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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten über den Erlass von Kirchensteuern für den Veranlagungszeitraum 2020.
3Der Kläger war bis zum Juli 2020 und die Klägerin war das gesamte Kalenderjahr 2020 Mitglied der römisch-katholischen Kirchen.
4Der Kläger war mit einem Anteil von 50 % Kommanditist der gewerblich geprägten L. GmbH & Co. KG (im Folgenden nur: GmbH & Co. KG). Diese wiederum war mit einer Beteiligung in Höhe von 77,5 % Gesellschafterin der G. GmbH (im Folgenden nur: GmbH). Inhaberin der weiteren Beteiligung in Höhe von 22,5 % ist weder die GmbH & Co. KG noch der Kläger selbst, sondern ein Dritter.
5Die GmbH & Co. KG veräußerte in 2020 ihre Beteiligung an der GmbH und erzielte hierbei einen Veräußerungsgewinn in Höhe von XXXXX EUR. Unter Berücksichtigung der für den Kläger geführten Ergänzungsbilanz ergab sich ein ihm zuzurechnender anteiliger Veräußerungsgewinn in Höhe von YYYYY EUR (vor Anwendung des Teileinkünfteverfahrens). Im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Feststellung vom 17.11.2021 wurde dieser Veräußerungsgewinn als Teil der laufenden gewerblichen Einkünfte in Höhe von insgesamt ZZZZZ EUR (vor Anwendung des Teileinkünfteverfahrens) festgestellt.
6Das Finanzamt X-Stadt setzte die römisch-katholische Kirchensteuer gegenüber den zusammenveranlagten Klägern für den Veranlagungszeitraum 2020 zuerst auf k1 EUR fest. Mit Änderungsbescheid vom 21.02.2022 wurde die Kirchensteuerfestsetzung auf k2 EUR und sodann mit weiteren Änderungsbescheid vom 24.04.2023 auf k3 EUR herabgesetzt.
7Mit Bescheid vom 16.03.2022 erließ der Beklagte die Kirchensteuer in Höhe von kk EUR (sog. Kirchensteuer-Kappung).
8Die Kläger beantragten am 07.04.2022 einen Teilerlass „von 50 % der Kirchensteuer auf den steuerpflichtigen Teil der Veräußerungsgewinne, d. h. auf Euro VVVVV“. Im Schreiben vom 10.05.2022 wird die Ermäßigung der Kirchensteuer in Ansehung der außerordentlichen Einkünfte in Höhe von YYYYY EUR auf die Hälfte begehrt.
9Hintergrund des Erlassbegehrens der Kläger ist die staatlich nicht anerkannte „Regelung über die Gewährung eines Teilerlasses bei Vorliegen von außerordentlichen Einkünften“ des Beklagten vom 03.04.2009 (Kirchliches Amtsblatt des Beklagten [im Folgenden nur: KiABl] vom 25.05.2009, 49). Diese lautet:
10Der Kirchensteuerrat für den in Nordrhein-Westfalen gelegenen Teil der Erzdiözese Paderborn hat folgende Regelung über die Gewährung eines Teilerlasses bei Vorliegen von außerordentlichen Einkünften getroffen:
111. Die nachfolgende Regelung erfasst
12a) außerordentliche Einkünfte gemäß § 34 EStG
13b) die im Rahmen der gewerblichen Einkünfte versteuerten Veräußerungsgewinne gemäß § 17 EStG. Hierzu zählen auch die im § 34 EStG ausgenommenen steuerpflichtigen Teile der Veräußerungsgewinne, die nach § 3 Nr. 40b EStG in Verbindung mit § 3c Abs. 2 EStG teilweise steuerbefreit sind.
14Maßgebend ist die Qualifizierung des Finanzamtes in dem betreffenden Steuerbescheid.
152. Auf die v. g. Einkünfte wird unbeschadet der Regelung des § 227 AO ein Kirchensteuerteilerlass von 50 % gewährt. Dieser Erlass ist begrenzt auf maximal 50 % der tatsächlich festgesetzten rk-Kirchensteuer.
