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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Einkommensteuerfestsetzungen für die Jahre 2016 bis 2019. Diesbezüglich streiten sie über Werbungskosten für ein häusliches Arbeitszimmer und außerordentliche Einkünfte bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Außerdem streiten die Beteiligten über außergewöhnliche Belastungen wegen der Pflege der klägerischen (Schwieger-)Mutter sowie Medikamenten und der Frage, inwieweit Rechtsberatungskosten im Zusammenhang mit einer Versicherungserstattung zu berücksichtigen sind.
3Die Kläger sind Eheleute und werden für die Streitjahre zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie erzielten in den Streitjahren unter anderem Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (3 Mietwohnungen sowie Garagen in einem Objekt; Q-Straße 1, xxxx X-Stadt). Die in den Streitjahren über 90 Jahre alte, verwitwete (Schwieger‑)Mutter der Kläger ist schwerbehindert (bis zum Jahr 2017: Grad der Behinderung i. H. v. 70, seit dem Jahr 2017 Grad der Behinderung i. H. v. 100; Merkzeichen G + B; seit dem 1. 3. 2018 aG + B) und in Pflegegrad II eingestuft.
4Für die Streitjahre 2016 bis 2019 erklärten die Kläger Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. In dem Zimmer befindet sich neben dem Schreibtisch – mit PC – und einem weiteren Tisch, auf dem sich Bürogeräte befinden, eine Schrankwand. Auf den offenen Regalbrettern der Schrankwand und den Oberböden lagern private Gegenstände der Kläger (u. a. Fotos, Souvenirs, Dekorationsartikel). Die Türen der Schrankwand sind auf den von den Klägern im Laufe des Klageverfahrens eingereichten Fotos verschlossen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Einrichtung dieses Zimmers wird auf Bl. 199 f. der Gerichtsakte verwiesen.
5Die Kläger erklärten für die Streitjahre 2016 bis 2019 betreffend das häusliche Arbeitszimmer einen Nutzungsanteil wegen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung i. H. v. jeweils 70 %. Die übrigen Nutzungsanteile wiesen sie sonstigen Einkunftsarten und jeweils zu maximal 5 % dem privaten Bereich zu.
6Die erklärten Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer betrugen 549 € (2016), 2.544 € (2017), 1.347 € (2018) und 1.290 € (2019). Die von den Klägern geltend gemachten Kosten für das häusliche Arbeitszimmer beinhalteten in den Streitjahren 2016 und 2017 unter anderem Rundfunkgebühren, Aufwendungen für Zeitungen und Trinkgelder.
7In den Streitjahren 2018 und 2019 erzielten die Kläger Einnahmen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung durch Maßnahmen einer Gerichtsvollzieherin i. H. v. 1.171 € (2018) und 441 € (2019). Zudem erzielten die Kläger im Streitjahr 2018 Einnahmen im Zusammenhang mit dem Einbehalt einer Mietkaution i. H. v. 900 €. Sie erklärten diese Einnahmen als außerordentliche Einkünfte i. S. d. § 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Als Nachweis fügten sie unter anderem ein Schreiben der Gerichtsvollzieherin vom 20. 6. 2018 bei.
8Für die Streitjahre 2017 bis 2019 erklärten die Kläger, dass sie von T-Stadt (Wohnort) nach E-Stadt gefahren seien, um ihre (Schwieger‑)Mutter durch Hilfe in Haushalt und Garten, Reparaturarbeiten und die Begleitung von Arztbesuchen und bei Einkäufen zu unterstützen. Auf die Geltendmachung eines Aufwendungsersatzanspruchs hätten sie verzichtet. Sie erklärten außergewöhnliche Belastungen wegen der Pflege ihrer (Schwieger-)Mutter i. H. v. 13.220 € (2017), 12.726 € (2018) und 11.034 € (2019). Bei der Berechnung der geltend gemachten Fahrtkosten legten die Kläger Kilometersätze i. H. v. 0,68 € (2017), 0,49 € (2018) und 0,58 € sowie 0,49 € (2019) zugrunde.
9Für die Streitjahre 2017 bis 2019 erklärten die Kläger außergewöhnliche Belastungen wegen der Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel i. H. v. 661 € (2017), 620 € (2018) und 530 € (2019). Weiter erklärten die Kläger in diesem Zusammenhang Fahrtkosten. Zur Ermittlung dieser Fahrtkosten setzten die Kläger Kilometersätze i. H. v. 0,68 € (2017), 0,49 € (2018) und 0,58 € (2019) an.
