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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
T a t b e s t a n d
2Streitig ist die Hinzurechnung eines Kirchensteuererstattungsüberhangs gemäß § 10 Abs. 4b Satz 3 Einkommensteuergesetz (EStG) sowie die Frage, ob diesbezüglich eine gemäß § 163 Abgabenordnung (AO) abweichende Steuerfestsetzung bzw. ein Erlass gemäß § 227 AO zu gewähren ist.
3Die Kläger sind Eheleute und wurden im Jahr 2016 (Streitjahr) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt (§§ 26, 26b EStG).
4Die Mutter des Klägers verstarb im Dezember 2013. Der Kläger wurde deren Erbe zu 34,245%. Zuvor war der Kläger mit seinen beiden Geschwistern und seiner Mutter Mitgesellschafter der T- GmbH gewesen, deren sämtliche Anteile die Familie mit notariellem Vertrag vom xx.05.2013 an die Q-GmbH (später umfirmiert in C-GmbH) veräußerte. Der hieraus resultierende Veräußerungsgewinn des Klägers gemäß §°17°EStG wurde im Einkommensteuerbescheid 2013 vom 29.10.2015 im Rahmen des Teileinkünfteverfahrens mit vgxxx € der Besteuerung unterworfen. Die sich hiernach ergebende Kirchensteuernachzahlung erfolgte im Jahr 2015.
5Mit Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2015 vom 17.05.2017 setzte der Beklagte die Einkommensteuer gegenüber den Klägern auf 0,00 € fest. Er berücksichtigte hierbei einen Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von gxx € sowie Kirchensteuerzahlungen in Höhe von insgesamt kixx € als unbeschränkt abziehbare Sonderausgaben. In den Kirchensteuerzahlungen sind auch Beträge enthalten, die der Kläger anteilig als Rechtsnachfolger seiner verstorbenen Mutter entrichtet hatte. Nach Abzug dieser Sonderausgaben ergab sich im Jahr 2015 für die Kläger ein zu versteuerndes Einkommen in Höhe von ./.nex €, d.h. der Sonderausgabenabzug wirkte sich nicht in voller Höhe aus.
6Im Streitjahr 2016 erstattete die (..) Kirche dem Kläger im Rahmen eines Teilerlasses bzw. einer Kappung Kirchensteuer in Höhe von insgesamt yyy € (y € laut Mitteilung vom 18.01.2016 sowie yy € laut Mitteilung vom 19.04.2016) und einen auf die Erbquote des Klägers (34,245 %) entfallenden Teil der Kirchensteuer seiner verstorbenen Mutter in Höhe von m €, d.h. insgesamt einen Betrag in Höhe von yyym €. Unter Berücksichtigung der im Jahr 2016 durch die Kläger gezahlten Kirchensteuer in Höhe von insgesamt k € ergab sich hiernach ein Erstattungsüberhang in Höhe von kistü €.
7Im Rahmen der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2016 machten die Kläger von ihnen gezahlte Kirchensteuern als Sonderausgaben geltend. Die aufgrund der Kappung bzw. des Teilerlasses erstatteten Kirchensteuerzahlungen für den Kläger (yyy €) und den auf seinen Erbteil entfallenden Erstattungsbetrag (m°€) berücksichtigten die Kläger in ihrer Einkommensteuererklärung jedoch nicht. Zur Begründung führten sie an, dass diese Erstattungsbeträge bereits mit den Kirchensteuerzahlungen, die im Jahr 2015 geleistet wurden, verrechnet worden seien.
8Mit Schreiben vom 26.03.2018 wies der Beklagte die Kläger darauf hin, dass gemäß §°10 Abs. 4b Sätze 2 u. 3 EStG i.V.m. § 11 EStG Erstattungsüberhänge im Jahr des Zuflusses dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzuzurechnen seien. Für das Jahr 2016 ergebe sich aus den geleisteten Zahlungen und Erstattungen insgesamt ein Erstattungsüberhang in Höhe von kistü €, der dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzuzurechnen sei. Dieser Betrag komme wie folgt zustande:
9Zahlung (+) / Erstattung (-) |
Bemerkung |
|
ESt 2009 |
xx € |
jeweils x € rk und ev KiSt |
ESt 2010 |
xx € |
jeweils x € rk und ev KiSt |
ESt 2014 |
xx € |
abzugsfähige KiSt ohne KiSt auf Kap. |
EStG 2016 |
xxx € |
ESt-VZ, xx € jeweils rk und ev KiSt/Quartal |
Teilerlass |
- yyy € |
Erstattung lt. Schreiben vom 19.04.2016 |
2016 |
- m € |
Erstattung Mutter, anteilig lt. Erbquote, Betrag Ermittlg. Stber. |
SUMME |
- kistü € |
Erstattungsüberhang 2016 |
Hierzu nahmen die Kläger mit Schreiben vom 03.05.2018 Stellung. Sie führten insbesondere aus, dass, Ihrer Auffassung nach, mit der Einführung des § 10 Abs. 4b EStG eine Verwaltungsvereinfachung, nicht aber eine materielle Schlechterstellung der Steuerpflichtigen bezweckt worden sei. Es habe lediglich verhindert werden sollen, dass durch einen Kaskadeneffekt eine permanente Änderung der Veranlagungen von Vorjahren erfolgen müsse. Für die übrigen Sonderausgaben sei die Verrechnung mit den Vorjahren weiterhin vorgesehen. Durch die Anwendung des Gesetzeswortlautes entstünde aber eine Rechtsfolge, die den gesetzgeberischen Intentionen nicht entspreche. Im Normalfall sei es nämlich so, dass eine Kirchensteuererstattung sich in gleicher Höhe auswirke wie eine Kirchensteuerzahlung. Das Motiv des Gesetzgebers, die Verwaltungsvereinfachung, laufe aber im Streitfall darauf hinaus, dass sich die Zahlung der Kirchensteuer (in 2015) zu einem Großteil steuerlich nicht auswirke, weil es an entsprechenden positiven Einkünften fehle, während sich die Erstattung in vollem Umfang auswirke. Auf Seite 37 der Begründung zum seinerzeitigen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Einführung des § 10 Abs. 4b EStG (BT-Drucksache 17/5125 vom 21.03.2011) heiße es aber gerade, dass eine Hinzurechnung des Erstattungsüberhangs angezeigt sei, da sich die in der Vergangenheit gezahlten Kirchensteuern im Sonderausgabenabzug ausgewirkt hätten. Dies belege, dass der Gesetzgeber unausgesprochen davon ausgegangen sei, dass sich die Wirkungen einer Kirchensteuerzahlung und einer Kirchensteuererstattung die Waage hielten. Den vorliegenden Fall, dass ein Großteil der Kirchensteuerzahlungen unberücksichtigt bleibe, während die Erstattungen mit dem Höchststeuersatz belegt würden, habe der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung nicht gesehen bzw. dieser Fall sei vom Gesetzeszweck nicht erfasst. Dies sei der klassische Fall, in dem eine teleologische Reduktion angezeigt sei. Dementsprechend müsse eine Verrechnung der im Jahr 2016 erhaltenen Erstattung mit der Kirchensteuerzahlung in 2015 erfolgen, d.h. ein Rücktrag der Erstattung ins Jahr 2015.
11Hilfsweise beantragten die Kläger eine abweichende Festsetzung von Steuern aus Billigkeitsgründen (§ 163 AO) bzw. einen Erlass der sich aus der Hinzurechnung des Erstattungsüberhangs ergebenden Steuern in Höhe von est € (§°227°AO). Es liege eine sachliche Unbilligkeit vor, da die Festsetzung der Steuer zwar dem Wortlaut des Gesetzes entspreche, den Wertungen bzw. der Motivation des Gesetzgebers im konkreten Einzelfall aber so zuwiderlaufe, dass die Erhebung der Steuer als unbillig erscheine. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Kläger vom 03.05.2018 verwiesen.
12Mit Bescheid vom 29.05.2018 lehnte der Beklagte den Antrag der Kläger auf abweichenden Steuerfestsetzung nach § 163 AO ab. Eine sachliche Unbilligkeit, auf welche die Kläger ihren Antrag stützten, komme in Betracht, wenn die Besteuerung eines Sachverhalts, der unter einen bestimmten gesetzlichen Besteuerungstatbestand falle, im Einzelfall mit dem Sinn und Zweck des Steuergesetztes nicht vereinbar sei. Dies sei der Fall, wenn der Sachverhalt zwar den Wortlaut des gesetzlichen Tatbestands erfülle, die Besteuerung aber den Wertungen des Gesetzgebers zuwiderlaufe. Es müsse daher nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers Anlass zu der Annahme bestehen, dass der Gesetzgeber die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage – hätte er sie geregelt – im Sinne der beantragten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte. Ein derartiger Sachverhalt liege hier jedoch nicht vor. Die fehlende Auflistung des § 10 Abs. 4b EStG in den finanziellen Auswirkungen belege nicht, dass der Gesetzgeber davon ausgegangen sei, dass sich die Wirkungen einer Kirchensteuerzahlung und einer Kirchensteuererstattung in jedem Einzelfall die Waage hielten. Daraus lasse sich nur schließen, dass der Gesetzgeber davon ausgegangen sei, dass die Einführung der Vorschrift insgesamt belastungsneutral sein werde. Denn es seien sowohl Einzelfälle denkbar, in denen die neue Vorschrift insgesamt zu einer steuerlichen Mehrbelastung führe, aber auch Fälle, in denen sich eine steuerliche Minderbelastung ergebe (z.B. vollumfänglich steuermindernde Auswirkung der Kirchensteuerzahlung, aber keine steuererhöhende Wirkung durch die Hinzurechnung des Erstattungsüberhangs). Auch der von den Klägern zitierte Absatz auf Seite 37 der BT-Drucksache lasse nicht die Schlussfolgerung zu, dass der Gesetzgeber die hier vorliegende Fallkonstellation nicht gesehen habe bzw. der spezielle Fall der Kläger nicht vom Gesetzeszweck erfasst werde. In der Urteilsbegründung des Finanzgerichts (FG) Baden-Württemberg vom 02.02.2017, Az. 3 K 834/15, werde hierzu ausgeführt, dass Voraussetzung für die Hinzurechnung allein das Vorhandensein eines Erstattungsüberhangs sei, unabhängig davon, ob sich die Kirchensteuern im Zeitpunkt der Zahlung tatsächlich im Rahmen des Sonderausgabenabzugs steuermindernd ausgewirkt hätten. Die in den Gesetzesmaterialen verwandte Formulierung der „Auswirkung im Sonderausgabenabzug“ dürfte im Hinblick auf den nach § 10d Abs. 1 u. 2 EStG vorrangigen Verlustabzug nicht unbedingt im Sinne einer konkreten steuermindernden Auswirkung zu verstehen sein, sondern vielmehr im Sinne einer (abstrakt) nicht der Höhe nach begrenzten Abzugsfähigkeit. In der Begründung zum Steuervereinfachungsgesetz (StVereinfG) 2011 (vgl. Seite 20 der BT-Drucksache 17/5125) heiße es, dass mit dem Bestreben, auch bei komplexen Sachverhalten jedem Einzelfall gerecht zu werden, das Steuerrecht naturgemäß an seine Grenzen stoße. Das StVereinfG 2011 habe diesem Phänomen entgegenwirken wollen. Es sei daher davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bei Verabschiedung des StVereinfG die Einzelfälle, in denen sich die Vorschrift des § 10 Abs. 4b EStG zu Gunsten oder zu Lasten des Steuerpflichtigen auswirkten, durchaus bedacht, aber bewusst billigend in Kauf genommen habe.
