Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
2Zwischen den Beteiligten ist strittig, ob die Rechtsvorgängerin der Klägerin (nachfolgend nur „Klägerin“) im Streitjahr 1997 betreffend die Veräußerung zahlreicher Kfz die Differenzbesteuerung gemäß § 25a des Umsatzsteuergesetzes in der im Streitzeitraum geltenden Fassung (UStG) anwenden durfte.
3Die Klägerin, eine GmbH, betrieb im Streitjahr 1997 in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG (X GmbH & Co. KG) einen Handel mit Kraftfahrzeugen und eine Reparaturwerkstatt.
4Die Klägerin erwarb im Jahr 1997 von der Fa. F. C., (X-Str., X-Stadt, Deutschland) 326 Kfz für xxx DM, von der Fa. A. C. (Y-Str., Y-Stadt, Deutschland) 56 Kfz für xxx DM sowie 60 Kfz für xxx DM von der Fa. B. GmbH (Z-Str. Z-Stadt, Deutschland); insgesamt also 442 Kfz für xxx DM.
5Der Gesamtkaufpreis aus dem Ankauf der Fahrzeuge von der Firma F. C. in Höhe von xxx DM setzte sich aus dem Kauf von 202 Gebrauchtwagen je xxx DM (insgesamt xxx DM), 53 Gebrauchtwagen je xxx DM (insgesamt xxx DM), 15 Gebrauchtwagen je xxx DM (insgesamt xxx DM) und 56 Gebrauchtwagen je xxx DM (insgesamt xxx DM) zusammen. Von der Fa. A. C. erwarb die Klägerin zwei Fahrzeuge zu je xxx DM und 54 Fahrzeuge je xxx DM. Von der B.-GmbH kaufte die Klägerin 39 Fahrzeuge zu einem Preis von je xxx DM und 21 Fahrzeuge zu einem Preis von je xxx DM. Bei den Fahrzeugen handelte es sich überwiegend um Ford Fiesta, Ford Escort und Ford Ka. Die Fahrzeuge hatten teilweise fortlaufende Fahrgestellnummern.
6Die Firmen F. C., A. C. und B. GmbH wiesen in den Rechnungen an die Klägerin über die Fahrzeuge keine Umsatzsteuer gesondert aus. Die Rechnungen der Firma F. C. und der Firma A. C. enthielten jeweils den Vermerk „Fahrzeug ist differenzbesteuert nach § 25A USTG“, eine (exemplarische Rechnung) der B. GmbH den Vermerk „OHNE VORSTEUERABZUG, DA DIFFERENZBESTEUERUNG“.
7Die an die Verkäufer zu zahlenden Kaufpreise überwies die Klägerin auf Aufforderung der Verkäufer teilweise an die Firma D. in Spanien. Die Firmen F. C., A. C. und B.-GmbH erwarben ihrerseits die Fahrzeuge von der Fa. R. T., die ihren Sitz in A-Stadt (Deutschland) hatte. Der B.-GmbH sind nach den dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 23.4.2009 V R 53/07 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung – HFR – 2010, 284) zugrundeliegenden Feststellungen zunächst von einer spanischen Firma Fahrzeuge per Telefax vom 3.6.1997 als „Sonderangebot“ zum Kauf angeboten worden. Die B.-GmbH hat dann aber die Kfz von der Fa. R. T. erworben und Rechnungen über diese Fahrzeuge erhalten, in denen ausgeführt wurde, dass die Lieferung des jeweiligen Fahrzeugs der Differenzbesteuerung unterliege.
8Sämtliche Fahrzeuge, die die Klägerin von den Firmen F. C., A. C. und der B. GmbH im Jahr 1997 erworben hatte, waren zuvor von der Mietwagenfirma D. als Neuwagen vom Hersteller Ford gekauft und für ihre Vermietungsgesellschaften als Mietwagen genutzt worden.
9Die streitbefangenen Fahrzeuge sind nach den vorliegenden CMR-Frachtbriefen teilweise unmittelbar von Spanien nach V-Stadt (Deutschland) an den Sitz der Klägerin geliefert worden. Die von den Firmen F. C. und A. C. erworbenen Fahrzeuge sind im Auftrag der Inhaberin H. C. in Spanien bzw. Frankreich abgeholt und zur Klägerin verbracht worden.
10Beginnend im Februar 2000 führte das Finanzamt für Großbetriebsprüfung N-Stadt eine Außenprüfung bei der Klägerin durch. Ausweislich des Berichts über die Außenprüfung vom 28.7.2000, auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird, traf der Prüfer im Wesentlichen die folgenden Feststellungen: Für den Ankauf der Fahrzeuge von den Firmen F. C., A. C. und B. GmbH würden die Voraussetzungen für die Anwendung der Differenzbesteuerung nicht vorliegen. Die Fahrzeuge würden von der Fa. D. aus Spanien stammen und seien über Zwischenhändler weiterverkauft worden. Die Fa. D. habe diese Kfz als Neufahrzeuge von Ford erworben und für ihre Vermietungsgesellschaften eingesetzt. Somit seien diese Fahrzeuge nicht von Privatpersonen verkauft worden. Der Umsatz hätte von den Zwischenhändlern als innergemeinschaftlicher Erwerb versteuert werden müssen. Dieser Sachverhalt sei der Klägerin bekannt gewesen, da die Kaufpreise teilweise direkt nach Spanien überwiesen worden seien.
11Während der Außenprüfung stellte der Prüfer des Finanzamts für Großbetriebsprüfung N-Stadt mit Schreiben vom 20.7.2000 beim Bundesamt für Finanzen (zu einer anderen Prüfungsgeschäftsplan-Nr. als die der Außenprüfung bei der Klägerin) mit dem Betreff „Auskunft Sonderregelungen zur Differenzbesteuerung / Umsatzbesteuerung in Spanien“ Fragen zur Rechtslage in Spanien. Auf das Schreiben wird wegen der Einzelheiten verwiesen. Das Bundesamt für Finanzen bat die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland mit Schreiben vom 22.8.2000, auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird, um Amtshilfe zur Aufklärung von steuerlich relevanten Sachverhalten. Das Bundesamt für Finanzen teilte dem Finanzamt für Großbetriebsprüfung N-Stadt mit Schreiben vom 1.10.2002, auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird, die Antwort des spanischen Finanzministeriums mit. Danach gebe es im spanischen Umsatzsteuerrecht keine Sonderbesteuerung in Fällen der geschilderten Art. Nach den maßgeblichen Vorschriften müsse der Weiterverkäufer von Gebrauchtgütern die Güter von ganz bestimmten Personen erstanden haben. Diese Vorschrift schließe diejenigen Fahrzeuge aus dieser Regelung aus, die einem Vorbesitzer abgekauft worden seien, der vorsteuerabzugsberechtigt sei. So könne die Lieferung nicht in Anlehnung an die Vorschriften zu Gebrauchtgütern erfolgen, wenn der spanische Unternehmer die Fahrzeuge von vorsteuerabzugsberechtigten Vorbesitzern erstanden habe.
