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Der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Werts des Anteils am Betriebsvermögen (§ 97 BewG) nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BewG, die gesonderte und einheitliche Feststellung der Anzahl der Beschäftigten und der Ausgangslohnsumme nach § 13a Abs. 4 ErbStG, die gesonderte und einheitliche Feststellung der Summe der gemeinen Werte des Verwaltungsvermögens nach § 13b Abs. 4 Nr. 1 bis 4 ErbStG, des jungen Verwaltungsvermögens, der Finanzmittel, der jungen Finanzmittel und der Schulden (§ 13b Abs. 10 ErbStG) für Zwecke der Schenkungsteuer auf den Bewertungsstichtag 31.12.2019 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 24.03.2023 und der Einspruchsentscheidung vom 30.03.2023 wird dahingehend abgeändert, dass die Summe der gemeinen Werte des Verwaltungsvermögens nach § 13b Abs. 4 Nr. 1 bis 4 ErbStG mit einem Wert i. H. v. 0,00 € und die Summe der gemeinen Werte des jungen Verwaltungsvermögens mit 0,00 € festgestellt werden.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten darüber, ob am Bewertungsstichtag nicht vermietete Grundstücke, die sich noch im Zustand der Bebauung befinden, Verwaltungsvermögen i. S. d. § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 1 Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) in der Fassung vom 04.11.2016 darstellen.
3Der Kläger ist der Sohn von Herrn S. (Schenker). Dieser gründete am 17.01.2017 die mit Beschluss vom 21.02.2024 beigeladene A GmbH & Co. KG […] und die Komplementär-GmbH, die A GmbH […], jeweils mit Sitz in R. Der Zweck des Unternehmens ist ausweislich § 1 Gesellschaftsvertrag unter anderem die Vermietung und Verpachtung von eigenen Immobilien.
4Mit notariellem Kaufvertrag vom 17.02.2017 (Notar H., UR Nr. N01) erwarb die A GmbH & Co. KG von der G. GmbH zwei aneinander angrenzende unbebaute Grundstücke G01 und G02 auf O. (Grundbuch K. Blatt N02, Gemarkung K., […]) für 579.000,- EUR. Im Vermarktungsprospekt der Verkäuferin war die Nutzung als Dauerwohnsitz oder Ferienwohnung angegeben.
5Mit Wirkung zum 31.12.2019 übertrug der Schenker am 12.12.2019 mit notarieller Urkunde (UR Nr. N03 des Notars U.) je 1/2 der Gesellschaftsanteile an der A GmbH und der A GmbH & Co. KG an seine Söhne, den Kläger und dessen Bruder.
6Die Nutzung der Objekte als vermietete Ferienhäuser begann frühestens am 02.06.2020. Einrichtungsgegenstände wurden teilweise am 30.06.2020 geliefert. Erstmalige Vermietungsumsätze erzielte die A GmbH & Co. KG aufgrund von Vermietungen vom 27.07.2020 – 02.08.2020 (Objekt 1 aus G01) und 31.07.2020 – 08.08.2020 (Objekt 2 aus G01). Das Gebäude auf dem Grundstück G02 wurde Ende Juni 2021 fertiggestellt. Mit der Vermietung beauftragte die A GmbH & Co. KG die Firma T.. Nach dem Vermittlungs- und Vermarktungsvertrag vom 14.07.2020 sollte für das Objekt G01 eine erstmalige Vermietung ab dem 27.07.2020 und für das Objekt G02 ab dem 01.07.2021 stattfinden. Das Leistungsspektrum der T. umfasste unter anderem die Vermietung, Werbung und Anzeigen, Erhalt und Sicherung, Ersatzbeschaffung des Inventars und Kleinreparaturen, Abrechnungen mit Kunden, Betreuung von Kunden, Schlüsselübergabe, Bereitstellung von Bettwäsche, Handtüchern und wesentliche Hausmeistertätigkeiten. Hierfür berechnete die T. eine Provision von 15% der Bruttomieteinnahmen.
