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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten über die Auslegung der vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit Urteil vom 10.04.2018, 1 BvL 11/14 getroffenen Fortgeltungsanordnung bezüglich der Regelungen für die Einheitsbewertung von bebauten Grundstücken und darüber, ob die Neufestsetzung des Einheitswerts und die Festsetzung des Grundsteuermessbetrags ab dem 01.01.2017 verfassungsgemäß ist.
3Die Kläger sind gemeinschaftliche Eigentümer des Grundbesitzes G01, […] R.. Im Jahr 2016 bauten die Kläger das Dachgeschoss aus.
4Das BVerfG erklärte mit Urteil vom 10.04.2018, 1 BvL 11/14, BVerfGE 148, 147 – 217,die §§ 19, 20, 21, 22, 23, 27, 76 Abs. 1, § 79 Abs. 5, § 93 Abs. 1 Satz 2 BewG, sowie § 76 Abs. 2 BewG und Art 2 Abs. 1 S. 1, S. 3 BewÄndG i. d. F. vom 22.07.1970, soweit sie bebaute Grundstücke außerhalb des Bereichs der Land- und Forstwirtschaft und außerhalb des in Artikel 3 des Einigungsvertrags genannten Gebiets betreffen, jedenfalls seit dem 1. Januar 2002 für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Dem Gesetzgeber setzte das BVerfG mit Blick auf andernfalls drohende Vollzugsprobleme sowie wegen der erheblichen finanziellen Bedeutung der Grundsteuer eine Frist zur Neuregelung spätestens bis zum 31.12.2019. Bis zu diesem Zeitpunkt ordnete es die Fortgeltung der als unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG festgestellten Regeln über die Einheitsbewertung an. Nach Verkündung einer Neuregelung durften die beanstandeten Regelungen für weitere fünf Jahre ab der Verkündung, längstens aber bis zum 31.12.2024, angewandt werden. Für Kalenderjahre nach Ablauf der Fortgeltungsfristen durften auch auf bestandskräftige Bescheide, die auf den als verfassungswidrig festgestellten Bestimmungen des Bewertungsgesetzes beruhen, keine Steuerbelastungen mehr gestützt werden.
5Das Gesetz zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts (Grundsteuer-Reformgesetz – GrStRefG) vom 26.11.2019 wurde am 02.12.2019 im Bundesgesetzblatt verkündet (BGBl. I, 1794).
6Der Beklagte forderte die Kläger auf, eine Einheitswerterklärung auf den 01.01.2017 abzugeben. Daraufhin stellte der Beklagte den Einheitswert für den Grundbesitz auf den 01.01.2017 mit Bescheid vom 18.11.2020 i. H. v. 49.186,- EUR fest. Er berücksichtigte eine Gesamtjahresrohmiete von 8.161,- DM. Entsprechend setzte der Beklagte am 18.11.2020 den Grundsteuermessbetrag auf den 01.01.2017 i. H. v. 137,63 EUR fest.
7Gegen diese Bescheide legten die Kläger am 20.11.2020 Einspruch ein. Die Bescheide seien nichtig. Es fehle an einer tauglichen Ermächtigungsgrundlage. Die Normen zur Einheitsbewertung von bebauten Grundstücken außerhalb der Land- und Forstwirtschaft seien jedenfalls seit dem 01.01.2002 mit Art. 3 GG unvereinbar. Dies habe das BVerfG mit seinem Urteil vom 10.04.2018, 1 BvL 11/14, festgestellt. Dem Bundesgesetzgeber sei es nicht gelungen, innerhalb der vom BVerfG gewährten Übergangszeit eine verfassungsgemäße Neuregelung für die Bewertung von Grundbesitz für Zwecke der Grundsteuer zu schaffen. Die Neuregelungen in §§ 250 ff. BewG seien erneut verfassungswidrig. Erneut sei aufgrund der starken Typisierung eine erhebliche Verzerrung von Verkehrswert und Grundsteuerwert möglich. Dies widerspreche dem Belastungsgrund der Grundsteuer als am Verkehrswert orientierter Sollertragsteuer. Eine systematische Unterbewertung hochwertiger Immobilien stehe im Raum. Da es dem Bundesgesetzgeber nicht gelungen sei, die Vorgaben des BVerfG umzusetzen, sei die Fortgeltungsanordnung über den 31.12.2019 hinaus nicht erfüllt und der Beklagte habe deshalb ohne entsprechende Ermächtigungsgrundlage den Grundbesitzwert sowie den Grundsteuermessbetrag festgesetzt.
