H. zu dieser Zeit noch nicht in Deutschland (hier konkret in NRW) schulpflichtig war (vgl. § 35 Abs. 1 Schulgesetz NRW: „Die Schulpflicht beginnt für Kinder, die bis zum Beginn des 30. September das sechste Lebensjahr vollendet haben, am 1. August desselben Kalenderjahres“). Der BFH hat mit Urteil vom 16.11.2005 (XI R 79/03, BFHE 212, 69) entschieden, dass ein Schulbesuch, für den Aufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG zu berücksichtigen sind, regelmäßig erst mit dem Beginn der öffentlich-rechtlichen Schulpflicht und der Möglichkeit des Zugangs zu öffentlichen Schulen einschließlich öffentlicher Vorschulen in Betracht kommt. Hintergrund der Entscheidung, die zum Streitjahr 1997 und damit zu einer Fassung des § 10 EStG ergangen ist, in der Kinderbetreuungskosten noch nicht als Sonderausgaben, sondern allenfalls als außergewöhnliche Belastung nach § 33c EStG a. F. berücksichtigungsfähig waren, war die Überlegung, dass die Anerkennung von Schulgeld für noch nicht schulpflichtige Kinder zur Benachteiligung der Kindergärten und der Eltern führen würde, die ihre Kinder in Kindergärten schickten und dafür mitunter erhebliche Beiträge zu entrichten hätten, die nicht nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG als Sonderausgaben abgezogen werden könnten. Weiter weißt der BFH in der Entscheidung darauf hin, dass nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG ausdrücklich das Entgelt für Beherbergung, Betreuung und Verpflegung vom Sonderausgabenabzug ausgenommen sei und insbesondere bei Kleinkindern naturgemäß die Betreuung im Vordergrund stehe. Nach Auffassung des Senats wirkt die Entscheidung auch nach Einfügung des § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2006, nach dem Kinderbetreuungskosten in beschränkter Höhe als Sonderausgaben abzugsfähig sind, fort: gerade der vorliegende Fall verdeutlicht anschaulich, dass die Gefahr der Belastungsungleichheit fortbestehen würde, sofern der Besuch einer Privatschule vor Eintritt der öffentlich-rechtlichen Schulpflicht neben dem Anfall weiterer Kinderbetreuungskosten berücksichtigungsfähig wäre, da in diesem Fall insgesamt höchsten 9.000 Euro statt 4.000 Euro für einen „reinen“ Kindergartenbesuch berücksichtigungsfähig wären.
44Darüber hinaus wäre das Schuldgeld nach der Entscheidung des BFH vom 09.05.2012 (X R 43/10, BFH/NV 2012, 1947) auch dann nicht als Sonderausgabe abzugsfähig, wenn die Familie des Klägers (ausschließlich) in Deutschland wohnhaft geblieben wäre (beispielsweise in Grenznähe) und H. im Streitjahr 2020 auf eine in der Schweiz belegene Privatschule geschickt hätte. Da dies zwischen den Beteiligten auch offenbar nicht streitig ist, sieht der Senat von weiteren Ausführungen zu dieser Konstellation (Wohnsitz ausschließlich in Deutschland, Schulbesuch in der Schweiz) ab.
45Schließlich ist zu berücksichtigen, dass das Schulgeld nach Auskunft des Klägers auch für den reinen Auslandsfall (Wohnsitz ausschließlich in der Schweiz, Schulbesuch in der Schweiz), also für den Fall, dass der Kläger von seiner Arbeitnehmerfreizügigkeit „vollständig“ Gebrauch gemacht hätte und in Deutschland nicht weiter einkommensteuerpflichtig gewesen wäre, bei der (dann ausschließlich anfallenden) Einkommensbesteuerung in der Schweiz nicht in Abzug hätte gebracht werden können. Soweit der Kläger daher mit Blick auf Art. 21 Abs. 2 FZA und die dazu ergangene Rechtsprechung des EuGH (insb. Urteil vom 28.02.2013, Rs. C-425/11 – Ettwein, DStR 2013, 514 Rn. 46) vorbringt, sein Einkommen nahezu ausschließlich in Deutschland zu erzielen, weshalb er in der Schweiz keiner Besteuerung unterworfen werde, bei der die Schulgeldzahlung steuermindernd berücksichtigt werden könne, so führen nicht etwa fehlende oder nur geringfügige Einnahmen des Klägers in der Schweiz (immerhin […] Euro bzw. rd. […] Prozent aller Einnahmen des Klägers), sondern bereits die rechtlichen Regelungen in der Schweiz zur fehlenden Berücksichtigungsfähigkeit der Kosten in der Schweiz. Dabei soll nicht unerwähnt bleiben, dass die in der Schweiz steuerpflichtigen Einkünfte des Klägers zwar möglicherweise für sich genommen keine Einkommensteuer in der Schweiz auslösen, seine Ehefrau (ggfs. mit ihm zusammen) aber durchaus Einkünfte erzielen dürfte, bei denen sich die Aufwendungen steuerlich bemerkbar machen würden, so sie denn abzugsfähig wären (dazu noch sogleich).