12Die Klägerin reichte am 19.11.1998 eine einen Erstattungsbetrag ausweisende Umsatzsteuererklärung für 1997 mit einer Umsatzsteuer in Höhe von xxx DM beim Beklagte ein. Der Beklagte stimmte der Erklärung durch Mitteilung vom 15.12.1998 zu. Der Beklagte änderte nach Maßgabe der Prüfungsfeststellungen unter dem 4.10.2000 den Umsatzsteuerbescheid für 1997 und setzte die Umsatzsteuer entsprechend höher fest. Die Klägerin legte gegen diesen Bescheid Einspruch u.a. mit der Begründung ein, dass bei der Festsetzung der Umsatzsteuer aus den Verkäufen der bisher differenzbesteuerten Fahrzeuge die Erlöse als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt worden seien. Jedoch sei aus diesem Entgelt noch die Umsatzsteuer herauszurechnen (xxx DM / 1,15 = xxx DM). Dadurch ergebe sich lediglich eine Erhöhung der Umsatzsteuer um xxx DM.
13Während des Einspruchsverfahrens teilte das Finanzamt für Großbetriebsprüfung N-Stadt der Klägerin mit Schreiben vom 1.2.2001 mit, dass nach den ihm bekannten Informationen, insoweit werde auf die Anlage zum Schriftsatz verwiesen, in 101 Fällen die verkauften Kfz neu seien, weil ihre Erstzulassung entweder weniger als 6 Monate zurückgelegen habe bzw. die Kfz weniger als 6.000 km zurückgelegt hätten.
14Dieser Auffassung widersprachen die damaligen steuerlichen Berater der Klägerin mit Schreiben vom 29.11.2000. Aus der als Anlage 1 zu diesem Schreiben übersandten Liste, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird, ergebe sich, dass die Kfz nicht neu seien. Zudem übersandten die steuerlichen Berater ein undatiertes „Kurzgutachten“ des Rechtsanwalts / Abogado L. M. „über die Frage der Besteuerung von Gebrauchtwagen, die in Spanien gekauft und nach Deutschland geliefert wurden“, auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird. In der Anlage 3 übersandten die steuerlichen Berater zudem eine anderthalbseitige Stellungnahme des Finanzamts A-Stadt an „Frau T. E.“ über die „Anwendung der Differenzbesteuerung auf aus dem Ausland eingeführte Kraftfahrzeuge“ mit dem Bezug: „Telefongespräch mit Ihnen am 4.6.1997“. Der Anlage 3 war zudem eine Rechnung („G.“ von „D. de Espana“ an „U. Car SL“) beigefügt, in dem die Fa. D. unter Ausweis von spanischer Umsatzsteuer über diverse Kfz abrechnet, wovon einige auch Kfz mit Fahrgestellnummern betreffen, die letztlich von der Klägerin erworben wurden.
15Das Einspruchsverfahren ruhte im Hinblick auf das beim hiesigen Gericht anhängig gewesene Klageverfahren der B.-GmbH gegen das Finanzamt T.-Stadt (Az.: 5 K 3453/04 U) und die anschließende Revision der B.-GmbH, die der BFH mit Urteil vom 23.4.2009 V R 53/07 (HFR 2010, 284) als unbegründet zurückwies. Das Finanzgericht habe zu Recht entschieden, dass die Lieferungen der Regelbesteuerung unterliegen würden, weil § 25a Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. b) UStG nicht anwendbar sei, wenn für die Vorlieferung an den Wiederverkäufer die Differenzbesteuerung zu Unrecht vorgenommen worden sei. Mit Schreiben vom 31.7.2018 teilte der Beklagte mit, dass die Voraussetzungen für ein Ruhen des Verfahrens nicht mehr gegeben seien und das Einspruchsverfahren fortzuführen sei.
16Der Beklagte setzte durch Umsatzsteuerbescheid vom 23.7.2019 die Umsatzsteuer für 1997 auf 688.288,35 € herab, indem er aus den Erlösen der Verkäufe der bisher differenzbesteuerten Fahrzeuge die Umsatzsteuer herausrechnete. Im Übrigen wies der Beklagte den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 7.11.2019 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, dass die Anwendung der Differenzbesteuerung schon deshalb in 101 Fällen nicht in Frage komme, weil es sich um innergemeinschaftliche Lieferungen von neuen Fahrzeugen gehandelt habe. Das seien alle Fahrzeuge, die nicht mehr als 6.000 km zurückgelegt hätten oder deren Erstinbetriebnahme im Zeitpunkt des Erwerbs nicht mehr als sechs Monate zurückliege. Zudem sei der Klägerin bekannt gewesen sei, dass es sich bei allen Vorlieferern jeweils um vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer gehandelt habe. Dieser Umstand ergebe sich insbesondere aus der Tatsache, dass die Erstzulassung für alle Kfz nur kurze Zeit vor dem Erwerb erfolgt sei und es sich um den Erwerb einer Vielzahl gleichartiger Kfz in kurzer Zeit mit zum Teil fortlaufenden Fahrgestellnummern gehandelt habe. Dass die Fahrzeuge von der Mietwagenfirma D. stammen würden, sei für die Klägerin erkennbar gewesen, da Überweisungen zur Zahlung der Lieferungen direkt nach Spanien getätigt worden seien. Es existierten auch Frachtbriefe über die direkte Warenbewegung der Kfz von der Fa. D. in Spanien an die Klägerin. Aus den ausgehändigten Fahrzeugpapieren habe sich der Umstand aufdrängen müssen, dass der ausländische Vorlieferant als Vermietungsunternehmer vorsteuerabzugsberechtigt gewesen sei. Bei der Anzahl der Fahrzeuge könne man auch davon ausgehen, dass Privatpersonen oder Kleinunternehmer als Zwischenhändler auszuschließen seien. Es sei damit offensichtlich gewesen, dass Zweifel an der Anwendung der Differenzbesteuerung bestehen würden, auch wenn die Lieferkette der Fahrzeuge nicht vollständig bekannt gewesen sei. Damit seien die Voraussetzungen für die Anwendung der Differenzbesteuerung nicht gegeben. Auch wenn im vorliegenden Fall der Klägerin keine Beteiligung an einer Steuerhinterziehung nachgewiesen worden sei, stehe der Verdacht der Unregelmäßigkeit im Raum. Das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 18.5.2017 C-624/15 in der Rechtssache (Rs.) Litdana sei danach nicht auf das vorliegende Verfahren übertragbar.
