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Der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren Verlusts nach § 15a EStG für 2012 vom 11.10.2016 und die Einspruchsentscheidung vom 16.7.2019 werden dahingehend geändert, dass der außerordentliche Ertrag in Höhe von 925.064,40 € als steuerfreier Sanierungsertrag gemäß § 3a Abs. 1 Satz 1 EStG außer Ansatz bleibt.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
2Zwischen den Beteiligten ist strittig, ob die Voraussetzungen eines steuerfreien Sanierungsertrags gem. § 3a Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) aufgrund eines im Jahr 2012 ausgesprochenen Schuldenerlasses gegeben sind.
3Die in Rechtsform einer GmbH & Co. KG handelnde Klägerin betrieb ein Unternehmen im Bereich […]. Im Streitjahr 2012 waren die H Verwaltungs-GmbH als Komplementärin sowie T H und N N als Kommanditisten beteiligt. Geschäftsführer und Inhaber sämtlicher Geschäftsanteile der H Verwaltungs-GmbH ist U H, der in 2016 zudem die Kommanditanteile an der Klägerin von T H und N N übernahm. U H ist Architekt und war zudem Gesellschafter-Geschäftsführer der H Immobilien GmbH sowie der M GmbH.
4In der Bilanz der Klägerin auf den 31.12.2011 sind die Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten mit 1.258.164,05 € erfasst, während das Anlagevermögen (473.146,91 €) und das Umlaufvermögen (241.341,36 €) insgesamt 714.488,27 € betragen. Das Verlustausgleichskonto wurde mit dem Betrag von 595.518,96 € geführt. Der Umfang der flüssigen Mittel (Guthaben bei Kreditinstituten) betrug 0,00 €. Zinsen und ähnliche Aufwendungen wurden in der Gewinn- und Verlustrechnung für 2011 mit 35.339,03 € angegeben, während die sonstigen betrieblichen Erträge 23.734,94 € betrugen. Es wurde ein Verlust von 34.175,93 € festgestellt.
5In der Bilanz der Klägerin auf den 31.12.2012 ist das Anlagevermögen mit 463.196,91 € und das Umlaufvermögen mit 117.127,28 € ausgewiesen, während die Verbindlichkeiten nur noch 387.802,41 € betragen. In der Gewinn- und Verlustrechnung ist derJahresüberschuss mit 897.054,70 € angegeben, wobei darin außerordentliche Erträge i. H. von 925.064,40 € enthalten sind. Die Umsatzerlöse werden auf 27.629,47 € beziffert. Die Zinsaufwendungen weisen einen Betrag i. H. von 11.816,33 € auf. Die Bilanzansätze auf den 31.12.2013 betragen in Bezug auf das Anlagevermögen 453.246,91 € und 118.780,88 € in Bezug auf das Umlaufvermögen. Die Verbindlichkeiten valutieren auf 379.650,68 €. In der Gewinn- und Verlustrechnung ist der Jahresüberschuss mit 3.489,49 € angegeben, wobei sich die Umsatzerlöse auf 27.916,80 € belaufen und die Zinsaufwendungen nur noch 2.953,91 € betragen. Auch die Gewinn- und Verlustrechnungen der Folgejahre weisen ein positives Ergebnis aus, nämlich 4.866,55 € laut Jahresabschluss 2014 und 19.807,11 € für 2015.
6Die B Bank AG erließ gegenüber der Klägerin im Juli 2012 ihre drei Darlehen gegen eine Einmalzahlung von 20.000 €. Die Darlehen waren jeweils durch ein Beleihungsobjekt abgesichert, von denen bereits zwei verkauft waren. Bei dem verbliebenen Objekt handelte es sich um das ab 2012 zur Vermietung genutzte Objekt in der A-Str. 214 in C. Darüber hinaus verzichtete die Bank auf Sicherheiten (Bürgschaften) gegenüber U H. Gegenüber der X bestanden weiterhin Darlehensverbindlichkeiten der Klägerin, die nicht erlassen wurden. Die X verfügte in diesem Zusammenhang über eine vorrangige Grundsicherheit an dem Grundstück A-Str. 214 in C.
7Hinsichtlich des im Jahr 2012 erfolgten Erlasses von Verbindlichkeiten durch die B Bank AG reichte die Klägerin im Einspruchsverfahren sowie im Klageverfahren verschiedene Unterlagen zur Akte, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird.
8Im durch den Kläger zur Akte gereichten Schreiben vom 17.4.2008 führte die B Bank AG wie folgt aus:
9„Kreditengagement
10U H und T H
11H GmbH & Co.KG
12H Immobilien GmbH
13Gesprächsbestätigung des gemeinsamen Termins in unserer Zentrale in Y, B-Str. 15, vom 9. April 2008
14Sehr geehrter Herr H,
15wir nehmen Bezug auf das hier im Hause bestehende Kreditengagement und das heute zwischen Ihnen und unseren Herren … und … geführte Gespräch, hinsichtlich der Abwicklung des Kreditengagements und der Sanierungsabsicht. Hierbei wurden die nachfolgend genannten Punkte zwischen den Parteien vereinbart.
161.) Sie überlassen uns kurzfristig eine aktuelle Selbstauskunft von Ihnen und Frau
17T H. […]
185.) Objekt C-Str. 7, J:
19Aus dem Verkauf der Wohnungen 1, 5 und 6 haben wir einen Gesamtbetrag von € 145.984,00 erhalten, dieser wurde Ihrem Konto Nr. xxx1 gutgeschrieben. […]
206.) Objekt D-Str. 39, I:
21Die Ablösung durch die Bank O ist noch immer nicht abgeschlossen. Wie besprochen werden wir uns hier nochmals vermittelnd einschalten, damit die Ablösung nunmehr kurzfristig erfolgen kann.
227.) Objekt E-Str. 230, K
23Hier sind die drei Kaufverträge für die Wohnungen Nr. 14, 23 + 24 noch immer nicht abgewickelt. Es ist vereinbart, dass Sie nun umgehend die Rückabwicklung dieser Kaufverträge in die Wege leiten. […]
248.) Objekt A-Str. 214, C
25Auch hier ist der bestehende Kaufvertrag noch immer nicht abgewickelt. Wir erwarten, dass der Kaufpreis nunmehr bis zum 30. Juni 2008 gezahlt sein muss. Auch hier werden wir uns vermittelnd einschalten. […] Sollte auch diese Frist ohne Erledigung ablaufen, so erwarten wir, dass Sie dann auch für diesen Kaufvertrag die Rückabwicklung in die Wege leiten.
26Wir bitten um zeitnahe Erledigung der einzelnen Punkte. Bei Rückfragen steht Ihnen unser Herr … gerne zur Verfügung.“
27Mit Schreiben vom 7.3.2011 zum Betreff „Finanzierungsanfrage zum Bauvorhaben F-Str. in I“ führte die B Bank AG aus:
28„Sehr geehrter Herr H,
29zu ihrer obigen Anfrage teilen wir ihnen mit, dass wir aufgrund der laufenden Sanierungsverhandlungen bzw. der angedachten Vergleichslösung das Bauvorhaben derzeit nicht begleiten können.
30Sobald eine Vergleichslösung zustande gekommen ist, stehen wir gerne für Gespräche zu dem Finanzierungsbedarf ihrer geplanten Bauvorhaben zur Verfügung.“
31Datierend auf den 30.5.2011 hat der Notar Z unter der Urkunden-Rolle Nr. xxx/2011 folgende „Eidesstattliche Versicherung“ von U H beurkundet:
32„Ich habe der B Bank AG zu der Vertragsnummer xxx2 u.a. die als Anlage 1 in dieser Urkunde in Kopie beigefügte "Selbstauskunft" erteilt. Auf den Inhalt dieser Auskunft nehme ich hiermit Bezug und versichere, dass die in der Selbstauskunft gemachten Angaben vollständig und richtig sind. Meine finanzielle Situation hat sich im Übrigen seit November 2010 nicht wesentlich verbessert.“
33U H reichte einen auf den 27.10.2011 datierenden Aktenvermerk über ein Telefonat mit dem Zeugen P T von der B Bank AG zur Akte, aus dem hervorgeht, dass ein Sanierungsplan nicht für erforderlich gehalten werde, wenn die Bank über die Bemühungen zum Erreichen der Vergleichsvereinbarung – wie bisher – informiert werde.
