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Der Umsatzsteuer-Bescheid für 2018 vom 15.02.2024 wird dahingehend geändert, dass die Umsatzsteuer auf 59.105,66 € festgesetzt wird.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
2Streitig ist, ob die während des vorliegenden Eigenverwaltungsverfahrens begründeten Umsatzsteueransprüche des Beklagten Masseverbindlichkeiten im Sinne des § 55 der Insolvenzordnung (InsO) sind.
3Der Kläger tritt im vorliegenden Verfahren in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der D GmbH & Co. KG (im Folgenden: Schuldnerin) auf. Gegenstand des Unternehmens der Schuldnerin war die Produktion von … aller Art sowie der Einzelhandel mit …(den Produkten) (für die Neutralisierung ergänzt). Die Haupttätigkeit lag in der Herstellung und dem Vertrieb von … sowie ….
4Die Schuldnerin stellte am 01.02.2018 beim Amtsgericht C (im Folgenden: Amtsgericht) einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung. Mit Beschluss vom 01.02.2018 (Aktenzeichen xyz) ordnete das Amtsgericht das vorläufige Eigenverwaltungsverfahren gemäß § 270a lnsO an und bestellte den Kläger zum vorläufigen Sachwalter. In dem Beschluss wird weiter ausgeführt:
5„ … Maßnahmen der Zwangsvollstreckung einschließlich der Vollziehung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung gegen die Schuldnerin werden untersagt, soweit nicht unbewegliche Gegenstände betroffen sind; bereits begonnene Maßnahmen werden einstweilen eingestellt (§ 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO).
6Es wird angeordnet, dass die Schuldnerin Zahlungen auf Forderungen aus dem Steuerschuldverhältnis im Sinne des § 37 der Abgabenordnung (AO) nur mit Zustimmung des vorläufigen Sachwalters wirksam leisten kann.
7Der vorläufige Sachwalter wird zugleich beauftragt, sachverständig zu prüfen, ob ein nach der Rechtsform der Schuldnerin maßgeblicher Eröffnungsgrund vorliege und welche Aussichten für eine Fortführung des schuldnerischen Unternehmens bestehen. Er hat ferner zu prüfen, ob das schuldnerische Vermögen die Kosten des Verfahrens voraussichtlich decken wird (§ 22 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 InsO). …“
8Mit weiterem Beschluss vom 01.02.2018 zum Aktenzeichen xyz, auf den Bezug genommen wird, setzte das Amtsgericht einen vorläufigen Gläubigerausschuss ein.
9Mit Schreiben jeweils vom 07.02.2018, übersandt per Mail am 09.02.2018, setzte die Schuldnerin ihre Lieferanten und ihre Kunden von der angeordneten vorläufigen Eigenverwaltung in Kenntnis.
10Mit Beschluss vom 22.02.2018 zum Aktenzeichen xyz ordnete das Amtsgericht C auf den Antrag der Schuldnerin vom 21.02.2018 an:
11„Die Schuldnerin wird ermächtigt, die zur Fortführung des Geschäftsbetriebes erforderlichen Rechtsgeschäfte mit Lieferanten, Dienstleistern und sonstigen Vertragspartnern aufrecht zu erhalten oder abzuschließen und im Rahmen dieser Rechtsgeschäfte Masseverbindlichkeiten bis zu einer Höhe von maximal 992.195 Euro im Sinne des § 55 InsO zu begründen.
12Die Schuldnerin wird ermächtigt, zur Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes bei der Bank F ein Darlehen bis zur Höhe von maximal 380.000 Euro zu begründen; die Schuldnerin ist insoweit berechtigt, Masseverbindlichkeiten im Sinne des § 55 InsO zu begründen. Dabei umfasst das Darlehen insbesondere die Verpflichtung zur Zahlung von Zinsen, eines Bearbeitungsentgelts und einer etwaigen Differenz zwischen dem bezahlten Kaufpreis für die lnsolvenzforderungen der Arbeitnehmer und dem von der Agentur für Arbeit tatsächlich gezahlten Insolvenzgeld.
13Die Schuldnerin wird ermächtigt, zum Zwecke der Fortführung des Geschäftsbetriebs einen Massekredit bei der Bank F bis zur Höhe von maximal 150.000 Euro aufzunehmen.
14Die Ausübung dieser Ermächtigungen wird unter den Vorbehalt der Zustimmung durch die Mitglieder des vorläufigen Gläubigerausschusses gestellt.
15Gründe:
16Die Ermächtigung ist erforderlich, um den Geschäftsbetrieb im Eigenverwaltungsverfahren aufrechtzuerhalten. Die Schuldnerin hat durch Vorlage einer Liquiditätsplanung dargelegt, dass sie zu einem Ausgleich der Verbindlichkeiten nach der Verfahrenseröffnung in der Lage ist. Der vorläufige Sachwalter hat der Ermächtigung zugestimmt. Die Anhörung der Mitglieder des vorläufigen Gläubigerausschusses soll nachgeholt werden. Die Schuldnerin hat ihr Einverständnis erklärt, die Ausübung der Ermächtigung unter den Vorbehalt der Zustimmung durch die Mitglieder des vorläufigen Gläubigerausschusses zu stellen."
17Auf den Antrag der Schuldnerin vom 21.02.2018 und den Beschluss vom 22.02.2018 wird wegen der (weiteren) Einzelheiten Bezug genommen.
18Die Mitglieder des vorläufigen Gläubigerausschusses stimmten der Ermächtigung in ihrer Sitzung vom 27.02.2018 zu.
19Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 01.05.2018 zum Aktenzeichen xyz wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin wegen Zahlungsunfähigkeit eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.
20Der Beklagte führte 2018 eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung u.a. für März und April 2018 bei der Schuldnerin durch. In dem Bericht vom 26.09.2018 führte der Prüfer in Tz. 2.1. aus: Ordne das Gericht an, dass die Schuldnerin Masseverbindlichkeiten begründen könne, gelte dies nach dem allgemeinen Sprachverständnis für alle vom Schuldner begründeten Verbindlichkeiten, mithin auch für die Umsatzsteuer, die zwangsläufig durch das Handeln der Schuldnerin im Rahmen der vorläufigen Eigenverwaltung begründet werde.
21Der Beklagte erließ nach Maßgabe der Prüfungsfeststellungen unter dem 14.12.2018 und 19.12.2018 gegenüber dem Insolvenzverwalter, dem Kläger, gemäß § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide für März und April 2018.
22Der Kläger legte gegen diese Bescheide Einspruch ein. Die Feststellungen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung seien nicht korrekt, da bezogen auf die Umsatzsteuer keine Masseverbindlichkeiten begründet worden seien. Die Schuldnerin habe im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren nur insoweit Masseverbindlichkeiten begründet, als sie vom Insolvenzgericht hierzu ermächtigt worden sei. Das Insolvenzgericht habe mit Beschluss vom 22.02.2018 zum Aktenzeichen xyz die Schuldnerin ermächtigt, Rechtsgeschäfte zur Fortführung des Geschäftsbetriebs mit Lieferanten, Dienstleistern und sonstigen Vertragspartnern abzuschließen. Demzufolge könne die Schuldnerin keine Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 Abs. 2 InsO gegenüber dem Beklagten begründen. Die Bestimmungen des § 55 Abs. 4 InsO seien im Übrigen im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren nicht anwendbar. Er verweise auf das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 22.11.2018 IX ZR 167/16, BGHZ 220, 243. Zudem seien noch Umsätze aus Sponsoring nachzumelden.