163. Auf den Erlassbetrag wird der gewährte oder zu gewährende Kappungsbetrag nicht angerechnet.
17[…]
18Es entsprach der Erlasspraxis des Beklagten, dass bei Beteiligungen des Betriebs- bzw. Sonderbetriebsvermögens ein Erlass nur gewährt wurde, wenn die Veräußerung das gesamte Nennkapital einer Kapitalgesellschaftsbeteiligung erfasste und die Beteiligung im Ganzen veräußert wurde. Wurde eine Kapitalgesellschaftsbeteiligung des Privatvermögens veräußert und unterfiel der Vorgang § 17 EStG, wurde ein Erlass ungeachtet der Beteiligungshöhe und des Veräußerungsumfangs gewährt.
19Der Beklagte lehnte den Teilerlass mit Schreiben vom 07.06.2022 ab und begründete dies damit, dass die nach der Teilerlassregelung vorgegebenen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Insoweit verwies der Beklagte auf den Einkommensteuerbescheid und die Auskunft des Finanzamtes X-Stadt, wonach weder außerordentliche Einkünfte gemäß § 34 EStG noch Einkünfte i. S. v. § 17 EStG vorlägen. Das Schreiben enthält keine Rechtsbehelfsbelehrung.
20Der Kläger trat dieser Einschätzung mit Schreiben vom 12.06.2022 entgegen. Dass weder § 34 EStG noch § 17 EStG bei der Veräußerung einer im Betriebsvermögen gehaltenen GmbH-Beteiligung einschlägig seien, sei zutreffend. Allerdings sei die Veräußerung einer solchen (im Betriebsvermögen gehaltenen) GmbH-Beteiligung gerade der von Nr. 1 Buchst. b der kirchlichen Regelung vom 03.04.2009 erfasste Fall. Denn diese Textziffer regele den Teilerlass bei gewerblichen Einkünften aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft und nehme gerade auf den nicht § 34 EStG unterfallenden steuerpflichtigen Teil der Veräußerungsgewinne Bezug. Zweck der Regelung sei es, die Steuerbelastung aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften abzumildern, weil der Kirchensteuer der volle Veräußerungsgewinn unterliege (also ohne Anwendung des Teileinkünfteverfahrens).
21Mit Schreiben vom 24.08.2022 antwortete der Beklagte auf das vorgenannte Schreiben, indem er für die weiteren Erläuterungen dankte, sodann darauf hinwies, dass für den Erlass die Feststellungen des Finanzamtes in dem betreffenden Steuerbescheid maßgeblich seien, und schließlich um Verständnis für die ablehnende Entscheidung bat. Auch dieses Schreiben enthielt keine Rechtsbehelfsbelehrung.
22Die Kläger haben am 04.10.2022 Klage erhoben. Zur Begründung verweisen sie auf die Begründung des Erlassantrages und die im Erlassverfahren gewechselte Korrespondenz.
23Der Kläger beantragt,
24den Beklagten zu verpflichten, die mit Bescheid vom 24.04.2023 für den Veranlagungszeitraum 2020 festgesetzte Kirchensteuer in Höhe eines Teilbetrages von kkkk EUR zu erlassen.
25Der Beklagte beantragt,
26die Klage abzuweisen.
27Der Beklagte ist der Ansicht, dass die Klage in Ermangelung eines tauglichen Klageantrages unzulässig sei.
28Sie sei jedenfalls unbegründet. Es fehle bereits an einer Ziff. 1 Buchst. a oder b entsprechenden Einkünftequalifizierung durch das Finanzamt. Dessen ungeachtet seien die Einkünfte des Klägers aber auch materiell-rechtlich nicht als solche im Sinne der Ziff. 1 Buchst. a oder b zu qualifizieren. Ein Fall des § 34 EStG sei nicht gegeben, weil keine 100 %-ige Beteiligung veräußert worden sei. Ein Fall des § 17 EStG wiederum liege ebenfalls nicht vor, weil die Anteile an der GmbH beim Kläger kein steuerliches Privatvermögen gewesen seien. Der Beklagte tritt vor allem dem Hinweis des Klägers auf Buchst. b Satz 2 entgegen, der auf § 3 Nr. 40 Buchst. b EStG Bezug nehme und nach Ansicht des Klägers zeige, dass auch die Veräußerung aus einem Betriebsvermögen erfasst sei. Denn die hier in Streit stehende Konstellation einer Veräußerung von GmbH-Anteilen des Betriebsvermögens, die nicht die Voraussetzungen der Teilbetriebsfiktion des § 16 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG erfüllen, sei kein Fall des § 3 Nr. 40 Buchst. b, sondern des Buchst. a der genannten Vorschrift. Aus der Zusammenschau von Buchst. a und b ergebe sich, dass eine Veräußerung von Kapitalgesellschaftsbeteiligungen des Betriebsvermögens, die weniger als 100 % ausmachen, nicht erfasst werde. Das sei auch nachvollziehbar, da ansonsten für nahezu jede Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen innerhalb eines Unternehmensverbundes eine Erlassmöglichkeit bestehen würde, was aber mit Nachprüfungsschwierigkeiten verbunden sei. Die Regelung des Beklagten hingegen sei durch ihre Anknüpfungspunkte verfahrensökonomisch und rechtssicher anwendbar. Gerade deshalb werde auch an die Qualifikation der Einkünfte durch das Finanzamt angeknüpft.