34Im Schreiben vom 18.10.2011 führte die B Bank AG aus:
35„Sehr geehrter Herr H,
36wir nehmen Bezug auf obigen Vorgang und die gemeinsame Besprechung in Y vom 22.09.2011. Zwischenzeitlich haben Sie uns ein Großteil der damals besprochenen Unterlagen zur Verfügung gestellt, sodass wir Ihnen – unter ausdrücklichem Vorbehalt der abschließenden Genehmigung durch die Gremien – eine Vergleichsregelung unter folgenden Mindestbedingungen in Aussicht stellen können:
371. Wir erhalten bis zum 30.11.2011 (spätester Tag des Zahlungseingangs) eine auflagenfreie Vergleichszahlung von mindestens € 62.000,00 auf das Konto […] der Gesellschaft.
382. Im Vorfeld ist uns bis zum 17.11.2011 die schriftliche Finanzierungszusage vorzulegen, wonach die fristgemäße Zahlung des unter 1. genannten Betrags sichergestellt ist.
39Insbesondere die Finanzierungszusage gemäß 2. ist zwingende Voraussetzung, hier im Hause die notwendige Kompetenzträgerentscheidung herbeizuführen. Ein entsprechendes Vergleichsangebot unseres Hauses würde ihnen in diesem Fall im Anschluss unverzüglich zugehen.
40Im Rahmen des in Aussicht gestellten Vergleichsangebots stellen wir Ihnen – bei fristgemäßen Eingang der unter 1. genannten Zahlung und Erfüllung der weiteren Bedingungen – folgendes Entgegenkommen in Aussicht:
41a) Verzicht auf unsere nach Verrechnung der Vergleichszahlung von € 62.000,00 auf den Konten Nr. […] verbleibende Restforderung.
42b) Verzicht auf die uns noch zustehende Restforderung des Kontos Nr. […]
43c) Verzicht auf die uns noch zustehende Restforderung des Darlehenskontos Nr. […]
44d) Freigabe/Löschung der zu unseren Gunsten auf dem Beleihungsobjekt „A-Str. 214 in 00000 C“ lastenden Grundschuld.
45e) Freigabe sämtlicher sonstiger durch die H GmbH & Co. KG gestellten Sicherheiten und Freigabe der durch Herrn U H zugunsten der H GmbH & Co. KG übernommenen Bürgschaften.
46Der guten Ordnung halber weisen wir darauf hin, dass wir uns im Rahmen des noch abzuschließenden Vergleichs die Nachforderung von Bonitätsunterlagen der H GmbH & Co. KG vorbehalten. Dies gilt insbesondere für die Vorlage des Jahresabschlusses zum 31.12.2010 und einer aktuellen betriebswirtschaftlichen Auswertung für 2011 – beide Unterlagen unterzeichnet durch den erstellenden Steuerberater und den Geschäftsführer der Gesellschaft.
47Bei Zustandekommen und im Rahmen der Umsetzung der hiermit angedachten Vergleichslösung sind wir weiterhin grundsätzlich dazu bereit, die durch Herrn U H zugunsten der H Immobilien GmbH übernommenen Bürgschaften für die hier im Hause bestehende Finanzierung, Finanzierungsprojekt Nr. xxx3 (Beleihungsobjekt: E-Str. 230, K) ebenfalls freizugeben. Weitere Voraussetzung hierfür ist eine schriftliche Vereinbarung mit Herrn U H, dass er die Vermarktung der noch im Bestand der H Immobilien GmbH befindlichen Gesellschaften unterstützt und an eventuell abzuschließenden Kaufverträgen mitwirkt.
48Dieses Angebot ist vorerst befristet bis zum 17.11.2011. Bitte informieren Sie uns zeitnah über den Stand der laufenden Verhandlungen. […]“
49Mit Schreiben vom 9.5.2012 erklärte die B Bank AG gegenüber der Klägerin:
50„Sehr geehrter Herr H,
51wir nehmen Bezug auf obigen Vorgang und die zwischenzeitlich zwischen Ihnen und unserem Haus geführten Gespräche.
52Wir fassen zusammen, dass obige Darlehens- und Abwicklungskonten zum 31. Mai 2012 voraussichtlich einen Saldo von rund € 952.500,00 zu unseren Gunsten ausweisen.
53Ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht und im Hinblick auf ihre persönliche und wirtschaftliche Situation unterbreiten wir folgendes Angebot:
541. Spätestens bis zum 31.05.2012 leisten sie eine Einmalzahlung in Höhe von € 20.000,00 (in Worten: Euro zwanzigtausend) zur Ablösung der im Betreff genannten Darlehen. Falls diese Einmalzahlung nicht fristgemäß bei der Bank eingeht, behält sich die Bank das Recht vor, die vorliegende Vereinbarung für gegenstandslos zu erklären. In diesem Falle wird die ursprüngliche Forderung in voller Höhe aufrechterhalten. Die Bank ist weiterhin berechtigt wegen fälliger Forderungen Zwangsmaßnahmen zu betreiben.
552. Die Zahlung ist vorzunehmen z.G. des Kontos Nr. xxx4 in unserem Hause (B Bank AG in Y, BLZ …) und wird dort zur teilweisen Rückführung der Inanspruchnahme verwendet.
563. Nach Erledigung gemäß Ziffern 1. und 2. wird die Bank keine darüber hinausgehenden Forderungen aus den Konten […] gegen sie geltend machen und diese Konten schließen. Auf den nach Verrechnung des Geldeingangs auf den jeweiligen Konten verbleibenden Restsaldo wird die Bank verzichten.
574. Die der Bank als Sicherheit dienende Grundschuld ohne Brief über DEM 4.125.500,00 auf dem Objekt A-Str. 214 in 00000 C, eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts C […] Wird Zug um Zug gegen vorgenannte Zahlung gelöscht. Die für die Löschung anfallenden Notar- und Gerichtskosten werden von der Bank nicht übernommen und sind von Ihnen zu tragen.
585. Auch alle anderen Kosten, zu deren Übernahme sich die Bank nicht ausdrücklich bereit erklärt hat, werden nicht übernommen.
596. Aus den uns für obige Darlehen als zusätzliche Sicherheiten zur Verfügung stehenden Bürgschaften leitet die Bank nach Erfüllung und Umsetzung dieser Vereinbarung keinerlei Rechte und Ansprüche mehr her. […]
60Diese wirtschaftliche Lösung beruht insbesondere auf den von Ihnen gemachten Angaben und vorgelegten Bonitätsnachweisen zur finanziellen Situation der Gesellschaft und von Herrn U H persönlich (Basis: notarielle Urkunde Nr. xxx/2011 vom 30.5.2011 des Notars Z). Die Bank behält sich das Recht vor, von dieser Vereinbarung zurückzutreten, sofern sich nachträglich herausstellt, dass die der Bank gegenüber gemachten Angaben nicht den Tatsachen entsprechen.
61An dieses Angebot halten wir uns bis zum 25.05.2012 gebunden. Erst mit fristgerechtem Eingang der gegengezeichneten Vereinbarung kommt diese zustande.“
62Mit Schreiben – ebenfalls vom 9.5.2012 – führt die B Bank AG zudem aus:
63„Sehr geehrter Herr H,
64In der vorbezeichneten Angelegenheit nehmen wir Bezug auf unser heutiges Vergleichsangebot an die Firma H GmbH & Co. KG.
65Sie haben uns gegenüber diverse Bürgschaften für die Gesellschaft übernommen.
66Hiermit bestätigen wir Ihnen, dass wir bei Zustandekommen des Vergleichs und dessen fristgemäßer Erfüllung, insbesondere dem fristgemäßen Eingang der dort bedungenen Vergleichszahlung, keinerlei Rechte und Ansprüche aus diesen Bürgschaften mehr gegen Sie herleiten werden.