23Mit Bescheiden vom 30.01.2019 änderte der Beklagte die Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide für März 2018 und April 2018 gemäß § 164 Abs. 2 AO; die Vorbehalte der Nachprüfung blieben bestehen. Die Änderungen erfolgten laut der Gesprächsnotiz des Beklagten vom 21.01.2019 „wegen der Erfassung der Sponsoring-Beträge“.
24Der Beklagte erließ unter dem 08.04.2019 die Einspruchsentscheidung, mit der er den Einspruch wegen des Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheids April 2018 als unbegründet zurückwies. Aus Gründen der Verfahrensökonomie sei die Entscheidung über den Einspruch gegen den Vorauszahlungsbescheid März 2018 zunächst zurückgestellt und lediglich über den Einspruch gegen den Vorauszahlungsbescheid April 2018 entschieden worden. Zur Begründung in der Sache führte der Beklagte in der Einspruchsentscheidung aus: Eine gerichtliche Einzelermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten in der vorläufigen Eigenverwaltung müsse insbesondere nach Art und Umfang hinreichend bestimmt sein, d.h. die Gläubiger müssten individualisierbar und die Verbindlichkeiten eindeutig bezeichnet sein. Auch bei sog. Bündelermächtigungen als Verweis auf eine beigefügte Liste müssten die einzelnen Gläubiger exakt benannt und die Art der Verbindlichkeit konkret dargelegt werden. Bei den Gläubigern seien sowohl die Namen als auch die Adressen anzugeben. Einzelne Leistungen seien konkret zu bezeichnen. So habe z.B. das Amtsgericht M in seinem Beschluss vom 10.04.2014 zu dem Aktenzeichen zzz ( ) angeführt, dass der Leasinggegenstand eindeutig zu benennen und neben der Angabe „Strom/Gas/Wasser" die genaue Bezeichnung der Verbrauchsstelle erforderlich sei. Eine Einzelermächtigung, die den oben angeführten Anforderungen nicht entspreche, bewirke keine Begrenzung auf die im Beschluss benannten Schuldverhältnisse. Der Schuldner begründe vielmehr Masseverbindlichkeiten bis zur Höhe des im Beschluss bestimmten Betrags. In diesem Fall seien die während der vorläufigen Eigenverwaltung begründeten Abgabenforderungen bis maximal zur Höhe des im Beschluss genannten Betrags festzusetzen. Dies gelte auch dann, wenn der Insolvenzschuldner vortrage, der Betrag sei bereits für andere Verbindlichkeiten verbraucht. Hiervon ausgehend sei festzustellen, dass der Ermächtigungsbeschluss des Amtsgerichts vom 22.02.2018 zum Aktenzeichen xyz den genannten Anforderungen nicht entspreche. Der Beschluss benenne weder die einzelnen Gläubiger einschließlich ihrer Adressen noch die in Rede stehenden konkreten Leistungen. In dem Beschluss werde auch auf keine Anlage verwiesen, aus der sich diese zwingend erforderlichen Angaben ergeben könnten. Bereits aus diesem Grund sei der Beschluss des Amtsgerichts vom 22.02.2018 zum Aktenzeichen xyz als Globalermächtigung anzusehen mit der Folge, dass die in dem angefochtenen Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid April 2018 festgesetzten Steueransprüche als Masseverbindlichkeiten im Sinne von § 55 Abs. 2 bzw. 4 InsO einzustufen seien.
25Selbst wenn man aber den Beschluss des Amtsgerichts vom 22.02.2018 zum Aktenzeichen xyz nicht bereits wegen der fehlenden hinreichenden Bestimmtheit als Globalermächtigung ansehen wolle, wären die während der vorläufigen Eigenverwaltung begründeten Umsatzsteueransprüche auch deshalb als Masseverbindlichkeit einzuordnen, weil die Beschlussformulierungen in der Weise zu interpretieren seien, dass sie auch Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis einschließen. Denn durch die Ermächtigung sei der Schuldnerin gestattet worden, die zur Fortführung des Geschäftsbetriebs erforderlichen Rechtsgeschäfte aufrechtzuerhalten oder abzuschließen und im Rahmen dieser Rechtsgeschäfte Masseverbindlichkeiten zu begründen. Die hier zu beurteilende Umsatzsteuer werde im Rahmen der von der Schuldnerin abgeschlossenen Rechtsgeschäfte begründet. Die Umsatzsteuerverbindlichkeit sei ein zwangsläufiger Annex eines Hauptgeschäftes, welcher nicht losgelöst von diesem beurteilt werden könne. Die Schuldnerin könne die Entstehung des Umsatzsteueranspruchs nicht verhindern, wenn sie nicht von dem Abschluss des Hauptgeschäftes absehen wolle. Werde die Schuldnerin also ermächtigt, während der vorläufigen Eigenverwaltung im Rahmen der von ihr eingegangenen Rechtsgeschäfte Masseverbindlichkeiten zu begründen, gehöre die Umsatzsteuer zwangsläufig auch dazu. Eine abweichende Beurteilung für Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis könne auch nicht aus dem Zweck der Anordnung abgeleitet werden. Denn die Anordnung solle nach der Begründung des Gesetzesentwurfs dem Schuldner ermöglichen, „um Vertrauen im Geschäftsverkehr zu werben" und zu diesem Zweck „quasi in die Rechtsstellung eines starken vorläufigen lnsolvenzverwalters einzurücken" und „durch alle seine Rechtshandlungen Masseverbindlichkeiten zu begründen" (Bundestags-Drucksache 17/7511, S. 37). Insofern möge es zwar zutreffend sein, dass die gerichtliche Ermächtigung vorrangig auf vertragliche Verbindlichkeiten abgezielt habe, gleichwohl sei nicht ersichtlich, weshalb die Erhebung der Umsatzsteuer als Masseverbindlichkeit dem Ziel der Betriebsfortführung zuwiderlaufen solle. Der Unternehmer müsse grundsätzlich keine höhere Umsatzsteuer abführen als er vereinnahmt habe und könne die Vorsteuer abziehen. Er sei deswegen durch die Umsatzsteuer im Ergebnis wirtschaftlich nicht belastet. Dass der Gesetzgeber beabsichtigt habe, die vorläufige Eigenverwaltung durch Einschränkungen bei der Steuererhebung zu privilegieren, sei der Entwurfsbegründung nicht zu entnehmen. Ein schutzwürdiges „Vertrauen im Geschäftsverkehr" könne auch schwerlich darauf beruhen, dass der Schuldner seinen steuerlichen Verpflichtungen nicht vollständig nachkommen werde (so auch das Urteil des Finanzgerichts –FG– Nürnberg vom 28.03.2018 2 K 1105/15, EFG 2018, 1229).
26Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass die Schuldnerin auch zur Aufnahme eines Massekredites ermächtigt worden sei. Diese Ermächtigung impliziere denknotwendig, dass der Schuldnerin auch die Berechtigung dazu verliehen worden sei, mit den Kreditmitteln im Rahmen der Unternehmensfortführung weitere Masseverbindlichkeiten zu begründen, wozu auch die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis gehörten. Der vorangegangenen rechtlichen Beurteilung könne auch nicht entgegengehalten werden, dass der im Ermächtigungsbeschluss festgelegte Betrag von 992.195 Euro durch Zahlung an andere Gläubiger bereits „verbraucht" worden sei. Denn da der Beschluss vom 22.02.2018 zum Aktenzeichen xyz mangels Verweis auf eine Anlage keine Zuordnung des Maximalbetrags auf einzelne Gläubiger vornehme, könne jeder der betroffenen Gläubiger eine bevorrechtigte Befriedigung seiner Forderungen nach § 53 InsO bis zu einem Betrag von 992.195 Euro verlangen. Eine andere Beurteilung hätte hingegen zur Folge, dass die Befriedigung der Gläubiger in das Belieben der Schuldnerin gestellt wäre. Denn diese hätte dann frei entscheiden können, wie sie den Betrag von 992.195 Euro verwende. Durch die bevorzugte Bedienung einzelner Forderungen hätten andere Gläubiger von der Befriedigung vollständig ausgeschlossen werden können. Die gerichtliche Ermächtigung solle jedoch gerade dazu dienen, für den Rechtsverkehr und dabei insbesondere für die von dem Beschluss betroffenen Gläubiger Klarheit darüber zu schaffen, welche ihrer Forderungen als Masseverbindlichkeiten anzusehen seien. Es solle insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes vermieden werden, dass zwischen den einzelnen Gläubigern in der Folge ein Streit über die Abgrenzung zwischen Masseverbindlichkeiten und Insolvenzforderungen entstehe. Solche Streitigkeiten lägen jedoch bei einer Deckelung der Masseverbindlichkeiten auf einen Gesamtbetrag von maximal 992.195 Euro auf der Hand, weil kein Gläubiger sicher feststellen könnte, ob und ggf. in welchem Umfang dieser Betrag im Zeitpunkt der Fälligkeit seiner Forderungen bereits „verbraucht" sei. Im Übrigen käme es zu einem Wettlauf der Gläubiger, da jeder Anspruchsinhaber das Ziel verfolgen würde, seine Forderungen möglichst zeitnah zu realisieren, um nicht von der Deckelung betroffen zu sein. Bei einem solchen Wettlauf würde die Finanzverwaltung mit ihren Forderungen regelmäßig ausfallen, da die Geltendmachung der Steuerforderungen trotz der Insolvenz des Unternehmens weiterhin nur nach Maßgabe der AO sowie den Einzelsteuergesetzen möglich sei. Deshalb wären die Fristen zur Abgabe von Steuererklärungen sowie die gesetzlich vorgegebenen Fälligkeitszeitpunkte weiterhin zu beachten. Nach alledem sei der vorliegende Beschluss des Amtsgerichts vom 22.02.2018 zum Aktenzeichen xyz dahingehend auszulegen, dass die darin genannten Gläubiger und damit auch die Finanzverwaltung jeweils eine Befriedigung ihrer Forderungen bis zur Höhe von 992.195 Euro nach § 53 InsO verlangen könne.
27Selbst wenn man den vorstehenden Ausführungen nicht folgen wolle, seien die im April 2018 begründeten Umsatzsteuerforderungen dennoch gemäß §§ 270a, 270 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 55 Abs. 4 InsO bzw. gemäß § 270a i.V.m. § 55 Abs. 4 insO in analoger Anwendung zutreffend als Masseverbindlichkeiten eingestuft worden.
28Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung vom 08.04.2019 verwiesen.
29Der Kläger hat am 08.05.2019 Klage erhoben.
30Hinsichtlich der Umsätze aus dem Sponsoring, die trotz des Änderungsbescheids vom 30.01.2019 noch streitbefangen waren, erließ der Beklagte unter dem 02.09.2019 den gemäß § 164 Abs. 2 AO geänderten Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für April 2018. Er half dem Klagebegehren des Klägers insoweit ab. In den Erläuterungen führte er aus, dass sich die Klage in dem Punkt „Umsätze aus dem Sponsoring“ – wie auch der Kläger ausführe – erledigt habe.
31Zur Begründung der Klage im Übrigen trägt der Kläger vor: Die Umsatzsteuer-Forderungen, die im Laufe der vorläufigen Eigenverwaltung entstanden seien, stellten keine Masseverbindlichkeiten dar, sondern seien vom Beklagten nach der Insolvenzeröffnung als Insolvenzforderungen anzumelden. Es sei nicht verständlich, bezüglich des Beschlusses vom 22.02.2018 zum Aktenzeichen xyz von einer Globalermächtigung zu sprechen. In dem Beschluss seien nicht nur Sinn und Zweck der Ermächtigung dargetan, sondern auch genau bezeichnet, in welchem betragsmäßigen Umfang und mit welcher Kategorie von Subjekten Vertragsverhältnisse fortgeführt bzw. neu begründet werden dürften. Eine Benennung einzelner Lieferanten bzw. Dienstleister sei schlicht nicht praktikabel und von ihm von dem Amtsgericht auch nicht gefordert worden. Wenn die Beklagte die Praxis anderer Gerichte anführe, z.B. des Amtsgerichts M, sei das für das in diesem Verfahren zuständige Amtsgericht nicht erheblich. Die Notwendigkeit der Ermächtigung vom 22.02.2018 zum Aktenzeichen xyz habe darin bestanden, dass Lieferanten und Dienstleister ansonsten nicht mehr mit der Schuldnerin kontrahiert hätten. Eine Fortführung des Geschäftsbetriebes wäre dann nicht möglich gewesen. Bestimmt sei die Ermächtigung auch hinsichtlich der Qualität der rechtlichen Verbindung. So betreffe sie Vertragsverhältnisse. Damit sei die Ermächtigung im Streitfall schon dem Grunde nach nicht auf die streitbefangenen Steuerforderungen anwendbar, denn die Steuerentstehung mit der Finanzverwaltung betreffe kein Vertragsverhältnis, sie sei nicht verhandelbar. Es mache daher auch keinen Sinn, den Antrag der Schuldnerin, der in die Ermächtigung Eingang gefunden habe, in der von Beklagten vorgetragenen Art auszulegen. Die Steuerentstehung sei gesetzlich geregelt. Im Übrigen sei für eine derartige Auslegung kein Raum, da Sinn und Zweck des Antrags eindeutig seien und sogar im Rahmen der Ermächtigung Erwähnung fänden. Im Übrigen wäre der Beschluss des Amtsgerichts vom 22.02.2018 zum Aktenzeichen xyz, denke man die Forderung des Beklagten nach einer Aufstellung der Gläubiger mit Namen und Adresse sowie konkreter Leistungsbeschreibung zu Ende, unwirksam. Dies hätte dann aber zur Konsequenz, dass ausschließlich auf den Beschluss vom 01.02.2018 zum Aktenzeichen xyz abzustellen sei. Danach ergebe sich unweigerlich, dass bezüglich der in Rede stehenden Umsatzsteuer eine Insolvenzforderung vorliege.