29Schließlich entspreche der vom Kläger begehrte Erlass auch nicht dem Zweck der Erlassregelung. Diese habe ihren Ursprung im Bereich der Besteuerung von Abfindungszahlungen im Rahmen der Aufkündigung von Arbeitsverhältnissen und dies sei auch nach wie vor einer der wichtigsten Anwendungsfälle der Teilerlassregelung. Hier sollen unbillige Besteuerungsspitzen durch die Wirkungsweise der Steuersatzprogression vermieden werden. Daneben knüpfe § 34 EStG auch an § 16 EStG, der nur die mit der vollständigen Aufgabe von Einkommensquellen im Zusammenhang stehenden und typischerweise der zusätzlichen oder einzigen Altersversorgung des Steuerpflichtigen dienenden Einkünfte erfasse, an. Die gesonderte Regelung zu § 17 EStG sei historisch damit zu erklären, dass die Einkünfte aus der Veräußerung einer Kapitalgesellschaftsbeteiligung im Sinne von § 17 EStG ab dem Veranlagungszeitraum 2001 nicht mehr zu den außerordentlichen Einkünften im Sinne von § 34 EStG gehörten. Um diese Einkünfte aber gleichwohl weiterhin in die Erlassregelung einzubeziehen, sei ein gesonderter Tatbestand für die Einkünfte im Sinne von § 17 EStG geschaffen worden.
30Der Berichterstatter hat die Sache mit den Beteiligten am 15.08.2023 erörtert.
31Der Senat hat die Sache am 15.03.2024 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
32Entscheidungsgründe
33Die zulässige Klage ist unbegründet.
34I. Die Klage ist zulässig.
35Richtige Klageart ist die Verpflichtungsklage, da das Begehren der Kläger auf einen Erlass der Kirchensteuer gerichtet ist.
36Auch liegen die Voraussetzungen nach §§ 44 ff der Finanzgerichtsordnung (FGO) vor.
37Gemäß § 44 Abs. 1 FGO ist eine Verpflichtungsklage (vorbehaltlich der §§ 45, 46 FGO) nur zulässig, wenn das Vorverfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf ganz oder zum Teil erfolglos geblieben ist. Ein solches Vorverfahren ist jedenfalls nicht deshalb entbehrlich, weil sich der Beklagte auf die Klage eingelassen hat (vgl. BFH-Urteil vom 16.11.1984 VI R 176/82, BFHE 143, 27, BStBl. II 1985, 266; a. A. BVerwG-Urteil vom 22.3.2018 7 C 21/16, NVwZ 2018, 1229 für den Fall, dass sich aus der Einlassung der Widerspruchsbehörde ergibt, dass sie den Widerspruch als unbegründet zurückweisen würde).
38Hier ist zumindest das Schreiben des Klägers vom 12.06.2022 als Einspruchsschreiben anzusehen. Es findet sich zwar nicht ausdrücklich die Bezeichnung als Einspruch. Dies ist aber auch nicht notwendig, solange sich aus dem Schreiben hinreichend deutlich ergibt, dass eine als Verwaltungsakt zu qualifizierende Entscheidung des Empfängers des Schreibens nicht akzeptiert und daher noch einmal zur Überprüfung gestellt wird. So verhält es sich hier.