67Mit der Erfüllung der Vergleichsvereinbarung nehmen wir diese als erledigt zu den Akten. […]“
68Im Schreiben der B Bank AG vom 15.8.2012 mit dem Betreff „Kreditmanagement der H GmbH & Co. KG“ heißt es: „[…] bestätigen wir hiermit wunschgemäß, dass wir keine Forderungen mehr gegen die H GmbH & Co. KG geltend machen. Aus den von Ihnen zugunsten der oben genannten Darlehensnehmerin abgegebenen Bürgschaftserklärungen werden wir keine weiteren Rechte und Ansprüche herleiten.“
69In der am 11.1.2016 eingereichten Feststellungserklärung für 2012 erklärte die Klägerin einen gewerblichen zu verteilenden Gewinn i. H. von insgesamt 897.054,70 €. Nach den Angaben der Klägerin habe sie zudem mit Schreiben vom 12.1.2016 darauf hingewiesen, dass im Jahresüberschuss 2012 ein Sanierungsgewinn i. H. von 925.064,40 € enthalten sei, wobei der Beklagte den Eingang dieses Schreibens nicht feststellen konnte und dieses – ausweislich eines Aktenvermerks – auch nicht Eingang in die Verwaltungsakten fand. Der Beklagte setzte sodann den Gewinn mit Bescheid vom 11.10.2016 entsprechend der Erklärung (ohne Berücksichtigung des Schreibens vom 12.1.2016) fest und rechnete diesen den Feststellungsbeteiligten wie folgt zu:
70H GmbH 150.391,48 €
71T H 597.294, 73 €
72N N 149.368,48 €
73Mit Schreiben vom 19.10.2016 legte die Klägerin gegen den Feststellungsbescheid Einspruch mit der Begründung ein, dass der erklärte Sanierungsgewinn steuerfrei zu stellen sei. Mit Einspruchsentscheidung vom 16.7.2019 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, dass nach Maßgabe des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 27.3.2003 die Voraussetzungen für eine Steuerfreistellung des Sanierungsertrags nicht erfüllt seien. Vor dem Hintergrund der Einstellung des eigentlichen Gesellschaftszwecks „Baubetrieb“ und der Wandlung zum Verpachtungsbetrieb scheide eine Anwendung der Billigkeitsregelung aus. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass dem späteren Gesellschafter U H und seiner Ehefrau, T H , durch die Einigung ein schuldenfreier Übergang in das Privatleben ermöglicht worden sei. Denn die Bank habe nicht nur Forderungen gegenüber der Klägerin erlassen, sondern auch auf die von U H gewährte Bürgschaft verzichtet. Betriebliche Gründe seien nicht ersichtlich, da mangels Arbeitnehmern kein Sozialplan erstellt worden sei. Zudem sei die Sanierungsabsicht des verzichtenden Gläubigers, der B Bank AG, zu verneinen. Denn nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (Bundesfinanzhof – BFH –, Urteil vom 26.2.1988 III R 257/84, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 1989, 436) fehle es an dieser Absicht, wenn es dem Gläubiger mangels Interesse am weiteren Schicksal des Unternehmens primär darum gehe, das bestmögliche Ergebnis für sich zu erzielen, was hier der Fall sei.
74Dagegen hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, dass im Jahresüberschuss 2012 ein Sanierungsgewinn i. H. von 925.064,40 € enthalten sei. Dieser resultiere aus einem Forderungsverzicht der B Bank AG gegenüber der Klägerin. Die Voraussetzungen eines steuerfreien Sanierungsgewinns im Sinne des BMF-Schreibens vom 27.3.2003 seien erfüllt. Die Klägerin sei sanierungsbedürftig gewesen, da ihre Bilanz auf den 31.12.2011 ein Fehlkapital i. H. von 674.903,41 € ausweise. Die ungesicherten Bankverbindlichkeiten hätten 939.742,21 € betragen. Die voraussichtlichen Umsatzerlöse in Höhe von ca. 30.000 € pro Jahr hätten nicht ausgereicht, um den Kapitaldienst und die sonstigen finanziellen Verpflichtungen zu bedienen. Hingegen sei ab dem Jahr 2013 eine positive Gewinnentwicklung zu beobachten. Der Jahresabschluss für das Jahr 2015 habe bereits 20.000 € betragen. Ohne den Schuldenerlass wäre das Unternehmen zweifelsfrei insolvent und nicht fortführungsfähig gewesen. Damit seien die Sanierungsfähigkeit und die Sanierungseignung des Schuldenerlasses belegt. Durch die zuvor vorhandene Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit sei der Tatbestand der Sanierungsbedürftigkeit eindeutig erfüllt. Zudem sei die Sanierungsfähigkeit zum Zeitpunkt des Schuldenerlasses einfach festzustellen. Sie, die Klägerin, habe im Wesentlichen nur eine einzige Gläubigerin gehabt. Durch den Wegfall sowohl der Darlehens- als auch der laufenden Zahlungsverpflichtungen sei mit einem Schlag die Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit erledigt und das Unternehmen wieder „gesund gewesen“. Einzelne Jahresfehlbeträge in den Folgejahren hätten sich lediglich durch Abschreibungen ergeben; Liquidität sei stets vorhanden gewesen.
75Soweit der Beklagte in der Einspruchsentscheidung vortrage, dass der Betriebsteil „Bau“ eingestellt worden sei, sei dies unzutreffend. Im Jahre 2014 sei der Bau von sieben Reihenhäusern in I „A“ geplant worden. Wegen geringer Resonanz bei der Vermarktung habe das Projekt aber nicht realisiert werden können. Aktuell, also im Jahr 2019, bereite die Klägerin den Neubau von vier Doppelhaushälften in G vor. Somit sei das ganze Unternehmen fortgeführt worden. Zudem erfordere die Sanierungsabsicht des Gläubigers, dass sich dieser darüber bewusst sei, dass die Sanierungsmaßnahme der Rettung des Unternehmens diene und auch dazu geeignet sei. Zwischen der Klägerin und der Gläubigerin hätten in den Jahren 2006 bis 2011 ständig Gespräche und Verhandlungen darüber stattgefunden, wie die Schulden zurückgeführt werden könnten. Die Umfinanzierung des Hauses A-Str. 214 in C sei in diesem Zusammenhang daran gescheitert, dass die M-Bank nicht habe mitwirken wollen. Die laufende Kontoführung sei in dem gesteckten Rahmen – das sei eine Bedingung der Gläubigerin zur Fortführung der Sanierungsgespräche gewesen – durch die Ausführung zweier Bauvorhaben in I gehalten worden. Es habe sich dabei um den Neubau von vier Doppelhaushälften an der G-Str. / H-Str. und dem Neubau von drei Reihenhäusern I-Str. gehandelt. Eine zwangsweise Verwertung der Immobilie in der A-Str. 214 sei für die Gläubigerin nicht in Betracht gekommen, da die Zwangsversteigerung unausweichlich die nicht gewollte Insolvenz und das Ende des Unternehmens der Klägerin bedeutet hätte.
76Mit Schriftsatz vom 20.4.2020 replizierte die Klägerin auf die Klageerwiderung vom 29.11.2019, dass es sich bei dem vorliegenden Schuldenerlass vom 2.7.2012 um einen steuerfreien Sanierungsgewinn im Sinne des § 3a EStG handele. Die Anwendung des § 3a EStG sei gemäß § 3a Abs. 4 Satz 1 EStG zutreffend im Rahmen der gesonderten einheitlichen Feststellung beantragt worden. Grundsätzlich sei § 3a EStG gemäß § 52 Abs. 4a EStG erstmals auf Fälle anzuwenden, in denen der Schuldenerlass nach dem 8.2.2017 erfolgt sei. Gemäß § 52 Abs. 4 Satz 3 EStG sei es auf Antrag aber möglich, § 3a EStG auch rückwirkend auf Fälle anzuwenden, in denen der Schuldenerlass vor dem 9.2.2017 erfolgt sei. Dieser Antrag werde hiermit ausdrücklich gestellt, dass der Schuldenerlass vom 2.7.2012 in 2012 als steuerfreier Sanierungsgewinn berücksichtigt werde.