10Im Streitjahr 2019 unterzog sich der Kläger einer zahnärztlichen Heilbehandlung, die er zunächst selbst zahlte. Einen Teilbetrag der Behandlungskosten erhielt der Kläger als Versicherungsleistungen erstattet. Im Zusammenhang mit der Erstattung zahlten die Kläger Rechtsberatungskosten i. H. v. 227 €. Die Kläger erklärten die Differenz zwischen den Aufwendungen für die zahnärztliche Heilbehandlung und der „Nettoversicherungsleistung“ (Erstattung abzgl. Rechtsberatungskosten) als außergewöhnliche Belastungen.
11Am 18. 8. 2017 erließ der Beklagte einen Einkommensteuerbescheid für 2016. Hiergegen legten die Kläger Einspruch ein.
12Am 15. 5. 2019 erließ der Beklagte einen Einkommensteuerbescheid für 2017 (Bl. 5 f. der Gerichtsakte zu 4 K 715/21). Hiergegen legten die Kläger Einspruch ein (Bl. 11 f. der Gerichtsakte zu 4 K 715/21).
13Am 20. 1. 2020 erließ der Beklagte einen Einkommensteuerbescheid für 2018 (Bl. 3 f. der Gerichtsakte). Mit Bescheid vom 31. 1. 2020 änderte der Beklagte diesen Bescheid (Bl. 8 f. der Gerichtsakte). Die Kläger legten – unter dem 9. 2. 2020 – Einspruch ein (Bl. 13 f. der Gerichtsakte).
14Unter dem 21. 1. 2021 erließ der Beklagte einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 2016 (Bl. 7 f. der Gerichtsakte zu 4 K 659/21).
15Die Kläger haben am 5. 2. 2021 Untätigkeitsklage wegen Einkommensteuer 2018 erhoben (Bl. 1 f. der Gerichtsakte).
16Mit Einspruchsentscheidung vom 24. 2. 2021 wies der Beklagte den Einspruch wegen Einkommensteuer 2016 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er unter anderem aus, dass die geltend gemachten Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nicht zu berücksichtigen seien (Bl. 3 f. der Gerichtsakte zu 4 K 659/21).
17Unter dem 8. 3. 2021 erließ der Beklagte einen Einkommensteuerbescheid für 2019 (Bl. 3 f. der Gerichtsakte zu 4 K 2523/21). Hiergegen legten die Kläger Einspruch ein (Bl. 8 f. der Gerichtsakte zu 4 K 2523/21).
18Mit Einspruchsentscheidung vom 17. 3. 2021 änderte der Beklagte den angefochtenen Einkommensteuerbescheid für 2017 und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er – ergänzend zur Ablehnung der Werbungskosten für ein häusliches Arbeitszimmer – unter anderem aus, dass auch die erklärten außergewöhnlichen Belastungen wegen der Pflege der (Schwieger-)Mutter in vollem Umfang und wegen Medikamenten i. H. v. 265 € nicht steuermindernd anzusetzen seien. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung verwiesen (Bl. 59 f. der Gerichtsakte zu 4 K 715/21).
19Ebenfalls am 17. 3. 2021 (Eingang bei Gericht) haben die Kläger Untätigkeitsklage wegen Einkommensteuer 2017 erhoben (Bl. 1 f. der Gerichtsakte zu 4 K 715/21).
20Mit Einspruchsentscheidung vom 24. 3. 2021 änderte der Beklagte den angefochtenen Einkommensteuerbescheid für 2018 und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er – ergänzend zur Ablehnung der Werbungskosten für ein häusliches Arbeitszimmer sowie der außergewöhnlichen Belastungen wegen der Pflege der (Schwieger-)Mutter – unter anderem aus, dass keine außerordentlichen Einnahmen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung vorlägen. Außerdem seien auch die erklärten außergewöhnlichen Belastungen wegen Medikamenten i. H. v. 240 € nicht steuermindernd anzusetzen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung verwiesen.
21Am 7. 10. 2021 haben die Kläger Untätigkeitsklage wegen Einkommensteuer 2019 erhoben (Bl. 1 f. der Gerichtsakte zu 4 K 2523/21).
22Mit Einspruchsentscheidung vom 29. 11. 2021 änderte der Beklagte den angefochtenen Einkommensteuerbescheid für 2019 und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er – ergänzend zu den bereits in den vorherigen Einspruchsentscheidungen enthaltenen Begründungen – unter anderem aus, dass die erklärten außergewöhnlichen Belastungen wegen Medikamenten i. H. v. 72 € sowie wegen der Rechtsberatungskosten im Zusammenhang mit der Versicherungserstattung in vollem Umfang nicht steuermindernd anzusetzen seien. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung Bezug genommen.
23Während des hier anhängigen Gerichtsverfahrens änderte der Beklagte die Einkommensteuerbescheide für 2016 bis 2018 mit Bescheiden vom 26. 1. 2022 (Bl. 92 f. der Gerichtsakte), den Einkommensteuerbescheid für 2019 am 9. 2. 2022 (Bl. 128 f. der Gerichtsakte) und die Einkommensteuerbescheide für 2016 bis 2019 mit Bescheiden vom 11. 4. 2023 (Bl. 400 f. der Gerichtsakte).