39Angesichts dessen kann im Übrigen offenbleiben, ob sodann das Schreiben des Beklagten vom 24.08.2022 als Einspruchsentscheidung angesehen werden könnte. Denn selbst wenn man dies verneinen wollte, würde es seit dem 12.06.2022 an einem unbeschiedenen Einspruch fehlen, was im vorliegenden Fall zur Zulässigkeit der Klage über § 46 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 FGO führt. Die Voraussetzungen des § 46 FGO müssen im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vorliegen, d. h. eine Klage kann in die Zulässigkeit hineinwachsen (Krumm in Tipke/Kruse § 46 FGO Rz. 6 m. w. Nachw.). Bezogen auf den 16.02.2024 sind die sechs Monate gemäß § 46 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 2 FGO verstrichen und es ist gerade vor dem Hintergrund, dass der Beklagte sich inhaltlich auf die Klage eingelassen hat nicht ersichtlich, dass ein zureichender Grund für die Nichtentscheidung im Sinne von § 46 Abs. 2 FGO geltend gemacht werden könnte.
40II. Die Klage ist unbegründet. Die Ablehnung des begehrten Kirchensteuererlasses ist nicht rechtswidrig und der Kläger wird durch die Ablehnung nicht in seinen Rechten verletzt (§ 101 Satz 1 FGO).
411. Nach § 1 des Gesetzes über die Erhebung von Kirchensteuern im Land Nordrhein-Westfalen (KiStG NRW) erheben die Katholische Kirche und die Evangelische Kirche im Lande Nordrhein-Westfalen Kirchensteuern aufgrund jeweils eigener Kirchensteuerordnungen. Für den Beklagten ist die Verordnung über die Erhebung von Kirchensteuern für den im Land Nordrhein-Westfalen gelegenen Anteil der Erzdiözese Paderborn vom 29.06.1987 (KiABl. 1987, 70, zuletzt geändert durch die vierte Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Erhebung von Kirchensteuern für den im Land Nordrhein-Westfalen gelegenen Anteil der Erzdiözese Paderborn vom 04.07.2014, KiABl. 2015, Nr. 15, im Folgenden nur: KiStO) maßgeblich. Nach § 3 KiStO erhebt der Beklagte die Kirchensteuer als Zuschlag zur Einkommensteuer, zur Lohnsteuer und zur Kapitalertragsteuer („Kirchensteuer vom Einkommen“). Bemessungsgrundlage der Kirchensteuer sind die Einkommensteuer, die Lohnsteuer und die Kapitalertragsteuer nach Maßgabe des § 51a EStG. Der Steuersatz beträgt 9 v. H. (siehe den staatlich anerkannten Kirchensteuerbeschluss für 2020 vom 27.09.2019, KiABl. 2020, Nr. 2 sowie die Bekanntmachung über den Kirchensteuerbeschluss für das Steuerjahr 2020 durch FM NRW vom 10.01.2020, BStBl. I 2020, 173).
42Der von den Klägern begehrte Erlass der Kirchensteuer ist einem der Kirchensteuerfestsetzung nachgelagerten Erlassverfahren überantwortet. Eine solche Entscheidung über den Erlass von Kirchensteuer ist nicht der Überprüfung durch die staatlichen Gerichte entzogen (§ 14 Abs. 3 und Abs. 4 KiStG NRW, vgl. BFH-Urteil vom 01.07.2009 I R 81/08, BFHE 226, 90, BStBl. II 2011, 379; Hammer in Pirson/Rüfner/Germann/Muckel, Handbuch des Staatskirchenrechts, Band 3, 2020, S. 3010 m. w. N.). Der von den Klägern begehrte Erlass kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Erlass erfüllt sind und der Kläger einen Anspruch auf den Erlass hat.
43Für den von den Klägern begehrten Teilerlass existiert allerdings keine kirchensteuerliche Erlassermächtigung (dazu 2.). Sofern man die Erlassrichtlinie des Beklagten als ausreichende Erlassgrundlage ansehen wollte, wären die dort genannten Erlassvoraussetzungen jedenfalls nicht erfüllt (dazu 3.).