8Mit Einspruchsentscheidung vom 23.02.2022 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Der Bundesgesetzgeber habe die vom BVerfG gewährte Umsetzungsfrist eingehalten. Die Reform der Grundbesitzbewertung für Zwecke der Grundsteuer sei vor dem 31.12.2019 in die neu geschaffenen §§ 250 ff. BewG (Grundsteuer-Reformgesetz vom 26.11.2019) gemündet, welche ab dem 31.12.2024 anzuwenden seien. Bis dahin sei die Einheitsbewertung 1964 auch über den 01.01.2020 anzuwenden.
9Die am 15.03.2022 erhobene Klage begründen die Kläger weiterhin damit, dass die Fortgeltungsanordnungen nicht erfüllt seien. Das BVerfG habe in seinem Urteil ausgeführt, dass das alte Recht zur Einheitsbewertung nicht weiter anzuwenden sei, wenn es dem Gesetzgeber nicht gelinge, neues Recht zu schaffen. Die Kläger sind der Ansicht, die Neuregelungen müssten, damit sie die Fortgeltungsanordnung erfüllen, ihrerseits verfassungsgemäß sein. Dies habe das BVerfG zwar nicht ausdrücklich ausgesprochen, sei jedoch aus sich heraus notwendig. Denn es sei selbstverständlich, dass der Gesetzgeber verfassungsgemäßes Recht schaffen müsse. Es könne nicht ausreichen, dass der Bundesgesetzgeber „irgendwie“ durch ein formal verfassungsgemäßes Gesetz die Fortgeltungsanordnung erfülle. Der Gesetzgeber sei an die Grundrechte gebunden, weshalb bei einem „Reparaturgesetz“ ebenfalls die Grundrechte zu beachten seien. Dies habe das BVerfG nicht explizit aussprechen müssen. Der Erlass verfassungsgemäßen Rechts sei nicht gelungen, was auch das FG Rheinland-Pfalz mit Beschlüssen vom 23.11.2023, 4 V 1295/23 und 4 V 1429/23, erkannt habe.
10Die Kläger beantragen,
11den Bescheid über die Feststellung des Einheitswerts für den Grundbesitz G01, […] R. auf den 01.01.2017 vom 18.11.2020 und den Bescheid über die Festsetzung des Grundsteuermessbetrags auf den 01.01.2017 für selbigen Grundbesitz vom 18.11.2020 aufzuheben,
12hilfsweise, für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.
13Der Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen,
15hilfsweise, für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.
16Der Beklagte ist der Ansicht, aufgrund der vom BVerfG getroffenen Fortgeltungsanordnung sei die Klage unbegründet. Er gehe nicht von einer Verfassungswidrigkeit der Neuregelungen der Grundbesitzbewertung für Zwecke der Grundsteuer aus.
17Die Beteiligten haben ihr Einverständnis erklärt, dass der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheidet.
18Entscheidungsgründe
19I. Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung.
20II. Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid über die Feststellung des Einheitswerts für den Grundbesitz G01, […] R. auf den 01.01.2017 vom 18.11.2020 und der Bescheid über die Festsetzung des Grundsteuermessbetrags auf den 01.01.2017 für selbigen Grundbesitz vom 18.11.2020 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
211. Zu Recht hat der Beklagte den Bescheid über die Feststellung des Einheitswerts auf die vom BVerfG mit dem Grundgesetz für unvereinbar erklärten Normen zur Einheitsbewertung bebauter Grundstücke im Ertragswertverfahren gestützt. Der Gesetzgeber hat die Anforderungen, die das BVerfG für die Fortgeltung des Rechts bis längstens zum 31.12.2024 gestellt hat, erfüllt. Das BVerfG hat die Fortgeltungsanordnung nicht an die Bedingung geknüpft, dass das vom Gesetzgeber bis zum 31.12.2019 neu zu schaffende Recht seinerseits materiell verfassungsgemäß sein muss.