17Dagegen hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor, dass die Voraussetzungen des § 25a UStG vorliegen würden. Es dürfe unstreitig sein, dass sie, die Klägerin, Wiederverkäufer im Sinne des § 25a Nr. 1 Satz 1 UStG gewesen sei. Denn § 25a Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG definiere den Wiederverkäufer als jede Person, die gewerbsmäßig mit beweglichen körperlichen Gegenständen handele. Ebenso sei unstrittig, dass die Lieferungen im Gemeinschaftsgebiet stattgefunden hätten (vgl. § 25a Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 UStG). Der Wiederverkäufer könne für Lieferungen nach § 25a Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. b) UStG die Differenzbesteuerung anwenden, wenn bei der Lieferung an ihn die Differenzbesteuerung vorgenommen worden sei. In einem solchen Fall habe der Lieferant zwar eine Umsatzbesteuerung vorgenommen, habe diese Umsatzsteuer jedoch, wie es § 25a Abs. 6 Satz 1 UStG vorsehe, nicht offen in der Rechnung ausgewiesen. Sie habe daher von einer Nichtbelastung mit Umsatzsteuer ausgehen dürfen und bei der Weiterveräußerung die Differenzbesteuerung anwenden können. Die Ausführungen der Prüfer, nach denen es steuerschädlich sei, dass die Fahrzeuge nicht von einer Privatperson erworben worden seien, würden mithin an der Sache vorbeigehen und fänden weder im Gesetzestext noch in den Verwaltungsvorschriften eine Stütze.
18Die Anwendung der Differenzbesteuerung im Streitfall scheitere auch nicht an § 25a Abs. 7 Nr. 1 Buchst. b) UStG. Denn nach dieser Vorschrift seien nur neue Fahrzeuge im Sinne des § 1b Abs. 2 und 3 UStG von der Anwendbarkeit der Differenzbesteuerung ausgenommen. Dies sei aber bei keinem der von ihr erworbenen Fahrzeuge der Fall gewesen.
19Der Erwerb im Wege der Differenzbesteuerung aus Spanien sei durch eine Sonderregelung im spanischen Umsatzsteuerrecht ermöglicht worden. Ausweislich eines Kurzgutachtens des Rechtsanwalts und Steuerberaters / Abogado L. M. zum spanischen Umsatzsteuerrecht, auf das sie verweise, räume diese Sonderregelung, Art. 135 des spanischen Umsatzsteuergesetzes, Unternehmern die Möglichkeit ein, von der Differenzbesteuerung Gebrauch zu machen. Gemäß Art. 120 des spanischen Umsatzsteuergesetzes sei diese Regelung freiwilliger Natur, mithin könne der Unternehmer entscheiden, ob er im Wege des innergemeinschaftlichen Erwerbs oder der Differenzbesteuerung liefere. Dementsprechend sei vom Finanzamt A-Stadt die Auskunft erteilt worden, dass ein im Inland ansässiger Wiederverkäufer die Differenzbesteuerung anwenden könne, wenn der Lieferant im Ausland nicht steuerbefreit geliefert habe. In einem solchen Fall bestünden keine Bedenken gegen die Anwendung der Differenzbesteuerung durch den Erwerber im Inland.
20Unverständlich bleibe zudem der Hinweis der Prüfer, sie, die Klägerin, habe aufgrund geleisteter Überweisungen nach Spanien gewusst, dass der Erwerb der Fahrzeuge durch Zwischenhändler als innergemeinschaftlicher Erwerb zu behandeln gewesen sei. Zum einen sei unklar, welchen Einfluss das Wissenselement hinsichtlich der Herkunft der Fahrzeuge auf den Tatbestand haben solle, zum anderen habe sie Kenntnis von der übermittelten Auskunft des Finanzamts A-Stadt gehabt. Dieser Auskunft zufolge habe die Differenzbesteuerung Anwendung finden können, wenn die Lieferanten aus Spanien nicht steuerbefreit geliefert hätten. Letztlich habe sie auch nicht die Eingangsrechnungen der spanischen Lieferanten einsehen können, um festzustellen, ob sich dort der Hinweis „IVA incluido“ befunden habe.
21Zudem könne dahinstehen, inwieweit die diskutierte „Sonderregel“ im spanischen Umsatzsteuerrecht tatsächlich bestanden habe. Diese Frage sei unerheblich, da sie unabhängig von einer möglicherweise nicht korrekten Anwendung der Differenzbesteuerung auf einer Vorstufe die Differenzbesteuerung für die von ihr ausgeführten Leistungen in Anspruch nehmen könne. Diese Auffassung werde durch die EuGH-Entscheidung vom 18.5.2017 C-624/15 (HFR 2017, 661) in der Rs. Litdana gestützt. In diesem Verfahren sei strittig gewesen, inwieweit der Vorlieferant bzw. einer der Vorlieferanten zu Recht die Differenzbesteuerung in Anspruch genommen habe. Sie, die Klägerin, habe nur die Rechnungen ihres Verkäufers zur Verfügung gehabt. Zu der Besteuerung der auf den Vorstufen durchgeführten Lieferungen hätten ihr keinerlei Unterlagen oder Informationen vorgelegen. Ebenso habe aus ihrer Sicht auch keinerlei Notwendigkeit bestanden, Unterlagen oder Informationen bezüglich der durchgeführten Besteuerung der Lieferungen von ihren Lieferanten oder weiteren Vorstufen einzufordern. Sie habe auf die ihr vorliegenden Rechnungen vertraut und vertrauen können. In dem der EuGH-Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalten hätten die Rechnungen, die Litdana von Handicare Auto erhalten habe, Angaben sowohl zur Differenzbesteuerung als auch zur Mehrwertsteuerbefreiung enthalten. Die Rechnungen, die sie von der Firma F. C. erhalten habe, enthielten ausschließlich den Hinweis, dass die Lieferungen seitens der Vorlieferanten der Differenzbesteuerung unterworfen worden seien. Hier bestehe im Gegensatz zum EuGH-Fall überhaupt kein Anhaltspunkt dafür, dass sie habe erkennen können, dass auf einer Vorstufe (genauer gesagt drei Geschäftsvorfälle zuvor) die Differenzbesteuerung gegebenenfalls nicht hätte angewandt werden dürfen. Sie habe weder von den Besteuerungsformen der Lieferungen auf den Vorstufen noch von den Beteiligten im Detail Kenntnis gehabt. Daher könne auch nicht unterstellt werden, dass sie hätte wissen müssen, dass die Differenzbesteuerung auf einer Vorstufe ggf. nicht hätte angewandt werden dürfen. Sie habe die Differenzbesteuerung daher bei der Weiterveräußerung der Kfz zu Recht angewandt.