7Mit Schreiben vom 15.06.2021 forderte der Beklagte die A GmbH & Co. KG auf, die Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung gem. § 151 Abs. 1 Bewertungsgesetz (BewG) zur Bewertung der übertragenen Gesellschaftsanteile einzureichen.
8Die A GmbH & Co. KG erklärte im Rahmen der Feststellungserklärung vom 22.06.2021, dass zum Zeitpunkt der Übertragung kein fertiggestelltes Gebäude vorhanden gewesen sei. Bewertungsrechtlich handele es sich daher um unbebaute Grundstücke, auf welchen sich keine benutzbaren Gebäude befunden haben. Bilanziell erfasste die Gesellschaft den Grund und Boden zum 31.12.2019 als „Grundstück“ mit einem Wert von 630.041,08 EUR, andere Anlagen, Betriebs- und Geschäftsausstattung mit einem Wert von 56.794,82 EUR und geleistete Anzahlungen und Anlagen im Bau i. H. v. 728.741,12 EUR.
9Mit Bescheid über die gesonderte und einheitlichen Feststellung des Werts des Anteils am Betriebsvermögen (§ 97 BewG) nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BewG, die gesonderte und einheitliche Feststellung der Anzahl der Beschäftigten und der Ausgangslohnsumme nach § 13a Abs. 4 ErbStG, die gesonderte und einheitliche Feststellung der Summe der gemeinen Werte des Verwaltungsvermögens nach § 13b Abs. 4 Nr. 1 bis 4 ErbStG, des jungen Verwaltungsvermögens, der Finanzmittel, der jungen Finanzmittel und der Schulden (§ 13b Abs. 10 ErbStG) für Zwecke der Schenkungsteuer auf den Bewertungsstichtag 31.12.2019 vom 25.06.2021 stellte der Beklagte, entsprechend der eingereichten Erklärung, den Wert des Verwaltungsvermögens und des jungen Verwaltungsvermögens nach § 13b Abs. 4 Nr. 1 bis 4 ErbStG mit jeweils 0,- EUR fest. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
10Im Rahmen einer anschließenden Betriebsprüfung, beginnend am 07.02.2022, stellte diese fest, dass als Hauptzweck des Unternehmens keine Tätigkeit im Sinne des § 13 Abs. 1, des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder des § 18 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG vorliege und die wirtschaftliche Einheit in der Eigenart als Grundstück im Zustand der Bebauung nach § 13b Abs. 4 Nr. 1 ErbStG dem Verwaltungsvermögen zuzuordnen sei. Der Beklagte setzte die Prüfungsfeststellungen im Feststellungsbescheid vom 15.08.2022 um.
11Der Grundbesitzwert wurde mit Bescheid vom 16.03.2023 durch das Finanzamt N. auf 1.256.268,- EUR für ein Grundstück im Zustand der Bebauung auf den Bewertungsstichtag 31.12.2019 festgestellt.
12Der Beklagte änderte die Feststellungsbescheide letztmalig wegen nicht streitbefangener Gründe am 24.03.2023.
13Den hiergegen eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 30.03.2023 zurück. Weder handele es sich bei den Zusatzleistungen der T. um Leistungen, die der Vermietung das Gepräge eines Beherbergungsbetriebs mit gewerblicher Organisation gäben, noch sei eine kurzfristige Vermietung beabsichtigt. Vielmehr betrage die vorgegebene Mindestmietdauer eine Woche. Deshalb sei die beabsichtigte Nutzung eine Überlassung an Dritte, die keine originäre gewerbliche Vermietung i. S. d. § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG darstelle. Allein aufgrund der beabsichtigten Nutzung sei die Zuordnung zum Verwaltungsvermögen zutreffend. Es müsse ein Gleichlauf zu im Privatvermögen gehaltenen, noch nicht fertiggestellten Objekten hergestellt werden. Außerdem sei die übertragene Gesellschaft mit einer sog. „Cash-GmbH“ vergleichbar. Es werde lediglich Geld in Form von Grundstücken mit Gebäuden im Bebauungszustand übertragen. Für die perspektivische Nutzung der Objekte müsse auf den Gesellschaftsvertrag abgestellt werden.