13Ebenfalls mit Bescheid vom 29.05.2018 lehnte der Beklagte den Antrag der Kläger auf Erlass nach § 227 AO mit im Wesentlichen gleichen Erwägungen ab.
14Mit Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2016 vom 08.06.2018 setzte der Beklagte die Einkommensteuer gegenüber den Klägern auf est1 € fest. Hierbei rechnete er gemäß § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG den Kirchensteuererstattungsüberhang in Höhe von (gerundet) kistü € dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzu.
15Gegen den Einkommensteuerbescheid 2016 sowie auch gegen die beiden Ablehnungsbescheide vom 29.05.2018 legten die Kläger Einsprüche ein. Zur Begründung verwiesen sie im Wesentlichen nochmals darauf, dass, wenn nicht sogar von vorherein eine anderweitige Festsetzung der Einkommensteuer vorgenommen werden müsse, zumindest eine Billigkeitsmaßnahme gerechtfertigt sei. Voraussetzung hierfür sei, dass das Steuergesetz eine planwidrige Lücke enthalte. Aus den vorliegenden Gesetzesmaterialien sei nicht ersichtlich, dass die fehlende Abzugsfähigkeit angesichts der im Streitfall vorhandenen Größenordnung vom Gesetzgeber in Kauf genommen werde, denn dann gäbe es niemals einen Fall des § 163 AO. Dies verstieße auch gegen den Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Zudem sei darauf hinzuweisen, dass bei anderen Sonderausgaben auch nach Änderung des bereits zuvor erwähnten Gesetzes ein Erstattungsüberhang zur Änderung der Veranlagungen früherer Jahre führe. Warum dies bei der Kirchensteuer nicht der Fall sei, sei nicht ersichtlich. Weiter führen die Kläger aus, dass es in Nordrhein-Westfalen wohl üblich sei, die Bearbeitung eines Kirchensteuererlassantrages erst nach Erlass eines entsprechenden Steuerbescheids vorzunehmen. Der Bescheid sei am 29.10.2015 ergangen. Sie, die Kläger, hätten sich am 03.11.2015 an die Kirchensteuerstelle gewandt. Dem Antrag auf Kappung bzw. Erlass sei erst im Folgejahr stattgegeben worden. Die Zufälligkeiten im Ablauf, insbesondere die fehlende Einflussmöglichkeit auf die Reaktion der Kirchensteuerverwaltung, könnten letztlich nicht zum Nachteil der Kläger ausgelegt werden. Abschließend sei auf die – seinerzeit noch beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängigen – Verfahren IX R 34/17 und X°R 18/17 hinzuweisen.
16Der Beklagte änderte im Verlauf des Einspruchsverfahrens den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr wiederholt aus hier nicht streitgegenständlichen Gründen, zuletzt mit Änderungsbescheid vom 07.11.2018, mit welchem die Einkommensteuer gegenüber den Klägern auf nunmehr est2 € festgesetzt wurde.
17Mit Einspruchsentscheidungen, jeweils vom 29.11.2018, wies der Beklagte die Einsprüche der Kläger als unbegründet zurück.
18In der Einspruchsentscheidung betreffend den Einkommensteuerbescheid 2018 führte er insbesondere aus, dass die den von den Klägern angeführten BFH-Verfahren IX R 34/17 bzw. X R 18/17 zugrundeliegenden Sachverhalte nicht vergleichbar mit dem Streitfall seien. In diesen Verfahren hätten sich die ursprünglichen Kirchensteuerzahlungen aufgrund eines hohen Verlustrücktrags steuerlich gar nicht ausgewirkt. Demgegenüber sei es im hier zu beurteilenden Fall in 2016 zur Erstattung von Kirchensteuerbeträgen gekommen, die in früheren Jahren als Sonderausgaben abgezogen worden seien und sich insoweit steuermindernd ausgewirkt hätten. Die durch das StVereinfG 2011 eingeführte Regelung des § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG, welche zwingend anzuwenden sei, sehe vor, einen entstandenen Kirchensteuererstattungsüberhang dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzuzurechnen.
19In der Einspruchsentscheidung betreffend die Billigkeitsmaßnahmen führte der Beklagte ergänzend zur Begründung der Ablehnungsbescheide aus, dass der Zweck der §§ 163, 227 AO darin liege, sachlichen und persönlichen Besonderheiten des Einzelfalls, die der Gesetzgeber in der Besteuerungsnorm nicht berücksichtigt habe, durch eine nicht den Steuerbescheid selbst ändernde Korrektur des Steuerbetrags insoweit Rechnung zu tragen, als sie die steuerliche Belastung als unbillig erscheinen ließen (BFH-Urteil vom 17.04.2013 II R 13/11, BFH/NV 2013, 1383). Eine Billigkeitsentscheidung dürfe jedoch nicht dazu führen, die generelle Geltungsanordnung des den Steueranspruch begründenden Gesetzes zu unterlaufen. Sie dürfe nicht die Wertung des Gesetzes durchbrechen oder korrigieren, sondern nur einem ungewollten Überhang des gesetzlichen Steuertatbestandes abhelfen (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 2013, 11, Rz. 15, und vom 19.06.2013 II R 10/12, BStBl II 2013, 746, Rz. 37, m.w.N.). Die Billigkeitsmaßnahme dürfe nicht auf Erwägungen gestützt werden, die die vorgesehene Besteuerung allgemein oder für bestimmte Fallgruppen außer Kraft setzen würde. Eine für den Steuerpflichtigen ungünstige Rechtsfolge, die der Gesetzgeber bewusst angeordnet oder in Kauf genommen habe, rechtfertige keine Billigkeitsmaßnahme (vgl. BFH-Urteile vom 21.01.2015 X R 40/12, BFH/NV 2015, 719; vom 20.09.2012 IV R 29/10, BFH/NV 2013, 103; vom 05.05.2011 V R 39/10, BFH/NV 2011, 1474). Eine abweichende Steuerfestsetzung aus persönlichen Billigkeitsgründen setze die Erlassbedürftigkeit und die Erlasswürdigkeit des Antragstellers voraus (vgl. BFH-Beschluss vom 20.07.2007 XI B 95/06, BFH/NV 2007, 1826). Erlassbedürftig sei ein Steuerpflichtiger, dessen wirtschaftliche oder persönliche Existenz im Falle der Versagung eines Billigkeitserlasses gefährdet seien, weil der notwendige Lebensunterhalt vorübergehend oder dauernd nicht mehr bestritten oder die Erwerbstätigkeit nicht mehr fortgesetzt werden könne (vgl. BFH-Beschluss vom 28.09.2006 V B 71/05). Das Vorliegen einer sachlichen Unbilligkeit habe das Finanzamt ermessensfehlerfrei abgelehnt. Die Besteuerung der Kläger verstoße nicht gegen die materiell-rechtlichen Wertungen des Einkommensteuerrechts. Bei den Klägern sei ein Erstattungsüberhang in Höhe von kistü € zutreffender Weise einkommenserhöhend behandelt worden; denn die durch das StVereinfG 2011 getroffene und ab dem Veranlagungszeitraum 2012 gültige Neuregelung des § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG sehe ausnahmslos vor, entstandene Kirchensteuererstattungsüberhänge dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzuzurechnen. Weitere Tatbestandsmerkmale gebe es nicht. Diese Regelung könne – soweit der Erstattungsüberhang die weiteren Sonderausgaben übersteige – auch zu einer Erhöhung des zu versteuernden Einkommens führen. Ausgehend von der grundsätzlichen Systematik des EStG sei nicht auf die steuerliche Auswirkung, sondern auf die allgemeine Berücksichtigungsmöglichkeit abzustellen. Dem Gesetzgeber müsse daher bewusst gewesen sein, dass nicht jede Kirchensteuerzahlung im Rahmen des Sonderausgabenabzugs eine steuerliche Folge haben könne. Eine sachliche Unbilligkeit liege vor diesem Hintergrund nicht vor. Obwohl die Steuererstattungen im Streitfall die gezahlten Kirchensteuerbeträge bei weitem überstiegen, sei eine sachlich unbillige Gesamtsteuerbelastung nicht erkennbar. Laut Vortrag der Kläger entstehe für das Jahr 2016 eine steuerliche Mehrbelastung in Höhe von rund est €. Dem stehe u.a. der Teilerlass über yyy € (zzgl. der erstatteten Kirchensteuer der verstorbenen Mutter) sowie die Steuerminderung auf 0,00 € im Veranlagungszeitraum 2015 gegenüber. Spätestens bei Abschluss der Veräußerungsgeschäfte im Veranlagungszeitraum 2013 hätte die hohe Nachzahlung außerdem durch einen Antrag auf Anpassung der Vorauszahlungen vermieden werden können. Eine Unbilligkeit der Steuerfestsetzung aus persönlichen Gründen sei nicht gegeben. Zum einen sei diese nicht von den Klägern geltend gemacht worden, zum anderen sei diese auch nach Aktenlage nicht ersichtlich. Denn die Kläger verfügten auch ohne den von ihnen begehrten (Teil-)Erlass über ein hinreichend hohes Einkommen, sodass eine Gefährdung ihrer wirtschaftlichen Existenz nicht ersichtlich sei.
20Mit ihrer am 19.12.2018 eingegangenen Klage wenden die Kläger sich weiter gegen die Hinzurechnung des Erstattungsüberhangs und begehren hilfsweise eine Billigkeitsmaßnahme.
21Zur Begründung verweisen die Kläger, was die Hinzurechnung des Erstattungsüberhangs betrifft, ergänzend zu ihren Ausführungen im Einspruchsverfahren darauf, dass die BFH-Urteile vom 29.06.2022 X R 1/20, BFH/NV 2023, 79, und vom 12.03.2019 IX R 34/17, BStBl II 2019, 658, widersprüchlich und sachlich unzutreffend seien, soweit der BFH dort entschieden habe, dass die Hinzurechnung nach § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG auch stattfinde, wenn sich die erstattete Zahlung im Zahlungsjahr nicht steuermindernd ausgewirkt habe. Denn die außergewöhnlichen Steuerwirkungen der uneingeschränkten Zurechnung des Erstattungsüberhangs seien allein auf die Zufälligkeiten des Zufluss-/Abflussprinzips zurückzuführen und entsprächen nicht dem Belastungsprinzip. Insbesondere ließen beide BFH-Entscheidungen insoweit auch eine Auseinandersetzung mit einer möglichen Verfassungswidrigkeit der Vorschrift vermissen. Soweit das FG Münster mit Urteil vom 07.07.2020 (6 K 2090/17 E, EFG 2020, 1742) verfassungsrechtliche Erwägungen angestellt habe, so seien diese jedenfalls im Ergebnis nicht korrekt. Denn die streitgegenständliche Vorschrift des § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG sei verfassungswidrig.