22Entgegen der Ansicht des Beklagten sei sie zum Zeitpunkt des Erwerbs gutgläubig gewesen und habe alle ihr zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um sicherzustellen, dass der von ihr getätigte Umsatz nicht zu einer Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führe. Es habe keine Notwendigkeit bestanden, Unterlagen oder Informationen bezüglich der durchgeführten Besteuerung der Lieferungen an ihren Lieferanten oder bezüglich weiteren Vorstufen einzufordern. Es sei zudem bis heute seitens des Beklagten nicht abschließend dargelegt worden, ob und wenn ja, auf welcher der vorangegangenen Lieferstufen die Differenzbesteuerung tatsächlich nicht angewandt worden sei. Der Sachvortrag des Beklagten stütze sich ausschließlich auf die Annahme, dass die Differenzbesteuerung auf (einer) der vorangegangenen Lieferstufen nicht habe angewandt werden dürfen.
23Entgegen der Auffassung des Beklagten könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass ihr die gesamte Lieferkette aufgrund der teilweisen Zahlungen an D. in Spanien bekannt gewesen sei. Ihr sei nur bekannt gewesen, dass die Lieferungen von D. in Spanien stammen würden. Die weiteren Zwischenhändler seien ihr zum Zeitpunkt der Lieferung und zum Zeitpunkt der Anwendung der Differenzbesteuerung nicht bekannt gewesen. Auch die Ausführungen des Beklagten, dass ihr die gesamte Lieferkette aus den ausgehändigten Fahrzeugpapieren bekannt gewesen sei und sich somit der Umstand habe aufdrängen müssen, dass es sich um vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer handele, würden nicht zu überzeugen vermögen. Aus ausländischen Fahrzeugpapieren sei nicht immer zu erkennen, ob die Kfz zuvor auf ausländische vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer zugelassen gewesen seien. Dies gelte insbesondere auch in Anbetracht der möglicherweise vorliegenden sprachlichen Barrieren. Darüber hinaus sei anzumerken, dass durchaus Lieferanten (sowohl Unternehmer im umsatzsteuerlichen Sinne als auch Nichtunternehmer o.ä.) in die Lieferkette bezüglich der Lieferung eines Gebrauchtwagens eingebunden gewesen sein könnten, ohne dass sich dies in den Fahrzeugpapieren zwingend wiederfinde.
24Insbesondere dränge sich in diesem Zusammenhang auch die Frage nach dem Umfang ihrer Prüfungspflicht aufgrund der Länge der Lieferkette und des Grenzübertritts auf. Die Aufklärung der Frage, ob es in Spanien – auf Grundlage der im Streitjahr geltenden Gesetzesgrundlage – eine Sonderregelung gegeben habe, welche die Anwendbarkeit der Differenzbesteuerung für Lieferungen auf den Vorstufen ermöglicht habe, habe mehr als zwei Jahre in Anspruch genommen. Bei der Klärung dieser Frage seien eine Vielzahl von steuerlichen Experten – bis hin zum Bundesamt für Finanzen – hinzugezogen worden. Eine solche Prüfungstiefe könne nicht von einem Steuerpflichtigen verlangt werden. Letztlich sei die Frage, ob die Differenzbesteuerung für die Lieferungen an die Klägerin zu Recht in Anspruch genommen worden sei – wie ausführlich dargelegt – aber auch entscheidungsunerheblich.
25Zudem sei zu erwähnen, dass die von dem Beklagten angeführte Entscheidung des BFH vom 23.4.2009 V R 52/07 mit der neueren Rechtsprechung des EuGH hinfällig geworden sein dürfte.
26Mit richterlicher Verfügung vom 25.4.2023 hat der Berichterstatter darauf hingewiesen, dass die Frage der Anwendung der Grundsätze des EuGH-Urteils vom 16.5.2017 C-624/15, Rs. Litdana möglicherweise nicht im Festsetzungsverfahren, sondern in einem gesonderten Billigkeitsverfahren zu entscheiden sei. In der Folge hat die Klägerin den Erlass der durch Bescheid vom 23.7.2019 festgesetzten Umsatzsteuern einschließlich Zinsen beantragt. Mit Bescheid vom 25.1.2024 hat der Beklagte den Erlassantrag abgelehnt. Zur Begründung führte er im Wesentlichen unter Wiederholung der Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vom 7.11.2019 aus, dass ein sachlicher Billigkeitsgrund nicht gegeben und zu einem persönlichen Billigkeitsgrund nichts vorgetragen sei. Den dagegen erhobenen Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 16.2.2024 als unbegründet zurück. Die dagegen erhobene Klage 5 K 551/24 hat der erkennende Senat mit Beschluss vom 22.3.2024 mit diesem Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
27Mit Schriftsätzen vom 3.4.2024 und vom 24.5.2024 hat die Klägerin ihren Vortrag zudem dahingehend ergänzt, dass sie und der Beklagte unstrittig davon ausgehen würden, dass sämtliche in diesem Verfahren streitgegenständlichen Kfz im Jahr 1997 auch durch sie veräußert worden seien. Es gebe keinen Streit in Bezug auf die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage, die im Erfolgsfalle der Klage wie beantragt zu reduzieren sei. In Bezug auf die aufgeworfene Frage, ob einige der veräußerten Kfz neu i. S. von § 1b Abs. 3 Nr. 1 UStG gewesen seien, könne sie aus eigenen Unterlagen keine sicheren Angaben mehr machen.
28Zudem habe ihr vormaliger steuerlicher Berater mit Schriftsatz vom 29.11.2000 dargelegt, dass keine der von der Klägerin erworbenen Fahrzeuge neu i. S. des § 1b Abs. 3 Nr. 1 UStG gewesen seien. Außerdem habe sie Kfz von den Firmen F. C., A. C. und B. GmbH erworben. Nach § 25a Abs. 7 Nr. 1 Buchst. b) UStG sei nur die innergemeinschaftliche Lieferung von der Differenzbesteuerung ausgeschlossen, nicht aber der Erwerb von „neuen“ Kfz im Inland von einem anderen inländischen Unternehmen. Dies werde auch von Art. 311 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) nicht gefordert. Abschließend sei darauf hinzuweisen, dass – entgegen den Äußerungen des Berichterstatters im Erörterungstermin – ein Gutachten zum spanischen Umsatzsteuerrecht eingereicht worden sei, worauf sich ihr guter Glaube begründet habe.