32Der Kläger reichte zunächst am 19.05.2021 die Umsatzsteuer-Erklärung 2018 der Schuldnerin ein, der der Beklagte am 29.07.2021 zustimmte (vgl. Mitteilung für 2018 vom 18.08.2021), und am 14.03.2022 eine berichtige Umsatzsteuer-Erklärung 2018. Der Beklagte erließ unter dem 11.04.2023 einen gemäß § 164 Abs. 2 AO geänderten Umsatzsteuer-Bescheid für 2018, in dem er die Umsatzsteuer erklärungsgemäß auf 59.105,66 € festsetzte.
33Das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung N (FA Groß- und Konz-BP) führte eine Außenprüfung bei der Schuldnerin u.a. für Umsatzsteuer 2018 durch (vgl. Prüfungsanordnung vom 10.12.2021). Auf Nachfrage des Prüfers an den Kläger, warum die Prüfungsfeststellungen laut der Umsatzsteuer-Sonderprüfung vom 28.11.2018 nicht in den beiden Umsatzsteuer-Erklärungen umgesetzt worden seien, trug der Kläger vor: Die damalige Umsatzsteuer-Sonderprüfung sei durchgeführt worden, da die Finanzverwaltung die Anwendung des § 55 Abs. 4 InsO auf die vorläufige Eigenverwaltung anders gesehen habe als der Gesetzgeber und die Gerichte. Jedoch sei auch von der Finanzverwaltung inzwischen anerkannt worden, dass § 55 Abs. 4 InsO – auch analog – auf die vorläufige Eigenverwaltung nicht anzuwenden sei. Der damalige Prüfer habe nur solche Sachverhalte im Rahmen der Prüfung festgestellt, die gerade § 55 Abs. 4 InsO betroffen hätten, und die Umsatzsteuerbeträge in seinem Bericht als Masseverbindlichkeiten behandelt. Da er, der Kläger, anderer Auffassung gewesen sei, habe er die Feststellungen des Prüfers in den Umsatzsteuer-Erklärungen für 2018 nicht übernommen.
34Der Beklagte erließ unter dem 15.02.2024 den gemäß § 164 Abs. 2 AO geänderten Umsatzsteuer-Bescheid für 2018, in dem er die Prüfungsfeststellungen aus dem Bericht vom 26.09.2018 berücksichtigte und die Umsatzsteuer auf 115.401,80 Euro festsetzte. Den Vorbehalt der Nachprüfung ließ er bestehen. Die Festsetzung führt zu einer Umsatzsteuer-Zahllast in Höhe von 56.296,14 Euro. In den Erläuterungen des Bescheids führte der Beklagte aus, dass die Prüfungsfeststellungen, die im Bescheid vom 11.04.2023 keine Berücksichtigung gefunden hätten, nunmehr umgesetzt worden seien.
35Der Kläger beantragt,
36den Umsatzsteuer-Bescheid 2018 vom 15.02.2024 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer um 56.296,14 € gemindert wird,
37hilfsweise, die Revision zuzulassen.
38Der Beklagte beantragt,
39die Klage abzuweisen,
40hilfsweise, die Revision zuzulassen.
41Der Beklagte verweist zur Begründung auf seine Einspruchsentscheidung und führt weiter aus: Soweit er seine Rechtsauffassung bisher hilfsweise auf die (analoge) Anwendung des § 55 Abs. 4 InsO a.F. bzw. § 55 Abs. 2 InsO a.F. gestützt habe, halte er hieran aufgrund der inzwischen ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung (BFH-Beschlüsse vom 07.05.2020 V R 14/19 und V R 19/19) nicht mehr fest.
42Dessen ungeachtet könne das Insolvenzgericht den vorläufig eigenverwaltenden Schuldner in Form einer gerichtlichen Einzel- oder Globalermächtigung dazu ermächtigen, Masseverbindlichkeiten zu begründen. Der Beschluss des Amtsgerichts vom 22.02.2018 zum Aktenzeichen xyz sei – wie in der Einspruchsentscheidung bereits ausgeführt – mangels hinreichender Bestimmtheit nicht als Einzel-, sondern als Globalermächtigung anzusehen mit der Folge, dass diese auch die streitigen Umsatzsteuerverbindlichkeiten umfasse, welche zutreffend als Masseverbindlichkeiten berücksichtigt worden seien. Soweit der Kläger in Bezug auf den Beschluss des Amtsgerichts M vom 04.07.2014 yyy den Eindruck vermitteln wolle, dass es in das Belieben jedes lnsolvenzgerichts gestellt sei, wie ein Ermächtigungsbeschluss abzufassen sei, könne dem nicht gefolgt werden. Denn die Handlungen der Insolvenzgerichte müssten sich einheitlich an den gesetzlichen Grundlagen und an der flankierenden Auslegung der Normen durch die höchstrichterliche Rechtsprechung orientieren. So habe der BGH in seinem Beschluss vom 18.07.2002 IX ZR 195/01 für die Einzelermächtigung an einen vorläufigen Insolvenzverwalter entschieden, dass in der Ermächtigung im Voraus genau festzulegen sei, welche Verpflichtungen der vorläufige Insolvenzverwalter zu Lasten der späteren lnsolvenzmasse eingehen dürfe. Aus Gründen der Rechtsklarheit und des gebotenen Schutzes der Gläubiger müsse jeweils aus der gerichtlichen Anordnung selbst unmissverständlich zu erkennen sein, mit welchen Einzelbefugnissen – nach Art und Umfang – der vorläufige Insolvenzverwalter ausgestattet sei. Diese Grundsätze zum vorläufigen Insolvenzverfahren seien auch auf die Ermächtigung für den vorläufig eigenverwaltenden Schuldner zu übertragen. Infolgedessen müsse die Ermächtigung den Namen des Gläubigers, die Bezeichnung des konkreten Vertragsgegenstandes und den prognostizierten (monatlichen) Umfang derart bestimmen, dass für den Rechtsverkehr anhand des gerichtlichen Beschlusses ersichtlich sei, ob eine eingegangene Verbindlichkeit der Ermächtigung unterfalle. In diesem Zusammenhang werde auch auf das Formulierungsbeispiel von Laroche (Leiter der Insolvenzabteilung des Amtsgerichts Köln) in Neue Zeitschrift für Insolvenz- und Sanierungsrecht (NZI) 2010, Seite 965 ff. verwiesen. Diesen Anforderungen werde der Beschluss des Amtsgerichts vom 22.02.2018 zum Aktenzeichen xyz offensichtlich nicht gerecht. Die notwendigen Angaben seien darin nicht zu finden. Den von der Rechtsprechung und der Literatur verlangten Anforderungen an eine wirksame Einzelermächtigung könne der Kläger auch keine Praktikabilitätserwägungen entgegenhalten. Denn, wie bereits ausgeführt, diene der Inhalt der Ermächtigung insbesondere dem Schutz des Rechtsverkehrs. Deshalb sei vom eigenverwaltenden Schuldner zu verlangen, dass er beim zuständigen Insolvenzgericht die Erteilung einer formal zutreffenden Einzelermächtigung beantrage. Die damit verbundenen Belastungen habe er hinzunehmen. Soweit ihm dies zu aufwendig erscheine, stehe es ihm frei, eine Globalermächtigung – verbunden mit den damit einhergehenden Rechtsfolgen – zu wählen.