22Zweifel bestünden insoweit schon hinsichtlich der Bestimmtheit und Klarheit des § 10 Abs. 4b EStG, was die Tatbestandsmerkmale „Erstattungsüberhang" und „Hinzurechnung zum Gesamtbetrag der Einkünfte" angehe. Der Begriff des Erstattungsüberhangs scheine auf den ersten Blick eindeutig zu sein. Es sei jedoch zu beachten, dass der Vorschrift des § 10 Abs. 4b EStG weiterhin das Belastungsprinzip zugrunde liege. Deshalb könne nur insoweit von einem Erstattungsüberhang gesprochen werden, als sich die erstatteten Sonderausgaben konkret steuerlich ausgewirkt hätten. Dies müsse auch im Zusammenhang mit dem Begriff der „Hinzurechnung" gesehen werden. Dieser Begriff lasse sich nicht eindeutig in das System der Ermittlung der Einkünfte („objektives Nettoprinzip") bzw. des Einkommens („subjektives Nettoprinzip") einordnen.
23Was die grundsätzlich vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anerkannte Befugnis des Gesetzgebers zur Vereinfachung und Typisierung angehe, so müssten die gesetzlichen Verallgemeinerungen auf einer möglichst breiten, alle betroffenen Gruppen und Regelungsgegenstände einschließenden Beobachtung aufbauen (BVerfG vom 09.12.2008, 2 BvL 1/07, BVerfGE 110, 210, 240). Insbesondere dürfe der Gesetzgeber für eine gesetzliche Typisierung keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern müsse realitätsgerecht den Durchschnittsfall als Maßstab zugrunde legen (BVerfG vom 29.03.2017 — 2 BvL 6/11, BStBl II 2017, 1082, 1096). Auch dürfe die wirtschaftlich ungleiche Wirkung auf die Steuerzahler ein gewisses Maß nicht übersteigen. Vielmehr müssten die steuerlichen Vorteile der Typisierung im rechten Verhältnis zu der mit der Typisierung notwendig verbundenen Ungleichheit der steuerlichen Belastung stehen. Träten in Einzelfallen unbillige Härten auf, so könne ein Billigkeitserlass (§§ 163, 227 AO) in Betracht kommen (BVerfG vom 17.7.1974, 1 BvR 51/69, BVerfGE 38, 61, 95). Im Streitfall bestehe die Besonderheit, dass die Typisierung keine materiellen Besteuerungsgrundlagen betreffe, sondern verfahrensrechtlicher Natur sei, dennoch aber massive steuerliche Auswirkungen habe, die das Maß der mit der Vereinfachung bezweckten allgemeinen Rechtsfolgen im Hinblick auf die steuerliche Auswirkung eindeutig überstiegen, d. h. zu einer unausgewogenen und unverhältnismäßigen Besteuerung führten. Es sei auch nicht auszuschließen, dass der Gesetzgeber vorrangig den atypischen Sonderfall im Auge gehabt habe, in dem sich der Erstattungsüberhang nicht in vollem Umfang im Jahr der Aufwendungen habe verrechnen lassen und deshalb auch noch in die Vorjahre habe zurückgetragen werden müssen (sogenannte Kaskadenkorrektur).
24Weiter sind die Kläger der Auffassung, dass die Vorschrift des § 10 Abs. 4b EStG gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -) verstoße. Denn insbesondere gebe es für eine Ungleichbehandlung im Hinblick auf Vorsorgeaufwendungen und Kirchensteuer keine Rechtfertigung; damit liege ein Verstoß gegen das im Rahmen des Gleichheitsgrundsatzes geltende Prinzip der Folgerichtigkeit vor, da z. B. Krankenversicherungsbeiträge unbegrenzt abzugsfähig seien.
25Soweit das FG Münster in seinem Urteil vom 07.07.2020 6 K 2090/17 E, a.a.O., zwar auch von einer Ungleichbehandlung ausgehe, soweit Steuerpflichtige, die über schwankende oder unregelmäßige, außerordentliche Einkünfte verfügten, gegenüber Steuerpflichtigen, die über regelmäßige, nicht oder gering schwankende Einkünfte wie z.B. Lohn verfügten, benachteiligt sein könnten, diese Ungleichbehandlung aber als gerechtfertigt ansehe, könne dem nicht gefolgt werden. Denn der Hinweis auf eine Reduzierung der Belastung durch den Billigkeitserlass und die Erstattung der Kirchensteuer sei ebenso wenig ein Rechtfertigungsgrund wie die Tatsache, dass die dortigen Kläger die aus der Hinzurechnung des Erstattungsüberhangs resultierende Steuer bezahlen könnten. Auch die Betrachtungsweise, dass zur Zahlung der erhöhten Einkommensteuer wegen der sich aus der Erstattung ergebenden Liquidität keine Vermögenswerte realisiert werden müssten bzw. ein außergewöhnlich hoher – teilweise steuerfreier – Veräußerungsgewinn erzielt worden sei, könne die Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen. Andernfalls könne man jede zusätzliche Belastung mit Einkommensteuer allein dadurch rechtfertigen, dass ein Steuerpflichtiger über liquide Mittel zur Zahlung auch einer rechtswidrigen Steuer verfüge. Auch der Hinweis auf angeblich bestehende „belastungsmindernde“ Ausweichmöglichkeiten könne die Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen. Zwar sei es zutreffend, dass die Gestaltungsmöglichkeit bestehe, erhöhte Vorauszahlungen festsetzen zu lassen bzw. sogar ohne vorherige Festsetzung „freiwillig“ zu leisten. Dies sei vorliegend aber nicht möglich gewesen, weil der Veräußerungspreis erst Ende 2013 gezahlt worden sei und der endgültige Veräußerungsgewinn insbeondere im Hinblick auf die Berechnung des Eigenkapitals erst im Laufe des Jahres 2014 festgestanden habe. Zudem sei das Finanzamt nicht verpflichtet, Vorauszahlungen zeitnah anzupassen.
26Auch die grundsätzlich dem Gesetzgeber eingeräumte Typisierungs- und Vereinfachungsbefugnis könne im Streitfall die bestehende Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen. Zwar würden in dem Urteil des FG Münster die Grundsätze des BVerfG zur Zulässigkeit von Typisierung und Verwaltungsvereinfachungen angesprochen, allerdings seien die Besonderheiten des Streitfalles, insbesondere im Hinblick auf die neuere Rechtsprechung, zu berücksichtigen. Denn nach einem aktuellen Beschluss des BVerfG vom 28.11.2023 – 2 BvL 8/13, HFR 2024, 261, seien je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen aus dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz im Sinne eines stufenlosen am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierten Prüfungsmaßstab unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber zu beachten, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichten.
27Darüber hinaus müsse innerhalb der Vergleichsgruppe der Steuerpflichtigen mit schwankenden Einkünften zwischen denjenigen differenziert werden, die die Erstattung bereits in dem Veranlagungszeitraum, in dem sich die besonders hohe zu zahlende Kirchensteuer nicht ausgewirkt habe, erhalten habe und denjenigen, die die Erstattung erst im folgenden Veranlagungszeitraum erhalten. Es sei nicht nachzuvollziehen, dass der in der Erstattung liegende „Zuwachs an Leistungsfähigkeit“ bei der einen Gruppe keine und bei der anderen Gruppe massive steuerliche Auswirkungen habe.
28Weiter weisen die Kläger darauf hin, dass, ihrer Auffassung nach, die Regelung des §°10 Abs. 4b Satz 3 EStG einen Eingriff in das Besteuerungsrecht der Kirchen nach Art.°140 GG i.V.m. Art. 137 der Verfassung des Deutschen Reiches (WRV) darstelle. Denn das Zusammenspiel von individueller Religionsfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 GG und institutioneller Sicherung der Kirchen nach Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 ff WRV gebiete den steuermindernden Abzug von Kirchensteuerleistungen von der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer.
29Im Übrigen bestünden im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (abgeleitet aus dem Rechtsstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 3 GG, sowie aus der allgemeinen Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG) Bedenken bezüglich der ausschließlichen Geltung des §°10 Abs. 4b Satz 3 EStG in den Fällen des Erstattungsüberhangs und der uneingeschränkten Geltung des Abfluss-/Zuflussprinzips.
30Schließlich, so die Kläger, werde durch die streitgegenständliche Regelung die durch Art. 4 GG gewährleistete Religionsfreiheit gefährdet. Denn der mehr oder weniger zufällige Zufluss einer Erstattungszahlung habe gravierende Folgen für die steuerliche Bemessungsgrundlage, welchen kaum anders begegnet werden könne als durch einen Austritt aus der betroffenen Kirchengemeinde. Dies führe für einen Steuerpflichtigen zu einer schwierigen Gewissensentscheidung, die durch staatliche Regelungen vermieden werden solle. Durch die Auswirkung auf grundrechtlich geschützte Freiheitsrechte bestehe eine strengere Bindung des Gesetzgebers an die Rechtfertigung einer Differenzierung.
31Nach alledem sei jedenfalls eine verfassungskonforme Auslegung des § 10 Abs.°4b°EStG dahingehend zulässig und geboten, dass bei einer Hinzurechnung des Erstattungsüberhangs nur solche erstatteten Kirchensteuerbeträge berücksichtigt werden dürften, die sich im Zahlungsjahr entlastend auf die steuerliche Bemessungsgrundlage ausgewirkt hätten (teleologische Reduktion).
32Zur Begründung, was die (hilfsweise begehrte) abweichende Steuerfestsetzung nach §°163 AO bzw. den Erlass der auf der Hinzurechnung des Erstattungsüberhangs beruhenden Einkommensteuer nach § 227 AO betrifft, tragen die Kläger ergänzend im Wesentlichen vor, dass sich die Unbilligkeit im Streitfall auch aus einer entsprechenden Anwendung des § 175 AO ergebe. Der Rechtsgedanke der Korrekturvorschrift sei nämlich auch Rahmen des § 163 AO zu berücksichtigen. Die Finanzverwaltung habe bereits in anderen Fällen das Vorliegen eines rückwirkenden Ereignisses im Billigkeitswege berücksichtigt. Hinzuweisen sei auch auf die rechtskräftige Entscheidung des Finanzgerichts München, Urteil vom 02.04.1984 V (XIII) 142/82 AO, EFG 1984, 555, wonach das verfassungsrechtliche Übermaßverbot im Einzelfall eine zeitlich vorgezogene Berücksichtigung von Besteuerungsgrundlagen im Erlasswege gebieten könne. Im Streitfall müssten sowohl der Kappungsentscheidung als auch dem von der Kirchenbehörde ausgesprochenen Teilerlass eine steuerliche Rückwirkung auf das Jahr der Kirchensteuerfestsetzung zuerkannt werden. Eine Rückwirkung der Kappungsentscheidung in das Jahr 2015 sei überdies auch aus Gründen der Gleichbehandlung (Art. 3 GG) geboten. In Nordrhein-Westfalen erfolge eine Kappung der Kirchensteuer erst auf Antrag nach Ergehen und Vorlage des Einkommensteuerbescheides, während andere Bundesländer (z. B. Niedersachsen) eine Kappung von Amts wegen vorsähen mit der Folge, dass sich die zu zahlende Kirchensteuer von Anfang an reduziere. Es bedeute aber einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz, wenn ein Steuerpflichtiger, nur, weil er in einem anderen Bundesland besteuert werde, den aus einer Kappung resultierenden Erstattungsüberhang versteuern müsse.