24Zur Begründung ihrer Klage tragen die Kläger vor, dass die den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zugewiesenen Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer als Werbungskosten steuermindernd zu berücksichtigen seien (Streitjahre 2016 bis 2019). Weiter seien die erklärten außergewöhnlichen Belastungen wegen der Pflege der (Schwieger-)Mutter und Medikamenten in vollem Umfang zu berücksichtigen (Streitjahre 2017 bis 2019). Diesbezüglich verweisen die Kläger darauf, dass sie seit dem 1. 1. 2017 als Pflegepersonen für die (Schwieger-)Mutter eingetragen seien und bei der (Schwieger‑)Mutter seit dem 1. 3. 2018 eine Schwerbehinderung (Grad der Behinderung i. H. v. 100) mit den Merkzeichen aG + B gegeben sei (vorher Grad der Behinderung i. H. v. 100 mit den Merkzeichen G + B). Behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen aG könnten Privatfahrten bis zu 15.000 km als außergewöhnliche Belastungen geltend machen. Schließlich sei für die Pflege eines nahen Angehörigen ein Pflegepauschbetrag anerkannt. Außerdem sei in den Streitjahren 2018 und 2019 jeweils eine ermäßigte Besteuerung bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung wegen außerordentlicher Einkünfte vorzunehmen. Im Übrigen seien die Rechtsberatungskosten wegen der Versicherungserstattung von der erhaltenen Versicherungserstattung abzuziehen. Der verbleibende Betrag – „Nettoversicherungsleistung“ – sei sodann von den privaten Aufwendungen abzuziehen und ergebe die anzusetzenden außergewöhnlichen Belastungen. Schließlich sei noch die Frage offen, ob in begründeten Einzelfällen für Fahrtkosten bei den außergewöhnlichen Belastungen auch die tatsächlichen Kilometersätze statt pauschal 0,30 €/km anerkannt werden könnten. Wegen der weiteren Einzelheiten der Klagebegründung wird auf den umfangreichen (außer-)gerichtlichen Schriftverkehr der Beteiligten verwiesen.
25Die Kläger beantragen sinngemäß,
26den Bescheid für 2016 über Einkommensteuer vom 11. 4. 2023 dahingehend zu ändern, dass
27zusätzliche Werbungskosten i. H. v. 549 € für ein häusliches Arbeitszimmer bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt werden;
28den Bescheid für 2017 über Einkommensteuer vom 11. 4. 2023 dahingehend zu ändern, dass
29zusätzliche Werbungskosten i. H. v. 2.544 € für ein häusliches Arbeitszimmer bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und
30zusätzliche außergewöhnliche Belastungen wegen der Pflege der (Schwieger‑)Mutter i. H. v. 13.220 € und wegen Medikamenten i. H. v. 265 €
31berücksichtigt werden;
32den Bescheid für 2018 über Einkommensteuer vom 11. 4. 2023 dahingehend zu ändern, dass
33zusätzliche Werbungskosten i. H. v. 1.347 € für ein häusliches Arbeitszimmer bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung,
34Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung i. H. v. 2.073 € als außerordentliche Einkünfte gemäß § 34 Abs. 1 EStG und
35zusätzliche außergewöhnliche Belastungen wegen der Pflege der (Schwieger‑)Mutter i. H. v. 12.726 € und wegen Medikamenten i. H. v. 240 €
36berücksichtigt werden;
37den Bescheid für 2019 über Einkommensteuer vom 11. 4. 2023 dahingehend zu ändern, dass
38zusätzliche Werbungskosten i. H. v. 1.290 € für ein häusliches Arbeitszimmer bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung,
39Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung i. H. v. 441 € als außerordentliche Einkünfte gemäß § 34 Abs. 1 EStG und
40zusätzliche außergewöhnliche Belastungen wegen der Pflege der (Schwieger‑)Mutter i. H. v. 11.020 €, wegen Medikamenten i. H. v. 72 € sowie wegen Rechtsberatungskosten i. H. v. 227 €
41berücksichtigt werden.
42Der Beklagte beantragt,
43die Klage abzuweisen.