29Die Klägerin beantragt,
30den Umsatzsteuerbescheid für 1997 vom 23.7.2019 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 7.11.2019 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer um xxx DM (xxx €) gemindert wird,
31hilfsweise, unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 25.1.2024 und der Einspruchsentscheidung vom 16.2.2024, den Beklagten zu verpflichten, betreffend die Umsatzsteuer 1997 einen Betrag i. H. von xxx DM (xxx €) einschließlich der darauf entfallenden Zinsen zu erlassen,
32äußerst hilfsweise, unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 25.1.2024 und der Einspruchsentscheidung vom 16.2.2024 den Beklagten zu verpflichten, den Erlassantrag unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden,
33sowie äußerst hilfsweise, die Revision zuzulassen.
34Der Beklagte beantragt,
35die Klage abzuweisen,
36hilfsweise, die Revision zuzulassen.
37Zur Begründung verweist er auf seine Einspruchsentscheidung und führt ergänzend aus, dass er weiterhin der Auffassung sei, dass die Klägerin die Differenzbesteuerung für die hier strittigen Fahrzeuge nicht anwenden dürfe. Es sei unstrittig, dass bei den Vorlieferanten die Voraussetzungen für die Differenzbesteuerung für die Lieferung von Fahrzeugen, die ursprünglich auf ein ausländisches Mietwagenunternehmen zugelassen gewesen seien, nicht vorgelegen hätten. Bei der Klägerin hätte sich zudem der Verdacht aufdrängen müssen, dass es sich bei allen Vorlieferanten um vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer gehandelt habe und sie daher die Differenzbesteuerung nicht hätten anwenden dürfen. Das gelte auch dann, wenn ihr nicht die vollständige Lieferkette aus den ausgehändigten Fahrzeugpapieren bekannt gewesen sei. Hinzu komme, dass sich die Klägerin nicht in einer langjährigen Geschäftsbeziehung mit den oben aufgeführten Firmen befunden habe. Sie hätte daher genauer prüfen müssen, ob die Voraussetzungen für die Differenzbesteuerung vorgelegen hätten. Daher könne nicht von einem gutgläubigen Erwerb ausgegangen werden. Das EuGH-Urteil vom 18.5.2017 C-624/15 in der Rs. Litdana sei aus diesem Grund nicht anwendbar.
38Es greife zudem das BFH-Urteil vom 23.4.2009 V R 53/07 ein, aus dem hervorgehe, dass ein Wiederverkäufer die Differenzbesteuerung nach § 25a Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. b) UStG für die Weiterveräußerung eines Gegenstandes nicht beanspruchen könne, wenn er den Gegenstand von einem Unternehmer erworben habe, der für diese Lieferung zu Unrecht die Differenzbesteuerung angewendet habe.
39Am 28.5.2024 ist vor dem erkennenden Senat mündlich verhandelt worden. Ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung, auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird, haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin darauf hingewiesen, dass die Bestätigung des Finanzamtes A-Stadt, dass die Differenzbesteuerung Anwendung finde, bereits im Rahmen der Vertragsverhandlungen mit der Firma R. T. eingeholt worden sei. Dies sei das einzige amtliche Dokument, das 1997 bei den Liefervorgängen vorgelegen habe. Weiterhin habe auf allen Vorstufen der Lieferkette eine Umsatzbesteuerung stattgefunden, zumindest sei nichts Gegenteiliges festgestellt worden. Schließlich sei zu präzisieren, dass sich der gute Glaube der Klägerin auf die Äußerungen des Finanzamtes A-Stadt stütze. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin tragen weiter vor: Im Hinblick auf die Bestätigung des Finanzamtes A-Stadt ergebe sich durch die Aufnahme in die Steuerakte, dass sich das Dokument auf den streitigen Fall beziehe.
40Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Gerichtsakte und die vom Beklagten übersandten Verwaltungsvorgänge verwiesen.
41Entscheidungsgründe
42I. Die Klage ist unbegründet.
43Der Umsatzsteuerbescheid für 1997 vom 23.7.2019 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 7.11.2019 sowie der Ablehnungsbescheid vom 25.1.2024 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 16.2.2024 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –). Der Beklagte hat die Lieferungen der Klägerin zu Recht der Regelbesteuerung und nicht der Differenzbesteuerung gemäß § 25a UStG unterworfen (1.) sowie ermessensfehlerfrei den Erlass der Umsatzsteuer einschließlich Zinsen abgelehnt (2.).
441. Die Lieferung beweglicher körperlicher Gegenstände unterliegt bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 25a Abs. 1 UStG der sog. Differenzbesteuerung.
45a) Nach § 25a Abs. 1, Abs. 7 UStG in der im Streitjahr geltenden Fassung gilt:
46„(1) Für die Lieferungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 3 und den Eigenverbrauch im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchstabe a von beweglichen körperlichen Gegenständen gilt eine Besteuerung nach Maßgabe der nachfolgenden Vorschriften (Differenzbesteuerung), wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind: 1. Der Unternehmer ist ein Wiederverkäufer. Als Wiederverkäufer gilt, wer gewerbsmäßig mit beweglichen körperlichen Gegenständen handelt oder solche Gegenstände im eigenen Namen öffentlich versteigert.
472. Die Gegenstände wurden an den Wiederverkäufer im Gemeinschaftsgebiet geliefert. Für diese Lieferung wurde
48a) Umsatzsteuer nicht geschuldet oder nach § 19 Abs. 1 nicht erhoben oder
49b) die Differenzbesteuerung vorgenommen.
503. Die Gegenstände sind keine Edelsteine (aus Positionen 71.02 und 71.03 des Zolltarifs) oder Edelmetalle (aus Positionen 71.06, 71.08, 71.10 und 71.12 des Zolltarifs).
51(7) Es gelten folgende Besonderheiten:
521. Die Differenzbesteuerung findet keine Anwendung
53a) auf die Lieferungen und den Eigenverbrauch eines Gegenstandes, den der Wiederverkäufer innergemeinschaftlich erworben hat, wenn auf die Lieferung des Gegenstandes an den Wiederverkäufer die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen im übrigen Gemeinschaftsgebiet angewendet worden ist,
54b) auf die innergemeinschaftliche Lieferung eines neuen Fahrzeugs im Sinne des § 1b Abs. 2 und 3.
552. Der innergemeinschaftliche Erwerb unterliegt nicht der Umsatzsteuer, wenn auf die Lieferung der Gegenstände an den Erwerber im Sinne des § 1a Abs. 1 die Differenzbesteuerung im übrigen Gemeinschaftsgebiet angewendet worden ist.