14Mit seiner am 27.04.2023 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren, eine Qualifikation der Grundstücke als Verwaltungsvermögen zu verhindern, weiter. Zum Bewertungsstichtag 31.12.2019 sei kein Grundstück vorhanden gewesen, welches Dritten zur Nutzung überlassen worden sei. Der Beklagte stelle zu Unrecht auf eine zukünftige Nutzung der Grundstücke ab. Der Vergleich mit einer „Cash-GmbH“ gehe fehl. Grundstücke im Zustand der Bebauung seien vom Gesetzgeber bewusst nicht als weitere Ausnahme bei der Steuerbefreiung nach § 13b Abs. 4 Nr. 1 ErbStG aufgenommen worden. Auch sei das Unternehmen originär gewerblich tätig i. S. d. § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Das Leistungsbündel entspreche einer gewerblichen Vermietung. Den Übertragungszeitpunkt möglichst günstig zu wählen sei auch keine missbräuchliche Gestaltung i. S. d. § 42 AO. Die Übertragung an dem gewählten Stichtag sei nicht unangemessen, da sie weder schwerfällig, gekünstelt, unpraktikabel, überflüssig, ineffektiv oder widersinnig sei. Außerdem behauptet der Kläger, die Übertragung in 2019 sei krankheitsbedingt zum Ablauf des Jahres vorgenommen worden.
15Der Kläger beantragt,
16den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Werts des Anteils am Betriebsvermögen (§ 97 BewG) nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BewG, die gesonderte und einheitliche Feststellung der Anzahl der Beschäftigten und der Ausgangslohnsumme nach § 13a Abs. 4 ErbStG, die gesonderte und einheitliche Feststellung der Summe der gemeinen Werte des Verwaltungsvermögens nach § 13b Abs. 4 Nr. 1 bis 4 ErbStG, des jungen Verwaltungsvermögens, der Finanzmittel, der jungen Finanzmittel und der Schulden (§ 13b Abs. 10 ErbStG) für Zwecke der Schenkungsteuer auf den Bewertungsstichtag 31.12.2019 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 24.03.2023 und der Einspruchsentscheidung vom 30.03.2023 dahingehend abzuändern, dass die Summe der gemeinen Werte des Verwaltungsvermögens nach § 13b Abs. 4 Nr. 1 bis 4 ErbStG mit einem Wert i. H. v. 0,00 € und die Summe der gemeinen Werte des jungen Verwaltungsvermögens mit 0,00 € festgestellt wird;
17hilfsweise, für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.
18Der Beklagter beantragt,
19die Klage abzuweisen;
20hilfsweise, für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.
21Er vertritt weiterhin die Auffassung, dass eine originär gewerbliche Tätigkeit nicht vorliege. Die bloße Vermögensnutzung trete nicht hinter der Bereitstellung einer einheitlichen gewerblichen Organisation zurück. Die Einkünftequalifikation resultiere aus der Regelung des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG. Ferner sei für die Qualifizierung als Verwaltungsvermögen nicht der Bebauungszustand, sondern die Nutzung maßgeblich. Auch ein an Dritte zur Nutzung überlassenes unbebautes Grundstück könne Verwaltungsvermögen darstellen. Außerdem sei das Vermögen nicht begünstigungswürdig, da es weitgehend der risikolosen Renditeerzielung diene und weder Arbeitsplätze noch zusätzliche volkswirtschaftliche Leistung bewirke. Man müsse bei noch ungenutztem Grundbesitz auf die zukünftige Nutzung abstellen. Der Wortlaut der Norm sei entsprechend zu eng gefasst und nicht mit den Grundsätzen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG-Urteil vom 17.12.2014, 1 BvL 21/12, BStBl II 2015, 50, BVerfGE 136 – 255 Rn. 127 und 133) vereinbar.