77Soweit die Sanierungseignung infrage gestellt werde, sei darauf hinzuweisen, dass hierfür punktuell auf den Zeitpunkt des Schuldenerlasses abzustellen sei. Im Zeitpunkt des Schuldenerlasses müsse dieser geeignet erscheinen, das sanierungsbedürftige Unternehmen vor dem Zusammenbruch zu bewahren und wieder ertragsfähig zu machen. Dieser Sachverhalt sei bei der Klägerin gegeben. Die zukünftige tatsächliche Entwicklung sei für die Beurteilung nicht relevant. Aber abgesehen davon habe sie, die Klägerin, zahlreiche Projekte initiieren wollen und geplant, die sich nicht realisiert hätten. Insoweit wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 30.7.2020, 4.3.2021 und 14.6.2021 einschließlich der vorgelegten umfangreichen Anlagen Bezug genommen.
78Auf die gerichtliche Verfügung vom 26.6.2023 hin ergänzte die Klägerin mit Schriftsatz vom 13.12.2023 ihren Vortrag dahingehend, dass vor und nach Sanierung die gleichen betrieblichen Tätigkeiten ununterbrochen ausgeübt worden seien. Zum Beleg dieser Tatsache werde auf Projekte verwiesen, die sie um den Sanierungszeitpunkt 2012, d.h. ausgehend vom Jahr 2008 bis zum Jahr 2020, betrieben habe. Es sei nämlich zu beachten, dass sich die dargestellten Planungsmaßnahmen durchaus über 2 bis 5 Jahre erstrecken könnten. Insoweit wird auf die Anlagen I bis IV des Schriftsatzes vom 26.6.2023 Bezug genommen.
79In Bezug auf die Sanierungseignung werde mitgeteilt, dass sich ohne AfA in den Jahren 2013 bis 2015 jeweils Jahresüberschüsse ergeben hätten (2013: 13.439,49 €, 2014: 14.816,55 € und 2015: 29.757,11 €). Bei Realisierung der avisierten Bau-Projekte hätte sich die Ertragslage und davon sei sie, die Klägerin, die die Projekte bereits in Vorbereitung hatte, im Zeitpunkt der Sanierung ausgegangen, noch wesentlich besser dargestellt.
80Zum Grund der Unternehmenskrise ergänzt sie, dass aufwendig geplante Projekte (Anlage I bis III des Schriftsatzes vom 13.12.2023), die viel Zeit und Geld gekostet hätten, nicht hätten realisiert werden können. Wegen der fehlenden Einnahmen und den entstandenen Kosten im Zusammenhang mit diesen Projekten sei die Gesellschaft in finanzielle Schieflage geraten und habe ihre Verpflichtungen nicht mehr erfüllen können.
81Auch die Bilanz der Komplementär-GmbH auf den 31.12.2011 belege, dass diese zum Zeitpunkt der Sanierung vermögenslos gewesen sei und somit keine Vermögenswerte hätte aufbringen können. Die Sanierungsbedürftigkeit sei daher weder durch Vermögen der Komplementär-GmbH noch durch Bürgschaften von U H ausgeschlossen, da letztere nach Maßgabe der erteilten Vermögensauskunft nicht werthaltig gewesen seien. Auch die Sanierungsabsicht sei durch die Korrespondenz zwischen U H und der B Bank AG belegt. Insoweit wird auf die Anlage XIV des Schriftsatzes vom 13.12.2023 Bezug genommen.
82Die Klägerin beantragt,
83den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren Verlusts nach § 15a EStG für 2012 vom 11.10.2016 und die Einspruchsentscheidung vom 16.7.2019 dahingehend zu ändern, den außerordentliche Ertrag in Höhe von 925.064,40 € bei der Gewinnfeststellung 2012 gemäß § 3a Abs. 1 Satz 1 EStG als steuerfrei zu behandeln und außer Ansatz zu lassen,
84hilfsweise, die Revision zuzulassen.
85Der Beklagte beantragt,
86die Klage abzuweisen,
87hilfsweise, die Revision zuzulassen.
88Im Rahmen seiner Gegenäußerung führt er zunächst mit Schriftsatz vom 29.11.2019 aus, dass die Entscheidung über das Vorliegen eines Sanierungsgewinns nicht im Feststellungsverfahren selbst getroffen werden könne, weil das Vorliegen und die Höhe eines solchen Gewinns keine Besteuerungsgrundlage im Sinne der §§ 179 ff. der Abgabenordnung (AO) darstellen würden. Mit Schriftsatz vom 4.1.2021 korrigierte der Beklagte seine diesbezügliche Auffassung dahingehend, dass durch den Antrag der Klägerin vom 20.4.2020 die Feststellung eines Sanierungsgewinns i. S. des § 3a EStG im Feststellungsverfahren möglich geworden sei.
89Gleichwohl erfülle der Schuldenerlass nicht die Voraussetzungen des § 3a EStG. Der Erlass sei zur Sanierung nicht geeignet gewesen. Bisher würde nur eine Behauptung darüber vorliegen, dass der Baubetrieb bzw. die Bauplanung fortgesetzt würden. Seit dem strittigen Schuldenerlass habe die Klägerin jedoch nach Aktenlage keine Bauprojekte mehr geplant oder betreut. Lediglich in 2014 solle es ein gescheitertes Projekt gegeben haben und in 2019 solle ein weiteres Projekt geplant gewesen sein. Hierfür seien jedoch keine ausreichenden Nachweise vorgelegt worden. Somit handele es sich seit mittlerweile fast sieben Jahren nur noch um einen Vermietungsbetrieb. Die Klägerin habe bisher nicht belastbar nachweisen können, bereits in 2012, im Zeitpunkt des fraglichen Erlasses, den Entschluss gefasst zu haben, die bis dato ausgeübte betriebliche Tätigkeit fortzuführen. Hiergegen sprächen auch die Jahresabschlüsse 2012 bis 2018, die eine einheitliche Erlös- und Ausgabenstruktur aufweisen würden, welche eindeutig als einzige betriebliche Tätigkeit die Vermietung des Objektes A-Str. 214 ausweise.
90Die Gespräche, die mit potenziellen Bauherren und Stadtverwaltungen geführt worden sein sollen, seien zu hinterfragen. Nachweise, dass die Gespräche tatsachlich stattgefunden hätten, lägen nicht vor. Darüber hinaus sei fraglich, sofern es diese Gespräche tatsachlich gegeben habe, in welcher Eigenschaft U H diese geführt habe. U H sei nicht nur für die Klägerin tätig gewesen, sondern habe im betreffenden Zeitraum auch als Architekt sowie aIs Geschäftsführer der H Immobilien GmbH und der M GmbH gearbeitet. Nachweise darüber, ob aus Sicht der möglichen Gesprächspartner U H tatsächlich als Vertreter der Klägerin aufgetreten sei, würden nicht vorliegen. Die vorgenannten Gründe würden gerade nicht den Rückschluss zulassen, dass im Zeitpunkt des Erlasses eine Absicht zur Fortführung der eigentlichen betrieblichen Bautätigkeit vorgelegen habe. Des Weiteren stelle allein die verbleibende vermögensverwaltende Tätigkeit der gewerblich geprägten Klägerin keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb nach § 14 AO dar. Doch selbst falls man, entgegen seiner, des Beklagten, ausdrücklichen Auffassung, die Fortführung der Bautätigkeit annehmen würde, wäre die Sanierungsfähigkeit der Klägerin zum Zeitpunkt des Schuldenerlasses nicht nachgewiesen. Die Klägerin habe nämlich weder einen Sanierungsplan noch Planrechnungen der zukünftigen unternehmerischen Entwicklung vorgelegt.