44In seiner Klageerwiderung verweist der Beklagte darauf, dass das häusliche Arbeitszimmer bereits nach seinem äußeren Erscheinungsbild nicht zu einem unwesentlichen Teil privat genutzt werden dürfe und demzufolge ein Werbungskostenabzug ausscheide. Hinsichtlich der außergewöhnlichen Belastungen wegen der Pflege der (Schwieger-)Mutter führe ein Verweis auf die Fahrtkosten behinderter Menschen nicht zu einem Erfolg. Nicht die Kläger, sondern die (Schwieger-)Mutter weise die Schwerbehinderung und Merkzeichen vor. Die geltend gemachten Aufwendungen für Medikamente seien ohne eine ärztliche Verordnung nicht als außergewöhnliche Belastungen absetzbar. Schließlich führe eine Kürzung der Versicherungserstattung um die Rechtsberatungskosten rein rechnerisch zu einer Berücksichtigung der Rechtsberatungskosten als außergewöhnliche Belastungen und sei daher abzulehnen.
45Mit Beschluss vom 20. 5. 2021 hat der Senat das hier anhängige Verfahren – ursprünglich lediglich wegen Einkommensteuer 2018 – mit den Verfahren der Kläger wegen Einkommensteuer 2016 (Az. 4 K 659/21) und Einkommensteuer 2017 (4 K 715/21) verbunden. Sodann hat der Senat das hier anhängige Verfahren – nunmehr wegen Einkommensteuer 2016 bis 2018 – mit dem Verfahren der Kläger wegen Einkommensteuer 2019 (4 K 2523/21) verbunden.
46Am 17. 8. 2022 hat ein Erörterungstermin mit dem Berichterstatter stattgefunden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll zum Erörterungstermin verwiesen (Bl. 175 f. der Gerichtsakte).
47Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt (Bl. 442, 444 der Gerichtsakte).
48Entscheidungsgründe
49I. Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung, § 90 Abs. 2 FGO.
II. Die Klage ist unbegründet.
Die Einkommensteuerbescheide für 2016 bis 2019 vom 11. 4. 2023 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
54Der Beklagte hat die erklärten Werbungskosten für ein häusliches Arbeitszimmer und die außerordentlichen Einkünfte bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu Recht nicht anerkannt. Außerdem sind die erklärten außergewöhnlichen Belastungen wegen der Pflege der klägerischen (Schwieger-)Mutter sowie Medikamenten nicht zu berücksichtigen. Schließlich erhöhen die Rechtsberatungskosten, die im Zusammenhang mit einer Versicherungserstattung angefallen sind, nicht die außergewöhnlichen Belastungen.
551. Dem Abzug der Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer steht § 9 Abs. 5 Satz 1 i. V. m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG entgegen.
a) Nach § 9 Abs. 5 Satz 1 i. V. m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG in der in den Streitjahren gültigen Fassung dürfen Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung nicht als Werbungskosten steuermindernd berücksichtigt werden. Dies gilt nicht, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG). In diesem Fall wird die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 1.250 € begrenzt; die Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG).
58b) § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG enthält ein Abzugsverbot für bestimmte Betriebsausgaben. Selbst wenn die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer ausschließlich oder nahezu ausschließlich betrieblich veranlasst sind, sind sie grundsätzlich nicht abziehbar; gleiches gilt für Werbungskosten, § 9 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG.
59Ein häusliches Arbeitszimmer i. S. d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG ist ein Raum, der seiner Ausstattung nach der Erzielung von Einnahmen dient und ausschließlich oder nahezu ausschließlich zur Erzielung von Einkünften genutzt wird. Ein häusliches Arbeitszimmer ist seiner Lage, Funktion und Ausstattung nach in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden und dient vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher, verwaltungstechnischer oder -organisatorischer Arbeiten. Ein solcher Raum ist typischerweise mit Büromöbeln eingerichtet, wobei der Schreibtisch regelmäßig das zentrale Möbelstück ist.
60Entspricht ein Raum nach seinem äußeren Bild durch seine Einrichtung mit Büromöbeln dem Typus des Arbeitszimmers, muss er – wie ausgeführt – überdies (nahezu) ausschließlich zur Erzielung von Einkünften genutzt werden. Bereits der Gesetzeswortlaut legt nahe, unter einem „häuslichen Arbeitszimmer“ nur einen Raum zu verstehen, in dem Tätigkeiten zur Erzielung von Einnahmen ausgeübt werden. Ein Zimmer, das zwar büromäßig eingerichtet ist, das aber in nennenswertem Umfang neben der Verrichtung von (Büro-)Arbeiten auch anderen Zwecken dient, etwa als Spiel-, Gäste- oder Bügelzimmer, ist bereits nach dem allgemeinen Wortverständnis kein Arbeitszimmer. Der Regelung in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG liegt überdies – wie die Gesetzesmaterialien (vgl. BT-Drucks 13/1686, 16; BR-Drucks 171/2/95, 36) belegen – die Prämisse zugrunde, dass Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nur bei ausschließlich betrieblicher oder beruflicher Nutzung und auch dann regelmäßig nur beschränkt abziehbar sein sollen. Damit gehört die ausschließliche oder nahezu ausschließliche Nutzung des Raums zur Erzielung von Einnahmen zum Inhalt des Tatbestandsmerkmals „häusliches Arbeitszimmer“ i. S. d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG, sodass ein Abzug anteiliger Aufwendungen für gemischt genutzte Zimmer ausscheidet. Der Ausschluss der Aufwendungen für ein Arbeitszimmer gilt daher für Räume, die bereits nach ihrem äußeren Erscheinungsbild nicht dem Typus des Arbeitszimmers zuzurechnen sind, sondern ihrer Art oder ihrer Einrichtung nach erkennbar auch privaten Wohnzwecken dienen. Aufwendungen für gemischt genutzte Räume, die sowohl zur Erzielung von Einkünften als auch in mehr als nur untergeordnetem Umfang zu privaten Zwecken genutzt werden, sind daher insgesamt nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG nicht abziehbar.