43Dem Kläger könne auch dahingehend nicht gefolgt werden, dass die für eine Einzelermächtigung unzureichenden Angaben dazu führten, dass der Beschluss des Amtsgerichts vom 22.02.2018 zum Aktenzeichen xyz unwirksam sei. Denn die Schuldnerin habe beim lnsolvenzgericht eine Ermächtigung beantragt, um Masseverbindlichkeiten während der vorläufigen Eigenverwaltung begründen zu können. Auf der Grundlage der erteilten Ermächtigung habe die Schuldnerin dann Gläubiger, deren Forderungen während der vorläufigen Eigenverwaltung begründet worden seien, befriedigt. Die Schuldnerin habe demzufolge so gehandelt, als wäre die Ermächtigung wirksam. Infolgedessen sei es dann aber auch folgerichtig und sachgerecht, die gewollte, aber zu unbestimmte Einzelermächtigung nicht als unwirksam anzusehen, sondern unter Beachtung des insolvenzrechtlichen Grundsatzes der Gläubigergleichbehandlung auch auf die Forderungen solcher Gläubiger anzuwenden, deren Ansprüche ebenfalls während der vorläufigen Eigenverwaltung begründet worden seien. Eine solche rechtliche Betrachtung sei insbesondere im Hinblick auf die Schutzwürdigkeit des Vertrauens im Rechtsverkehr geboten. Würde man nämlich von einer generellen Unwirksamkeit der Ermächtigung ausgehen, müsste der Insolvenzverwalter bzw. Sachwalter die Anfechtung sämtlicher aufgrund der Ermächtigung geleisteter Zahlungen nach den §§ 130 ff. InsO prüfen.
44Dem Vortrag des Klägers, dass bei Unwirksamkeit des Ermächtigungsbeschlusses ausschließlich Insolvenzforderungen vorliegen könnten, sei entgegenzuhalten, dass formale Mängel zwar grundsätzlich zu einer Unwirksamkeit führen könnten, jedoch sei eine gerichtliche Anordnung erst dann als unwirksam anzusehen, wenn der dem Beschluss anhaftende, besonders schwere Fehler bei verständiger Würdigung aller Umstände offenkundig sei (vgl. BGH-Urteile vom 07.05.1991, IX ZR 30/90 sowie vom 18.07.2002 IX ZR 195/01). Zwar möge ein besonders schwerer Fehler in der formal unbestimmten Einzelermächtigung liegen. Dieser sei jedoch nicht offenkundig. Offenkundig seien nämlich nur solche Tatsachen, die auch allgemein für Unbeteiligte sofort erkennbar seien. Für die im Streitfall erteilte unbestimmte Einzelermächtigung könne dies nach verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände jedoch nicht gelten. Denn in der Rechtsprechung und der Rechtslehre werde über die genauen Anforderungen sowie die Rechtsfolgen diskutiert. Die Fehlerhaftigkeit könne daher nicht für jedermann offensichtlich sein, da die genauen formalen Anforderungen noch nicht abschließend geklärt seien und verschiedene Ansichten in der Literatur vertreten würden. Der Beschluss des Amtsgerichts vom 22.02.2018 zum Aktenzeichen xyz sei somit nicht unwirksam. Vielmehr sei weiterhin daran festzuhalten, dass die gewollte, aber zu unbestimmte Einzelermächtigung unter Beachtung des insolvenzrechtlichen Grundsatzes der Gläubigergleichbehandlung auf die Forderungen aller Gläubiger anzuwenden sei, deren Ansprüche während der vorläufigen Eigenverwaltung begründet worden seien.
45Selbst wenn man den Beschluss des Amtsgerichts vom 22.02.2018 zum Aktenzeichen xyz mangels hinreichender Bestimmtheit nicht als Globalermächtigung ansehen wolle, wären die während der vorläufigen Eigenverwaltung begründeten Umsatzsteueransprüche auch im Rahmen der Auslegung des Beschlusses als Masseverbindlichkeiten zu qualifizieren, da – wie in der Einspruchsentscheidung bereits ausgeführt – die Entstehung des Umsatzsteueranspruchs derart mit dem Abschluss des Hauptgeschäfts verflochten sei, dass die Schuldnerin zwangsläufig auch hinsichtlich des Umsatzsteueranspruchs Masseverbindlichkeiten begründe. Die streitbefangene Umsatzsteuerverbindlichkeit werde ohnehin auch vom Wortlaut der Ermächtigung umfasst. Denn die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis seien – wie es die Ermächtigung fordere – untrennbar mit den Rechtsgeschäften, die im Rahmen der zur Fortführung des Geschäftsbetriebs erforderlich seien, verbunden. Dem stehe auch nicht entgegen, dass „die Steuerentstehung mit der Finanzverwaltung nicht verhandelbar wäre". Denn die Insolvenzordnung bewirke, dass öffentlich- und privatrechtliche Gläubiger gleich zu behandeln seien mit der Folge, dass auch öffentlich-rechtliche Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis von einer Ermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten umfasst sein können. Infolgedessen führe das FG Nürnberg im Urteil vom 28.03.2018, Az. 2 K 1105/15, zutreffend Folgendes aus: „Die vorstehenden verfassungs- und unionsrechtlichen Gründe schließen es aber aus, § 270b Abs. 3 Satz 1 InsO dahingehend auszulegen, dass der Schuldner ermächtigt wird, Verbindlichkeiten gegenüber seinem Leistungsempfänger, nicht aber die daran anknüpfenden Steuerschulden, namentlich Umsatzsteuerschulden, als Masseverbindlichkeiten zu begründen. Vielmehr kann die Einzelermächtigung, sich zu Lasten der Masse einer Lieferung oder sonstigen Leistung zu verpflichten, insbesondere wegen der unionsrechtlichen Funktion des Unternehmers als Steuereinnehmer nicht erteilt werden, wenn nicht auch die dadurch begründete Umsatzsteuer Masseverbindlichkeit wird." Diese Grundsätze seien auf Ermächtigungen im Rahmen des vorläufigen Eigenverwaltungsverfahrens zu übertragen.
46Der BFH habe sich bislang auch weder in seinen Beschlüssen V R 14/19 und V R 19/19 noch in der anderweitigen Rechtsprechung zu den Anforderungen an eine wirksame Einzel- oder Gruppenermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten während des vorläufigen Eigenverwaltungsverfahrens geäußert. Darüber hinaus fehle auch eine höchstrichterliche Entscheidung zu der Frage, welche Rechtsfolgen eintreten, wenn die Einzel- oder Gruppenermächtigung nicht hinreichend bestimmt sei.
47Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Gerichtsakte und die von dem Beklagten übersandten Verwaltungsvorgänge verwiesen.
48Der Senat hat am 08.10.2024 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
49Entscheidungsgründe
50I. Die Klage ist begründet.
51Der Umsatzsteuer-Bescheid 2018 vom 15.02.2024, der gemäß § 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens geworden ist, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
52Der Beklagte hat zu Unrecht die während der vorläufigen Eigenverwaltung (§§ 270, 270a InsO in der im Streitjahr geltenden Fassung -im Folgenden: a.F.-) entstandene Umsatzsteuer der Insolvenzmasse zugerechnet. Die Umsatzsteuerschuld/-verbindlichkeit in Höhe von 56.296,14 € stellt keine Masseverbindlichkeit dar. Vielmehr ist die während der vorläufigen Eigenverwaltung (Beschluss des Amtsgerichts vom 22.02.2018 zum Aktenzeichen xyz) bis zur Bestellung des Klägers als Insolvenzverwalter am 01.05.2018 entstandene Umsatzsteuerschuld – bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 38 InsO – als Insolvenzforderung durch den Beklagten geltend zu machen.
531. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens – im Streitfall am 01.05.2018 – hat zur Folge, dass trotz fortbestehender Unternehmenseinheit das Vermögen der Insolvenzschuldnerin einem unterschiedlichen Rechtsregime unterworfen ist (vgl. hier nur BFH, Urteil vom 27.11.2019 XI R 35/17, BFH/NV 2020, 482, Rn. 26 m.w.N.). Der Besteuerungszeitraum wird zwar nicht unterbrochen, aber innerhalb des Besteuerungszeitraums ist die auf die Zeit bis zur Insolvenzeröffnung entfallende Umsatzsteuer grundsätzlich nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren zu verfolgen, das heißt im Regelfall als Insolvenzforderung zur Tabelle anzumelden. Gläubiger, die einen vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben, sind insoweit grundsätzlich Insolvenzgläubiger (§ 38 InsO). Die auf die Zeit nach der Insolvenzeröffnung entfallenden Umsatzsteuern (in der Praxis: unter einer neuen Steuernummer, die der Masse zugeteilt wird) sind grundsätzlich als Masseverbindlichkeiten durch Steuerbescheid festzusetzen. Es werden aber ausnahmsweise auch schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens Masseverbindlichkeiten nach § 55 InsO a. F. begründet, die in diesem Steuerbescheid anzusetzen sind.
54Im vorliegenden Eigenverwaltungsverfahren nach §§ 270, 270a InsO a.F. scheidet jedoch eine unmittelbare oder analoge Anwendung des § 55 Abs. 2 InsO a.F. bzw. § 55 Abs. 4 InsO a.F., nach denen Masseverbindlichkeiten auch schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet werden, aus. Nach § 55 Abs. 2 Satz 1 InsO a.F. gelten Verbindlichkeiten, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter begründet worden sind, auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist, nach der Eröffnung des Verfahrens als Masseverbindlichkeiten. Nach § 55 Abs. 4 InsO a.F. gelten Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners aus dem Steuerschuldverhältnis, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters begründet worden sind, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit. Bei einem vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren – wie im Streitfall – fehlt es für eine unmittelbare Anwendung von § 55 Abs. 2 und Abs. 4 InsO a.F. bereits jeweils an der Grundvoraussetzung der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters; für eine analoge Anwendung fehlt es u.a. an einer planwidrigen Regelungslücke. Der erkennende Senat folgt insoweit den Ausführungen des Bundesfinanzhofs in den Urteilen vom 07.05.2020 V R 14/19, BFH/NV 2020, 1178 und V R 19/19, BFH/NV 2020, 1095 und dem Urteil des BGH vom 22.11.2018 IX ZR 167/16, BGHZ 220, 243, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird.
55Masseverbindlichkeiten können aber im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren nach §§ 270, 270a InsO a.F. ausnahmsweise auch dadurch begründet werden, dass die Verbindlichkeiten auf der Grundlage einer vom Insolvenzgericht erteilten (Einzel‑)Ermächtigung begründet werden (vgl. u.a. BFH, Urteile vom 07.05.2020 V R 14/19, BFH/NV 2020, 1178 und V R 19/19, BFH/NV 2020, 1095; BGH, Urteil vom 22.11.2018 IX ZR 167/16, BGHZ 220, 243). Denn auch für das auf ein Eigenverwaltungsverfahren gerichtete Eröffnungsverfahren des § 270a InsO a.F. gelten nach § 270 Abs. 1 Satz 2 InsO a.F. die allgemeinen Vorschriften, soweit in den §§ 270 ff InsO a.F. nichts anderes bestimmt ist. Zu den allgemeinen Vorschriften gehört insoweit § 21 Abs. 1 Satz 1 InsO a.F. (siehe Ellers, in Fridgen/Geiwitz/Göpfert, InsO, Stand: 28.01.2019, § 270 Rn. 83; Zipperer, in Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 14. Auflage 2015, § 270 Rn. 33, m.w.N.). Das Insolvenzgericht hat daher auch hier die Maßnahmen zu treffen, die erforderlich erscheinen, um nachteilige Veränderungen in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten. Dazu kann auch die Ermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten im Zuge der Fortführung des Unternehmens vor dem Hintergrund einer angestrebten Sanierung gehören (vgl. BGH, Urteil vom 22.11.2018 IX ZR 167/16, BGHZ 220, 243). Die Regelung in § 270b Abs. 3 InsO a.F., die für das hier nicht einschlägige Schutzschirmverfahren eine Pflicht des Gerichts zu einer entsprechenden Anordnung auf Antrag des Schuldners vorsieht, stellt keine anderweitige Bestimmung im Sinne des § 270 Abs. 1 Satz 2 InsO a.F. dar, die in Verfahren nach § 270a InsO a.F. der Anwendung der allgemeinen Vorschriften und damit einer im Ermessen des Gerichts stehenden Ermächtigung entgegenstünde (vgl. BGH, Urteil vom 22.11.2018 IX ZR 167/16, BGHZ 220, 243).
56Die vom Insolvenzgericht zu erteilende Ermächtigung ist an den Schuldner zu richten, dem im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren weiterhin die Befugnis zusteht, sein Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen. Sie kann – wie in einem nicht auf eine Eigenverwaltung zielenden Eröffnungsverfahren – einzelne, zumindest der Art nach bestimmt bezeichnete Verpflichtungen zu Lasten der späteren Masse zum Gegenstand haben (vgl. BGH, Urteil vom 22.11.2018 IX ZR 167/16, BGHZ 220, 243). Die Ermächtigung des Schuldners kann als Einzel-/Gruppenermächtigung oder Globalermächtigung ausgestaltet sein, wobei der BGH in seinem Urteil vom 22.11.2018 IX ZR 167/16, BGHZ 220, 243, ausdrücklich offengelassen hat und der BFH noch nicht zu entscheiden hatte, ob im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren nach § 270a InsO a.F. – wie in einem Schutzschirmverfahren nach § 270b InsO a.F. (vgl. BGH, Urteil vom 16.06.2016 IX ZR 114/15, BGHZ 210, 372) – auch eine Globalermächtigung zulässig ist, die wie bei einem starken vorläufigen Verwalter zur Begründung von Masseverbindlichkeiten nach Maßgabe des § 55 Abs. 2 InsO führt.