33Es sei auch nicht zutreffend, wenn der Beklagte in seiner Einspruchsentscheidung eine übermäßige steuerliche Belastung der Kläger verneine. Denn die Entscheidung der zuständigen Kirchenbehörde über einen Erlass richte sich nach kirchenspezifischen Kriterien, wie insbesondere der Aufrechterhaltung der Bindung des einzelnen Kirchenmitglieds an die Gemeinde. Ein Erlass sei daher aus Sicht der Kirchengemeinde angebracht, wenn andernfalls wegen einer durch ein einmaliges Ereignis hervorgerufenen übermäßigen Besteuerung mit Kirchensteuer diese Bindung gefährdet würde. Könnte seitens des Staates der Rückfluss der Kirchensteuer als Grund für eine erhöhte Leistungsfähigkeit wiederum der Einkommensteuer unterworfen werden, würde das kirchenspezifische Motiv für den Erlass der Kirchensteuer nur noch eingeschränkt realisiert werden.
34Eine Unbilligkeit ergebe sich im Streitfall weiter auch daraus, dass das Ineinandergreifen der verschiedenen, den Gedanken der konkreten steuerlichen Auswirkung vernachlässigenden Regelungen dazu führe, dass sich die Kläger einer Steuerlast gegenübersähen, die in ihrem Zustandekommen und in ihrer Höhe mit grundlegenden Gerechtigkeitsprinzipien (die auch den Begriff, der sachlichen Billigkeit konkretisieren) unvereinbar sei.
35Im Übrigen, so die Kläger weiter, sei ein so krasses Auseinanderfallen von abzugsfähigen Kirchensteuern einerseits und einer zu Ertrag führenden Erstattung andererseits mit dem Argument der Verwaltungsvereinfachung angesichts des Gebots der Gleichbehandlung nicht mehr zu rechtfertigen.
36Insoweit sei auch das verfassungsrechtliche Übermaßverbot zu beachten. Dieses könne es gebieten, im Erlasswege Besteuerungsgrundlagen (z. B. Ausgaben im Rahmen einer Einnahmeüberschussrechnung) zu berücksichtigen (FG München vom 02.04.1984 – V (XIII)182/82 AO). Eine Billigkeitsmaßnahme könne daher geboten sein, wenn ein Gesetz, das in seinen generalisierenden Wirkungen verfassungsgemäß sei, bei der Steuerfestsetzung im Einzelfall zu Grundrechtsverstößen führe (BVerfG vom 28.02.2017 – 1 BvR 1103/15). Auch das BVerfG führe in ständiger Rechtsprechung aus, dass eine Billigkeitsmaßnahme angebracht sei, wenn es beim Vollzug einer – im allgemeinen verfassungsmäßigen – Norm in einer geringen Zahl von Härtefällen zu verfassungsrechtlich bedenklichen Problemlagen komme (BVerfG vom 05.04.1978 – 1 BvR 117/73 und vom 13.12.1994 2 BvR 89/91, HFR 1995, 220; dort auch jeweils zur Wirkkraft der Grundrechte).
37Insoweit verweisen die Kläger ergänzend auf den zur Grundsteuerwertfeststellung ergangenen BVerfG-Beschluss vom 27.05.2024 (II B 78/23 (AdV), BStBl. II 2024, 543), wonach bei Fehlen einer gesetzlich zulässigen Billigkeitsmaßnahme im Wege der verfassungskonformen Auslegung die Möglichkeit des Nachweises eines niedrigeren gemeinen Werts zulässig sein müsse. Im Umkehrschluss hierzu müsse dem Übermaßverbot mit Billigkeitsmaßnahmen Rechnung getragen werden. Gehe man mit dem Urteil des FG Münster vom 07.07.2020 (a.a.O.) davon aus, dass der Gesetzgeber für die Regelung des § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG einen typischen Fall der Vereinfachung des Steuervollzugs als Leitbild gewählt habe, müsse ein solcher Fall auch als Orientierung für eine Billigkeitsmaßnahme dienen, was dazu führe, dass bei einem atypischen Fall die übersteigende Steuer erlassen werden müsse.
38In seinem Vorlagebeschluss vom 08.05.2024 (VIII R 9/23) zur Verfassungswidrigkeit der Höhe von Aussetzungszinsen habe der BFH klargestellt, dass Ausweichoptionen eine verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlung grundsätzlich nicht beseitigen könnten. Deshalb sei zweifelhaft, einen Steuerpflichtigen auf die Möglichkeit der Leistung einer freiwilligen Vorauszahlung zu verweisen.
39Der Vollständigkeit halber sei zudem darauf hinzuweisen, dass auch das Urteil des FG Baden-Württemberg vom 02.02.2017 (3 K 834/15) im letzten Absatz die Anwendbarkeit vor Billigkeitsmaßnahmen nicht ausgeschlossen habe.
40Die Kläger beantragen,
41den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2016, zuletzt geändert am 07.11.2018, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29.11.2018, dahingehend zu ändern, dass der Kirchensteuererstattungsüberhang nicht dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzugerechnet wird, soweit er sich im Vorjahr 2015 nicht steuerlich ausgewirkt hat,
42hilfsweise, die Ablehnungsbescheide vom 29.05.2018 und die Einspruchsentscheidung vom 29.11.2018 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Einkommensteuer für 2016 gem. § 163 AO ohne Hinzurechnung des Kirchensteuererstattungsüberhangs, soweit er sich im Vorjahr 2015 steuerlich nicht ausgewirkt hat, niedriger festzusetzen bzw. die Einkommensteuer 2016 gem. § 227 AO in entsprechender Höhe zu erlassen, hilfsweise, eine Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts vorzunehmen,
43weiter hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung eines Kirchensteuererstattungsüberhangs eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen,
44weiter hilfsweise, die Revision zuzulassen.
45Der Beklagte beantragt,
46die Klage abzuweisen.
47Er führt, was die Einkommensteuerfestsetzung angeht, ergänzend aus, dass der BFH in seinem Beschluss vom 05.03.2013 (X°B 179/11, BFH/NV 2013, 926-929, Streitjahre 2002 und 2005) darauf hingewiesen habe, dass durch das StVereinfG 2011 nach § 10 Abs.°4b Satz 3 EStG mit Wirkung ab dem 01.01.2012 ein verbleibender Erstattungsüberhang bei der Kirchensteuer nicht mehr mit der Kirchensteuer des Zahlungsjahres zu verrechnen, sondern dem Gesamtbetrag der Einkünfte des Erstattungsjahres hinzuzurechnen sei. Das bedeute, dass der BFH die bis dahin übliche Änderungsmöglichkeit nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr.2 AO ab 2012 verneine.
48Die Hinzurechnung zum Gesamtbetrag der Einkünfte des Erstattungsjahres werde auch nicht unzulässig, wenn sich die Kirchensteuerzahlung in der Vergangenheit nicht auf die Höhe der festgesetzten Steuer ausgewirkt habe.
49Zudem, so der Beklagte weiter, dienten nicht alle Tatbestände des Sonderausgabenabzugs der Verwirklichung des Leistungsfähigkeitsprinzips. Vielmehr sollten Verhaltensweisen begünstigt werden, die aus Sicht des Gesetzgebers förderungswürdig seien. Aus dem Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzhilfen des Bundes und der Steuervergünstigungen für die Jahre 2015 bis 2018 vom 28.08.2017 (DR 18/13456, S. 93) gehe eben dies für den Abzug der Kirchensteuer als Sonderausgabe nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG hervor. Ziel der Gewährung des Sonderausgabenabzugs sei die Begünstigung anerkannter Religionsgesellschaften und gleichgestellter Religionsgemeinschaften aus kirchen- und sozialpolitischen Erwägungen und nicht die garantierte steuerliche Entlastung des einzelnen Steuerpflichtigen. Der Gesetzgeber nehme folglich in Kauf, dass sich Kirchensteuern als Sonderausgaben nicht vollständig auf die Höhe der Steuer auswirken könnten, da die Begünstigung von Religionsgemeinschaften im Vordergrund stehe. Auch aus diesem Grund sei es für die Anwendung des § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG nicht von Bedeutung, ob sich die Kirchensteuerzahlung in der Vergangenheit steuerlich ausgewirkt habe bzw. sich die steuerliche Ent- und Belastung ungefähr ausglichen.
50Was die verfassungsrechtlichen Erwägungen der Kläger angehe, liege eine Verletzung des Besteuerungsrechtes der Kirchen nach Art. 140 GG i.V.m. Art 137 WRV nicht vor, da weder der Schutzbereich dieser Norm betroffen sei, noch ein Eingriff vorliege. Art. 140 GG enthalte selbst kein Grundrecht (Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 140, Rn. 2). Es fehle darüber hinaus auch an einem verfassungsrechtlich tauglichen Eingriff. Ungeachtet der Frage, ob das Zusammenspiel von individueller Religionsfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 GG und institutioneller Sicherung der Kirchen nach § 140 GG i.V.m. Art 136 ff. WRV – wie von den Klägern behauptet - es gebiete, einen steuermindernden Abzug der Kirchensteuer von der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer zuzulassen, werde dieses durch § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG nicht verletzt. Bei der Vorschrift handele es sich lediglich um eine praktische Korrekturnorm, die darauf abziele, einen zuvor überhöhten steuerlichen Abzug der Kirchensteuer wieder aufzuheben. Dies sei Ausdruck des verfassungsrechtlich vorgegebenen Leistungsfähigkeitsprinzips, das auch für die Kirchensteuer gelte (Korioth in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art 137 WRV, S. 227). Den grundsätzlichen steuermindernden Abzug der gezahlten Kirchensteuer lasse die Norm nach wie vor zu. Soweit sich der ursprüngliche Abzug auf Grund individueller Umstände (hier: fehlende positive Einkünfte) im Einzelfall steuerlich nicht ausgewirkt haben möge, sei dies nicht auf ein Handeln des Staates zurückzuführen. Darüber hinaus sei die für die Korrektur nach § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG maßgebliche Erstattung der Kirchensteuer auf eine Entscheidung der Religionsgemeinschaft zurückzuführen und habe grundsätzlich daher bereits einen verringerten Abzug der Kirchensteuer nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG begründet. Wegen des zeitlichen Ablaufes werde daher aus praktischen Erwägungen dieser verringerte Abzug nur im Folgejahr über § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG nachgeholt.
