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Der Antrag wird abgelehnt.Die Kosten des Verfahrens tragen der Antragsteller und der Antragsgegner jeweils zu 50%.
Der Beschluss ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Antragsgegner kann die Vollstreckung durch Hinterlegung oder Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, soweit nicht der Antragsteller zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Beschwerde wird zugelassen.
Der Antragsteller begehrt die Aussetzung der Vollziehung eines Grundsteuerwertbescheids sowie des Grundsteuermessbetragsbescheids mit der Begründung, die Ermächtigungsgrundlage der angegriffenen Bescheide sei verfassungswidrig.
2Der Antragsteller ist Berechtigter des (durch Bebauung ausgenutzten) Teilerbbaurechts […] G01. Die Eigentumswohnung hat eine Wohnfläche von 73 m². Zu dem Teileigentum gehört eine Garage.
3Infolge der Erklärung des Antragstellers zur Feststellung des Grundsteuerwerts vom 07.01.2023 stellte der Antragsgegner zunächst am 17.07.2023 den Grundbesitzwert auf den 01.01.2022 fest und setzte den Grundsteuermessbetrag auf den 01.01.2025 fest.
4Nach Einlegung der Einsprüche vom 07.08.2023 änderte der Antragsgegner die Bescheide am 22.09.2023. Er stellte den Grundsteuerwert auf 106.200,- EUR fest. Den Grundsteuermessbetrag setzte er auf 32,92,- EUR fest.
5Hiergegen legte der Antragsteller Einsprüche ein und beantragte, die Vollziehung der beiden Bescheide vorläufig auszusetzen. Über die Einsprüche hat der Antragsgegner bislang nicht entschieden. Die Anträge auf Aussetzung der Vollziehung lehnte der Antragsgegner mit Schreiben vom 23.04.2024 ab. Bei Abwägung des individuellen Aussetzungsinteresses des Antragstellers mit dem öffentlichen Interesse am Vollzug des Gesetzes überwiege Letzteres.
6Am 01.07.2024 hat der Antragsteller einen gerichtlichen Antrag auf Aussetzung der Bescheide betreffend die Grundsteuerwertfeststellung sowie des Grundsteuermessbetrags gestellt. Die Grundsteuerbewertung sei verfassungswidrig. Das Gesetz führe aufgrund der einheitlichen Mietstufe einer Kommune zu einer systematischen Überbewertung von Immobilien in schlechter Lage. Da bei Erbbaurechten der Erbbauzins nicht wertmindernd bei der Ermittlung des Rohertrags berücksichtigt werden könne, trete eine weitere Wertverzerrung ein. Das neue Recht zur Grundsteuerwertermittlung entspreche nicht den vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit Urteil vom 10.04.2018, 1 BvL 11/14, BVerfGE 148, 147-217, aufgestellten Maßgaben.
7Unabhängig davon, ob ein besonderes Aussetzungsinteresse gegenüber einem staatlichen Vollzugsinteresse bestehen müsse, überwiege das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Dieser müsse auch im Interesse seiner Mieter gegen die Grundsteuerwertfeststellung vorgehen, da diese aufgrund der Umlagefähigkeit der Grundsteuer durch diese nicht unerheblich wirtschaftlich belastet seien, während der Ausfall der hier vorliegenden potentiellen Grundsteuer für die hebeberechtigte Kommune diese nur rechnerisch belaste, ohne dass die Erfüllung der ihr obliegenden Pflichten eingeschränkt werde. Dass neben dem Antragsteller auch weitere Steuerpflichtige einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt hätten oder stellen würden, sei derzeit nicht erkennbar, weshalb die geordnete Haushaltsführung der Kommunen nicht bedroht sei. Maßstab könne aufgrund der nur geringen Anzahl von Verfahren auf Aussetzung der Vollziehung deshalb nicht das gesamte voraussichtliche Grundsteueraufkommen sein. Eine etwaige zusprechende Einzelfallentscheidung wäre gleichfalls nicht auf andere Steuerpflichtige übertragbar.
8Der Antragsteller beantragt,
9die Vollziehung der Bescheide vom 22.09.2023 über die Feststellung des Grundsteuerwerts auf den 01.01.2022 und über die Festsetzung des Grundsteuermessbetrags auf den 01.01.2025 auszusetzen,
10hilfsweise, für den Fall der Ablehnung des Antrags, die Beschwerde zuzulassen.