22a) Gesetzlich vorgesehener Regelfall des § 78 Gesetz über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG) ist es, dass das BVerfG die bestehende Nichtigkeit des verfassungswidrigen Gesetzes verbindlich ausspricht. Alternativ zur Feststellung einer bestehenden Nichtigkeit kann das BVerfG das Gesetz auch für (lediglich) mit dem Grundgesetz unvereinbar erklären. Dies führt dennoch zu einem Verbot der weiteren Anwendung des Gesetzes (Barczak in: Barczak, BVerfGG, 7. Aufl. 2014, § 78 Rn. 20 ff.; Deutscher Bundestag - Wissenschaftliche Dienste, Sachstand: Folgen der Annahme und Anwendung eines grundgesetzwidrigen Landesgrundsteuergesetzes, WD 4 - 3000 - 054/21 S. 6 und 10).
23Das BVerfG kann zusätzlich eine zeitlich begrenzte Fortgeltung der für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärten Normen nach § 35 BVerfGG anordnen (BFH-Urteil vom 06.05.2021, II R 1/19, BFHE 273, 547, BStBl II 2022, 77, Rn. 18 m. w. N.; Barczak in: Barczak, BVerfGG, 7. Aufl. 2014, § 78 Rn. 38; Lenz/Hansel in Lenz/Hansel, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, BVerfGG § 35 Rn. 14, beck-online; Bethge in Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge/Bethge, 63. EL Juni 2023, BVerfGG § 31 Rn. 227). Eine solche Fortgeltungsanordnung (bzw. Weitergeltensanordnung) bewirkt, dass das Gesetz trotz seiner Verfassungswidrigkeit von seinem Erlass an bis zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft ohne inhaltliche Änderungen oder zeitliche Zäsur gilt (Deutscher Bundestag - Wissenschaftliche Dienste, Sachstand: Folgen der Annahme und Anwendung eines grundgesetzwidrigen Landesgrundsteuergesetzes, WD 4 - 3000 - 054/21 S. 8). Eine befristete Fortgeltungsanordnung sichert die vorläufige Anwendbarkeit der Norm und bildet von da an bis zu einer gesetzlichen Neuregelung die Rechtsgrundlage für die Realisierung des mit der für verfassungswidrig erklärten Norm verfolgten Anliegens (Bethge in Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge/Bethge, 63. EL Juni 2023, BVerfGG § 31 Rn. 227). Dies dient der Durchsetzung sowie der Sicherung des Vorrangs des Verfassungsrechts (Lenz/Hansel in Lenz/Hansel, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, BVerfGG, § 35 Rn. 18, beck-online).
24Der Fortgeltungsanordnung liegt regelmäßig eine Abwägung zugrunde, ob diese aus überragenden Gemeinwohlgründen erforderlich ist, insbesondere, ob die bei vorübergehender Fortgeltung der verfassungswidrigen Norm entstehenden Nachteile geringer sind als bei deren sofortigen Außerkrafttreten. Droht bei der Nichtigerklärung eine Vertiefung des verfassungswidrigen Zustandes, ist die Weitergeltung der Norm auszusprechen (BVerfG-Beschluss vom 27.03.2012, 2 BvR 2258/09, BVerfGE 130, 372-403, Rn. 87 f.). Gleiches gilt, wenn die Entscheidung zur Entstehung eines nicht hinnehmbaren rechtlichen Vakuums führt (BVerfG-Urteil vom 03.11.1982, 1 BvR 620/78, BVerfGE 61, 319-357, BStBl II 1982, 717, Rn. 102; Karpenstein/Schneider-Buchheim in BeckOK BVerfGG, 16. Ed. 1.12.2023, BVerfGG § 78 Rn. 49).