51Soweit sich die Kläger unmittelbar auf Art. 4 GG stützten, fehle es auch hier an einem grundrechtsrelevanten Eingriff. Sie übersähen dabei, dass nur dann eine (mittelbare) Grundrechtsbeeinträchtigung bestehe, wenn sie entweder bezweckt sei – hier abwegig – oder wenn sie in ihrer Wirkung schwer und unerträglich sei (zusammenfassend Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, Vorb. vor Art. 1, Rn. 29). Die Glaubensfreiheit und das Recht der ungestörten Ausübung seien durch die bloße Verrechnung der Erstattungen der Kirchensteuer nach objektiver Betrachtung nicht derart schwer beeinträchtigt, dass sie wie ein Ausübungsverbot wirkten. Die Verrechnung des Kirchensteuerüberhanges wirke auch nicht wie eine einseitige Vorentscheidung über den Verbleib in der Kirchengemeinde. Diese Entscheidung werde dem Grundrechtsträger nach wie vor belassen. Von einer Zufälligkeit des Erstattungsanspruches könne hier nicht gesprochen werden, da dieser von den Klägern gerade selbst begehrt worden sei. Dass der ursprüngliche Kirchensteuerabzug möglicherweise keine steuerliche Auswirkung gehabt habe, hänge ebenfalls nicht von Zufälligkeiten, sondern von dem wirtschaftlichen Handeln der Kläger ab. Im Übrigen sei dieser Eingriff jedenfalls gerechtfertigt, da er verhältnismäßig sei. Denn auch für eine Beschränkung der Gewissensfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 GG gebe es hinreichend sachliche Gründe (vgl. FG Münster v. 07.07.2020 - 6 K 2090/17 E, EFG 2020, 1742-1747).
52Bezüglich der von den Klägern hilfsweise begehrten Billigkeitsmaßnahmen trägt der Beklagte, ergänzend zu seinem Vorbringen im Einspruchsverfahren vor, dass §§ 163, 227 AO mit ihrer Ermächtigung zum Steuerdispens über die Grenzen der Rechtsfortbildung hinaus die Möglichkeit eröffneten, atypische Sachverhalte durch eine Fortschreibung der im Gesetz enthaltenen Wertungen zu berücksichtigen, und damit Unzulänglichkeiten des generalisierenden Gesetzes auszugleichen (FG Baden-Württemberg vom 04.10.1984 IX 345/82, EFG 1985, 249). Die Billigkeitsprüfung müsse sich je nach Fallgestaltung nicht nur auf allgemeine Rechtsgrundsätze und verfassungsmäßige Wertungen erstrecken; sie verlange vielmehr eine Gesamtbeurteilung aller Normen, die für die Verwirklichung des in Frage stehenden Steueranspruchs im konkreten Fall maßgeblich seien (BFH-Urteil vom 26.10.1994 X R 104/92, BStBI II 1995, 297, unter 11.4. der Gründe). Sachliche Billigkeitsgründe seien gegeben, wenn die Besteuerung eines Sachverhalts, der unter einen gesetzlichen Besteuerungstatbestand falle, im EinzelfaII mit dem Sinn und Zweck des Steuergesetzes nicht vereinbar sei, wenn also ein Überhang des gesetzlichen Tatbestands über die Wertungen des Gesetzgebers feststellbar sei (BFH-Urteil vom 21.01.1992 VIII R 51/88, BStBI II 1993, 3). Die bereits ab 2012 anzuwendende Fassung des § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG sei nach § 52 Abs. 1 Satz 1 EStG in der Fassung für 2012 auf die im Jahr 2016 erstatteten Kirchensteuerbeträge der Kläger anwendbar. Eine teleologische Reduktion des § 52 Abs. 1 EStG in der ab dem Jahr 2012 geltenden Fassung dahingehend, dass Kirchensteuererstattungsüberhänge, die aus Zahlungen resultierten, die sich im Zahlungsjahr nicht steuermindernd ausgewirkt hätten, nach der bis einschließlich 2011 geltenden Rechtslage zu besteuern seien, komme nicht in Betracht. Denn Voraussetzung für eine Rechtsfortbildung im Wege der teleologischen Reduktion sei eine verdeckte Regelungslücke. Eine verdeckte Regelungslücke sei gegeben, wenn das Gesetz zwar eine Regelung enthalte, diese aber ihrem Zweck nach auf eine bestimmte Gruppe von Fällen nicht passe, weil sie deren für die Wertung relevante Besonderheiten außer Acht lasse (BFH-Urteile vom 13.04.2011 X R 19/09, BFH/NV 2011, 1489 und X R 17/10 BFH/NV 2011, 1501). Eine solche Regelungslücke sei vorliegend nicht erkennbar. Die Besonderheit der steuerlichen Situation der Kläger liege darin, dass sie aufgrund des Zuflussprinzips einen Kirchensteuererstattungsüberhang in einem Veranlagungszeitraum zu versteuern hätten, dem er wirtschaftlich nicht zuzuordnen sei. Dem Gesetzgeber sei jedoch bewusst gewesen, dass das Zuflussprinzip in Einzelfällen nicht immer zu einer interessengerechten Zuordnung der jeweils bezogenen Einnahmen bzw. Einkünfte führe. So habe er etwa in § 52 Abs. 1 Satz 2 EStG für den laufenden Arbeitslohn sowie in § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG für regelmäßig wiederkehrende Einnahmen, die kurz vor oder nach dem Stichtag geleistet würden, vom Zuflussprinzip abweichende Sonderregelungen geschaffen. Das Fehlen einer entsprechenden Ausnahmeregelung für die hier in Rede stehenden Kirchensteuererstattungen deute darauf hin, dass der Gesetzgeber eine solche auch nicht für notwendig gehalten habe (vgl. BFH-Urteile vom 13.04.2011 a.a.O.). Dieses gelte umso mehr, als nach der zum Zeitpunkt des Zustandekommens des StVereinfG 2011 gültigen höchstrichterlichen Rechtsprechung (Hinweis auf den BFH-Beschluss vom 19.01.2010 X B 32/09, BFH/NV 2010, 1250), die im Fall eines Erstattungsüberhangs nicht an die steuerliche Auswirkung des Sonderausgabenabzugs im Zahlungsjahr angeknüpft habe, auch kein Bedarf für eine anderweitige Regelung bestanden habe. Damit ergäben sich im Streitfall keine sachlichen Billigkeitsgründe.
53In der Sache hat am 10.12.2024 eine mündliche Verhandlung vor dem Senat stattgefunden. Auf das Sitzungsprotokoll wird Bezug genommen.
54Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vom Beklagten übersandten Verwaltungsakten Bezug genommen.
55E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
56A. Die Klage ist unbegründet.
57Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2016, zuletzt geändert am 07.11.2018, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29.11.2018 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in Ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Der Beklagte hat bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens zu Recht den vollständigen Kirchensteuererstattungsüberhang dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzugerechnet (hierzu I.). Der Beklagte hat auch die Anträge der Kläger auf eine abweichende Festsetzung von Steuern aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 AO und auf Erlass der sich aus der Hinzurechnung des vollständigen Erstattungsüberhangs ergebenden Steuern gemäß §°227°AO (hierzu II.) in nicht zu beanstandender Weise abgelehnt.
58I. Die Voraussetzungen des § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG sind im Streitfall erfüllt. Danach ist ein verbleibender Betrag des sich bei den Aufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 und 4 EStG ergebenden Erstattungsüberhangs dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzuzurechnen.
591. Dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nach ist im Streitjahr 2016 dem Gesamtbetrag der Einkünfte der Kläger ein Betrag in Höhe von kistü € hinzuzurechnen. Denn im Streitjahr wurden den Klägern Kirchensteuern im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 4°EStG in Höhe von insgesamt yyym € erstattet. Einzubeziehen sind dabei auch die anteilig auf die Mutter entfallenden Erstattungen (BFH-Urteil vom 21.7.2016 X R 43/13, BStBl. II 2017, 256). Da die Kläger im Streitjahr Kirchensteuern in Höhe von k € gezahlt haben, die als Sonderausgaben berücksichtigt wurden, ergab sich nach Saldierung der geleisteten mit den erstatteten Kirchensteuern ein sog. Erstattungsüberhang in Höhe von kistü €. Dieser Betrag ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.
602. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass sich die erstattete Zahlung im Zahlungsjahr 2015 nur teilweise steuermindernd ausgewirkt hat. Das Gesetz enthält keine entsprechende Ausnahmeregelung. Nach der Rechtsprechung des BFH, der sich der erkennende Senat anschließt, findet die Hinzurechnung nach § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG vielmehr auch dann statt, wenn sich die erstattete Zahlung im Zahlungsjahr nicht steuermindernd ausgewirkt hat (vgl. BFH-Urteile vom 29.06.2022 X R 1/20, BFH/NV 2023, 79 und vom 12.03.2019 IX R 34/17, BStBl II 2019, 658).
613. § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG ist auch nicht dahingehend teleologisch zu reduzieren, dass die Vorschrift nur Anwendung findet, soweit sich der Erstattungsüberhang im Zahlungsjahr beim Sonderausgabenabzug steuerlich ausgewirkt hat.
62a) Eine teleologische Reduktion kann nur in Betracht kommen, wenn die auf den Wortlaut abgestellte Auslegung zu einem sinnwidrigen Ergebnis führen würde. Dagegen ist es nicht Aufgabe einer lückenfüllenden Interpretation – zu der auch die teleologische Reduktion gehört – rechtspolitische Fehler zu korrigieren, d.h. das Gesetz zu verbessern, obwohl es sich – gemessen an seinem Zweck – noch nicht als planwidrig unvollständig oder zu weitgehend erweist (vgl. etwa BFH-Urteil vom 20.03.2003 IV R 42/00, BStBl II 2003, 798, m.w.N.).
63b) Nach der Begründung des Entwurfs zum StVereinfG 2011 sollten Erstattungsüberhänge, d.h. Erstattungen, die die in dem entsprechenden Jahr geleisteten Zahlungen übersteigen, bei Kirchensteuern nur noch im Jahr der Erstattung berücksichtigt werden, um ein Wiederaufrollen der Steuerfestsetzungen aus den Vorjahren zu vermeiden (BT-Drucksache 17/5125, S. 21). D.h. dem Gesetzgeber ging es, soweit ersichtlich, gerade darum, anders als nach der zur alten Rechtslage ergangenen Rechtsprechung, nach der Erstattungsüberhänge gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO in den Zahlungsjahren zu berücksichtigen waren (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 19.01.2010 – X B 32/09, BFH/NV 2010, 1250 m.w.N.), diese nunmehr nur noch im Jahr des Zuflusses zu berücksichtigen. Die Vorschrift des § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG nur insoweit anzuwenden, wie sich die Kirchensteuerzahlung in Vorjahren auch tatsächlich steuermindernd ausgewirkt hat, widerspräche somit dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers und dem mit der Einführung des § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG verfolgten Zweck, der Verwaltungsvereinfachung (so auch FG Münster, Urteil vom 07.07.2020 6 K 2090/17 E, a.a.O.).