563. Die Anwendung des § 3c und die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 4 Nr. 1 Buchstabe b, § 6a) sind bei der Differenzbesteuerung ausgeschlossen.“
57b) Die Differenzbesteuerung beruht gemeinschaftsrechtlich auf der Sonderregelung für steuerpflichtige Wiederverkäufer nach Art. 26a Teil B Abs. 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Diese Bestimmung hat folgenden Wortlaut:
58"Lieferungen im Sinne von Absatz 1 sind Lieferungen von Gebrauchtgegenständen, Kunstgegenständen, Sammlungsstücken oder Antiquitäten durch einen steuerpflichtigen Wiederverkäufer, wenn ihm diese Gegenstände innerhalb der Gemeinschaft geliefert werden
59- von einem Nichtsteuerpflichtigen oder
60- von einem anderen Steuerpflichtigen, sofern die Lieferung des Gegenstands durch diesen anderen Steuerpflichtigen gemäß Artikel 13 Teil B Buchstabe c) von der Steuer befreit ist, oder
61- von einem anderen Steuerpflichtigen, sofern für die Lieferung des Gegenstands durch diesen anderen Steuerpflichtigen die Steuerbefreiung nach Artikel 24 gilt und es sich dabei um ein Investitionsgut handelt, oder
62- von einem anderen steuerpflichtigen Wiederverkäufer, sofern die Lieferung des Gegenstands durch diesen anderen steuerpflichtigen Wiederverkäufer gemäß dieser Sonderregelung mehrwertsteuerpflichtig ist."
63c) Für die Anwendung der Differenzbesteuerung auf Lieferungen des Wiederverkäufers kommt es nach § 25a Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. b) UStG darauf an, dass für die Lieferung an den Wiederverkäufer die „Differenzbesteuerung vorgenommen“ wurde. Die Vornahme der Differenzbesteuerung setzt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 23.4.2009 V R 52/07, Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFHE – 226, 123, Bundessteuerblatt – BStBl – II 2009, 860), der sich der erkennende Senat anschließt, voraus, dass die Lieferung an den Wiederverkäufer die gesetzlichen Voraussetzungen des § 25a Abs. 1 Nr. 1 bis 3, Abs. 7 UStG erfüllt. Es reicht nicht aus, dass die Lieferung an den Wiederverkäufer nur faktisch als der Differenzbesteuerung unterliegend behandelt wurde.
64d) Die Lieferungen der Klägerin unterliegen nicht der Differenzbesteuerung, da die Lieferungen an die Klägerin den Voraussetzungen des § 25a Abs. 1 Nr. 2 UStG nicht genügten (aa)). Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, dass sie gutgläubig in Bezug auf die Voraussetzungen der Differenzbesteuerung gewesen sei (bb)).
65aa) Die Klägerin hat sämtliche in diesem Verfahren strittigen Kfz von anderen zum Vorsteuerabzug berechtigten Unternehmern erworben, ohne dass für diese Lieferungen die Umsatzsteuer nicht geschuldet oder nach § 19 Abs. 1 nicht erhoben oder rechtmäßig die Differenzbesteuerung vorgenommen wurde.
66Die Klägerin hat die in diesem Verfahren strittigen Kfz von der Fa. F. C.(326 Kfz), von der Fa. A. C. (56 Kfz) sowie von der Fa. B. GmbH (60 Kfz) erworben. Diese Firmen und der Vorlieferer, also die Fa. R. T. sowie die Firmen, von denen dieser Zwischenhändler seinerseits die Kfz erworben hatte, letztlich die Fa. D. in Spanien, die ihrerseits die Kfz bei Ford erworben hatte, sind allesamt zum Vorsteuerabzug berechtigte Unternehmen, die weder Kleinunternehmer i. S. des §19 UStG waren noch rechtmäßig die Differenzbesteuerung vorgenommen haben. Diese Lieferkette wurde von der Außenprüfung festgestellt und von der Klägerin nicht bestritten. Sie entspricht – jedenfalls in Bezug auf die über die B. GmbH erworbenen Fahrzeuge – den Feststellungen der Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Münster (Urteil vom 25.4.2007 5 K 3443/04 U, juris) sowie den Feststellungen der Entscheidung des BFH (Urteil vom 23.4.2009 V R 52/07, BFHE 226, 123, BStBl II 2009, 860). Danach handelt es sich bei dem Vorlieferer R. T. und allen anderen Vorlieferern in der Leistungskette um der Regelbesteuerung unterliegende Unternehmen. Für die Lieferungen dieser Unternehmer kann daher nicht angenommen werden, dass weder „Umsatzsteuer nicht geschuldet“ noch „nach § 19 Abs. 1 UStG nicht erhoben“ wurde. Entsprechend den Vorgaben der BFH-Rechtsprechung, die vom erkennenden Senat geteilt wird, liegen die Voraussetzungen der Differenzbesteuerung damit nicht vor.
67Vor dem Hintergrund des Vorstehenden ist nicht entscheidungserheblich, ob die Differenzbesteuerung auf einer vorhergehenden Stufe der Lieferkette in Bezug auf 101 Kfz aus einem weiteren Grund nicht angewandt werden konnte. Nach § 25a Abs. 7 Nr. 1 Buchst. b) UStG i. V. mit § 1b Abs. 2, Abs. 3 UStG kann die Differenzbesteuerung nicht auf die innergemeinschaftliche Lieferung eines neuen Fahrzeugs Anwendung finden. Nach § 1b Abs. 3 UStG gilt für die hier relevanten „Landfahrzeuge“, dass diese als neu gelten, wenn sie nicht mehr als 6.000 Kilometer zurückgelegt haben oder wenn die erste Inbetriebnahme im Zeitpunkt des Erwerbs nicht mehr als sechs Monate zurückliegt. Bei 101 der Kfz ist nach der von den vormaligen steuerlichen Beratern der Klägerin mit Schreiben vom 29.11.2000 eingereichten und vom Finanzamt für Großbetriebsprüfung N-Stadt geprüften Liste die Fahrleistung im Zeitpunkt des Erwerbs des jeweiligen Kfz unter 6.000 km gewesen bzw. die Erstzulassung hat nicht mehr als sechs Monate zurückgelegen. Soweit der Vorlieferant, die Fa. R. T., diese neuen Fahrzeuge innergemeinschaftlich erworben hat, hätte dieser also aus diesem weiteren Grund rechtmäßig nicht die Differenzbesteuerung anwenden dürfen. Die Unrechtmäßigkeit der Anwendung der Differenzbesteuerung setzt sich in der Kette fort, da in Bezug auf diese Kfz auch jeder weitere Lieferer in der Lieferkette die Differenzbesteuerung nicht anwenden durfte, da § 25a Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b) UStG jeweils die rechtmäßige Anwendung der Differenzbesteuerung des Vorlieferers meint. Zudem hat die Klägerin – trotz Aufforderung durch das Gericht – den Sachverhalt nicht näher aufgeklärt, obwohl sie für die Rechtmäßigkeit der Differenzbesteuerung des Vorlieferers und damit für die Frage, ob es sich um „neue Kfz“ handelt, die Feststellungslast trifft.