57Die Einzel- oder Gruppenermächtigung an den Schuldner ist beschränkt auf bestimmte Geschäfte. Sie dient der Erleichterung der Sanierung des schuldnerischen Unternehmens und schützt damit zugleich den Schuldner. Bei einer Globalermächtigung werden hingegen sämtliche vom Schuldner begründeten Verbindlichkeiten als Masseverbindlichkeiten behandelt, ohne dass es darauf ankommt, ob ihre vorrangige Befriedigung zur Sanierung des Unternehmens notwendig oder angezeigt ist. Die vollständige Befriedigung aller während des Eröffnungsverfahrens begründeten Verbindlichkeiten im Rang von Masseverbindlichkeiten ist zur Aufrechterhaltung des Betriebs des Schuldners im Regelfall nicht erforderlich.
58Für eine Einzel- oder Gruppenermächtigung reicht es, wenn der Antrag des Schuldners und danach auch die Ermächtigung des Insolvenzgerichts konkret beschreibt, welche Verbindlichkeiten erfasst sein sollen (vgl. FG Münster, Urteil vom 13.08.2020 5 K 96/17, EFG 2020, 1722; Oberlandesgericht -OLG- Dresden, Urteil vom 15.10.2014 13 U 1605/13, ZIP 2015, 1937). Die Frage, ob das Insolvenzgericht daraufhin eine Einzel- bzw. Gruppenermächtigung oder eine Globalermächtigung angeordnet hat, ist ebenso wie die Frage nach dem Umfang und der Reichweite der beiden erstgenannten Ermächtigungen gegebenenfalls durch Auslegung festzustellen (vgl. FG Münster, Urteil vom 13.08.2020 5 K 96/17, EFG 2020, 1722; OLG Dresden, Urteil vom 15.10.2014 13 U 1605/13, ZIP 2015, 1937).
592. Hiervon ausgehend handelt es sich im Streitfall bei der Anordnung des Amtsgerichts vom 22.02.2018 zum Aktenzeichen xyz um eine wirksame Gruppenermächtigung, die die streitige Umsatzsteuerverbindlichkeit nicht umfasst, und nicht um eine Globalermächtigung. Eine Globalermächtigung scheidet schon deshalb aus, da das Amtsgericht keine unbeschränkte – umfassende und vorbehaltlose – Befugnis zur Eingehung von unternehmensbezogenen Verpflichtungen, die zu Masseverbindlichkeiten führen, erteilt hat und erkennbar auch nicht erteilen wollte. Vielmehr beschränkt sich die Ermächtigung auf die Rechtsverhältnisse bzw. Arten von Rechtsverhältnissen, die im Beschluss aufgeführt sind. Eine Beschränkung enthält der Beschluss des Amtsgerichts bereits bezogen auf das Darlehen zur Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes, denn insoweit ist nur die Verpflichtung „zur Zahlung von Zinsen, eines Bearbeitungsentgelts und einer etwaigen Differenz zwischen dem bezahlten Kaufpreis für die Insolvenzforderungen der Arbeitnehmer und dem von der Agentur für Arbeit tatsächlich gezahlten Insolvenzgeld“ erfasst. Dieser zusätzlichen Ermächtigung hätte es bei Vorliegen einer Globalermächtigung nicht bedurft. Er beinhaltet zudem eine Beschränkung dergestalt, dass das Amtsgericht die Schuldnerin dahingehend ermächtigt hat, im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren die zur Fortführung des Geschäftsbetriebs erforderlichen Rechtsgeschäfte mit Lieferanten, Dienstleistern und sonstigen Vertragspartnern aufrecht zu erhalten oder abzuschließen. Denn insoweit ist die Ermächtigung auf eine bestimmte Gruppe an Gläubigern beschränkt. Durch die im Beschluss des Amtsgerichts weiter enthaltene Zweckbestimmung („die zur Fortführung des Geschäftsbetriebs erforderlichen Rechtsgeschäfte“) und die personelle Bezeichnung („Lieferanten, Dienstleister und sonstige Vertragspartner“) ist die Gruppe der von der Ermächtigung erfassten Gläubiger auch zumindest bestimmbar und die inhaltliche Reichweite näher bestimmt; sie ist – entgegen der Auffassung des Beklagten – hinreichend konkret. Soweit der Beklagte auf den Gerichtsbescheid des Finanzgerichts Nürnberg vom 28.03.2018, 2 K 1105/15, EFG 2018, 1229, verweist, lässt sich daraus keine andere Beurteilung für den Streitfall ableiten. Denn der Gerichtsbescheid hat (lediglich) für den Fall einer Globalermächtigung entschieden, dass Masseverbindlichkeiten, die während der Eigenverwaltung begründet worden sind, auch Umsatzsteuerverbindlichkeiten umfassen. Soweit der Beklagte dieser Entscheidung entnimmt, dass die Ermächtigung des Schuldners zur Begründung von Masseverbindlichkeiten auch hier Umsatzsteuerverbindlichkeiten umfasse, da andernfalls eine Ausnahme für Umsatzsteuerverbindlichkeiten in den Beschluss des Insolvenzgerichts vom 21.12.2018 hätte aufgenommen werden müssen, folgt der Senat dieser Auffassung nicht und schließt sich insoweit den Ausführungen des FG Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 28.04.2022 6 K 1996/21, juris, an. Die von dem BGH im Urteil vom 22.11.2018 IX ZR 167/16, BGHZ 220, 243, offen gelassene Frage, ob auch im Rahmen einer vorläufigen Eigenverwaltung nach § 270a InsO a.F. überhaupt eine Globalermächtigung zulässig ist, kann auch im Streitfall dahingestellt bleiben, weil – wie ausgeführt – hier keine Globalermächtigung erteilt wurde.
603. Die im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren nach § 270a InsO a.F. in der Zeit vom 22.02.2018 bis 30.04.2018 begründeten Umsatzsteuerverbindlichkeiten sind von der erteilten (Gruppen-)Ermächtigung nicht erfasst.