64c) Auch eine teleologische Reduktion aufgrund verfassungsrechtlicher Erwägungen kommt nicht in Betracht. Denn die Anwendung des § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG auf Fälle wie den hier streitgegenständlichen, in denen sich erstattete Zahlungen nicht (in voller Höhe) steuermindernd ausgewirkt haben, begegnet nach Überzeugung des erkennenden Senats keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG ist insbesondere mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar.
65aa) Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen. Zwar ist es grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselben Rechtsfolgen knüpft und die er so als rechtlich gleich qualifiziert. Diese Auswahl muss er jedoch sachgerecht treffen. Genauere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen der Gesetzgeber den Gleichheitssatz verletzt, lassen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur in Bezug auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen. Dabei ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz im Sinne eines stufenlosen am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierten Prüfungsmaßstabs unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Differenzierungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Die Anforderungen an Rechtfertigungsgründe für gesetzliche Differenzierungen steigen bis hin zu einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung, insbesondere wenn und soweit sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirken kann.
66Art. 3 Abs. 1 GG bindet den Steuergesetzgeber an den Grundsatz der Steuergerechtigkeit, der gebietet, die Belastung mit Finanzzwecksteuern an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auszurichten. Das gilt insbesondere im Einkommensteuerrecht, das auf die Leistungsfähigkeit des jeweiligen Steuerpflichtigen hin angelegt ist. Im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit muss darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern (horizontale Steuergerechtigkeit), während (in vertikaler Richtung) die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der Steuerbelastung niedriger Einkommen dem Gerechtigkeitsgebot genügen muss. Bei der Auswahl des Steuergegenstandes belässt der Gleichheitssatz dem Gesetzgeber ebenso wie bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weit reichenden Entscheidungsspielraum. Unter dem Gebot möglichst gleichmäßiger Belastung der betroffenen Steuerpflichtigen muss die Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestandes folgerichtig im Sinne von belastungsgleich erfolgen. Ausnahmen von einer belastungsgleichen Ausgestaltung der mit der Wahl des Steuergegenstandes getroffenen gesetzgeberischen Entscheidung (folgerichtigen Umsetzung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestandes) bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes, der die Ungleichbehandlung nach Art und Ausmaß zu rechtfertigen vermag. Der Gesetzgeber darf allerdings bei der Ausgestaltung der mit der Wahl des Steuergegenstandes getroffenen Belastungsentscheidung generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne allein schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist er berechtigt, die Vielzahl der Einzelfälle in dem Gesamtbild zu erfassen, das nach den ihm vorliegenden Erfahrungen die regelungsbedürftigen Sachverhalte zutreffend wiedergibt. Typisierung bedeutet, bestimmte in wesentlichen Elementen gleich geartete Lebenssachverhalte normativ zusammenzufassen. Besonderheiten, die im Tatsächlichen durchaus bekannt sind, können generalisierend vernachlässigt werden. Der Gesetzgeber darf sich grundsätzlich am Regelfall orientieren und ist nicht gehalten, allen Besonderheiten jeweils durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen. Begünstigungen oder Belastungen können in einer gewissen Bandbreite zum Zwecke der Verwaltungsvereinfachung nach oben und unten pauschalierend bestimmt werden. Die gesetzlichen Verallgemeinerungen müssen allerdings von einer möglichst breiten, alle betroffenen Gruppen und Regelungsgegenstände einschließenden Beobachtung ausgehen. Insbesondere darf der Gesetzgeber keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss realitätsgerecht den typischen Fall als Maßstab zugrunde legen (vgl. Beschluss des BVerfG vom 19.11.2019 2 BvL 22/14, 2 BvL 23/14, 2 BvL 24/14, 2 BvL 25/14, 2 BvL 26/14, 2 BvL 27/14, BVerfGE 152, 274, m.w.N.).
67bb) Unter Anwendung dieser Rechtsgrundsätze führt § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG nach Auffassung des erkennenden Senats zu einer Gleichbehandlung von Steuerpflichtigen mit unterschiedlichen Einkünften. Denn Steuerpflichtige, die - wie die Kläger - über schwankende oder unregelmäßige, außerordentliche Einkünfte verfügen, können gegenüber Steuerpflichtigen, die über regemäßige, nicht oder gering schwankende Einkünfte wie z.B. Lohn verfügen, im Falle einer zeitversetzten Kirchensteuerkappung bzw. eines zeitversetzten Kirchensteuererlasses, stärker belastet werden, wenn sich – wie im Streitfall – die gezahlte Kirchensteuer aufgrund zu geringer Einkünfte im Zahlungsjahr nicht vollständig steuerlich ausgewirkt hat. Dies kann bei der Vergleichsgruppe, die z.B. nur Arbeitslohn bezieht, nicht oder jedenfalls nicht in einem entsprechend großen Umfang eintreten (so auch FG Münster, Urteil vom 07.07.2020 6 K 2090/17 E, a.a.O.).
68Soweit die Kläger darauf hinweisen, dass auch Steuerpflichtige mit schwankenden Einkünften unterschiedlich behandelt werden, je nachdem, ob diese – was oft mit nicht zu beeinflussenden Zufälligkeiten zusammenhänge – die Erstattung bereits in dem mit der Kirchensteuerzahlung zusammenfallenden Veranlagungszeitraum erhalten haben oder erst im folgenden Veranlagungszeitraum, so stellt dieser Umstand gerade als Ausfluss des Zufluss- und Abflussprinzips im Rahmen des Sonderausgabenabzugs einen typischen Fall dar. Da die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen auf den jeweils zu beurteilenden Einkommensermittlungszeitraum (Veranlagungszeitraum) zu beziehen ist, hat der Gesetzgeber durch die Normierung des Zu- und Abflussprinzips in § 11 EStG in Kauf genommen, dass es durch die Zusammenballung von Einnahmen und Ausgaben in einem Veranlagungszeitraum – bei der Anwendung des Einkommensteuersatzes als Folge der Steuerprogression oder wegen der fehlenden tatsächlichen Ausgleichsmöglichkeit negativer Einkünfte in einem späteren Veranlagungszeitraum – zu steuerlichen Zufallsergebnissen kommen kann, die gegebenenfalls zu einer erheblichen steuerlichen Be- oder Entlastung führen (vgl. BFH-Urteil vom 26.01.2000 IX R 87/95, BStBl II 2000, 396).
69cc) Die Ungleichbehandlung ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Dabei ist der erkennende Senat der Auffassung, dass der Eingriff in Art. 3 Abs. 1 GG vorliegend nur von vergleichsweise geringer Intensität ist.
70(a) Dies folgt bereits daraus, dass dem streitgegenständlichen Kirchensteuererstattungsüberhang in Höhe von kistü € im Jahr 2015 ein Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von ggg € gegenüberstand, d.h. dass sich die im Jahr 2015 geleisteten und mit dem Erstattungsüberhang korrespondierenden Kirchensteuerzahlungen für die Kläger tatsächlich größtenteils – und nicht etwa gar nicht oder nur zu einem geringen Teil – steuermindernd ausgewirkt haben.
71(b) Weiter ist zu beachten, dass dem Kläger im Streitjahr eine Kirchensteuererstattung in Höhe von yyym € tatsächlich zugeflossen ist, d.h. es wird nicht etwa ein fiktiver Vorgang besteuert, ohne dass beim Kläger ein entsprechender Zufluss gegeben wäre. Die Kläger konnten folglich die im Streitjahr festgesetzte aus dem Erstattungsüberhang resultierende Einkommensteuer ohne weiteres aus der erstatteten Kirchensteuer begleichen.
72(c) Zu berücksichtigen ist auch, dass die von den Klägern im Jahr 2015 geleisteten Kirchensteuerzahlungen darauf beruhen, dass der Kläger und seine Mutter im Jahr 2013 einen außergewöhnlich hohen Veräußerungsgewinn jeweils in siebenstelliger Höhe gemäß §°17°EStG erzielt haben, die im Rahmen des Teileinkünfteverfahrens der Besteuerung unterworfen wurden. Durch diese teilweise Steuerfreistellung in Höhe von 40% (§ 3 Nr. 40 Buchst. c) EStG) sind die Kläger, insbesondere auch gegenüber lohnsteuerpflichtigen Arbeitnehmern, zusätzlich begünstigt. Dass das Teileinkünfteverfahren, worauf die Kläger zutreffend hinweisen, dazu dient, eine Doppelbelastung mit Körperschaftsteuer und Einkommensteuer zu vermeiden, steht dem nach Auffassung des erkennenden Senats nicht entgegen. Denn diese gesetzgeberische Entscheidung steht in keinem Zusammenhang mit dem hier maßgeblichen Bereich der Sonderausgaben (so auch FG Münster, Urteil vom 07.07.2020 6 K 2090/17 E, a.a.O.). Außerdem sind in Veräußerungsgewinnen typischerweise auch Wertsteigerungen enthalten, die zuvor nicht der Körperschaftsteuer unterlegen haben, wie etwa ein Firmenwert oder zukünftige Gewinnerwartungen.
73(d) Belastungsmindernd ist auch zu berücksichtigten, dass für die Kläger eine Ausweichoption bestanden hätte, die Steuerbelastung abzumildern. Nach der Rechtsprechung des BVerfG, der der erkennende Senat folgt, kann eine Ausweichoption gegenüber einem belastenden Steuergesetz, die ein bestimmtes steuerlich relevantes Verhalten des Steuerpflichtigen voraussetzt, im Rahmen der verfassungsrechtlichen Überprüfung dieses Steuergesetzes aus rechtsstaatlichen Gründen jedenfalls dann als belastungsmindernd berücksichtigt werden, wenn das in Frage kommende Verhalten zweifelsfrei legal ist, keinen unzumutbaren Aufwand für den Steuerpflichtigen bedeutet und ihn auch sonst keinem nennenswerten finanziellen oder rechtlichen Risiko aussetzt (vgl. BVerfG-Beschluss vom 15.01.2008 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1). Für die Kläger hat die Möglichkeit bestanden, noch im Jahr 2013 beim Beklagten einen Antrag auf Anpassung der Kirchensteuer-Vorauszahlungen zu stellen bzw., da – worauf die Kläger zu Recht hinweisen – die Höhe und der Zeitpunkt der Festsetzung einer Vorauszahlung im Ermessen des Finanzamts stehen, freiwillig entsprechende Vorauszahlungen zu leisten, um einen vollständigen bzw. jedenfalls höheren Sonderausgabenabzug zu erreichen. Eine solche Vorauszahlung ist auch möglich ohne entsprechende förmliche Festsetzung (vgl. BFH-Beschluss vom 24.03.2015 X B 4/15, BFH/NV 2015, 952, m.w.N.). Diese Gestaltungsoption wäre für die Kläger zweifelsfrei legal gewesen, hätte keinen unzumutbaren Aufwand bedeutet und sie auch sonst keinem nennenswerten finanziellen oder rechtlichen Risiko ausgesetzt.