91Auch durch die während des Klageverfahrens eingereichten Unterlagen habe die Klägerin nicht nachweisen können, dass bereits in 2012 der Entschluss gefasst worden sei, die betriebliche Tätigkeit fortzuführen. Es seien lediglich Unterlagen aus den Jahren 2013 bis 2020 eingereicht worden, die belegen würden, dass einige Projekte geplant worden seien. Insbesondere ließen die klägerseitig gemachten Angaben zum Gewerbepark „L" für 2013 keinen Rückschluss auf einen möglicherweise in 2012 vorgelegenen Entschluss zur Betriebsfortsetzung des Baubetriebs der Klägerin zu. Die Angaben dazu seien zu unverbindlich und nicht nachprüfbar. Darüber hinaus sei grundsätzlich anzuzweifeln, dass es eine Projektierung der neu vorgetragenen Projekte tatsächlich durch die Klägerin gegeben habe. Dies vor dem Hintergrund, dass U H seit der Gründung in 2011 Geschäftsführer der M GmbH sei und in den vorgelegten Planungsunterlagen auch die E-Mail-Adresse dieser GmbH aufgeführt werde. Auch der Sachvortrag der Klägerin über ihre „durchgehend“ gescheiterten Bauprojekte von 2011 bis heute erscheine vor dem Hintergrund der allgemein bekannten positiven Entwicklung im Baugeschäft in den letzten 10 Jahren wenig glaubhaft. Sofern es tatsächlich die Versuche gegeben haben sollte, Bauprojekte zu akquirieren, sei der Klägerin nicht der Nachweis gelungen, dass ihr diese zuzurechnen seien. Es seien keine Nachweise vorgelegt worden, aus denen erkennbar sei, dass es für eventuelle Geschäftspartner bzw. potenzielle Bauherren ersichtlich gewesen sei, dass Herr U H als Vertreter der Klägerin ihnen gegenüber aufgetreten sei. Die vorgelegten Anlagen würden im Übrigen den Charakter von Eigenbelgen bzw. in Teilen einer Fotomontage haben.
92Zudem sei auf die noch nicht abschließend erfolgte Sachverhaltsaufklärung in Bezug auf die Sanierungsbedürftigkeit der Klägerin hinzuweisen. Bislang sei noch nicht geprüft worden, inwieweit die Bürgschaften des U H zum Zeitpunkt des Schuldenerlasses werthaltig gewesen seien. Bei einer entsprechenden Werthaltigkeit der Bürgschaften sei nämlich keine Sanierungsbedürftigkeit der Klägerin anzunehmen, da die Unternehmensfortführung auch ohne den Schuldenerlass möglich gewesen wäre. Diese Ermittlungen seien im finanzgerichtlichen Verfahren nachzuholen. Zudem gebe das buchhalterisch ausgewiesene negative Eigenkapital der Komplementär-GmbH in der Bilanz zum 31.12.2011 keinen Aufschluss über die tatsächliche Vermögenslosigkeit und werde einem geeigneten Nachweis nicht gerecht.
93Auch liege eine Sanierungsabsicht der B Bank AG nicht vor. Der Verzicht sei ohne Besserungsabrede und ohne einen Sanierungsplan erfolgt. Die Bank habe lediglich versucht, dass für sie bestmögliche Ergebnis zu erzielen, was nach finanzgerichtlicher Rechtsprechung nicht genüge. Darüber hinaus seien auch die Schulden gegenüber U H erlassen worden. Inwieweit die Bank dies getan haben solle, um die Sanierung des Unternehmens zu retten, sei nicht ersichtlich. Vielmehr deute dies auf eine unternehmerbezogene Sanierung hin, da es sich bei U H um eine der Gesellschafterin T H nahestehende Person handele. Gemäß dem BFH-Urteil vom 14.7.2010 X R 34/08 (Sammlung amtlich veröffentlichter Entscheidungen des BFH – BFHE – 229,502, Bundessteuerblatt – BStBl – II 2010, 916) führe eine auch teilweise unternehmerbezogene Sanierung nicht zu einem steuerbegünstigten Sanierungsgewinn. Auch dem vorgelegten Schriftverkehr mit der B Bank AG sei eine Sanierungsabsicht nicht zu entnehmen.
94Im vorliegenden Fall habe die B Bank AG als einzige Hauptgläubigerin ihre Forderungen erlassen. Die vorgelegte Vereinbarung zur Forderungsabwicklung lasse keinen Rückschluss auf eine – mindestens untergeordnete – Sanierungsabsicht zu. Vielmehr würden die Gesamtumstände unter Berücksichtigung des Insolvenzverfahrens der H Immobilien GmbH sowie die Korrespondenz mit der B Bank AG den Rückschluss zulassen, dass dieser ausschließlich an der Unterstützung durch U H hinsichtlich der Vermarktung der noch im Bestand der H Immobilien GmbH befindlichen Grundstücke gelegen gewesen sei. Nur vor diesem Hintergrund sei der Erlass erfolgt.
95Nur weil im Schreiben der B Bank AG vom 17.4.2008 das Wort „Sanierungsabsicht“ verwendet werde, liege diese noch nicht vor. Es sei fraglich, worauf sich die verwendete Begrifflichkeit einer bankseitigen Sanierungsabsicht tatsächlich bezogen habe.
96Mit Schriftsatz vom 11.7.2024 ergänzte der Beklagte im Anschluss an den vor dem Berichterstatter durchgeführten Erörterungstermin seine Ausführungen dahingehend, dass eine abschließende Beurteilung der Sanierungsbedürftigkeit nach wie vor nicht möglich sei, weil ein Überblick über den Gesamtvorgang fehle. Zudem lasse die Selbstauskunft/Vermögensauskunft diverse Fragen in Bezug auf die Vermögenssituation des U H offen bzw. unbeantwortet. So würden als Grundbesitz ein Mehrfamilienhaus (D-Str. 39) und eine Eigentumswohnung (J-Str. 19) in I angegeben. Der Verkehrswert dieser Objekte werde aber nicht benannt. Zwar seien valutierende Belastungen i. H. von insgesamt 606.728,61 € angegeben worden, da diese aber deutlich unter den (ursprünglichen) Belastungen lt. Grundbuch i. H. von 845.281,00 € liegen würden, sei zu erwarten, dass insoweit durchaus noch positive Vermögensüberschüsse zu realisieren gewesen sein könnten. Selbst bei Außerachtlassung von etwaigen zwischenzeitlichen Wertsteigerungen seien daher noch Vermögensüberschüsse von zumindest ca. 250.000 € bei der Beurteilung der Werthaltigkeit der Bürgschaften zu berücksichtigen.
97Des Weiteren sei die Eigentumszurechnung des Objekts G-Str. 108 in I fraglich. Möglich sei, dass aus dem Objekt G-Str. 108 erhebliche freie Vermögensüberschüsse zu realisieren gewesen sein könnten, da nur ein Umschuldungsbetrag i. H. von 120.000 € seitens der E-Bank habe zur Verfügung gestellt werden können und der Differenzbetrag daher über die Familie hätte aufgebracht werden müssen. Fraglich sei zudem, ob das Objekt allein der Ehefrau des Klägers oder zumindest in 2008 teilweise noch U H gehört habe. Sollte er seinen Anteil an dem Objekt zwischenzeitlich auf seine Ehefrau übertragen haben, sei der Vorgang ggf. anfechtbar. Für die Prüfung der Sanierungsbedürftigkeit wäre das Grundstück dann U H zurechnen, da er dann sein Vermögen freiwillig gemindert hätte.
98Um beurteilen zu können, ob die B Bank AG bei dem Verzicht in Sanierungsabsicht gehandelt habe, sei ein Gesamtüberblick über den Vorgang erforderlich, denn nur dann könne beurteilt werden, ob die B Bank AG nicht ggfs. nur auf eine bestmögliche Befriedigung ihrer Forderungen abgezielt habe. Wegen der zahlreichen aufgeführten Anzeichen, die nach Auffassung des Beklagten gegen eine Sanierungsabsicht sprechen, wird auf den Schriftsatz vom 11.7.2024 Bezug genommen.
99Des Weiteren sei nach Auffassung des Beklagten darauf hinzuweisen, dass die Jahresabschlüsse 2013 bis 2015 für die Beurteilung der Sanierungsfähigkeit und -eignung keine Bedeutung haben könnten, da sie nach dem Schuldenerlass (in 2012) aufgestellt worden seien. Eine ex-post-Betrachtung verbiete sich im Rahmen der Prüfung der Tatbestandsmerkmale des § 3a EStG. Es sei allein eine Prognoseentscheidung auf den Zeitpunkt des Schuldenerlasses zu treffen.