25b) Die Anordnung der Weitergeltung einer als unvereinbar erklärten Norm kann mit verschiedenen Vollzugstechniken verknüpft werden. Neben der inhaltlich unveränderten Befristung der Fortgeltung kann das BVerfG auch inhaltliche Modifikationen vornehmen. Das BVerfG kann dem Gesetzgeber eine Frist setzen, die mit ihrem Ablauf nicht die Fortgeltung suspendiert, sondern ihrerseits erst die Möglichkeit einer Vollstreckungsanordnung nach § 35 BVerfGG eröffnet (BFH-Urteil vom 06.05.2021, II R 1/19, BFHE 273, 547, BStBl II 2022, 77, Rn. 19 u. 26; Loose, jurisPR-SteuerR 3/2022 Anm. 4). Die Anordnung kann auch explizit an die Schaffung einer verfassungsgemäßen Neuregelung geknüpft werden (vgl. BVerfG-Urteil vom 25.03.2014, 1 BvF 1/11, BVerfGE 136; BVerfG-Beschluss vom 07.02.2012, 1 BvL 14/07, BVerfGE 130, 240-262 m. w. N; Karpenstein/Schneider-Buchheim in BeckOK, 16. Ed. 1.12.2023, BVerfGG § 78 Rn. 55).
26Die vom BVerfG ausgesprochene Fortgeltungsanordnung ist folglich im Einzelfall auszulegen (vgl. BFH-Urteil vom 06.05.2021, II R 1/19, BFHE 273, 547, BStBl II 2022, 77, Rn. 26).
27c) Danach ergibt sich die weitere Anwendbarkeit der Vorschriften der Einheitsbewertung bis zum 31.12.2024 daraus, dass das BVerfG mit Urteil vom 10.04.2018, 1 BvL 11/14, angeordnet hat, dass nach Verkündung einer Neuregelung die beanstandeten Regelungen für weitere fünf Jahre ab der Verkündung, längstens aber bis zum 31.12.2024, angewandt werden dürfen. Für Kalenderjahre nach Ablauf der Fortgeltungsfristen dürfen auch auf bestandskräftige Bescheide, die auf den als verfassungswidrig festgestellten Bestimmungen des Bewertungsgesetzes beruhen, keine Belastungen mehr gestützt werden. Die Frist in Ziffer 2 Satz 2 des Tenors zielt insoweit eindeutig allein auf die Neuverkündung einer Neuregelung ab und ist nicht gleichzeitig dahingehend bedingt, dass diese Neuregelung ihrerseits verfassungsgemäß ist.
28aa) Für diese Auslegung der Ziffer 2 Satz 2 des Tenors des BVerfG Urteils vom 10.04.2018, 1 BvL 11/14, BVerfGE 148 spricht die dargestellte differenzierte Tenorierungspraxis des BVerfG (vgl. auch BFH-Urteil vom 06.05.2021, II R 1/19, BFHE 273, 547, BStBl II 2022, 77, Rn. 26). Anders als im Beschluss des BVerfG vom 07.02.2012, 1 BvL 14/07, BVerfGE 130, 240-262 Rn 61, in welchem das BVerfG unter IV. anordnete, dass, komme es bis zu diesem Zeitpunkt zu keiner verfassungsgemäßen Neuregelung, Nichtigkeit der beanstandeten Vorschriften eintrete, nahm das Gericht nicht explizit Bezug auf die Notwendigkeit der Verfassungsmäßigkeit der zu schaffenden Neuregelung.
29bb) Der Wortlaut lässt keine Anhaltspunkte für die Bedingung erkennen, dass das neue Bewertungsrecht materiell verfassungsgemäß sein muss. Die explizite Anknüpfung an die Verkündung des Gesetzes deutet vielmehr darauf hin, dass das BVerfG lediglich eine formell verfassungsgemäß zustande gekommene Neuregelung im Blick hatte.
30Von zentraler Bedeutung für die Auslegung des Wortlauts ist, dass das BVerfG die Bindungswirkung der Grundlagenbescheide in Ziffer 3 des Tenors ausschließlich für Kalenderjahre nach dem 31.12.2024 aufgehoben hat. Daraus folgt, dass für die Bindungswirkung der Grundlagenbescheide das zeitliche Moment ausschlaggebend ist, unabhängig von der Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung (VG Gelsenkirchen Urteil vom 08.09.2022, 5 K 1163/20, juris; ebenfalls VG Gelsenkirchen Gerichtsbescheid vom 28.12.2023, 5 K 3216/22, juris).