61Das Verbot einer Aufteilung der Aufwendungen ist zudem auch damit zu begründen, dass sich der Umfang der jeweiligen Nutzung nicht objektiv überprüfen lässt. Die Behauptungen des Steuerpflichtigen, zu welcher Zeit er auf welche Weise ein in die häusliche Sphäre eingebundenes Zimmer nutze, sind regelmäßig nicht verifizierbar. Ebenso mangelt es an hinreichenden Maßstäben, anhand derer die jeweiligen Anteile geschätzt werden können (FG Münster, Urteil vom 16. 9. 2020 13 K 94/18 E, EFG 2020, 1839 m. w. N., rkr.).
62c) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der Abzug der streitgegenständlichen Aufwendungen gemäß § 9 Abs. 5 Satz 1 i. V. m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG ausgeschlossen.
63Nach der Einrichtung des hier streitgegenständlichen Zimmers und den sonstigen erkennbaren objektiven Umständen ist der Senat nicht der Überzeugung, dass das hier streitgegenständliche Zimmer ausschließlich bzw. ganz überwiegend beruflich/betrieblich – im Zusammenhang mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung – genutzt wurde.
64Zwar zeigen die von den Klägern eingereichten Fotos eine Einrichtung des Zimmers mit Büromöbeln (Schreibtisch mit PC, weiterer Tisch mit Bürogeräten). Allerdings zeigen diese Bilder auch eine in dem Zimmer befindliche Schrankwand. Aufgrund der auf und in dieser Schrankwand und auf den Oberböden gelagerten – ersichtlich privaten – Gegenstände (Fotos, Souvenirs, Dekorationsartikel) kann der Senat nicht ausschließen, dass die Kläger in diesem Schrank und somit auch in dem streitgegenständlichen Zimmer ebenfalls private Gegenstände aufbewahren und eine nicht nur unwesentliche private Mitbenutzung vorliegt. Auf das entsprechende Vorbringen des Beklagten – Schriftsatz vom 9. 1. 2023 – haben die Kläger nicht substantiiert zum Inhalt der Schrankwand vorgetragen.
65Im Übrigen befindet sich in dem streitgegenständlichen Zimmer ein PC. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Kläger diesen PC und somit auch das streitgegenständliche Arbeitszimmer für sonstige Tätigkeiten nutzen, die nicht beruflich/betrieblich veranlasst sind. Der klägerische Schriftverkehr mit dem Beklagten und dem Gericht wird ausschließlich mit Schriftsätzen geführt, die ersichtlich mit einem PC erstellt wurden.
66Außerdem scheitert eine Berücksichtigung der klägerischen Nutzungsaufteilung schon daran, dass eine klare und eindeutige Abgrenzbarkeit der Aufwendungen für das streitgegenständliche Arbeitszimmer nicht gegeben ist. Der auf die Vermietungseinkünfte bezogene Umfang der Arbeitszimmernutzung sowie auch der auf die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und sonstige – auch private – Bereiche entfallende Anteil sind nicht klar und eindeutig nach objektiven Maßstäben abgrenzbar. Der allein auf der Einschätzung der Kläger gestützte Umfang der Nutzung des Arbeitszimmers für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bildet keine geeignete Grundlage für einen objektiven und nachprüfbaren Aufteilungsmaßstab. Zur Überzeugung des Senats handelt es sich allein um eine Aufteilung im Wege einer griffweisen Schätzung nach der Einschätzung der Kläger. Ein objektiver, leicht nachprüfbarer Maßstab ist nicht vorhanden. In diesem Zusammenhang berücksichtigt der Senat auch, dass die Kläger bei der Ermittlung der für das streitgegenständliche Zimmer entstandenen Kosten – offensichtlich nicht berücksichtigungsfähige – Rundfunkgebühren, Aufwendungen für Zeitungen und Trinkgelder angesetzt haben und somit eine dem EStG entsprechende Abgrenzung von privat und beruflich/betrieblich veranlassten Aufwendungen nicht gewährleistet ist.