22Die Beigeladene hat keinen eigenen Antrag gestellt.
23Der Senat hat am 14.11.2024 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
24Entscheidungsgründe
25I. Die Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid in Gestalt des Änderungsbescheids vom 24.03.2023 und der Einspruchsentscheidung vom 30.03.2023 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
26Bei dem streitbefangenen Grundbesitz, der zu dem im Wege der Schenkung übertragenen Betriebsvermögen zählt (§ 151 Abs. 1 Nr. 2 BewG i. V. m. § 97 BewG), handelt es sich nicht um Verwaltungsvermögen i. S. d. § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 1 ErbStG in der Fassung des ErbStAnpG 2016 vom 04.11.2016. Die A GmbH & Co. KG hat den Grundbesitz am Bewertungsstichtag nicht an Dritte zur Nutzung überlassen.
271. Nach § 13b Abs. 10 Satz 1 ErbStG stellt das für die Bewertung der wirtschaftlichen Einheit örtlich zuständige Finanzamt (hier der Beklagte) i. S. d. § 152 Nr. 1 bis 3 des BewG die Summen der gemeinen Werte der Vermögensgegenstände des Verwaltungsvermögens und des jungen Verwaltungsvermögens i. S. d. § 13b Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 bis 4 ErbStG gesondert fest, wenn diese Werte für die Erbschaft- und Schenkungsteuer oder eine andere Feststellung im Sinne dieser Vorschrift von Bedeutung sind.
282. Die Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens sind in § 13b Abs. 4 Nr. 1 bis 5 ErbStG abschließend aufgezählt. Maßgebend für die Einordnung von Wirtschaftsgütern als Verwaltungsvermögen sind die Verhältnisse am Stichtag der Entstehung der Steuer (BFH-Urteile vom 28.02.2024, II R 27/21, BFH/NV 2024, 995; und zu der Vorgängervorschrift vom 23.02.2021, II R 26/18, BFHE 272, 486, BStBl II 2022, 72, Rn. 19).
29Zu dem von der Begünstigung des Betriebsvermögens ausgeschlossenen Verwaltungsvermögen gehören unter anderem gemäß § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 1 ErbStG Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke und Grundstücksteile.
30a) Der streitbefangene Grundbesitz war am Übertragungsstichtag nicht Dritten zur Nutzung überlassen.
31aa) Ein Grundstück ist Dritten, also Personen, die nicht mit dem Nutzungsüberlassenden identisch sind (BFH-Urteil vom 28.02.2024, II R 27/21, BFH/NV 2024, 995), zur Nutzung überlassen, wenn der Nutzende ein Recht zum Besitz auf Grundlage einer mit dem Grundstückseigentümer getroffenen Vereinbarung hat (Geck in Kapp/Ebeling, ErbStG, 101. Lieferung, 7/2024, 2. Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke § 13b Rn. 93). Der Begriff der Nutzungen umfasst mithin die Fruchtziehung und den Gebrauchsvorteil (§ 100 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Die Nutzungsüberlassung kann entgeltlich oder unentgeltlich erfolgen. Auf den Rechtsgrund der Nutzungsüberlassung kommt es ebenso wenig an wie auf die Dauer der Nutzungsüberlassung (Kirnberger in: ErbStG - eKommentar, § 13b ErbStG 1974, Rn. 63). Maßgeblich sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer, §§ 9, 11 ErbStG.
32bb) Am Stichtag stand keiner anderen Person ein Recht zum Besitz aufgrund einer mit der A GmbH & Co. KG als Grundstückseigentümerin geschlossenen Nutzungsvereinbarung zu. Die Durchführung der am Stichtag noch andauernden Baumaßnahmen durch Bauunternehmen stellt keine Nutzungsüberlassung an diese dar. Sie ziehen weder Früchte noch Gebrauchsvorteile aus dem streitgegenständlichen Grundbesitz. Auch mit der T. bestand am Stichtag weder ein Vertragsverhältnis, das Rechtsgrund für eine Nutzungsüberlassung hätte sein können, noch war die T. tatsächlich Nutzerin des Grundbesitzes.