74Dennoch haben die Kläger diese Gestaltungsmöglichkeit nicht genutzt, obwohl ihnen nach eigenem Vortrag der Veräußerungspreis bereits Ende des Jahres 2013 zugeflossen ist und ihnen folglich entsprechende liquide Mittel zur Verfügung gestanden hätten. Dass die endgültige Höhe des Veräußerungsgewinns nach Angaben der Kläger erst im Laufe des Jahres 2014 feststand, steht dem nicht entgegen. Denn Voraussetzung für eine freiwillige Vorauszahlung ist nicht, dass der Vorauszahlungsbetrag bereits die volle, später festzusetzende endgültige Kirchensteuer umfasst (vgl. BFH-Urteil vom 07.11.2001 XI R 24/01, BStBl II 2002, 351; FG Münster, Urteil vom 07.07.2020 6 K 2090/17 E, a.a.O.). Selbst wenn die Höhe des Eigenkapitals nicht vollständig festgestanden haben sollte, wäre es zumindest im Schätzungswege möglich gewesen, den Veräußerungsgewinn annähernd zu bestimmen.
75Der von den Klägern angeführte Vorlagebeschluss zur Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Aussetzungszinsen nach § 237 AO (BFH-Beschluss vom 08.05.2024 VIII R 9/23, BFH/NV 2024, 1207) steht dieser Beurteilung nicht entgegen. Ausweichoptionen beseitigen eine Ungleichbehandlung danach nicht von vornherein, sondern sind im Rahmen der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung zu würdigen. Dies entspricht der Rechtsprechung des BVerfG. Die verfassungsrechtliche Würdigung führt nach Ansicht des BFH im Fall der Aussetzungszinsen – insbesondere wegen deren rechtsschutzhemmenden Wirkung– nicht zu einer Rechtfertigung. Daraus folgt gerade nicht, dass Ausweichoptionen gar nicht zu würdigen sind.
76(e) Die Hinzurechnung des Kirchensteuererstattungsüberhangs beeinträchtigt überdies auch keine grundrechtlich geschützten Freiheiten.
77Soweit die Kläger der Auffassung sind, dass durch die vollständige Hinzurechnung des Kirchensteuererstattungsüberhangs ihre negative Glaubensfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG) verletzt sei, folgt der erkennende Senat dem nicht.
78Nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 6 WRV sind Religionsgesellschaften berechtigt, nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern zu erheben. Die hieraus resultierende Kirchensteuerpflicht, anknüpfend an Taufe und Wohnsitz, verstößt nach der Rechtsprechung des BVerfG nicht gegen die (negative) Glaubensfreiheit, sofern der Kirchenangehörige jederzeit die Möglichkeit hat, seine Mitgliedschaft zu beenden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 31.03.1971 1 BvR 744/67, BVerfGE 30, 415). Anknüpfend daran kann auch die (teilweise) Besteuerung einer Kirchensteuererstattung als – im Vergleich hierzu – geringere Beeinträchtigung keinen Verstoß gegen Art. 4 Abs. 1 GG darstellen. Insoweit ist auch zu beachten, dass die Kläger, welche aufgrund ihres vergleichsweise hohen Einkommens entsprechend hohe Kirchensteuerzahlungen leisten und mutmaßlich deshalb einen betragsmäßig erheblichen Erlass der Kirchensteuer erwirken konnten, gegenüber anderen Kirchenmitgliedern mit niedrigeren Einkommen, welche keinen entsprechenden Kirchensteuererlass erwirken können, bevorzugt werden. Überdies kann nach Auffassung des erkennenden Senats das Streitjahr insoweit auch nicht isoliert betrachtet werden. Zu beachten ist vielmehr, dass die von den Klägern gezahlte Kirchensteuer (auch) in übrigen (vergangenen und zukünftigen) Veranlagungszeiträumen steuermindernd berücksichtigt worden ist bzw. wird.
79Soweit die Kläger sich darüber hinaus auf eine Verletzung des Selbstbestimmungsrechts der Kirchen nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 136 ff. WRV berufen, so ist darauf hinzuweisen, dass diese Regelungen keine Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte enthalten, die im Wege des Individualrechtsschutzes vom kirchensteuerpflichtigen Bürger geltend gemacht werden können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 04.10.1965 1 BvR 498/62, BVerfGE 19, 129; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 140 Rn. 2, m.w.N.). Vielmehr können die Kläger als natürliche Personen in diesem Zusammenhang nur eine mögliche Beeinträchtigung von Art. 4 GG rügen, welche aus den o.g. Gründen jedoch nicht gegeben ist.
80(f) Soweit die Kläger weiter anführen, dass z.B. in Niedersachsen eine Kappung der Kirchensteuer von Amts wegen und nicht – wie in Nordrhein-Westfalen auf Antrag – erfolge, sodass die zu zahlenden Kirchensteuer dort direkt niedriger festgesetzt werde, so weist der erkennende Senat darauf hin, dass in Bayern eine Kappung der Kirchensteuer gar nicht vorgesehen ist. Schon hierin ist eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu sehen (vgl. FG Nürnberg, Urteil vom 11.07.1996 VI 69/96, EFG 1996, 1237, unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 29.10.1969 1 BvR 65/68, BVerfGE 27, 175). Dasselbe muss erst recht auch für die – im Vergleich dazu – von den Klägern angeführte Ungleichbehandlung geringerer Intensität gelten, welche nur die Besteuerung der – aufgrund von Kappung und Erlass – erfolgten Kirchensteuererstattung betrifft.
81(g) Nach Maßgabe dessen ist die streitgegenständliche Regelung des § 10 Abs. 4b Satz°3 EStG verhältnismäßig. Sie enthält eine zulässige Typisierung und verfolgt den legitimen Zweck der Verwaltungsvereinfachung bzw. der Vereinfachung des Steuervollzugs. Die Regelung ist geeignet, diesen Zweck zu erreichen, da so die Wiederaufrollung von Vorjahren und eine Einzelfallprüfung, in welchem Vorjahr und in welcher Höhe sich ein Kirchensteuererstattungsüberhang steuermindernd ausgewirkt hat, vermieden wird. Die Vorschrift ist zur Erreichung des Zwecks auch erforderlich. Ein gleich geeignetes, milderes Mittel, ist nicht ersichtlich. Vielmehr würde eine Beschränkung der Anwendung der Regelung auf Fälle, in denen sich die korrespondierende Kirchensteuerzahlung auch vollständig steuermindernd ausgewirkt hat, wieder zu einer Wiederaufrollung und Einzelfallprüfung der Vorjahre führen, welche ja im steuerlichen Massenverfahren gerade vermieden werden sollte. Eine solche Aufrollung müsste – folgte man der Ansicht der Kläger - in jedem Fall einer Kirchensteuererstattung unabhängig davon vorgenommen werden, ob ein Erstattungsüberhang entsteht oder lediglich eine Verrechnung mit abgeflossenen Kirchensteuern vorgenommen wird. Anderenfalls läge eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung mit solchen Steuerpflichtigen vor, deren Erstattung sich im Zahlungsjahr nicht (vollständig) ausgewirkt hat, aber dennoch mit Sonderausgaben im Erstattungsjahr verrechnet wird. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Gesetzgeber die Hinzurechnung des Erstattungsüberhangs bei Basiskrankenversicherungsbeiträgen und Kirchensteuern deshalb für geboten erachtet, weil sich die gezahlten Beträge in der Vergangenheit (in voller Höhe) ausgewirkt haben (BT-Drucksache 17/5125, S. 37). Denn dies bedeutet nicht, dass sie sich im Einzelfall tatsächlich ausgewirkt haben müssen. Müsste in jedem Einzelfall ermittelt werden, ob (und ggf. in welcher Höhe) sich die erstattete Zahlung steuerlich ausgewirkt hat, würde, wie bereits ausgeführt, der Vereinfachungszweck verfehlt (vgl. BFH-Urteil vom 12.03.2019 IX R 34/17, a.a.O.).
82§ 10 Abs. 4b Satz 3 EStG ist nach Überzeugung des erkennenden Senats auch verhältnismäßig und verstößt nicht gegen das aus Art. 20 Abs. 3 GG abgeleitete Übermaßverbot. Insoweit ist auf die Höhe der Steuerbelastung abzustellen. Eine Verletzung des Übermaßverbots wäre hiernach nur gegeben, wenn die Steuer so hoch festgesetzt wäre, dass sie erdrosselnde Wirkung hätte (vgl. BFH-Urteil vom 30.05.2001 II R 4/99, BStBl II 2001, 606, m.w.N.). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Kläger konnten vielmehr, wie bereits ausgeführt, die festgesetzte Einkommensteuer aus den Beträgen, die ihnen durch die Erstattung der Kirchensteuer zugeflossen sind, ohne weiteres bezahlen. Im Übrigen ist die Anwendung der Vorschrift des § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG auf unterschiedslos alle Steuerpflichtigen auch folgerichtig im Sinne der o.g. Rechtsprechung des BVerfG.
83Der erkennende Senat hält die vorgenommene Typisierung auch vor dem Hintergrund der Belastungsneutralität für gerechtfertigt. Soweit der BFH insoweit unter Hinweis auf die frühere Rechtslage eine Belastungsneutralität annimmt (vgl. BFH-Urteile vom 12.03.2019 IX R 34/17, a.a.O; vom 22.03.2023 X R 27/21, BFH/NV 2023, 1105 und vom 29.06.2022 X R 1/20 a.a.O.; so auch FG Münster vom 07.07.2020 6 K 2090/17 E, a.a.O. und Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, § 10 EStG Anm. 413), ist diese zwar aufgrund des BFH-Urteils vom 03.05.2023 (IX R 6/21, BStBl. II 2023, 1002) insoweit eingeschränkt, dass ein Kirchensteuererstattungsüberhang nicht mit einem negativen Gesamtbetrag der Einkünfte verrechnet werden kann, weil dieser zurück- oder vorzutragen ist und sich damit im Verlustentstehungsjahr stets ein Gesamtbetrag der Einkünfte von Null ergibt. Gleichwohl sind Fälle denkbar, in denen sich die Regelung zugunsten des Steuerpflichtigen auswirkt, etwa wenn sich die Kirchensteuer im Zahlungsjahr voll ausgewirkt hat und die Einkünfte sowie der Erstattungsüberhang im Erstattungsjahr den Grundfreibetrag nicht überschreiten.
84II. Der Beklagte hat auch die Anträge der Kläger auf eine abweichende Festsetzung von Steuern aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 AO und auf Erlass der sich aus der Hinzurechnung des Erstattungsüberhangs ergebenden Steuern gemäß §°227°AO in nicht zu beanstandender Weise abgelehnt.
851. Gemäß § 163 Abs. 1 Satz 1 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, können bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. § 227 AO sieht daneben vor, dass die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen können, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Die Entscheidungen über eine abweichende Steuerfestsetzung und über den Erlass aus Billigkeitsgründen sind Ermessensentscheidungen.