442. Kirchensteuerrechtliche Erlasstatbestände im Gesetzesrang, die das Begehren der Kläger tragen könnten, existieren nicht. Das KiStG NRW selbst enthält keine eigenständige Regelung über den Erlass von Kirchensteuern. Insbesondere eine Regelung wie § 8 Abs. 4 KiStG NRW, wonach die Kirchen für Stundung und Erlass zuständig sind, hat das Bundesverwaltungsgericht nicht als normative Grundlage ausreichen lassen. Denn einer solchen Regelung fehlt es an der notwendigen Vorgabe der Erlassvoraussetzungen und sei es auch nur generalklauselartig (BVerwG-Urteil vom 21.05.2003 9 C 12/02, BVerwGE 118, 201).
45Entsprechendes gilt für das nach § 16 KiStG NRW staatlich anerkannte kirchliche Steuerrecht. § 13 Abs. 2 KiStO bestimmt lediglich, dass der Beklagte über Anträge auf Erlass oder Stundung der Kirchensteuer nach Maßgabe der Satzung des Kirchensteuerrates entscheidet. Die damit angesprochene Satzung des Kirchensteuerrates für den im Lande Nordrhein-Westfalen gelegenen Teil des Beklagten vom 23.05.1984 (KiABl. 1985, Nr. 41), zuletzt geändert durch das 2. Gesetz zur Änderung der Satzung des Kirchensteuerrates […] vom 24.06.2020 (KiABl. 2020, Nr. 72) (KiStR-Satzung) wiederum enthält keine materielle Erlassregelung, sondern lediglich eine auf § 13 KiStO bezugnehmende Zuständigkeitsregelung in Ansehung der Erlassentscheidungen (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 KiStR-Satzung). Schließlich enthält auch der Kirchensteuerbeschluss für 2020 keine Erlassregelung.
463. Daher können die Kläger ihr Begehren allenfalls auf die Regelung über die Gewährung eines Teilerlasses bei Vorliegen von außerordentlichen Einkünften vom 25.05.2009 stützen. Dabei kann der Senat offenlassen, ob es der Erlassregelung – insbesondere vor dem Hintergrund, dass für die Kirchensteuer der Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung gilt und sich dieser Grundsatz auch auf Steuerbefreiungen und Erlasstatbestände erstreckt (vgl. BVerwG-Urteil vom 21.05.2003 9 C 12/02, BVerwGE 118, 201) – mangels staatlicher Anerkennung bereits an der für das Finanzgericht als staatliches Gericht maßgeblichen staatlichen Geltung fehlt. Denn jedenfalls sind die Voraussetzungen der Ziff. 1 der Erlassregelung nicht erfüllt.
47aa. Nach Ziff. 1 Buchst. a der Erlassregelung ist ein Teilerlass für den Fall vorgesehen, dass der Steuerpflichtige außerordentliche Einkünfte im Sinne von § 34 EStG erzielt hat.
48Ein solcher Fall des § 34 EStG liegt nicht vor. Der Kläger hat keinen Betrieb bzw. Teilbetrieb im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG, keinen gesamten Mitunternehmeranteil im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG und auch keinen gesamten Anteil eines persönlich haftenden Gesellschafters einer KGaA im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG veräußert. Es sind vielmehr GmbH-Anteile veräußert worden.
49Auch aus § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 EStG ergibt sich nichts Anderes: Im Falle der Veräußerung einer das gesamte Nennkapital einer Kapitalgesellschaft umfassenden Beteiligung sieht das Gesetz zwar eine Teilbetriebsfiktion vor und diese Teilbetriebsfiktion gilt auch, wenn eine Veräußerung aus dem Gesamthandsbetriebsvermögen einer Personengesellschaft heraus erfolgt (vgl. Schallmoser in Brandis/Heuermann § 16 EStG Rz. 213). Allerdings umfasste die von der GmbH & Co. KG veräußerte Beteiligung nicht das gesamte Nennkapital; veräußert wurde eine Beteiligung im Umfang von 77,5 %. Zudem würde es selbst dann, wenn eine 100 %-Beteiligung veräußert worden wäre, an einer Zuordnung des Veräußerungsgewinns zu § 34 EStG fehlen. Denn § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG bestimmt, dass die § 3 Nr. 40 Buchst. b EStG unterfallenden Veräußerungsgewinnbestandteile „nicht als außerordentliche Einkünfte in Betracht“ kommen. Das kann nur so verstanden werden, dass es sich bei den nach Anwendung des Teileinkünfteverfahrens verbleibenden steuerpflichtigen Teil eines aus der Veräußerung einer 100 %-igen Kapitalgesellschaftsbeteiligung erzielten Gewinns nicht um außerordentliche Einkünfte im Sinne von § 34 EStG handelt. Mit der Ausklammerung solcher Veräußerungsgewinne wird eine Doppelbegünstigung durch § 34 EStG und § 3 Nr. 40 EStG vermieden (Schießl in Brandis/Heuermann § 34 EStG Rz. 39; Wacker in Schmidt § 34 EStG Rz. 28). Wenn es sich einkommensteuerrechtlich bei einem solchen Veräußerungsgewinn nicht um Einkünfte im Sinne von § 34 EStG handelt, gilt dies auch für Ziff. 1 Buchst. a der Erlassregelung.