11Der Antragsgegner beantragt,
12den Antrag abzulehnen;
13hilfsweise, für den Fall der Stattgabe, die Beschwerde zuzulassen.
14Es beständen keine ernsthaften Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Grundlagen für die Grundsteuerwertfeststellung. Das Gesetz sei verfassungskonform auszulegen. Das besondere Aussetzungsinteresse überwiege das öffentliche Interesse am Vollzug des Gesetzes nicht. Die finanzielle Belastung mit Grundsteuer begründe kein besonderes Aussetzungsinteresse, da sie als Realsteuer ohne Rücksicht auf die persönlichen Verhältnisse erhoben werde. Daneben sei bei einer Abwägung der Interessen nicht auf das Ergebnis im Einzelfall abzustellen. Maßstab müsse die Auswirkung sein, die sich ergäbe, wenn es zu einer Nichtanwendung der Vorschriften käme. Es sei mit einer Vielzahl erstmaliger Anträge auf Aussetzung der Vollziehung zu rechnen, wenn auf einen etwaigen gerichtlichen Beschluss Bezug genommen werden könne. In Anbetracht des Grundsteueraufkommens in NRW von jährlich rund 3,9 Milliarden Euro wäre eine Haupteinnahmequelle der Kommunen bedroht.
15Mit Bescheiden vom 23.07.2024 hat der Antragsgegner die Vollziehung des Grundsteuerwerts auf den 01.01.2022 i. H. v. 53.100,- EUR und des Grundsteuermessbetrags auf den 01.01.2025 i. H. v. 16,46 EUR ausgesetzt.
1. Der Antrag ist unbegründet.
17Die beantragte weitergehende Aussetzung der Vollziehung über den Umfang hinaus, der bereits durch die Bescheide des Antragsgegners vom 23.07.2024 gewährt wurde, ist abzulehnen.
18a) Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m Abs. 2 Satz 2 FGO soll das Gericht der Hauptsache auf Antrag die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen. Ernstliche Zweifel sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes neben den für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen bewirken. Ernstliche Zweifel können auch verfassungsrechtliche Zweifel an der Gültigkeit einer dem angefochtenen Verwaltungsakt zugrunde liegenden Norm sein (BFH-Beschluss vom 12.04.2023, I B 74/22, BFH/NV 2023, 1178 m. w. N.).
19Ob über die vom Antragsgegner gewährte Aussetzung der Vollziehung hinaus nach summarischer Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides wegen möglicher Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Grundlage zur Feststellung des Grundsteuerwertes bestehen, § 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 FGO, kann im vorliegenden Fall dahinstehen. Dem Antragsteller fehlt es jedenfalls an einem das öffentliche Interesse am Vollzug des Gesetzes überwiegenden besonderen Aussetzungsinteresse.
20aa) Nach der Rechtsprechung des BFH, welcher der erkennende Senat auch im vorliegenden Verfahren folgt, setzt die Aussetzung der Vollziehung bei verfassungsrechtlichen Zweifeln an der Gültigkeit einer dem angefochtenen Verwaltungsakt zugrunde liegenden Norm wegen des Geltungsanspruchs jedes formell ordnungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes grundsätzlich voraus, dass ein besonderes Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes besteht, dem der Vorrang gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug des Gesetzes zukommt (vgl. BFH-Beschlüsse vom 21.07.2016 V B 37/16, BStBl II 2017, 28; vom 15.04.2014, II B 71/13, BFH/NV 2015, 7; u. vom 09.03.2012, VII B 171/11, BStBl II 2012, 418).
21Bei der Interessenabwägung kommt es maßgeblich einerseits auf die Bedeutung und die Schwere des durch die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes eintretenden Eingriffs beim Steuerpflichtigen und andererseits auf die Auswirkungen einer Aussetzung der Vollziehung hinsichtlich des Gesetzesvollzugs und des öffentlichen Interesses an einer geordneten Haushaltsführung an (BFH-Beschluss vom 09.03.2012, VII B 171/11, BStBl II 2012, 418).