67Schließlich spricht nach der Überzeugung des Senats auch die von den Klägern ausgeübte Vermietungstätigkeit – selbst bei Berücksichtigung einer Verwaltertätigkeit für das gesamte Objekt – nicht dafür, dass das häusliche Arbeitszimmer ausschließlich oder nahezu ausschließlich betrieblich oder beruflich genutzt wird und den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ein Nutzungsanteil i. H. v. 70 % zuzuweisen ist.
682. Die Voraussetzungen für eine ermäßigte Besteuerung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i. H. v. 2.073 € im Jahr 2018 und i. H. v. 441 € im Jahr 2019 liegen ebenfalls nicht vor.
a) Sind in dem zu versteuernden Einkommen außerordentliche Einkünfte enthalten, so ist die auf alle im Veranlagungszeitraum bezogenen außerordentlichen Einkünfte entfallende Einkommensteuer nach § 34 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 EStG zu berechnen (§ 34 Abs. 1 Satz 1 EStG). Als außerordentliche Einkünfte kommen – gemäß § 34 Abs. 2 EStG – nur in Betracht:
711. Veräußerungsgewinne im Sinne der §§ 14, 14a Abs. 1, der §§ 16 und 18 Abs. 3 EStG mit Ausnahme des steuerpflichtigen Teils der Veräußerungsgewinne, die nach § 3 Nr. 40 Buchstabe b in Verbindung mit § 3c Abs. 2 EStG teilweise steuerbefreit sind;
2. Entschädigungen im Sinne des § 24 Nr. 1 EStG;
3. Nutzungsvergütungen und Zinsen im Sinne des § 24 Nr. 3 EStG, soweit sie für einen Zeitraum von mehr als drei Jahren nachgezahlt werden;
4. Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten; mehrjährig ist eine Tätigkeit, soweit sie sich über mindestens zwei Veranlagungszeiträume erstreckt und einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten umfasst.
Eine mehrjährige Tätigkeit im Sinne des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG ist jedes sich über mindestens zwei Veranlagungszeiträume erstreckende, der Erzielung von Einkünften dienende Verhalten (BFH-Urteil vom 23. 10. 2013 X R 3/12, BFHE 243, 287). Eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit setzt voraus, dass der Zufluss insgesamt mehrere Jahre betrifft (BFH-Urteil vom 14. 10. 2004 VI R 46/99, BFHE 206, 573).
77b) Zwischen den Beteiligten ist allein streitig, ob außerordentliche Einkünfte gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG vorliegen. Der Senat kann – nach Aktenlage – nicht feststellen, dass die von den Klägern in diesem Zusammenhang geltend gemachten Einkünfte die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG erfüllen.
78Nach Aktenlage kann nicht festgestellt werden, dass die streitgegenständlichen Einnahmen aufgrund der Maßnahmen der Gerichtsvollzieherin zwei Veranlagungszeiträume betreffen. Insoweit fehlt es an der wirtschaftlichen Zurechenbarkeit der Zahlungen zu mehreren Veranlagungszeiträumen. Nach der Einkommensteuererklärung für 2018 betraf die Zwangsvollstreckung eine Forderung vom 1. 8. 2010. Auf welche Veranlagungszeiträume sich diese Forderung bezieht, ist nach Aktenlage nicht ersichtlich.
79Gleiches gilt für den Kautionseinbehalt i. H. v. 900 € im Streitjahr 2018. Auch dieser lässt sich – nach Aktenlage – wirtschaftlich nicht mehreren Veranlagungszeiträumen zuordnen.
80Schließlich haben die Kläger auf das Vorbringen des Beklagten, dass sich die in den Streitjahren 2018 und 2019 erhaltenen Nachzahlungen nicht auf mindestens zwei Veranlagungszeiträume erstreckten (Schriftsatz vom 9. 1. 2023, Bl. 390 f. der Gerichtsakte) – nicht substantiiert erwidert.
813. Die von den Klägern geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen wegen der Pflege der (Schwieger‑)Mutter sind nicht zu berücksichtigen.
a) Der erkennende Senat hat mit rechtskräftigem Urteil vom 12. 7. 2019 (Az. 4 K 2850/17, nicht veröffentlicht) eine Klage der Kläger wegen Einkommensteuer 2015 abgewiesen. Streitgegenstand war der Abzug von Fahrtkosten anlässlich von Besuchen zur Hilfe und Pflege der (Schwieger-)Mutter der Kläger als außergewöhnliche Belastungen. In den Entscheidungsgründen führte der erkennende Senat aus, dass der Beklagte die Aufwendungen für die Besuchsfahrten zur (Schwieger‑)Mutter der Kläger zu Recht nicht zum Abzug zugelassen habe. Die Fahrtkosten seien weder außergewöhnlich noch zwangsläufig i. S. d. § 33 Abs. 2 EStG.