31cc) Diese Auslegung des Tenors steht im Einklang mit den Entscheidungsgründen des BVerfG Urteils vom 10.04.2018, 1 BvL 11/14, BVerfGE 148, 147 sowie dem beabsichtigten Sinn und Zweck der konkreten Fortgeltungsanordnung. Die Rechtfertigung für die Fortgeltungsanordnung liegt in der Notwendigkeit einer verlässlichen Finanz- und Haushaltsplanung sowie eines gleichmäßigen Verwaltungsvollzugs (BVerfG-Urteil vom 10.04.2018, 1 BvL 11/14, BVerfGE 148, 147-217, Rn. 170). Ansonsten bestünde die ernsthafte Gefahr, dass viele Gemeinden ohne die Einnahmen aus der konjunkturunabhängigen Grundsteuer in gravierende Haushaltsprobleme gerieten (BVerfG-Urteil vom 10.04.2018, 1 BvL 11/14, BVerfGE 148, 147-217, Rn. 173). Die in Dauer und Struktur ungewöhnliche Fortgeltungsanordnung von fünf Jahren ist durch die besonderen Sachgesetzlichkeiten der Grundsteuer geboten und von daher ausnahmsweise gerechtfertigt. Sie ermöglicht im Falle einer Neuregelung, die dadurch geschaffenen Bewertungsbestimmungen umzusetzen und so während dieser Zeit die ansonsten drohenden gravierenden Haushaltsprobleme zu vermeiden (BVerfG-Urteil vom 10.04.2018, 1 BvL 11/14, BVerfGE 148, 147-217, Rn. 178; vgl. Loose, jurisPR-SteuerR 3/2022 Anm. 4).
32Diese tragenden Erwägungen bestehen unabhängig von der materiellen Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung fort. Es ist nicht ersichtlich, dass das BVerfG etwaige schwerwiegende Folgen für die Gemeinden, die aus der materiellen Verfassungswidrigkeit der neuen Bewertungsregeln entstehen würden, in Kauf genommen hätte, ohne dies ausdrücklich zu erwähnen und zu begründen. Das BVerfG erkannte die Komplexität der Umsetzung und damit das Risiko einer erneut verfassungswidrigen Neuregelung. Folglich räumte es dem Gesetzgeber einen umfassenden Umsetzungsspielraum bei der Neuregelung des Bewertungsrechts ein (so auch VG Gelsenkirchen Urteil vom 08.09.2022, 5 K 1163/20, juris; ebenfalls VG Gelsenkirchen Gerichtsbescheid vom 28.12.2023, 5 K 3216/22, juris).
33Bei Annahme einer etwaigen Bedingung hätte das BVerfG gleichfalls die Möglichkeit der Vertiefung des verfassungswidrigen Zustandes geschaffen (vgl. BVerfG-Beschluss vom 27.03.2012, 2 BvR 2258/09, BVerfGE 130, 372-403, Rn. 87 f.), indem eine Steuerpause der hergebrachten und grundsätzlich anerkannten Grundsteuer entstünde. Dies hätte hinsichtlich der Grundsteuer die Gefahr eines nicht hinnehmbaren rechtlichen Vakuums begründet (vgl. BVerfG-Urteil vom 03.11.1982, 1 BvR 620/78, BVerfGE 61, 319-357, BStBl II 1982, 717, Rn. 102).
34d) Die weiteren Einwände der Kläger greifen ebenfalls nicht durch. Das BVerfG hat dem Gesetzgeber nicht zugestanden, die erkannte Verfassungswidrigkeit „irgendwie“ durch ein neues formales Gesetz zu beseitigen, ohne sich inhaltlich mit den Gründen der Entscheidung auseinanderzusetzen. Denn das BVerfG hätte jederzeit ab dem 31.12.2019 im Anschluss an seine Entscheidung eine Vollstreckungsanordnung nach § 35 BVerfGG erlassen können, um seiner Entscheidung, insbesondere auch der Beachtung seiner, durch die Neuregelung etwaig verletzten, Maßgaben, Geltung zu verleihen. Deshalb musste auch der Gesetzgeber davon ausgehen, dass die von ihm zu schaffende Neuregelung den Maßgaben des BVerfG zu entsprechen hatte.