86Nach § 102 Satz 1 FGO können Ermessensentscheidungen der Finanzbehörde im finanzgerichtlichen Verfahren nur daraufhin überprüft werden, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Dabei hat das Gericht grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung als der letzten Verwaltungsentscheidung abzustellen (vgl. etwa BFH-Urteil vom 08.08.2024 III R 24/22, juris, m.w.N.). Nur im Falle einer Ermessensreduzierung auf Null ist ausnahmsweise auf die im Zeitpunkt der Entscheidung in der Tatsacheninstanz bestehende Sach- und Rechtslage abzustellen (vgl. BFH-Urteil vom 14.03.2012 XI R 33/09, BStBl II 2012, 477, m.w.N.). Nach §°102 Satz 2 FGO kann die Finanzbehörde ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens ergänzen.
872. Eine Ermessensreduzierung auf Null, d.h. eine Einengung des Ermessensspielraums dahingehend, dass nur eine Entscheidung – hier die beantragte abweichende Steuerfestsetzung bzw. der beantragte Erlass – ermessensgerecht wäre, liegt nach Überzeugung des erkennenden Senats im Streitfall nicht vor. Insoweit ist zu beachten, dass der in § 163 Satz 1 AO verwendete Begriff der "Unbilligkeit" mit dem in § 227 AO verwendeten identisch ist.
88a) Eine im Streitfall allein in Betracht kommende sachliche Unbilligkeit liegt vor, wenn die Festsetzung einer Steuer zwar äußerlich dem Gesetz entspricht, aber den Wertungen des Gesetzgebers im konkreten Fall derart zuwiderläuft, dass ihre Erhebung unbillig erscheint. Das ist der Fall, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass er die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage - wenn er sie als regelungsbedürftig erkannt hätte - im Sinne der begehrten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte (vgl. BFH-Urteil vom 23.02.2023 V R 30/20, BStBl II 2023, 1079 m.w.N.). Billigkeitsmaßnahmen dienen der Anpassung des steuerrechtlichen Ergebnisses an die Besonderheiten des Einzelfalls, um Rechtsfolgen auszugleichen, die das Ziel der typisierenden gesetzlichen Vorschrift verfehlen und deshalb ungerecht erscheinen. Sie gleichen Härten im Einzelfall aus, die der steuerrechtlichen Wertentscheidung des Gesetzgebers nicht entsprechen und damit zu einem vom Gesetzgeber nicht gewollten Ergebnis führen (vgl. BFH-Beschluss vom 28.11.2016 GrS 1/15, BStBl II 2017, 393).
89b) Nach Maßgabe dessen liegt nach Auffassung des erkennenden Senats im Streitfall kein so atypischer Fall vor, dass nur eine Billigkeitsmaßnahme (abweichende Steuerfestsetzung nach § 163 AO bzw. Erlass nach § 227 AO) ermessensgerecht wäre.
90aa) Zum einen kann man, wenn man den Gesetzeszweck und die Entstehungsgeschichte der Vorschrift des § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG betrachtet (s.o. unter A. I. 3. b)), nicht davon ausgehen, dass der Gesetzgeber Fälle wie den hier vorliegenden, in dem sich die mit dem Kirchensteuererstattungsüberhang korrespondierende Zahlung nicht vollständig steuermindernd ausgewirkt hat, nicht im Blick hatte. Denn die vorherige Rechtslage, nach der ein entsprechender, nicht im Erstattungsjahr vollständig verrechenbarer Erstattungsüberhang in die Zahlungsjahre zurückgetragen werden konnte, betraf ja gerade entsprechende Fälle. Diese Praxis wollte der Gesetzgeber – unter strenger Anwendung des Zuflussprinzips – nunmehr beenden. Zum anderen kann eine Atypik nicht alleine deshalb bejaht werden, weil der streitgegenständliche Betrag des Erstattungsüberhangs, der sich zuvor nicht steuermindernd ausgewirkt hat, im vorliegenden Fall betragsmäßig vergleichsweise hoch ist. Insoweit ist zu beachten, dass sachliche Gründe für eine Billigkeitsentscheidung unabhängig von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen zu beurteilen sind. Die Pflicht der Finanzverwaltung, Steueransprüche durchzusetzen, ist nicht schon deshalb sachlich unbillig, weil sie zu einer erheblichen wirtschaftlichen Beeinträchtigung des Steuerschuldners führt (vgl. BFH-Beschluss vom 28.11.2016 GrS 1/15, a.a.O.).
91bb) Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der Anteil des im Streitjahr 2016 entstandenen Erstattungsüberhangs, der sich im Jahr der Zahlung 2015 steuerlich nicht ausgewirkt hat, relativ gesehen kein Ausmaß erreicht, das eine Billigkeitsmaßnahme zwingend erfordert. Zieht man vom Erstattungsüberhang in Höhe von kistü € den Gesamtbetrag der Einkünfte des Zahlungsjahres 2015 (ggg €) ab, verbleibt ein Betrag i.H.v. zz €, der lediglich ca. 23% des Erstattungsüberhangs ausmacht. Damit ist die Grenze von 40 %, die der BFH in dem von den Klägern zitierten Beschluss vom 27.05.2024 (II B 78/23 (AdV), BStBl. II 2024, 543) für die Überschreitung des gemeinen Werts bei der Bewertung für Grundsteuerzwecke heranzieht, deutlich unterschritten.
92cc) Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass, worauf die Kläger hinweisen, das FG Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 02.02.2017 (3 K 834/15., EFG 2017, 826) im vorletzten Absatz die Anwendbarkeit von Billigkeitsmaßnahmen nicht ausgeschlossen habe. Denn die Frage, ob eine Billigkeitsmaßnahme zu gewähren ist, kann immer nur im Rahmen einer Einzelfallentscheidung beantwortet werden. Im Übrigen hat das FG Baden-Württemberg gerade nicht ausgeführt, dass bei unvollständiger steuerlicher Auswirkung der Zahlung stets eine Billigkeitsmaßnahme aufgrund einer Ermessensreduzierung auf Null zu gewähren sei.
933. Der Beklagte hat die beantragte abweichende Festsetzung der Einkommensteuer aus Billigkeitsgründen (§ 163 AO) bzw. den beantragten Erlass der sich aus der Hinzurechnung des vollständigen Erstattungsüberhangs ergebenden Steuern (§ 227 AO) zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (s.o.) ermessensfehlerfrei abgelehnt.
94a) Er hat hierbei in nicht zu beanstandender Weise darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen einer sachlichen Unbilligkeit im Streitfall nicht vorlägen. Insoweit hat er zunächst auf den mit der Einführung des § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG verfolgten Gesetzeszweck und die Gesetzesbegründung abgestellt, welche darauf hindeute, dass der Gesetzgeber die hier vorliegende Konstellation zwar durchaus gesehen, aber billigend in Kauf genommen habe. Ausgehend von der grundsätzlichen Systematik des EStG sei nicht auf die steuerliche Auswirkung, sondern auf die allgemeine Berücksichtigungsmöglichkeit abzustellen.
95b) Soweit der Beklagte die Belastungsneutralität anführt, ist dies ebenfalls nicht zu beanstanden (s. dazu unter A. I. 3. c) cc) (g)). Zum insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (Einspruchsentscheidung vom 29.11.2018) konnte er das insoweit zu diesem Zeitpunkt noch nicht ergangene Urteil des BFH vom 03.05.2023 (IX R 6/21, a.a.O.), wonach eine entsprechende Belastungsneutralität nunmehr eingeschränkt ist, noch nicht berücksichtigen.
96c) Weiter hat der Beklagte ermessensfehlerfrei darauf abgestellt, dass laut Vortrag der Kläger für das Jahr 2016 eine steuerliche Mehrbelastung in Höhe von rund est°€ entstanden sei, demgegenüber jedoch u.a. der Teilerlass über yyy°€ (zzgl. der erstatteten Kirchensteuer der verstorbenen Mutter) sowie die Steuerminderung auf 0,00 € im Veranlagungszeitraum 2015 stehe.
97d) Überdies hat der Beklagte in nicht zu beanstandender Weise darauf hingewiesen, dass spätestens bei Abschluss der Veräußerungsgeschäfte im Veranlagungszeitraum 2013 die hohe Abschlusszahlung durch Antrag auf Anpassung der Vorauszahlungen habe vermieden werden können (s. dazu unter A. I. 3. c) cc) (d)).
98e) Soweit die Kläger erstmals im Klageverfahren auf eine Berücksichtigung des Rechtsgedankens des § 175 AO auch im Rahmen des § 163 AO sowie auf die in Niedersachsen von Amts wegen erfolgende Kappung der Kirchensteuer und die daraus nach Auffassung der Kläger resultierende Ungleichbehandlung hingewiesen haben, konnte und musste der Beklagte hierzu zum Zeitpunkt der hier maßgeblichen letzten Verwaltungsentscheidung nicht Stellung nehmen. Auch mit dem im Klageverfahren erfolgten Hinweis der Kläger auf die spezifischen kirchlichen Motive für eine Kirchensteuererstattung konnte und musste sich der Beklagte aus den vorgenannten Gründen nicht auseinandersetzen.
99f) Der Beklagte hat schließlich ermessensfehlerfrei ausgeführt, dass eine Unbilligkeit der Steuerfestsetzung aus persönlichen Gründen weder vorgetragen noch – im Hinblick auf das hinreichend hohe Einkommen der Kläger – sonst ersichtlich sei.
100B. Der erkennende Senat sieht von einer Aussetzung des Verfahrens zwecks Einholung einer Entscheidung des BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 GG ab. Nach dieser Vorschrift kommt eine Vorlage nur in Betracht, wenn ein Gericht ein entscheidungserhebliches Gesetz für verfassungswidrig hält. Die entscheidungserhebliche Norm (§ 10 Abs. 4b Satz 3 EStG) ist jedoch nicht verfassungswidrig.
101I. Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) liegt nicht vor (s.o. unter A. I. 3. c)).
102II. Die Vorschrift des § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG ist, entgegen der Auffassung der Kläger, nach Überzeugung des erkennenden Senats auch hinreichend bestimmt.
103So ist der Begriff Erstattungsüberhang in § 10 Abs. 4b Satz 2 EStG legal definiert als Unterschiedsbetrag zwischen den im Veranlagungszeitraum erstatteten (höheren) Aufwendungen und den geleisteten (niedrigeren) Aufwendungen bei den Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 bis 3a EStG. § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG bestimmt weiter, dass ein verbleibender Betrag des Erstattungsüberhangs dem Gesamtbetrag der Einkünfte, welcher wiederum in § 2 Abs. 3 EStG definiert ist, hinzuzurechen ist. Die Auffassung der Kläger, dass diese in der Vorschrift verwendeten Begrifflichkeiten zu unbestimmt seien, teilt der erkennende Senat vor diesem Hintergrund nicht.
104C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
105D. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen. Die Frage, ob die Hinzurechnung eines Kirchensteuererstattungsüberhangs auch insoweit erfolgt, als sich die Kirchensteuer im Zahlungsjahr steuerlich nicht (vollständig) ausgewirkt hat, ist bereits höchstrichterlich entschieden und das Gericht weicht von dieser Entscheidung nicht ab. Hinsichtlich der Frage der Gewährung einer Billigkeitsmaßnahme handelt es sich um die Anwendung feststehender Rechtsgrundsätze auf den Einzelfall.