22Dem bis zu einer gegenteiligen Entscheidung des BVerfG bestehenden Geltungsanspruch jedes formell verfassungsmäßig zustande gekommenen Gesetzes ist der Vorrang einzuräumen, wenn die Aussetzung der Vollziehung eines Verwaltungsaktes im Ergebnis zur vorläufigen Nichtanwendung eines ganzen Gesetzes führen würde, die Bedeutung und die Schwere des durch die Vollziehung des angefochtenen Bescheids im Einzelfall eintretenden Eingriffs beim Steuerpflichtigen als eher gering einzustufen sind und der Eingriff keine dauerhaften nachteiligen Wirkungen hat (BFH-Beschlüsse vom 09.03.2012, VII B 171/11, BStBl II 2012, 418; u. vom 01.04.2010, II B 168/09, BStBl II 2010, 558).
23Der BFH hat in Fällen, in denen die ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes auf verfassungsrechtlichen Zweifeln an der Gültigkeit einer dem Verwaltungsakt zugrunde liegenden Norm beruhen, in verschiedenen Fallgruppen dem Aussetzungsinteresse des Steuerpflichtigen den Vorrang vor den öffentlichen Interessen eingeräumt, und zwar (1.) wenn dem Steuerpflichtigen durch den sofortigen Vollzug irreparable Nachteile drohen, (2.) wenn das zu versteuernde Einkommen abzüglich der darauf zu entrichtenden Einkommensteuer unter dem sozialhilferechtlich garantierten Existenzminimum liegt, (3.) wenn das BVerfG eine ähnliche Vorschrift für nichtig erklärt hatte, (4.) wenn der BFH die vom Steuerpflichtigen als verfassungswidrig angesehene Vorschrift bereits dem BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit vorgelegt hatte, (5.) wenn ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Beschränkung des bisher zulässigen Abzugs von laufenden erwerbsbedingten Aufwendungen als Werbungskosten bestehen (6.) oder wenn es um das aus verfassungsrechtlichen Gründen schutzwürdige Vertrauen auf die Beibehaltung der bisherigen Rechtslage oder um ausgelaufenes Recht geht (BFH-Beschlüsse vom 18.01.2023, II B 53/22, BFH/NV 2023, 382 Rn. 10, juris; und vom 01.04.2010, II B 168/09, BFHE 228, 149, BStBl II 2010, 558, Rn. 10).
24bb) Ein Festhalten an dieser Rechtsprechung wird inzwischen von mehreren Senaten des BFH offengelassen (vgl. zum Streitstand BFH-Beschluss vom 23.05.2022, V B 4/22, BFH/NV 2022). In Einzelfällen lehnte der BFH gleichfalls weiterhin eine Aussetzung der Vollziehung mangels besonderem berechtigten Aussetzungsinteresses ab (BFH-Beschluss vom 18.01.2023, II B 53/22 BFH/NV 2023, 382). Ebenso hat das BVerfG es offengelassen, ob das Erfordernis eines besonderen Aussetzungsinteresses mit dem Grundsatz der Gewährung effektiven Rechtsschutzes vereinbar ist (vgl. BVerfG-Beschluss vom 06.05.2013, 1 BvR 821/13, HFR 2013, 639). Darüber hinaus wird in der Literatur und finanzgerichtlichen Rechtsprechung vertreten, dass die in Art. 19 Abs. 4 GG verbürgte Garantie des effektiven und individuellen Rechtsschutzes nicht nur bei ernstlichen Zweifeln an der (einfachen) Rechtmäßigkeit, sondern erst recht bei ernstlichen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit des Bescheids die Aussetzung der Vollziehung gebiete (vgl. Seer in Tipke/Kruse, FGO, § 69 Rn. 96 f.; FG Rheinland-Pfalz Beschlüsse vom 23.11.2023, 4 V 1295/23, EFG 2024, 93 und 4 V 1429/23, EFG 2024, 135).
25b) Nach diesen Maßgaben kommt eine über die vom Antragsgegner gewährte Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide nicht in Betracht.