50bb. Ein Teilerlass ist ferner vorgesehen für „die im Rahmen der gewerblichen Einkünfte versteuerten Veräußerungsgewinne gemäß § 17 EStG“ (Ziff. 1 Buchst. b Satz 1 der Erlassregelung). Diese Voraussetzung liegt nicht vor, da die GmbH-Anteile kein Privatvermögen darstellten; sie waren Gesamthandsbetriebsvermögen der GmbH & Co. KG.
51cc. Auch aus der Regelung in Ziff. 2 Buchst. b Satz 2 lässt sich für das Begehren der Kläger nichts herleiten. Ungeachtet der Frage, ob man diese Regelung „tatbestandserweiternd“ als weiteren Erlassgrund in die Betrachtung einzubeziehen hat, würde er jedenfalls nicht die hier verwirklichte Konstellation erfassen.
52Satz 1 der Ziff. 1 Buchst. b nimmt auf die als Einkünfte aus Gewerbebetrieb qualifizierenden Veräußerungsgewinne im Sinne von § 17 EStG Bezug und nach Satz 2 der Ziff. 1 Buchst. b „zählen hierzu auch die im § 34 EStG ausgenommenen steuerpflichtigen Teil der Veräußerungsgewinne, die nach § 3 Nr. 40 b EStG in Verbindung mit § 3c Abs. 2 EStG teilweise steuerbefreit sind.“ Buchstabe b Satz 2 macht dort, wo er steht, auf den ersten Blick indes keinen Sinn. Er schließt sich an den Tatbestand betreffend § 17 EStG an, aber Einkünfte im Sinne von § 17 EStG sind (nach im Streitjahr geltender Rechtslage) nie solche im Sinne von § 34 EStG, weshalb (jedenfalls) insoweit ein Bezug auf § 34 EStG ins Leere geht.
53Wenn man unterstellt, dass jede Regelung eine Bedeutung hat, dann stellt sich die Frage, welche dies in Bezug auf diesen Satz 2 ist. Betrachtet man lediglich die Erlassregelung und legt diese objektiv aus, dann sind zwei Deutungsmöglichkeiten denkbar:
54Erstens, es erscheint denkbar, Ziff. 1 Buchst. b Satz 2 auf Ziff. 1 Buchst. a zu beziehen. Denn so wie der Satz 2 formuliert ist (vor allem Bezugnahme auf Buchstabe b des § 3 Nr. 40 EStG und nicht des für § 17 EStG einschlägigen Buchstaben c des § 3 Nr. 40 EStG), würde er bezogen auf Ziff. 1 Buchst. a den Fall erfassen, dass anlässlich einer Betriebs-,Teilbetriebs- oder Mitunternehmeranteilsveräußerung auch Kapitalgesellschaftsanteile mitveräußert worden sind oder es gerade aufgrund der Veräußerung der Kapitalgesellschaftsanteile zu einer fingierten Teilbetriebsveräußerung gekommen ist (Teilbetriebsfiktion des § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 EStG) und deshalb partiell oder sogar vollständig das Teileinkünfteverfahren angewendet wurde. In Ansehung von Ziff. 1 Buchst. a wäre eine Regelung wie Satz 2 der Ziff. 1 Buchst. b auch stimmig. Denn die mit dem Teileinkünfteverfahren einhergehende Nichtbesteuerung des Veräußerungsgewinns wird anlässlich der Kirchensteuerveranlagung wieder rückgängig gemacht (vgl. § 51a Abs. 2 Satz 2 EStG). § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG, der wegen der teilweisen Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 40 die aus der Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen erzielten Bestandteile des Veräußerungsgewinns aus der Vergünstigung des § 34 EStG ausklammert (zwecks Vermeidung einer Doppelbegünstigung, s. o.), berücksichtigt diese kirchensteuerrechtliche „Gegenläufigkeit“ naturgemäß nicht und diese „Lücke“ könnte dann Ziff. 1 Buchst. b Satz 2 der Erlassregelung schließen wollen. Dann zeigte sich allerdings die systematische Fehlplatzierung dieses Satz 2; er hätte sich an Ziff. 1 Buchst. a anschließen müssen.