61Die Ermächtigung bezieht sich nur auf Gläubiger, von denen die Schuldnerin Eingangsleistungen bezieht („Lieferanten, Dienstleister und sonstige Vertragspartner“). Selbst wenn man die Ermächtigung dahingehend auslegen würde, dass mit den in der Aufzählung aufgeführten sonstigen Vertragspartnern auch die Ausgangsumsätze der Schuldnerin erfasst sein sollten (z.B. wegen der jedenfalls latenten Verbindlichkeiten aus Sachmängelansprüchen), umfasst die Ermächtigung jedenfalls nicht die streitbefangenen Umsatzsteuerverbindlichkeiten. Denn der Ermächtigungsbeschluss bezieht sich allein auf zivilrechtliche Verbindlichkeiten. Die Finanzverwaltung ist bezogen auf die Ausgangsumsätze der Schuldnerin kein (zivilrechtlicher) „Vertragspartner“, die Umsatzsteuer entsteht kraft Gesetzes. Damit wird der Beklagte in der Ermächtigung nicht als möglicher Gläubiger genannt, er ist als Steuergläubiger weder Lieferant noch Dienstleister noch sonstiger Vertragspartner. Sonstige, in dem Beschluss nicht genannte Gläubiger können nicht aufgrund der Inanspruchnahme der Ermächtigung durch die Schuldnerin zu Massegläubigern werden. Entgegen der Auffassung des Beklagten lassen sich die Beschlussformulierungen mithin nicht dahingehend interpretieren, dass sie auch Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis einschließen.
62Die (bloße) Erfassung der zivilrechtlichen Verbindlichkeiten in dem Ermächtigungsbeschluss entspricht auch dem Sinn und Zweck der Erteilung einer Ermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren nach § 270 InsO a.F.. Die mit dem Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) vom 07.12.2011 (BGBl. I S. 2582) in die Insolvenzordnung eingefügten Bestimmungen der §§ 270a, 270b verfolgen das Ziel, dem Schuldner den Zugang zum Verfahren der Eigenverwaltung nach § 270 InsO zu erleichtern und dadurch die Sanierungschancen zu verbessern. Eine Sanierung setzt aber regelmäßig voraus, dass das Unternehmen des Schuldners im Eröffnungsverfahren fortgeführt wird. Dies wird oft nur möglich sein, wenn zugunsten bestimmter Geschäftspartner Masseverbindlichkeiten begründet werden können. Warenlieferanten etwa werden sich schwerlich auf eine Lieferverpflichtung einlassen, wenn sie befürchten müssen, ihre Forderungen nur als Insolvenzforderungen geltend machen zu können. Insofern unterscheidet sich das Verfahren der vorläufigen Eigenverwaltung nicht von einem sonstigen Eröffnungsverfahren. Andererseits kann eine übermäßige Begründung von Masseverbindlichkeiten zur Auszehrung der künftigen Insolvenzmasse führen, was die vollständige Befriedigung der Massegläubiger gefährden und damit letztlich die weitere Betriebsfortführung und Sanierung beeinträchtigen kann (vgl. BGH, Urteil vom 22.11.2018 IX ZR 167/16, BGHZ 220, 243). Aus Sicht des Amtsgerichts als Insolvenzgericht bestand vorliegend offenbar keine Notwendigkeit, etwaige entstehende Steuerschulden, auch wenn sie durch Ausgangsumsätze, die im Zusammenhang mit den bei den Lieferanten erworbenen Waren stehen, und damit zwangsläufig entstehen, als Masseverbindlichkeiten zu qualifizieren. Tatsächlich dienten die streitbefangenen Umsatzsteuerverbindlichkeiten gerade nicht der „Sicherung der Masse“, da die Umsatzsteuer nicht Bestandteil einer Maßnahme ist, die die Chance der Sanierung durch eine vorläufige Unternehmensfortführung aufrechterhält. Vielmehr würde durch die Erfassung der Umsatzsteuerverbindlichkeiten als Masseverbindlichkeiten gerade ein zusätzlicher, die Sanierung erschwerender Liquiditätsabfluss geschaffen.
63Auch die der Schuldnerin erteilte Ermächtigung zur Aufnahme eines Massekredits impliziert nicht denknotwendig, dass zudem noch weitere Masseverbindlichkeiten begründet werden dürfen. Denn durch den Massekredit ist lediglich gewährleistet worden, dass die Schuldnerin „frisches Geld“ bekam. Die Ermächtigung zur Begründung darüberhinausgehender Verpflichtungen, die zu Masseverbindlichkeiten führen, ergibt sich daraus jedoch nicht.
64Dem Beschluss des Amtsgerichts lassen sich auch sonst keine Anhaltspunkte entnehmen, dass die durch die Ausgangsumsätze im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren ausgelöste Umsatzsteuer eine Masseverbindlichkeit begründet.
65Der Umstand, dass die Umsatzsteuer den Unternehmer im Ergebnis wirtschaftlich nicht belasten soll, ändert an der vorstehenden Beurteilung nichts. Denn im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren kann gemäß § 270a InsO a.F. im Streitjahr 2018 eine Masseverbindlichkeit nur begründet werden, wenn die Finanzverwaltung als Steuergläubiger von der Anordnung des Insolvenzgerichts umfasst ist. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Eine andere Betrachtung wäre mit dem für die Reichweite der Ermächtigung geltenden Bestimmtheitserfordernis nicht vereinbar (vgl. BGH, Urteil vom 22.11.2018, IX ZR 167/16, BGHZ 220, 243, Rn. 15). Auch wenn – wie der Beklagte ausführt – die Umsatzsteuerverbindlichkeit zwangsläufiger Annex eines Hauptgeschäfts sei, ändert dies nichts daran, dass die Umsatzsteuer von der Ermächtigung gerade nicht erfasst ist.
664. Entgegen der Auffassung des Beklagten läge im Streitfall im Übrigen auch dann keine Globalermächtigung vor, welche die streitbefangenen Umsatzsteuerverbindlichkeiten erfassen würde, wenn es sich bei der vom Amtsgericht erteilten Ermächtigung mangels einer hinreichenden Individualisierung um keine wirksame Gruppenermächtigung handeln würde. Denn dann lägen die Voraussetzungen für die Begründung einer Masseverbindlichkeit insgesamt nicht vor (vgl. zur Folge einer unzulässigen Anordnung auch BGH, Urteil vom 18.07.2002, IX ZR 195/01, ZIP 2002, 1625, Rn. 32 ff.). Die Globalermächtigung muss sich positiv aus dem Beschluss ergeben und kann nicht als „Auffangklausel“ in eine unbestimmte Gruppen- oder Einzelermächtigung hineingelesen werden. Denn die Globalermächtigung wirkt unter Umständen aus den zuvor genannten Gründen den dem vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren immanenten Sanierungsgedanken entgegen. Diesem Sanierungsgedanken folgend werden im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren nur insoweit Masseverbindlichkeiten begründet, als der Schuldner vom Insolvenzgericht hierzu ermächtigt worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 22.11.2018, IX ZR 167/16, DStR 2019, 174; BFH, Urteil vom 27.11.2019, XI R 35/17, BFH/NV 2020, 482). Aus diesen Gründen ist auch eine „Umdeutung“ einer unwirksamen Einzel-/bzw. Gruppenermächtigung in eine Globalermächtigung ausgeschlossen.
67II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
68III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. § 709 der Zivilprozessordnung.
69IV. Die Revision ist mangels des Vorliegens eines Revisionsgrundes im Sinne des § 115 Abs. 2 FGO nicht zuzulassen.
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