26aa) In Anschluss an die jüngere Rechtsprechung unter anderem des II. Senats des BFH (BFH-Beschluss vom 18.01.2023, II B 53/22, BFH/NV 2023, 382) hält der hiesige Senat, wie auch einige Finanzgerichte (FG Düsseldorf Beschluss vom 10.05.2024, 11 V 533/24, EFG 2024, 1283; FG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 01.09.2023, 3 V 3080/23, EFG 2023, 1642; FG Nürnberg Beschluss vom 08.08.2023, 8 V 300/23, EFG 2023, 1477) am Erfordernis einer Abwägung von Aussetzungsinteresse und öffentlichem Vollzugsinteresse bei Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit eines formell ordnungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes fest. Der in bestimmten Fallgruppen eingeräumte Vorrang des Aussetzungsinteresses des Antragstellers genügt einer sachgerechten Gewährleistung des verfassungsrechtlichen Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz (Kister in: FGO - eKommentar, § 69 FGO, Rn. 44; Birkenfeld in: Hübschmann/Hepp/Spitaler: AO/FGO, 281. Lieferung, 8/2024, 7. Besondere Fallgruppen, Rn. 329).
27bb) Die gebotene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Vollziehung der streitgegenständlichen Bescheide und Gesetze sowie dem individuellen Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes fällt zu Lasten des Antragstellers aus. Das Interesse des Antragstellers überwiegt das öffentliche Interesse an einer geordneten Haushaltsführung sowie am Vollzug eines ordnungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes nicht. Es liegt keine der genannten Fallgruppen vor (BFH-Beschlüsse vom 18.01.2023, II B 53/22, BFH/NV 2023, 382 Rn. 10, juris; und vom 01.04.2010, II B 168/09, BFHE 228, 149, BStBl II 2010, 558, Rn. 10), in welchen der BFH dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers den Vorrang vor den öffentlichen Interessen eingeräumt hat.
28(1) Die Feststellung des Grundsteuerwerts sowie die Festsetzung des Grundsteuermessbetrags führen für den Antragsteller nicht zu einer derart schwerwiegenden Belastung, dass ihm irreparable Nachteile drohen. Insbesondere wird nicht geltend gemacht, dass die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Antragstellers durch die Vollziehung der angefochtenen Bescheide ab dem 01.01.2025 bedroht wird. Ob die etwaig auf die Mieter umzulegende Grundsteuer für das streitgegenständliche Objekt für diese eine schwerwiegende Belastung darstellt, hat der Antragsteller, unabhängig davon ob er stellvertretend die Interessen seiner Mieter geltend machen kann, nicht ausreichend substantiiert dargelegt. Jedenfalls besteht für einen Vermieter auch keine Pflicht, die Grundsteuer als Betriebskosten i. S. d. § 2 Nr. 1 Betriebskostenverordnung (in voller Höhe) auf den Mieter umzulegen (vgl. § 556 Abs. 1 Satz 1 BGB „können vereinbaren, dass der Mieter Betriebskosten trägt“). Der Antragsteller kann einem möglichen Vorwurf des Verschuldens, eine rechtswidrige Festsetzung nicht angefochten zu haben (zur Schadensersatzpflicht OLG Brandenburg, Urteil vom 05.06.2019, 11 U 109/15; Morsch, DStR 2024, 1972, 1973) bereits durch Betreiben des Hauptsacheverfahrens entgegentreten. Entsprechend ergibt sich aus der möglichen Schadensersatzpflicht vorliegend kein besonderes Aussetzungsinteresse. Selbst bei Annahme einer Schadensersatzpflicht hat der Antragsteller nicht dargelegt, dass dies eine derart schwerwiegende Belastung für ihn darstelle und ihm daraus irreparable Nachteile drohen.
29Da der Antragsgegner bereits die hälftige Aussetzung der Vollziehung gewährte, fällt die wirtschaftliche Belastung durch die Grundsteuer, bei entsprechender Umlage an den Mieter, vorliegend bereits geringer aus.
30(2) Demgegenüber besteht am Vollzug der Neuregelungen zur Bewertung des Grundbesitzes für die Grundsteuer ab dem 01.01.2022 (§§ 218 bis 263 BewG) wegen der Sicherung einer geordneten Haushaltsführung ein öffentliches Interesse.