84b) Für die hier anhängigen Streitjahre liegt kein – in einem entscheidungserheblichen Umfang – geänderter Sachverhalt vor. Die Kläger sind in den hier anhängigen Streitjahren – wie auch schon im Jahr 2015 – zu ihrer (Schwieger-)Mutter gefahren, um übliche Hilfeleistungen zu erbringen. Vor diesem Hintergrund verweist der Senat wegen der weiteren Begründung auf die Entscheidungsgründe des Urteils vom 12. 7. 2019 (Az. 4 K 2850/17, nicht veröffentlicht).
85Entgegen der Auffassung der Kläger führt weder der Umstand, dass für die (Schwieger‑)Mutter seit dem 1. 3. 2018 das Merkzeichen aG – anstatt vorher lediglich G – festgestellt wurde noch die Eintragung der Kläger als Pflegepersonen dazu, dass sich der Sachverhalt für die hier anhängigen Streitjahre in einem entscheidungserheblichen Umfang geändert hat.
86Die Merkzeichen sind auf der Rückseite eines Schwerbehindertenausweises einzutragen. Das Merkzeichen G ist einzutragen, wenn der schwerbehinderte Mensch in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt i. S. d. § 229 Abs. 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch oder entsprechender Vorschriften ist. Das Merkzeichen aG ist einzutragen, wenn der schwerbehinderte Mensch außergewöhnlich gehbehindert i. S. d. § 229 Abs. 3 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch ist (vgl. § 3 Schwerbehindertenausweisverordnung). Vor diesem Hintergrund dienen die Merkzeichen einer Eintragung auf dem Schwerbehindertenausweis der (Schwieger-)Mutter der Kläger. Eine Konsequenz für die steuerliche Beurteilung von außergewöhnlichen Belastungen haben diese Merkzeichen nicht. Demzufolge hat auch der erkennende Senat in den Entscheidungsgründen des Urteils vom 12. 7. 2019 (Az. 4 K 2850/17) nicht auf das damalige Merkzeichen abgestellt.
87Eine Eintragung als Pflegeperson dient der Begründung von Leistungen und Rechten für Personen, die eine pflegebedürftige Person nicht erwerbsmäßig in ihrer häuslichen Umgebung pflegen. Eine Erfassung als Pflegeperson soll eine soziale Absicherung der betreffenden Person gewährleisten (insbesondere Renten- und Unfallversicherung). Vor diesem Hintergrund führt eine Erfassung als Pflegeperson zwar zu einer sozialen Absicherung der betreffenden Person, aber nicht zu einer Anerkennung von außergewöhnlichen Belastungen i. S. d. § 33 EStG.
88c) Schließlich führt auch die ergänzende Klagebegründung – Schriftsätze der Kläger vom 12. 9. 2022 und 2. 12. 2022 (Bl. 196 f., Bl. 386 der Gerichtsakte) – nicht zu einem anderen Ergebnis.
89Es fehlt jedenfalls an der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen. Aufgrund der weiten Entfernung zwischen dem Wohnsitz der Kläger und der in E-Stadt lebenden (Schwieger‑)Mutter kann es nicht sittlich missbilligenswert sein, wenn die Kläger die Pflegeleistung auf einen professionellen Pflegedienst übertragen. Dass die (Schwieger-)Mutter nachvollziehbarerweise eine Pflege durch ihre Angehörigen vorzieht, steht dem nicht entgegen. Zum einen kommt es entscheidend auf die Zumutbarkeit für die Kläger an und zum anderen sind die im Besonderen durch Angehörige leistbaren Beiträge durch Kontaktpflege, Besorgungen und Verwaltungsangelegenheiten als bloß mittelbare Pflegeleistungen bei der Beurteilung der Zwangsläufigkeit außer Betracht zu lassen.
90Auch die ab dem Veranlagungszeitraum 2021 gültige Neufassung des § 33b EStG führt nicht dazu, dass sich die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 33 EStG für die hier streitgegenständlichen Veranlagungszeiträume geändert haben.
91Demzufolge kann die von den Klägern zuletzt aufgeworfene Frage – ob in begründeten Einzelfällen für Fahrtkosten bei den außergewöhnlichen Belastungen auch die tatsächlichen Kilometersätze statt pauschal 0,30 €/km anerkannt werden können – dahinstehen.
924. Ebenfalls keine Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung können die bislang von dem Beklagten nicht berücksichtigten Medikamentenkäufe finden.
a) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastungen), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung – § 33 Abs. 3 EStG – übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.
95b) Den Nachweis der Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall hat der Steuerpflichtige durch eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel (§§ 2, 23, 31 bis 33 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch) zu erbringen (§ 64 Abs. 1 Nr. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung [EStDV]).