68bb) Nach Auffassung des Senats kann auch nicht aus Vertrauensschutzgründen das Vorliegen der Voraussetzungen der Differenzbesteuerung fingiert werden.
69(1) Der EuGH hat im Urteil in der Rs. Litdana vom 18.5.2017 C-624/15 (HFR 2017, 661) ausgeführt, dass Art. 314 MwStSystRL dahingehend auszulegen ist, dass er es den zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats verwehrt, einem Steuerpflichtigen, der eine Rechnung mit Angaben sowohl zur Differenzbesteuerung als auch zur Befreiung von der Mehrwertsteuer erhalten hat, das Recht zur Anwendung der Differenzbesteuerung zu versagen, selbst wenn eine spätere Prüfung dieser Behörden ergibt, dass der steuerpflichtige Wiederverkäufer, der die Gebrauchtgegenstände geliefert hatte, die Differenzbesteuerung auf die Lieferung dieser Gegenstände in Wirklichkeit nicht angewandt hatte, es sei denn, die zuständigen Behörden weisen nach, dass der Steuerpflichtige nicht in gutem Glauben gehandelt hat oder nicht alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt.
70Der EuGH konkretisiert, dass es wesentlich von den jeweiligen Umständen abhängt, welche Maßnahmen im konkreten Fall vernünftigerweise von einem Steuerpflichtigen, der ein durch die Mehrwertsteuersystemrichtlinie gewährtes Recht ausüben möchte, verlangt werden können, um sicherzustellen, dass seine Umsätze nicht in einen von einem Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden Umsatzstufe begangenen Betrug einbezogen sind. Liegen Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten oder Steuerhinterziehung vor, kann ein verständiger Wirtschaftsteilnehmer nach den Umständen des konkreten Falles verpflichtet sein, über einen anderen Wirtschaftsteilnehmer, von dem er Gegenstände oder Dienstleistungen zu erwerben beabsichtigt, Auskünfte einzuholen, um sich von dessen Zuverlässigkeit zu überzeugen. Die Steuerverwaltung kann jedoch von dem Steuerpflichtigen, der sein Recht auf Anwendung der Differenzbesteuerung ausüben möchte, nicht generell verlangen, zum einen insbesondere zu prüfen, ob der Aussteller der Rechnung über die Gegenstände, für die dieses Recht geltend gemacht wird, seinen Verpflichtungen hinsichtlich der Erklärung und Abführung der Mehrwertsteuer nachgekommen ist, um sich zu vergewissern, dass auf der Ebene der Wirtschaftsteilnehmer einer vorhergehenden Umsatzstufe keine Unregelmäßigkeiten oder Steuerhinterziehung vorliegen, oder zum anderen entsprechende Unterlagen vorzulegen (vgl. EuGH-Urteil vom 18.5.2017 C-624/15, Litdana, HFR 2017, 661, Rn. 38 - 40).
71(2) Im Streitfall hat die Klägerin auf keiner schützenswerten Vertrauensgrundlage agiert. Für den Senat ist nicht erkennbar, dass die Klägerin in gutem Glauben gehandelt und alle Maßnahmen ergriffen hat, die vernünftigerweise von ihr verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihr getätigte Umsatz nicht zu einer Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt. Entgegen der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung der Klägerin, dass auf allen Vorstufen der Lieferkette eine Umsatzbesteuerung stattgefunden habe und zumindest nichts Gegenteiliges festgestellt worden sei, steht nach Auffassung des erkennenden Senats fest, dass die Firma D., die die Kfz von Ford erworben hat, und selbst Vorsteuern beim Erwerb abgezogen hat, diese Kfz unter Ausweis von Umsatzsteuer weiterveräußert hat. Dies ergibt sich aus der von den vormaligen steuerlichen Beratern der Klägerin selbst vorgelegten Rechnung der Fa. D.. In der nachfolgenden Veräußerung der Kfz in der Lieferkette unter Abzug der in Rechnung gestellten Vorsteuer bei gleichzeitiger Anwendung der Differenzbesteuerung für den Ausgangsumsatz liegt eine Umsatzsteuerhinterziehung, von der die Klägerin ausgehen musste, wenn sie davon Kenntnis hatte oder hätte wissen müssen, dass alle Lieferanten in der Leistungskette zum Vorsteuerabzug berechtigte Unternehmer waren und in Bezug auf die veräußerten Kfz die Differenzbesteuerung nicht anwenden durften.
72Hiervon ist der erkennende Senat überzeugt. Zum einen stand die Klägerin mit ihren unmittelbaren Ankäufern nicht in einer langjährigen Geschäftsbeziehung. Vielmehr war das Gegenteil der Fall. Zudem war der Klägerin bekannt, dass der Vorlieferer, die Fa. R. T. erst kurz vor dem Ankauf der Kfz gegründet wurde. Des Weiteren handelt es sich im Streitfall um den Erwerb einer Vielzahl gleichartiger Kfz in kurzer Zeit mit zum Teil fortlaufenden Fahrgestellnummern. Dass die Fahrzeuge von der Mietwagenfirma D. stammten, war für die Klägerin erkennbar, da Überweisungen zur Zahlung der Lieferungen direkt nach Spanien getätigt wurden. Es existierten auch Frachtbriefe über die direkte Warenbewegung der Kfz von der Fa. D. in Spanien an die Klägerin. Die Klägerin hat insoweit sogar selbst vorgetragen, dass ihr bekannt gewesen sei, dass die Fa. D. sämtliche Fahrzeuge geliefert habe. Zudem ist aus den ausgehändigten Fahrzeugpapieren erkennbar gewesen, dass die Fa. D. als ausländischer Vorlieferant als Vermietungsunternehmer und alle weiteren Lieferanten in der Lieferkette vorsteuerabzugsberechtigt gewesen sind. Insbesondere musste die Klägerin bereits durch die Anzahl der veräußerten Fahrzeuge davon ausgehen, dass Privatpersonen oder Kleinunternehmer als Zwischenhändler auszuschließen sind. Jede Veräußerung von Kfz in dieser Stückzahl wäre für jeden zwischengeschalteten Lieferanten unternehmensbegründend nach Maßgabe der Regelbesteuerung gewesen. Und dass Zwischenhändler von Privaten derartig viele gleichartige Kfz, gleicher Marke, gleichen Typs mit teils fortlaufenden Fahrgestellnummern erworben haben, ist in einem Maße unwahrscheinlich, dass sich der Klägerin hätte aufdrängen müssen, dass für die Lieferungen die Differenzbesteuerung nicht in Anspruch genommen werden konnte.