31Die §§ 218 bis 263 BewG sind formell ordnungsgemäß zustande gekommen. Eine faktische Außerkraftsetzung der sog. Grundsteuer B (Grundsteuer auf unbebaute und bebaute Grundstücke, die nicht der Land- und Forstwirtschaft zuzuordnen sind) würde im Geltungsbereich des sog. „Bundesmodells“ für einen nicht absehbaren Zeitraum zu Einnahmeausfällen bei den hebeberechtigten Kommunen in Milliardenhöhe führen. Nach der vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Statistik über das Steueraufkommen für 2023 beliefen sich die Einnahmen aus der Grundsteuer B auf ca. 15,08 Milliarden Euro (Pressemitteilung Nr. 356 des Statistischen Bundesamts vom 19.09.2024). Bei der vorliegenden hebeberechtigten Kommune macht die Grundsteuer planbar und konjunkturunabhängig ca. 15% der gesamten kommunalen Einnahmen aus und ist damit in ihrer Gesamtheit für die Kommune bei angestrebter Aufkommensneutralität der Grundsteuerreform von erheblicher Bedeutung (siehe Haushaltsplan 2023/2024 der Stadt V., abrufbar über […]). Es ist derzeit nicht ersichtlich, dass die Kommunen diese konjunkturunabhängigen Einnahmen durch die konjunkturabhängigen Steuern (Gewerbesteuer; Anteil Einkommensteuer; Anteil Umsatzsteuer) kompensieren können (vgl. Schmidt DStR 2024, 2040, 2042). Insbesondere ist die Grundsteuer aufgrund der Konjunkturunabhängigkeit in Verbindung mit der eigenen Hebesatzkompetenz die einzige kommunale Einnahmequelle, welche die Kommune planbar selbst steuern, also im Bedarfsfall anpassen kann, um langfristig zukünftige Haushalte zu sichern (vgl. BVerfG-Urteil vom 10.04.2018, 1 BvL 11/14, BVerfGE 148, 147-217, Rn. 173).
32(3) Entgegen der Auffassung des Antragstellers kann für die Gewichtung des öffentlichen Interesses der vorläufige Rechtsschutz nicht auf einzelne Steuerpflichtige oder Jahre beschränkt werden.
33Zunächst können weitere Unsicherheiten bei der exakten Bestimmung des Steuerausfalls bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen und ausreichenden summarischen Prüfung auf sich beruhen (vgl. BFH-Beschluss vom 25.11.2014, VII B 65/14, BFHE 247, 182, BStBl II 2015, 207). Jedenfalls erwartet der Senat, dass bei Häufungen stattgebender Aussetzungsbeschlüsse auch eine Vielzahl der Steuerpflichtigen den Weg der gerichtlichen Antragsstellung unter Zuhilfenahme von Musteranträgen beschreiten würden, wie dies bei Mustereinsprüchen in Hauptsacheverfahren bezüglich der Grundsteuerwertfeststellung bereits der Fall war. So wurden in Nordrhein-Westfalen allein rund 1,5 Millionen Einsprüche bei rund 6,7 Millionen Grundstücken und Betrieben der Land- und Forstwirtschaft, die der Grundsteuer unterliegen, eingelegt (Antwort der Landesregierung, LT NRW Drs. 18/9833 Seite 2), was einer Einspruchsquote von über 20% entspricht.
34Die Aussetzung käme einer temporären Vorwegnahme des Verwerfungsmonopols des BVerfG gleich. Die Kompetenz, den Vollzug eines Gesetzes auszusetzen, steht nach § 32 Abs. 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht allein dem BVerfG zu, welches von dieser Möglichkeit nur bei Vorliegen besonders gewichtiger Gründe Gebrauch machen darf (BVerfG-Beschluss vom 22.05.2001, 2 BvQ 48/00, BVerfGE 104, 23, 27 f.).
35c) Die Aussetzung der Vollziehung ist auch nicht nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 FGO wegen einer unbilligen Härte zu gewähren. Anhaltspunkte hierfür sind weder vom Antragsteller vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
362. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs.1, 138 Abs. 2 Satz 1 FGO. Im Laufe des Verfahrens hat der Antragsgegner die zunächst abgelehnte Aussetzung zu 50% gewährt.
373. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1, § 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.
384. Die Beschwerde wird gemäß § 128 Abs. 3 Satz 1 und 2 i. V. m. § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen.
39[…] […] […]