100Zudem habe der Gesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren klar zum Ausdruck gebracht, dass er grundsätzlich nur Unternehmen als wirtschaftliche Sachgesamtheit (Unternehmen als Faktor des Wirtschaftslebens und als Einkunftsquelle der Arbeitnehmer und mittelbar der Geschäftspartner) zum Zwecke der Fortführung begünstigen möchte. Es sei daher im konkreten Einzelfall zu differenzieren, ob die Sanierung eine unternehmensbezogene oder unternehmerbezogene Wirkung entfalte. Nach dieser Konzeption solle die Steuerfreiheit nur ausgesprochen werden können, wenn das Unternehmen als Faktor des Wirtschaftslebens und Einkunftsquelle für Arbeitnehmer erhalten bleibe. Zwischen einer (begünstigten) betriebswirtschaftlich sinnvollen Verkleinerung eines Unternehmens und dem (nicht begünstigten) Verkauf aller Wirtschaftsgüter des Unternehmens liege noch der vorliegende Streitfall, dass der eigentliche Betrieb beendet werde und nur eine originär vermögensverwaltende Tätigkeit verbleibe, die lediglich aufgrund der gewerblichen Prägung nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG zur Erzielung von gewerblichen Einkünften führe. Diese Reduzierung des Unternehmens sei nach seiner, des Beklagten, Auffassung ebenfalls nicht begünstigt. Im Ergebnis verbleibe deswegen insoweit allein eine unternehmerbezogene Wirkung des Schuldenerlasses. Denn in gesamtwirtschaftlicher Betrachtung könne der Streitfall mit der Konstellation verglichen werden, dass die B Bank AG ein Bankguthaben in Höhe des Verkehrswertes des Grundstücks unangetastet gelassen hätte. In diesem Zusammenhang dränge sich dann die nachfolgende Kontrollfrage auf: „Wäre für einen entsprechend in einer GmbH & Co. KG verwalteten Geldbetrag auch eine unternehmensbezogene Sanierungsbegünstigung zu gewähren, da die Zinseinkünfte gewerbliche Einkünfte darstellen würden?“ Gerade dieser Vergleich zeige, dass der Vorgang nicht begünstigt werden könne.
101Aber selbst wenn eine zumindest ernstlich geplante Fortsetzung der Baubetreuungs- bzw. Bauträgertätigkeit unterstellt werde, sei die Sanierungsfähigkeit des Unternehmens zum Zeitpunkt des Schuldenerlasses nicht nachgewiesen worden, denn ausweislich der angeführten Schriftsätze vom 20.12.2023 und 17.4.2024 habe anscheinend keines der dargestellten Projekte bislang erfolgreich umgesetzt werden können.
102Am 25.4.2024 wurde die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert. Mit Beschluss vom 14.11.2024 wurden T H und N N zum Verfahren beigeladen. In der mündlichen Verhandlung vom 10.12.2024 hat der Senat durch die Vernehmung der Zeugen P T und I W Beweis erhoben. Auf das hierüber geführte Protokoll wird Bezug genommen.
103Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge verwiesen.
104Entscheidungsgründe
105I. Der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren Verlusts nach § 15a EStG für 2012 vom 11.10.2016 und die Einspruchsentscheidung vom 16.7.2019 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –). Der Beklagte hat den außerordentlichen Ertrag aus dem Erlass der Verbindlichkeiten der B Bank AG gegenüber der Klägerin zu Unrecht nicht als Sanierungsertrag i. S. des § 3a Abs. 1 Satz 1 EStG behandelt.
1061. Gemäß § 3a Abs. 4 Satz 1 EStG ist im Rahmen des Feststellungsverfahrens für Mitunternehmerschaften nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) AO auch ein Sanierungsertrag nach § 3a Abs. 1 Satz 1 EStG festzustellen (Hallerbach in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 324. Lieferung, 3/2024, § 3a EStG, Rn. 51 m.w.N.). Insofern kann das Klageziel in diesem Verfahren betreffend den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen von Einkünften für 2012 vom 11.10.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.7.2019, die Feststellung der Steuerbefreiung des Gewinns aus dem Forderungsverzicht der B Bank AG, erreicht werden. Gemäß § 52 Abs. 4a Satz 3 EStG ist aufgrund des klägerischen Antrags im Schriftsatz vom 20.4.2020 die Frage, ob der in diesem Verfahren strittige Gewinn steuerfrei zu belassen ist, nach Maßgabe des § 3a EStG in der Fassung des Art. 2 des Gesetzes vom 27.6.2017 (Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen – BGBl 2017 I, Seite 2074) zu beurteilen. In diesem Zusammenhang ist unerheblich, ob die Beteiligten während des Verwaltungsverfahrens möglicherweise noch der Auffassung waren, dass die Steuerfreiheit des Sanierungsertrags im Ermessen der Finanzverwaltung stand. Die Klägerin hat den zutreffenden Bescheid angefochten, über den der Beklagte durch Einspruchsentscheidung entschieden hat.
1072. Die Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit des Sanierungsertrages in Höhe von 925.064,40 € nach § 3a EStG haben im maßgeblichen Zeitpunkt des Schuldenerlasses vorgelegen.
108Gem. § 3a Abs. 1 Satz 1 EStG sind Betriebsvermögensmehrungen oder Betriebseinnahmen aus einem Schuldenerlass zum Zwecke einer unternehmensbezogenen Sanierung i. S. des Absatzes 2 (Sanierungsertrag) steuerfrei. Eine unternehmensbezogene Sanierung liegt gem. § 3a Abs. 2 EStG vor, wenn der Steuerpflichtige für den Zeitpunkt des Schuldenerlasses die Sanierungsbedürftigkeit (a)) und die Sanierungsfähigkeit (b)) des Unternehmens (c)), die Sanierungseignung (b)) des betrieblich begründeten Schuldenerlasses und die Sanierungsabsicht (d)) der Gläubiger nachweist.
109a) Das Unternehmen der Klägerin war sanierungsbedürftig. Ein Unternehmen ist dann sanierungsbedürftig, wenn es ohne die Sanierung nicht fortgeführt werden kann (Bleschick, in BeckOK EStG, § 3a Rn. 285). Dies erfordert eine Prüfung der Ertrags- und der Finanzlage, des Verhältnisses der liquiden Mittel zur Höhe der Schuldenlast und der Gesamtleistungsfähigkeit des Unternehmens (BFH-Urteil vom 14.3.1990 I R 64/85, BStBl II 1990, 810; BFH-Urteil vom 22.4.1998 XI R 48/95, BFH/NV 1998, 1214). Jedenfalls dann, wenn ein Insolvenzantragsgrund vorliegt, liegt auch die Sanierungsbedürftigkeit vor. Zwar dürfte eine Kreditunwürdigkeit nicht genügen. Allerdings besteht eine Insolvenzantragspflicht nicht nur bei Zahlungsunfähigkeit, sondern gem. § 18 der Insolvenzordnung (InsO) bereits bei drohender Zahlungsunfähigkeit (Krumm in Brandis/Heuermann, EStG, § 3a Rn. 24; Bleschick in BeckOK, EStG, § 3a Rn. 285). Für die Frage der Sanierungsbedürftigkeit einer Personengesellschaft ist auf das Unternehmen der Gesellschaft abzustellen und auch das Vermögen solcher Personen in die Beurteilung einzubeziehen, die für die Unternehmensverbindlichkeiten haften, wie etwa ein persönlich unbeschränkt haftender Gesellschafter (BFH-Urteil vom 27.1.1998 VIII R 64/96, BStBl II 1998, 537).