73(3) Soweit sich die Klägerin darauf beruft, sie habe darauf vertraut, dass im Streitzeitraum in Spanien eine umsatzsteuerliche Sonderregelung existiert habe, die die Anwendung der Differenzbesteuerung ermöglicht habe, handelt es sich hierbei nicht um einen vertrauensschutzbegründenden Umstand. Hierbei kann der erkennende Senat dahingestellt lassen, ob es sich bei dem Irrtum über das anwendbare Recht, dem die Klägerin – nach eigenen Angaben – unterlegen war, überhaupt um eine schützenswerte Grundlage handeln kann. Denn bereits die tatsächlichen Grundlagen, die zur Überzeugungsbildung der Klägerin beigetragen haben, hätten hinterfragt werden müssen. Bei dem Kurzgutachten des Rechtsanwalts und Steuerberaters / Abogado L. M. zum spanischen Umsatzsteuerrecht handelt es sich im Wesentlichen lediglich um die Wiedergabe der spanischen umsatzsteuerlichen Vorschriften zur Differenzbesteuerung. Abgesehen davon, dass dieses Gutachten die Rechtsauffassung der Klägerin widerlegt bzw. zum konkreten Sachverhalt gar keine positive Aussage trifft, ist aufgrund des fehlenden Datums nicht einmal klar, ob dieses Gutachten vor der Lieferbeziehung vorgelegen hat, sodass darauf das Vertrauen der Klägerin nicht begründet werden konnte. Was das Schreiben des Sachbearbeiters des Finanzamts A-Stadt betrifft, handelt es sich ebenfalls nicht um einen vertrauensbegründenden Umstand. In formaler Hinsicht handelt es sich bei diesem Schreiben weder um eine Zusage noch um eine verbindliche Auskunft eines zuständigen Finanzamtsvertreters, die tatsächlich ausreichend hätten Vertrauen begründen können. Das Schriftstück ist zudem nicht an die Klägerin gerichtet. Völlig unklar und ganz wesentlich, um den vertrauensbegründenden Wert des Schreibens beurteilen zu können, ist allerdings die Kenntnis über den mitgeteilten Sachverhalt. Dieser fehlt vollständig. Ohne Kenntnis vom mitgeteilten Sachverhalt, ist es nicht möglich abzugleichen, ob die Folgerungen, die im Schreiben durch den Sachbearbeiter des Finanzamts A-Stadt gezogen wurden, überzeugend sind. Nach dem Schreiben des Finanzamts A-Stadt liest es sich auch vielmehr so, als ob der Finanzbeamte davon ausgegangen ist, dass in der vorrangehenden Lieferkette die Differenzbesteuerung zu Recht durchgeführt wurde, wofür einzig der ihm vorgelegte Beleg streitet, unter Auslassung aller weiteren tatsächlichen Umstände. Ein Rechtsgutachten einer für die umsatzsteuerliche Fragestellung qualifizierten Person vor Erwerb der Kfz, die sowohl die Tatsachengrundlage als auch entsprechende rechtliche Ausführungen auf den mitgeteilten Sachverhalt geben, hat die Klägerin gerade nicht eingeholt und vorgelegt.
74Der Klägerin kann daher kein Vertrauensschutz gewährt werden, wobei es im Streitfall nicht darauf ankommt, ob diese Entscheidung im Festsetzungsverfahren oder in dem zusätzlich angestrengten Billigkeitsverfahren zu treffen ist (vgl. hierzu FG Düsseldorf, Urteil vom 24.3.2021 5 K 1414/18 U, EFG 2021, 1948 m.w.N.).
752. Der Klägerin sind die in diesem Verfahren strittigen Umsatzsteuern einschließlich der damit zusammenhängenden Zinsen nicht zu erlassen.
76a) Nach § 163 Satz 1 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne die Steuer erhöhende Besteuerungsgrundlagen unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls aus sachlichen oder aus persönlichen Gründen unbillig wäre. Nach § 227 AO können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beträge erstattet oder angerechnet werden.
77b) Die nach §§ 163, 227 AO zu treffende Billigkeitsentscheidung ist eine Ermessensentscheidung der Finanzbehörde i.S. von § 5 AO, die grundsätzlich nur eingeschränkter gerichtlicher Nachprüfung unterliegt (§§ 102, 121 FGO). Sie kann im finanzgerichtlichen Verfahren nur dahingehend geprüft werden, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19.10.1971 GmS-OGB 3/70, BFHE 105,101, BStBl II 1972, 603). Stellt das Gericht eine Ermessensüberschreitung oder einen Ermessensfehler fest, ist es grundsätzlich auf die Aufhebung der angefochtenen Verwaltungsentscheidung beschränkt. Nur in den Fällen der sog. Ermessensreduzierung auf Null ist es befugt, seine Entscheidung an die Stelle der Ermessensentscheidung der Verwaltungsbehörde zu setzen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 14.3.2012 XI R 28/09, HFR 2012, 987 m.w.N.).
78c) Die Festsetzung einer Steuer ist aus sachlichen Gründen unbillig, wenn sie zwar dem Wortlaut des Gesetzes entspricht, aber den Wertungen des Gesetzes zuwiderläuft (vgl. BFH-Urteil vom 11.7.1996 V R 18/95, BFHE 180, 524, BStBl II 1997, 259). Das setzt voraus, dass der Gesetzgeber die Grundlagen für die Steuerfestsetzung anders als tatsächlich geschehen geregelt hätte, wenn er die zu beurteilende Frage als regelungsbedürftig erkannt hätte.
79d) Der erkennende Senat hat, wie unter I. 1. d) bb) dargelegt, festgestellt, dass die Klägerin nicht in gutem Glauben gehandelt und nicht alle ihr zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um sicherzustellen, dass die von ihr getätigten Umsätze nicht zu einer Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt. Nach Auffassung des erkennenden Senats ist die Versagung der Differenzbesteuerung auf die von der Klägerin gelieferten Kfz in 1997 daher unionsrechtskonform und stellt damit keinen sachlichen Billigkeitsgrund für den Erlass der Umsatzsteuer dar. Persönliche Billigkeitsgründe sind weder vorgetragen noch sonst für den Senat ersichtlich.
80e) Es liegen auch im Übrigen keine Ermessensfehler vor, weder in Form eines Ermessensnichtgebrauchs noch in Form eines Ermessensfehlgebrauchs oder einer Ermessensüberschreitung. Der Beklagte hat ausweislich der Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden erkannt, dass es sich bei §§ 163, 227 AO um Ermessensnormen handelt und er hat dieses Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Der Beklagte war im Rahmen der Bescheidung der Erlassanträge der Klägerin auch nicht gehalten, weitere Sachverhaltsermittlungen durchzuführen und darauf bezogene weitere Ermessenserwägungen anzustellen. Die Klägerin kann daher auch nicht mit Erfolg eine erneute Ermessensentscheidung des Beklagten erstreiten.
81II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
82III. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.