55Zweitens, es erscheint ebenso denkbar, dass Ziff. 1 Buchst. b Satz 2 unausgesprochen eine bewusst über § 17 EStG hinausgehende Erstreckung der Ziff. 1 Buchst. b Satz 1 auf Kapitalgesellschaftsbeteiligungen des Betriebsvermögens voraussetzt. So würde Satz 2 z. B. dann einen eigenständigen Sinn innerhalb der Ziff. 1 Buchst. b erhalten, wenn in Buchst. b Satz 1 nicht nur auf § 17 EStG, sondern auch auf § 16 EStG Bezug genommen würde. Dann würde Buchst. b mit seinem Satz 2 stimmig, weil der Beklagte mit der Bezugnahme auf § 3 Nr. 40 Buchst. b EStG zum Ausdruck bringt, dass es eines „Veräußerungspreises i. S. v. § 16 Abs. 2 EStG, soweit er auf die Veräußerung von Anteilen an Körperschaften etc. entfällt“ (so der Wortlaut des § 3 Nr. 40 Buchst. b Satz 1 EStG) oder eines entsprechenden Aufgabegewinns (§ 3 Nr. 40 Buchst. b Satz 2) bedarf und das wiederum bedeutet, dass Einkünfte i. S. v. § 16 EStG vorausgesetzt werden. Da es in Satz 1 aber an einer Bezugnahme auf § 16 EStG fehlt (es wird nur § 17 EStG genannt), ließe sich dieses Verständnis normativ nur durch eine erweiterte Auslegung des Satz 1 erreichen. Letztlich würde damit das gleiche Ergebnis hergestellt, wie bei der ersten Deutungsvariante.
56Dass auch ein Gewinn aus der isolierten Veräußerung einer Kapitalgesellschaftsbeteiligung erfasst wird, wenn die Teilbetriebsfiktion des § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 EStG einschlägig ist, stimmt schließlich auch mit der Erlasspraxis des Beklagten überein. Dieser hat vorgetragen, dass er im Falle der Veräußerung einer Kapitalgesellschaftsbeteiligung nur dann einen Erlass gewährt, wenn eine 100 %-ige Beteiligung veräußert worden ist. Es ist auch nicht ersichtlich (und auch nicht vorgetragen), dass die tatsächlich geübte Erlasspraxis des Beklagten von einem weiteren, auch laufende gewerbliche Einkünfte erfassenden Verständnis ausgeht.
57Alle Deutungsvarianten knüpfen damit jedenfalls an Einkünfte im Sinne von § 16 EStG und bezogen auf die isolierte Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft damit zwingend an die Veräußerung einer 100 %-Beteiligung an. Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt, weil die GmbH & Co. KG nur eine 77,5 %-Beteiligung veräußert hat (s. o.).
58dd. Schließlich lässt sich das Begehren der Kläger auch nicht auf eine den Wortlaut korrigierende Auslegung der Erlassregelung stützten, um einen Wertungswiderspruch zwischen Ziff. 1 Buchst. a und Ziff. 1 Buchst. b zu vermeiden.
59Dem Kläger ist zwar zuzugeben, dass ein Wertungswiderspruch zwischen Buchst. a und b besteht: Sollte man Buchst. b Satz 1 nämlich – wie es sein Wortlaut mit der undifferenzierten Bezugnahme auf § 17 EStG nahelegt und nach dem Vortrag des Beklagten auch der tatsächlich geübten Erlasspraxis entspricht – so verstehen, dass jede Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen des Privatvermögens begünstigt ist und damit auch nur eine Teilveräußerung, während Buchst. a verlangt, dass der Betrieb vollständig oder zumindest ein Teilbetrieb veräußert und die isolierte Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen des Betriebsvermögens nur bei Veräußerung einer 100 %-Beteiligung erfasst wird, dann lässt sich dies nicht auf eine einheitliche Grundwertung zurückführen.