46Letztlich ist festzuhalten, dass der Kläger keine Gleichbehandlung, sondern im Gegenteil gerade eine Ungleichbehandlung nach dem FZA begehrt.
47Der Senat kann daher im Ergebnis offen lassen, ob der begehrten Abzugsfähigkeit der Schuldgeldzahlungen (auch) die Regelung des Art. 21 Abs. 2 des FZA entgegenstünde. Diese Regelung sieht vor, dass keine Bestimmung des FZA so auszulegen ist, dass sie die Vertragsparteien daran hindert, bei der Anwendung ihrer Steuervorschriften eine Unterscheidung zwischen Steuerpflichtigen zu machen, die sich – insbesondere hinsichtlich ihres Wohnsitzes – nicht in vergleichbaren Situationen befinden. Diese Vorschrift erlaubt folglich nur dann eine steuerlich unterschiedliche Behandlung von gebietsansässigen und gebietsfremden Steuerpflichtigen, wenn sie sich nicht in einer vergleichbaren Situation befinden (EuGH, Urteil vom 28.02.2013, Rs. C-425/11 – Ettwein, DStR 2013, 514 Rn. 45). Aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs geht hervor, dass hinsichtlich der Einkommensteuer die sich aus der Berücksichtigung der Gesamteinkünfte und der persönlichen Verhältnisse sowie des Familienstands des Steuerpflichtigen ergebende persönliche Steuerkraft am leichtesten in seinem Wohnsitzstaat beurteilt werden kann, in dem in der Regel der Schwerpunkt seiner Einkünfte liegt, und dass unter diesem Gesichtspunkt gebietsansässige Personen und Gebietsfremde sich in der Regel nicht in einer vergleichbaren Situation befinden; etwas anderes gilt jedoch, wenn der Gebietsfremde in seinem Wohnsitzstaat keine nennenswerten Einkünfte hat und sein zu versteuerndes Einkommen im Wesentlichen aus einer Tätigkeit bezieht, die er in einem anderen Staat ausübt, so dass der Wohnsitzstaat nicht in der Lage ist, ihm die Vergünstigungen zu gewähren, die sich aus der Berücksichtigung seiner persönlichen Verhältnisse und seines Familienstands ergeben (EuGH, Urteil vom 28.02.2013, Rs. C-425/11 – Ettwein, DStR 2013, 514 Rn. 46, unter Bezugnahme auf EuGH, Urteile vom 27.06.1996, Rs. C-107/94 – Asscher, NJW 1996, 2921 Rn. 41 ff., und vom 14.02.1995, Rs. C-279/93 – Schumacker, DStR 1995, 326 Rn. 32 ff., die beide vor Unterzeichnung der FZA am 21.06.1999 ergangen und daher nach Art. 16 Abs. 2 FZA zu berücksichtigen sind). Ungeachtet der oben dargestellten Erwägungen zur fehlenden Berücksichtigungsfähigkeit der Kosten in der Schweiz ist weiter fraglich, ob „die im Wohnsitzstaat erzielten Einkünfte nicht hoch genug sind, um eine Berücksichtigung der persönlichen Lage und des Familienstands zu ermöglichen“ (EuGH, Urteil vom 27.06.1996, Rs. C-107/94 – Asscher, NJW 1996, 2921 Rn. 43). Es könnte insoweit nämlich zu berücksichtigen sein, dass zwar möglicherweise das in der Schweiz steuerpflichtige Einkommen des Klägers für sich genommen (nach Berücksichtigung von Abzügen) keine Einkommensteuerlast auslöst, sehr wohl aber seine Ehefrau (ggfs. auch in „Zusammenveranlagung“ mit seinen Einkünften) über Einkünfte in einer Höhe verfügen dürfte, um das Schulgeld – die Abzugsfähigkeit der Kosten hinzugedacht – steuerwirksam geltend zu machen. Dieser Überlegung liegt insbesondere der Gedanke zugrunde, dass das Schulgeld nicht allein das (in Deutschland steuerpflichtige) Einkommen des Klägers, sondern (jedenfalls auch) das in der Schweiz steuerpflichtige Einkommen der Eheleute belastet. Der Kläger und seine Ehefrau befinden sich daher bereits deshalb in einer zu ausschließlich Steuerinländern nicht vergleichbaren Situation, weil das Schweizer Steuerrecht (jedenfalls was den Kanton C. betrifft) anders als das deutsche keine Abzugsfähigkeit der Schulgeldzahlungen kennt.