33b) Auf eine zum Stichtag beabsichtigte zukünftige Nutzungsüberlassung an Dritte kommt es nicht an. Dies ergibt die Auslegung der Norm ausgehend vom Wortlaut unter Berücksichtigung der Gesetzessystematik und des Normzwecks.
34aa) Der Wortlaut der Regelung ist eindeutig. Entscheidend ist danach lediglich die tatsächliche Nutzungsüberlassung an Dritte („Dritten zur Nutzung überlassene“) im Zeitpunkt der Steuerentstehung (FG Köln Urteil vom 10.06.2021, 7 K 2718/20, Rn. 51, EFG 2021, 1831; Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk ErbStG § 13 b Rn. 259; Albermann/Loose ErbR 2023, 508, 511).
35bb) Die Gesetzessystematik stützt das Ergebnis der Wortlautauslegung.
36Im systematischen Vergleich zu § 13d Abs. 3 Nr. 1 ErbStG ist dessen Wortlaut weiter gefasst und bezieht die beabsichtigte Nutzung mit ein, indem auch Grundstücke berücksichtigt werden, die zu Wohnzwecken vermietet „werden“, unabhängig davon, ob sie im Besteuerungsstichtag tatsächlich vermietet „sind“ (vgl. zur Vorgängervorschrift § 13c ErbStG BFH-Urteil vom 11.12.2014, II R 24/14, BFHE 248, 202, BStBl II 2015, 340, Rn. 24; Albermann/Loose ErbR 2023, 508, 511).
37Aus § 13 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 a) ErbStG (auch bereits in der Fassung vom 17.04.1974) wird darüber hinaus deutlich, dass der Gesetzgeber sprachlich in bestimmten Fällen die zukünftige Nutzungsabsicht („sind oder werden“) von Wirtschaftsgütern miteinbezieht.
38Auch aus § 13b Abs. 5 ErbStG, der zu Gunsten des Steuerpflichtigen vom ansonsten strengen Stichtagsprinzip i. S. d. §§ 9, 11 ErbStG abweicht (Stalleiken in: von Oertzen/Loose/Stalleiken, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, 3. Auflage 2024, §13b Rn. 202; von Oertzen/Lindermann/Schrader, BB 2024, 1751, 1753), ergibt sich, dass der Gesetzgeber es explizit benennt, wenn es auf nach dem Stichtag eintretende Ereignisse ankommen solle.
39cc) Weder aus dem Sinn und Zweck der Regelung zum Verwaltungsvermögens i. S. d. § 13b Abs. 4 ErbStG im Allgemeinen, noch aus dem Sinn und Zweck der Zuordnung von „Dritten zur Nutzung überlassener Grundstücke“ zum Verwaltungsvermögen nach § 13b Abs. 4 Nr. 1 ErbStG im Besonderen oder aus darüberhinausgehenden Kriterien ergibt sich ein anderes Verständnis bzgl. des Tatbestandes „Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke“ als es sich nach dem Wortsinn und der Systematik ergibt.
40Ziel der Steuerbefreiung für Betriebsvermögen im Allgemeinen ist es, unternehmerisches Vermögen vor der Inanspruchnahme von Erbschaft- und Schenkungsteuer zu verschonen (Söffing/Kucza, ErbStB 2020, 14, 16) um dadurch Unternehmen und Arbeitsplätze zu erhalten (Bt Drs. 16/7918, S. 35 f.; Lörke, DStZ 2022, 24, 28).
41Sinn und Zweck der Erfassung von Dritten zur Nutzung überlassenem Grundbesitz als Verwaltungsvermögen ist die Nichtbegünstigung von zum Betriebsvermögen gehörigen Grundbesitz, der aufgrund der Nutzungsüberlassung an Dritte sonst als Gegenstand der typischerweise risikolosen privaten Vermögensverwaltung anzusehen wäre (Stalleiken in von Oertzen/Loose/Stalleiken, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, 3. Auflage 2024, I. Allgemeines, Rn. 99).