60Dem Senat ist es aber verwehrt, hier zugunsten der Kläger eine Gleichstellung einer nur anteiligen, nicht § 16 EStG unterfallenden Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen des Betriebsvermögens mit der von Ziff. 1 Buchst. b Satz 1 erfassten nur teilweisen Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen des Privatvermögens herbeizuführen.
61Denn zum einen gilt nach Ansicht des Senats für kirchliche Regelungen, die mangels staatlicher Anerkennung nicht Teil des staatlichen Gesetzesrechts geworden sind, das, was auch für Verwaltungsvorschriften gilt: Sie sind nicht objektiv, sondern subjektiv auszulegen. Wenn die Differenzierung zwischen Beteiligungen des Privatvermögens einerseits und des Betriebsvermögens andererseits dem dokumentierten Willen des Beklagten entspricht, darf ein staatliches Gericht diese Differenzierung nicht korrigieren.
62Dass diese Differenzierung vom Beklagten gewollt war, wird dabei nicht nur durch seine tatsächliche Erlasspraxis dokumentiert. Es ist vor allem die Entstehungsgeschichte, wie sie der Beklagte nachvollziehbar dargelegt hat, die für eine bewusste – letztlich: „im staatlichen Recht vorgefundene“ – Differenzierung spricht. Der Beklagte hat mit der Neufassung der Erlassregelung auf die Änderung des EStG durch das Gesetz zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung (Steuersenkungsgesetz) vom 23.10.2000 (BGBl. I 2000, 1433) reagiert. Bis dahin konnte auch eine dem Privatvermögen zuzurechnende Beteiligung, die nicht 100 % umfasst, als wesentliche Beteiligung im Sinne von § 17 EStG dem § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG unterfallen (BFH-Urteil vom 20.10.2010 IX R 56/09, BFHE 231, 173, BStBl. II 2011, 409), während für Beteiligungen, die dem Betriebsvermögen zuzurechnen sind, stets die 100 %-Beteiligungsanforderung maßgeblich war und dies gerade auch dort, wo es um eine erweiternde Auslegung ging (vgl. BFH-Urteil vom 15.9.1988 IV R 75/87, BFHE 155, 511, BStBl. II 1991, 624; BFH-Urteil vom 19.04.1994 VIII R 2/93, BFHE 175, 243, BStBl. II 1995, 705). Mit der Herausnahme des § 17 EStG aus dem § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG sah der Kirchensteuerrat des Beklagten Ergänzungsbedarf, weil der Veräußerungsgewinn im Sinne von § 17 EStG kirchensteuerrechtlich eben nicht am Teileinkünfteverfahren teilnimmt (s. o.). Es sollte kirchensteuerrechtlich Kontinuität in Ansehung der bis zum Steuersenkungsgesetz geltenden Rechtslage hergestellt werden.
63Zum anderen muss gesehen werden, dass sich die Wertungen, die Buchst. a und b zugrunde liegen, auch gar nicht eindeutig bestimmen lassen. Es lässt sich nicht sagen, ob die Wertung in Buchstabe a oder in Buchstabe b zu verallgemeinern ist. Dem Senat erscheint es ebenso denkbar, dass das Buchstabe a die entscheidende Wertung enthält („Aufgabe der gesamten unternehmerischen Tätigkeit“?) und daher Buchstabe b mit der Erfassung einer nur teilweisen Veräußerung eines GmbH-Anteils zu weit geraten ist und eingeschränkt werden muss.
64III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.
65IV. Der Senat lässt die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zu. Die Fragen, ob eine staatlich nicht anerkannte kirchliche Erlassregelung einen vor den staatlichen Gerichten einklagbaren Anspruch auf einen Erlass vermitteln kann und ob sich auf eine solche Regelung auch die Revisibilität von Landesrecht nach § 14 Abs. 4 Satz 2 KiStG NRW erstreckt, mit der Folge, dass der Bundesfinanzhof auch zu einem anderen als dem hier gefundenen Auslegungsergebnis in Ansehung der Erlassregelung kommen könnte, sind klärungsbedürftig.