48Es bestehen demnach keinerlei Zweifel daran, dass die Beschränkung des Sonderausgabenabzugs auf das an eine in der EU bzw. dem EWR-Raum belegene Privatschule gezahlte Schulgeld mit dem FZA vereinbar ist. Der Senat ist daher nicht verpflichtet, diese Rechtsfrage dem EuGH im Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens gemäß Art. 267 AEUV (früher Art. 234 EG) vorzulegen (vgl. EuGH, Urteil vom 06.10.1982, Rs. 283/81 – CILFIT, Slg. 1982, 3415, Rn. 14 und 16).
493. Der Senat musste den in der mündlichen Verhandlung am 14.11.2024 gestellten Beweisanträgen nicht nachkommen.
50Ein ordnungsgemäß gestellter Beweisantrag darf nur unberücksichtigt bleiben, wenn das Beweismittel für die zu treffende Entscheidung unerheblich, das Beweismittel unerreichbar bzw. unzulässig oder absolut untauglich ist oder wenn die in Frage stehende Tatsache zugunsten des Beweisführenden als wahr unterstellt werden kann (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, vgl. BFH, Beschluss vom 17.04.2024 X B 61/23, BFH/NV 2024, 935, mit weiteren Nachweisen). Durch die Ablehnung eines Beweisantrags darf auch nicht eine Beweiswürdigung vorweggenommen werden (BFH, Beschluss vom 08.08.2023 IX B 86/22, BFH/NV 2023, 1218, mit weiteren Nachweisen).
51Soweit der Kläger beantragt hat, darüber Beweis zu erheben, dass der Besuch der Einrichtung „O.“ durch H. im Streitjahr schulisch geprägt war (Beweisantrag Nr. 1) bzw. dass die Schulgeldzahlungen am Wohnort der Familie des Klägers in der Schweiz steuerlich dem Grunde nach nicht abzugsfähig sind (Beweisantrag Nr. 4), können beide Tatsachen zugunsten des Klägers als wahr unterstellt werden. Soweit der Kläger mit den Beweisanträgen Nr. 2 und 3 mit Blick auf § 10 Abs. 1 Nr. 9 Satz 3 bzw. 2 EStG unter Beweis gestellt hat, dass der Besuch der Einrichtung „O.“ durch H. im Streitjahr auf einen staatlich anerkannten allgemein bildenden oder berufsbildenden Schul-, Jahrgangs- oder Berufsabschluss vorbereitet hat bzw. zu einem solchen Abschluss führte, ist dies für die Entscheidung des Senats unerheblich; maßgeblich ist nach dem Vorstehenden unabhängig von der Anerkennung und Qualität der Beschulung durch die Einrichtung „O.“ vielmehr, dass – insbesondere solange H. nicht der öffentlichen Schulpflicht in Deutschland unterliegt – keine Ungleichbehandlung des Klägers erkennbar ist, die nach den Regelungen des FZA zu vermeiden wäre.
524. Eine Berücksichtigung der streitigen Ausgaben als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG kommt ebenfalls nicht in Betracht, nachdem der Beklagte antragsgemäß bereits Kinderbetreuungskosten für H. in Höhe des gesetzlichen Höchstbetrags (4.000 Euro) berücksichtigt hat.
535. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
546. Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und zur Fortbildung des Rechts zuzulassen.
55[…] […] […]