42Diese Ziele werden jedoch durch die vorgenommene Auslegung ausreichend verwirklicht. Bei ungenutztem Grundbesitz steht nicht zwingend fest, ob dieser originär betrieblich genutzt werden wird (vgl. Lorenz ZEV 2020, 281, 284), oder ob die zukünftige Nutzung (durch Dritte) einer reinen Vermögensverwaltung entspricht. Insbesondere aufgrund des strengen Stichtagsprinzips kann nicht auf eine, aufgrund der Eigenart des Objekts oder aufgrund eines etwaigen Gesellschaftszwecks, zukünftige Nutzung zulasten des Steuerpflichtigen abgestellt werden. Da die Verhältnisse bei dem Schenker maßgeblich sind, verbleibt kein Raum für eine Anknüpfung an zukünftige Verhältnisse beim Beschenkten, die sich retrospektiv bei der Verwaltungsentscheidung begründen ließen oder prospektiv am Bewertungsstichtag antizipieren lassen könnten.
43dd) Dem Auslegungsergebnis steht auch nicht die Entscheidung des BFH vom 01.02.2023, II R 36/20 zur Einordnung von geleisteten Anzahlungen als „andere Forderungen“ i. S. v. § 13b Abs. 2 S. 2 Nr. 4a ErbStG a. F. entgegen, in der der BFH offengelassen hat, inwieweit (aktivierte) geleistete Anzahlungen als Verwaltungsvermögen zu qualifizieren wären, wenn sie – insoweit nicht stichtagsbezogen, sondern zukunftsgerichtet – für den Erwerb von Wirtschaftsgütern des Verwaltungsvermögens geleistet wurden.
44c) Eine analoge Anwendung des § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 1 ErbStG auf den Streitfall ist nicht nur nicht geboten (vgl. Hannes/Holtz in Meincke/Hannes/Holtz, 18. Aufl. 2021, ErbStG § 13b Rn. 50; Milatz/Christopeit in Burandt/Rojahn 4. Aufl. 2022, ErbStG § 13b Rn. 10a; Stalleiken in von Oertzen/Loose, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, 3. Auflage 2024, §13b Rn. 202; von Oertzen/Lindermann/Schrader, BB 2024, 1751, 1753; Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, 68. EL März 2024, ErbStG § 13b Rn. 259; Korezkij in BeckOK ErbStG/ 24. Ed. 1.7.2024, ErbStG § 13b Rn. 121; Albermann/Loose ErbR 2023, 508, 511; Söffing/Kucza, ErbStB 2020, 14, 16; a.A. Geck in Kapp/Ebeling, ErbStG, 101. Lieferung, 7/2024, 2. Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke (§ 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 1 ErbStG), Rn. 92), sondern scheidet aus.
45Unabhängig von einer etwaigen Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Regelungslücke kommt eine analoge Anwendung des § 13b Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 ErbStG hier nicht in Betracht, weil eine Analogie, die zu einer Erweiterung des abschließenden Katalogs des Verwaltungsvermögens führt, zulasten des Steuerpflichtigen wirken würde, und deshalb unzulässig ist (Stalleiken in von Oertzen/Loose, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, 3. Auflage 2024, I. Allgemeines, Rn. 100 u. 108; Kirnberger in Wilms/Jochum, § 13b ErbStG Rn. 61; Vgl. R E 13b.12 Abs. 2 Satz 1, 3 ErbStR 2019; a. A. wohl Geck in Kapp/Ebeling, ErbStG, 101. Lieferung, 7/2024, 2. Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke (§ 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 1 ErbStG), Rn. 92).