110In der Bilanz der Klägerin auf den 31.12.2011 sind Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten mit 1.258,164,05 € angegeben, während Anlagevermögen (473.146,91 €) und Umlaufvermögen (241.341,36 €) insgesamt lediglich 714.488,27 € betragen. Das Verlustausgleichskonto wurde mit dem Betrag von 595.518,96 € angeführt. Der Umfang der liquiden Mittel (Guthaben bei Kreditinstituten) betrug 0,00 €. Zinsen und ähnliche Aufwendungen wurden im Jahresabschluss 2011 mit ./. 35.339,03 € angegeben, während die sonstigen betrieblichen Erträge 23.734,94 € betrugen. Nach dieser bilanziellen Lage ist davon ausgehen, dass das Vermögen der Klägerin die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr gedeckt hat (Überschuldung) und die Klägerin nicht mehr in der Lage war, die im Folgejahr 2012 fällig werdenden Zahlungspflichten rechtzeitig zu erfüllen (Zahlungsunfähigkeit).
111Soweit die Sanierungsbedürftigkeit seitens des Beklagten aufgrund von zu Gunsten der Klägerin erteilten Bürgschaften des Geschäftsführers U H in Zweifel gezogen wurde, werden diese Zweifel nicht geteilt. Die Bürgschaften waren nicht werthaltig. Ausweislich des Schreibens der B Bank vom 9.5.2012 beruht „[d]iese wirtschaftliche Lösung […] insbesondere auf den von Ihnen gemachten Angaben und vorgelegten Bonitätsnachweisen zur finanziellen Situation der Gesellschaft und Herrn U H persönlich (Basis: notarielle Urkunde Nr. xxx/2011 vom 30.05.2011 des Notars Z).“ Der erkennende Senat hält es aufgrund der Höhe des erlassenen Betrags für ausgeschlossen, dass die B Bank bei Werthaltigkeit der Bürgschaften auf diese verzichtet hätte. Entsprechendes wird durch die mit Schriftsatz vom 20.12.2023 eingereichte notariell beurkundete Selbstauskunft/Vermögensverzeichnis, deren Richtigkeit der Geschäftsführer der Klägerin U H eidesstattlich versichert hat, unterstrichen. Auch der Zeuge P T hat insoweit bestätigt, dass die Bonität des U H geprüft worden sei, und die B Bank AG dann von einer Vollstreckung der Bürgschaft Abstand genommen habe. Soweit der Beklagte mit Schriftsatz vom 11.7.2024 Zweifel an der Wertlosigkeit des Immobilienvermögens des bürgenden Geschäftsführers U H zu streuen beabsichtigte, hält der erkennende Senat die Ausführungen für nicht überzeugend und ausreichend substantiiert. Der Beklagte versucht ein Vermögen des bürgenden Geschäftsführers allein dadurch anzunehmen, dass er die auf dem Grundvermögen eingetragene ursprüngliche Belastung lt. Grundbuch mit der noch valutierenden Belastung vergleicht. Hinweise zum tatsächlichen Verkehrswert dieses Grundstücks im relevanten Zeitpunkt des Schuldenerlasses fehlen indes gänzlich. Obwohl der Beklagte nähere Erkenntnismöglichkeiten zur Lage der Immobilien u.ä. hätte einholen können, hat er davon abgesehen, unmittelbar wertindizierende Angaben zu machen.
112Soweit der Beklagte durch das Objekt G-Str. 108 noch vorhandenes Vermögen in der Person des bürgenden Geschäftsführers vermutet, ist festzustellen, dass der Beklagte nicht einmal Angaben zur Eigentümerschaft des bürgenden Geschäftsführers gemacht hat. Seine Ausführungen zu einer potentiellen Anfechtbarkeit sind daher rein hypothetischer Natur. Dies alles genügt nach Auffassung des erkennenden Senats nicht, um den Gehalt der strafbewehrten eidesstattlichen Versicherung der Selbstauskunft und die für die Bank resultierenden erheblichen wirtschaftlichen Folgen des Bürgschaftsverzichts, von dem nur bei Vermögenslosigkeit im Zeitpunkt des Schuldenerlasses auszugehen ist, zu widerlegen.
113Sonstige Umstände, nach denen sich – abweichend von der bilanziellen Darstellung der Ertrags- und Finanzlage – die Gesamtleistungsfähigkeit des Unternehmens der Klägerin im Übrigen besser beurteilen ließe, sind nach Aktenlage nicht ersichtlich, sodass von einer Sanierungsbedürftigkeit im Zeitpunkt des Schuldenerlasses auszugehen ist.
114b) Das Unternehmen war auch sanierungsfähig und der in Rede stehende Schuldenerlass zur Sanierung geeignet.
115Die Sanierungsfähigkeit/Sanierungseignung ist gegeben, wenn das Überleben des Unternehmens durch den Schuldenerlass und gegebenenfalls weitere Sanierungsmaßnahmen bei objektiver Beurteilung gesichert ist (BFH-Beschluss vom 28.11.2016 GrS 1/15, BStBl. II 2017, 393). Abzustellen ist insbesondere auf die Ertragslage und die Höhe des Betriebsvermögens vor und nach der Sanierung, auf die Kapitalverzinsung durch die Erträge des Unternehmens und darauf, ob das Unternehmen die Zins- und Tilgungsleistungen für die verbliebenen Verbindlichkeiten aus den voraussichtlich positiven Zahlungsüberschüssen der künftigen Geschäftstätigkeit leisten kann (vgl. Bleschick in BeckOK EStG, § 3a Rn. 295; Krumm, in Brandis/Heuermann, EStG, § 3a Rn. 25). Für die erforderliche Feststellung der Sanierungseignung enthält das Gesetz keine feste Beweisregel dahingehend, dass ein bestimmtes Kriterium, aus dem die Sanierungseignung abgeleitet werden kann, unbedingt vorliegen müsste. Wesentliche Indizien für das Bestehen der Sanierungseignung sind nach höchstrichterlicher Rechtsprechung unter anderem das Vorliegen eines nachvollziehbaren und prüfbaren Sanierungskonzepts oder ein rückblickend erfolgreicher Abschluss der Sanierung (vgl. BFH-Beschluss vom 9.8.2024 X B 94/23, BFH/NV 2024, 1151).
116Im Streitfall ist der erkennende Senat davon überzeugt, dass die Klägerin im Zeitpunkt des Schuldenerlasses sanierungsfähig war. Die Klägerin hatte in allen dem Jahr des Schuldenerlasses folgenden Jahren von 2013 bis 2015 (soweit der Beklagte insoweit die Verwaltungsvorgänge an das Gericht übersandt hat) Gewinne erzielt (Jahresüberschuss 2013: 3.489,49 €; 2014: 4.866,55 € und 2015: 19.807,11 €). Die wirtschaftliche Schieflage der Klägerin war – wie die Klägerin unbestritten vorgetragen hat – dadurch entstanden, dass aufwendig geplante Projekte, die viel Zeit und Geld gekostet hätten, nicht realisiert werden konnten. Wegen der fehlenden Einnahmen und den entstandenen Kosten im Zusammenhang mit diesen Projekten sei die Gesellschaft in finanzielle Schieflage geraten und habe ihre Verpflichtungen nicht mehr erfüllen können. Zudem musste die Klägerin die hohen Zinsen aufgrund der Verbindlichkeiten gegenüber der B Bank AG in Höhe von rund 28.000 € (vgl. in der Gewinn- und Verlustrechnung für 2010: 27.373,62 €; für das Vorjahr 2009: 28.816,26 €) sowie die Rückführungen (Tilgung) des Darlehens neben den Bewirtschaftungskosten der vermieteten Immobilie bedienen. Mit dem Wegfall dieser hohen Zinsverpflichtung aufgrund des vollständigen Darlehenserlasses ist die vorstehend dargestellte bislang bestehende wirtschaftliche Schieflage aufgelöst worden. Eine bilanzielle Überschuldung war in den Jahresabschlüssen 2013 bis 2015 ebenfalls nicht mehr auszumachen. Die insoweit rückblickend erfolgreiche Sanierung der Klägerin sieht der erkennende Senat – in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung – als maßgebliches nicht durch sonstige Umstände entkräftetes Indiz an, sodass der erkennende Senat von der seinerzeitigen Sanierungsbedürftigkeit und Sanierungsfähigkeit der Klägerin überzeugt ist.