96Eine Verordnung i. S. d. EStDV ist ein formalisierter Nachweis, der für jedes einzelne Präparat geführt werden muss. Eine lediglich pauschale Bescheinigung genügt nicht. Zwar kann eine Verordnung auch nachträglich ausgestellt worden sein. Allerdings muss sich auch eine nachträgliche Verordnung konkret auf die einzelnen Medikamente beziehen (Schmidt/Loschelder, EStG § 33 Rn. 77).
97c) Vor diesem Hintergrund ist der Abzug für die von dem Beklagten nicht anerkannten Aufwendungen für Arznei-, Heil- oder Hilfsmittel als außergewöhnliche Belastung ausgeschlossen.
98Die Kläger haben im Erörterungstermin selbst vorgetragen, dass betreffend die von Ihnen – in dem hier anhängigen Rechtsstreit und streitgegenständlichen Zeitraum – geltend gemachten Aufwendungen für Arznei-, Heil- oder Hilfsmittel keine Verordnungen mehr vorgelegt werden könnten.
99Die von den Klägern im Laufe des Verfahrens – Schriftsatz vom 8. 2. 2022 – eingereichten Nachweise stellen keine nachträglichen Verordnungen dar. Den eingereichten Unterlagen ist kein rückwirkender Bezug zu entnehmen (Bl. 144 f. der Gerichtsakte).
100Demzufolge kann auch in diesem Zusammenhang die von den Klägern zuletzt aufgeworfene Frage – ob in begründeten Einzelfällen für Fahrtkosten bei den außergewöhnlichen Belastungen auch die tatsächlichen Kilometersätze statt pauschal 0,30 € anerkannt werden können – dahinstehen.
1011. Schließlich sind auch die in der Steuererklärung 2019 erklärten Rechtsberatungskosten im Zusammenhang mit der Versicherungsleistung für die zahnärztliche Heilbehandlung des Klägers steuerlich unbeachtlich.
a) Ein Abzugsverbot hinsichtlich dieser Rechtsberatungskosten als außergewöhnliche Belastung ergibt sich aus § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG.
104Hiernach sind Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) vom Abzug als außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Erfasst werden hiervon alle Aufwendungen, die unmittelbar mit einem gerichtlichen Verfahren zusammenhängen, aber auch alle weiteren Aufwendungen, die unmittelbar der Vorbereitung und Durchführung eines Rechtsstreits dienen (Schmidt/Loschelder, EStG § 33 Rn. 62; Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG § 33 EStG Anm. 210).
105Dass die streitgegenständlichen Rechtsberatungskosten vom Abzug als außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen sind, räumen die Kläger selbst ein (Schriftsatz vom 12. 9. 2022, Bl. 198 der Gerichtsakte). Demzufolge geht der erkennende Senat den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG nicht weiter nach.
106b) Entgegen der Auffassung der Kläger sind die Rechtsberatungskosten auch nicht von der erlangten Versicherungserstattung abzuziehen und somit – im Wege einer Saldierung – erhöhend bei der Ermittlung der außergewöhnlichen Belastungen zu berücksichtigen.
107Außergewöhnliche Belastungen i. S. d. § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG sind nur insoweit abzugsfähig, als der Steuerpflichtige die Aufwendungen endgültig selbst tragen muss. Deshalb sind Vorteile oder Kostenerstattungen, die der Steuerpflichtige als Ausgleich für eine eingetretene Belastung erhält, belastungsmindernd anzurechnen (BFH-Beschluss vom 14. 4. 2011 VI R 8/10, BFHE 233, 241).
108Vorliegend haben die Kläger als Ausgleich für die zunächst selbst getragene zahnärztliche Heilbehandlung eine Versicherungsleistung erhalten. Diese vermindert im Wege der Vorteilsanrechnung die bei den Klägern vorliegenden außergewöhnlichen Belastungen. Eine weitere Saldierung mit ggf. im Zusammenhang mit dem anzurechnenden Vorteil stehenden Aufwendungen kann nur dann in Betracht kommen, wenn auch diesbezüglich außergewöhnliche Belastungen vorliegen. Andernfalls würden die steuermindernd zu berücksichtigenden außergewöhnlichen Belastungen durch Aufwendungen erhöht, die ihrerseits nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen von außergewöhnlichen Belastungen erfüllen.
109Mit anderen Worten: Im vorliegenden Fall würden – eigentlich einem Abzugsverbot unterliegende Rechtsberatungskosten – durch eine Saldierung im Wege der Vorteilsanrechnung zu außergewöhnlichen Belastungen transformiert. Dies steht der gesetzgeberischen Wertung des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG entgegen und ist daher abzulehnen.
110III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen nach § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.