463. Die vorliegende Wahl des Übertragungsstichtags stellt keinen Gestaltungsmissbrauch i. S. d. § 42 AO dar.
47a) Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 AO kann das Steuergesetz durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts nicht umgangen werden. Ein Missbrauch liegt gemäß § 42 Abs. 2 Satz 1 AO vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Dies gilt nach Satz 2 der Vorschrift nicht, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind. § 42 AO kann dabei auch eingreifen, wenn der Tatbestand einer Steuerbefreiungsvorschrift verwirklicht werden soll (BFH-Urteile vom 23.11.2022, VI R 50/20, BStBl II 2023, 584; vom 04.04.2001, VI R 173/00, BStBl II 2001, 677).
48Das Bestreben, Steuern zu sparen bzw. den Tatbestand einer Steuerbefreiungsvorschrift zu verwirklichen, macht eine im Übrigen angemessene rechtliche Gestaltung nicht unangemessen (BFH-Urteile vom 23.11.2022, VI R 50/20, BStBl II 2023, 584; vom 21.08.2012, VIII R 32/09, BStBl II 2013, 16). Von mehreren angemessenen Gestaltungsmöglichkeiten darf der Steuerpflichtige die steuerlich günstigste wählen (Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, 182. Lieferung, 8/2024, § 42 AO 1977, Rn. 50).
49Da es im Bestreben der Rechtsordnung liegt, für alle wirtschaftlichen Vorgänge möglichst einfache Rechtsgestaltungen zur Verfügung zu stellen, ist in der Regel der einfachste rechtliche Weg der angemessene. Unangemessene Rechtsgestaltungen sind regelmäßig umständlich, kompliziert, schwerfällig, und gekünstelt (BFH-Urteil vom 19.08.1999, I R 77/96, BFHE 189, 342, BStBl II 2001, 43).
50b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegt im Streitfall durch die Wahl des Übertragungszeitpunktes keine unangemessene Rechtsgestaltung vor. Zwar führt die Wahl des Übertragungszeitpunkts dazu, dass der streitbefangene Grundbesitz nicht als Verwaltungsvermögen qualifiziert wird. Vor der nahezu vollständigen Fertigstellung des Objekts hätte möglicherweise teilweise Verwaltungsvermögen in Form von Finanzmitteln (Bankguthaben) gem. § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG vorgelegen. Zudem wäre frühestens ab dem 01.07.2020 eine Überlassung an Dritte zur Nutzung geeignet gewesen, Verwaltungsvermögen im Sinne des § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 1 ErbStG zu begründen. Die Wahl des Übertragungszeitpunkts steht jedoch in der freien Entscheidung von Schenker und Beschenktem und hatte vorliegend überdies keinen negativen Einfluss auf die Komplexität, Praktikabilität oder Effektivität der Schenkung. Im Gegenteil ist die Schenkung von Gesellschaftsanteilen mit Wirkung zum 31.12. eines Jahres ein übliches Vorgehen, da insofern Übertragungsstichtag und üblicherweise Ablauf des Wirtschaftsjahres zusammenfallen, sodass es nur einer einmaligen Aufstellung der Vermögenswerte zum 31.12. des Jahres bedarf.
51Auch ist die vorliegende Wahl des Übertragungszeitpunkts nicht mit den für § 42 AO angeführten Beispielen aus der Literatur vergleichbar, welche eine unangemessene Gestaltung bei gezielter temporärer Entmietung zum Übertragungsstichtag annehmen (Albermann/Loose ErbR 2023, 508, 511). Im Vergleich dazu fehlt es hier jedenfalls an der Umständlichkeit und Unwirtschaftlichkeit, die einem gezielten Leerstand durch Kündigung von Mietverhältnissen regelmäßig innewohnt. Der am Übertragungsstichtag vorliegende Gebäudezustand war, anders als ein gezielter Leerstand, ein notwendiges Durchgangsstadium bis zur Fertigstellung und Nutzung des Objekts.
52II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1, Abs. 3 i. V. m. § 139 Abs. 4 FGO.
53III. Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Fortbildung des Rechts zuzulassen.
54IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
55[…] […] […]