35Zutreffend gehen die Kläger davon aus, dass auch der Gesetzgeber aufgrund von Art. 20 Abs. 3 GG an die Verfassung gebunden ist. Dies führt jedoch nicht dazu, dass es dem Gesetzgeber grundsätzlich verwehrt ist, verfassungswidrige Gesetze zu schaffen. Es ist Ausfluss der Gewaltenteilung, dass die Prüfung der Verfassungskonformität von Gesetzen beim BVerfG liegt. Dies beruht auch darauf, dass dem Gesetzgeber eine eigene Auslegungskompetenz hinsichtlich der Anwendung der Verfassung zuzusprechen ist und dass bei komplexen Rechtsfragen wie vorliegend der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes das Auslegungsergebnis nicht immer eindeutig ist.
36Die erwähnte differenzierte Tenorierungspraxis des BVerfG verdeutlicht, dass dieses sehr wohl unterscheidet zwischen Fällen, in denen es für die Erfüllung der Fortgeltungsanordnung die explizite Schaffung verfassungsgemäßen Rechts verlangt, und solchen, in denen es die Fortgeltungsanordnung so gestaltet, dass es sich die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des neugeschaffenen Rechts im Rahmen einer späteren Verfassungsbeschwerde oder Normenkontrollverfahren vorbehält. In letzterem Fall soll, wie auch im vorliegenden Fall, die Fortgeltung unabhängig vom Ergebnis der Prüfung im Interesse der Rechtssicherheit gelten.
37Gegen die von den Klägern angenommene Bedingung der materiellen Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung spricht letztlich auch, dass dies aufgrund der sogenannten Länderöffnungsklausel aus Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 GG, welche zwar nach dem Urteil des BVerfG dem Kompetenzkatalog des GG hinzugefügt wurde, zu unauflösbaren Widersprüchen führen würde Die Länder Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Saarland und Sachsen haben von der Öffnungsklausel Gebrauch gemacht, sodass neben dem Bundesrecht im BewG auch mehrere Ländergesetze der Kontrolle auf Verfassungskonformität durch die nach klägerischer Auslegung angenommene Bedingung unterlägen.
38Bei Annahme einer solchen Bedingung könnte selbst bei einzelnen verfassungskonformen Neuregelungen einzelner Bundesländer folgende Situation eintreten: Grundsteuerbescheide würden bis zum Inkrafttreten der Neuregelungen am 01.01.2025 unwirksam - auch in den Ländern, denen es gelungen wäre, verfassungsgemäßes Recht zu erlassen - falls Bundesrecht verfassungswidrig wäre. Dies hätte eine Sanktion der Kommunen zur Folge, obwohl deren Länderregelungen den Anforderungen des BVerfG an die Neuregelung etwaig entsprächen.
39Alternativ - und gleichfalls widersprüchlich - könnte die Bedingung der Fortgeltungsanordnung nur für die Bundesländer als nicht erfüllt gelten, denen es nicht gelungen ist, selbst verfassungsgemäßes Recht zu schaffen oder sich etwaig verfassungskonformen Bundesrecht anzuschließen. Dies hätte eine Zersplitterung der Fortgeltungsanordnung über das Bundesgebiet zur Folge, was erneut einen Verstoß gegen Art. 3 GG begründen würde und entsprechend nicht vom BVerfG mit Schaffung der Fortgeltungsanordnung beabsichtigt gewesen sein kann.
402. Der Beklagte hat auch den Grundsteuermessbetrag zutreffend ermittelt. Dieser wird, gem. § 13 Abs. 1 Satz 2 Grundsteuergesetz (GrStG) in der Fassung vom 27.12.1993, durch Anwendung eines Tausendsatzes (Steuermesszahl) auf den Einheitswert nach dem Bewertungsgesetz ermittelt.
41III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 FGO.
42IV. Die Revision war nicht zuzulassen, da es sich um Rechtsanwendung im konkreten Einzelfall handelt. Zulassungsgründe nach § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.