117c) Der erkennende Senat ist zudem davon überzeugt, dass die in diesem Fall erfolgte konkrete Art der Fortführung des klägerischen Unternehmens nicht den Anwendungsbereich eines steuerbegünstigten Sanierungsertrags nach § 3a EStG ausschließt. Nach Auffassung des Beklagten solle es schädlich sein, dass die Klägerin vor der Sanierung im Wesentlichen Betriebseinnahmen aus einem Bauträgergeschäft erzielt hat, während nach der Sanierung die Betriebseinnahmen im Wesentlichen aus Mieteinnahmen resultierten.
118Soweit der Beklagte hierzu vertreten hat, dass eine wie auch immer geartete Kongruenz/Identität des zu sanierenden Unternehmens mit dem sanierten Unternehmen verlangt werde, stimmt der erkennende Senat dem nicht zu (1). Aber selbst wenn eine solche Rechtsauffassung zugrunde gelegt würde, wäre ausgehend vom klägerseitigen Vortrag und der durch sie vorgelegten Unterlagen für die maßgebliche nach § 3a Abs. 2 EStG anzustellenden Prognose betreffend die Geeignetheit der Sanierungsmaßnahme im Zeitpunkt des Schuldenerlasses von einer hinreichenden Fortführung des gesamten Unternehmens auszugehen (2).
119(1) Gegen die vom erkennenden Senat vertretenen Auffassung konnte in Rechtsprechung und Literatur keine einzige Auffassung gefunden werden, nach der eine ganz oder jedenfalls überwiegende Identität/Kongruenz des vorhandenen Unternehmens gefordert wird.
120aa) Nach der weitestgehenden Auffassung (Bleschick in BeckOK EStG, 18. Ed. 15.3.2024, EStG § 3a Rn. 301) hindert „[s]elbst die Aufgabe des Unternehmens […] die Annahme der Sanierungseignung nicht; vielmehr genügt es, wenn der Schuldenerlass einen Einzelunternehmer in den Stand versetzt, das von ihm betriebene Unternehmen aufzugeben, ohne von weiterbestehenden Schulden beeinträchtigt zu sein (BFH 19.3.1993 – III R 79/91, BFH/NV 1993, 536; BFH 19.3.1991 – VIII R 214/85, BStBl. II 1991, 633; BFH 14.3.1990 – I R 64/85, BStBl. II 1990, 810; jeweils zu § 3 Nr. 66 aF)“.
121bb) Vermittelnd wird vertreten, dass das „[…] Merkmal der Unternehmensbezogenheit […] allenfalls dazu dienen [kann], Sanierungen, bei welchen die unternehmerische Tätigkeit anschließend überhaupt nicht fortgeführt wird, vom Anwendungsbereich des § 3a EStG auszunehmen (so ausdrücklich: Mayer in Morgen, StaRUG, Steuerliche Fragen der Sanierung i. R. des Restrukturierungsverfahrens, Rn. 15). Diese Auslegung des Unternehmensbegriffs des § 3a Abs. 2 EStG wird vom erkennenden Senat geteilt. Hierfür spricht im Wesentlichen die Erwägung, dass es sinnwidrig wäre, etwas zu fördern, was sich als unrentabel herausgestellt hat. Vielmehr muss ein Unternehmer reagieren und Fehlentscheidungen der Vergangenheit revidieren dürfen.
122cc) Eine ähnliche Auffassung vertritt Hölzle (ZIP 2020, 301, 305, 306) indem er ausführt: „Mit der Bezugsgröße „Unternehmen“ stellt das Gesetz grundsätzlich auf die gewinnermittelnde Einheit ab, in der der gewinnerhöhende Forderungserlass vorgenommen wird. Dies kann eine Mitunternehmerschaft, eine Kapitalgesellschaft, aber auch ein Einzelunternehmen sein. […] Die Anpassung der unternehmerischen Struktur, die Schließung einzelner oder auch größerer Geschäftsbereiche, die strategische Neuausrichtung und andere Maßnahmen, die auch in den Kern der bisherigen unternehmerischen Struktur eingreifen können, sind typischer Bestandteil leistungswirtschaftlicher Sanierungskonzepte. Eine Fortführung oder Übertragung des Unternehmens in seinem bisherigen Umfang und Zuschnitt ist daher für die Anwendung der Sanierungsbesteuerung nicht erforderlich, weil dies den Zweck der Vorschrift, Sanierungen insbesondere unter der Insolvenzordnung zu befördern, konterkarieren würde. […] es reicht, wenn einzelne Geschäftsbereiche – auch unter Veränderungen – innerhalb des Rechtsträgers oder nach Übertragung erhalten bleiben.“
123dd) Die Festlegung eines qualitativen Umfangs eines Unternehmens ist in der bisherigen Rechtsprechung lediglich für eine Fallgruppe angewandt worden, aber nicht um die Befreiung des Sanierungsertrags eines Unternehmens einzuschränken, sondern zu erweitern. In diesem Sinne hat der BFH unter der Geltung des § 3 Nr. 66 EStG a. F. bzw. unter Anwendung des Sanierungserlasses sogar eine übertragende Sanierung, also den Verkauf eines Unternehmens im „asset deal“ an einen anderen Rechtsträger, für eine steuerbegünstigte Sanierung ausreichen lassen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 24.4.1986 IV R 282/84, BFHE 146, 549, BStBl II 1986, 672, Rn. 15).
124ee) Auch der Gesetzgeber (BT-Drucksache 18/12128, Seite 32) ist in dieser Hinsicht zu verstehen: „Grundsätzlich sind nur unternehmensbezogene Sanierungen begünstigt, die darauf gerichtet sind, ein Unternehmen oder einen Unternehmensträger vor dem finanziellen Zusammenbruch zu bewahren und wieder ertragsfähig zu machen.“ Die Bezugnahme auf die Sanierung eines „Unternehmensträgers“ würde neben dem Unternehmen, keinen Sinn machen, wenn nur ein qualitativ umrissenes betriebswirtschaftliches Unternehmen Gegenstand des § 3a Abs. 2 EStG sein sollte.
125ff) Ein Identitäts- oder Kongruenzerfordernis würde nach Auffassung des erkennenden Senats zudem erhebliche praktische Schwierigkeiten mit sich bringen. Bei jeder Fortführung eines Unternehmens, welches nicht sämtliche Unternehmensteile fortführt, würde sich die Frage stellen, ob hinreichende Identität gegeben ist. Eine Differenzierung unterschiedlicher Unternehmensteile könnte auf rein sprachliche Abgrenzungen hinauslaufen, da es stets ein gemeinsames genus proximum (nächst höherer Gattungsbegriff) gibt. Außerdem wäre das Maß der Differenzierung in qualitativer Hinsicht völlig unklar. Die Vorschrift des § 3a Abs. 2 EStG derart auszulegen, würde also letztlich dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit von Steuern widersprechen.
126gg) Soweit der Beklagte in Bezug auf das Urteil des BFH vom 31.1.1991 IV R 84/89 (BFH/NV 1991, 821) die Auffassung vertritt, dass eine Sanierungsbegünstigung nicht zu gewähren sei, wenn eine GmbH & Co. KG zur Erlangung des Schuldenerlasses den einzigen Komplex von Wirtschaftsgütern zu veräußern habe, der ihr eine Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr ermögliche, so hält der erkennende Senat bereits den Sachverhalt für nicht vergleichbar, da die Klägerin vor der Sanierung weder aus nur einem Komplex an Wirtschaftsgütern bestand noch diesen zur Erlangung des Schuldenerlasses veräußern musste, sondern vielmehr eine ertragbringende Vermietung der verbliebenen Immobilie über viele Jahre nach Ausspruch des Schuldenerlasses fortgeführt hat.
127Der Senat erkennt allerdings – in Übereinstimmung mit der Auffassung des Beklagten – an, dass das mit der Vorschrift verfolgte gesetzgeberische Ziel darin liegt, das zu begünstigende Unternehmen als Faktor des Wirtschaftslebens und als Einkunftsquelle von Arbeitnehmern zu erhalten. Der Senat kann aber den Tatbestandsmerkmalen des § 3a Abs. 1 und 2 EStG nicht entnehmen, dass, wenn es keine wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Rechtfertigung für die Begünstigung des Schuldenerlasses gibt, Unternehmen sich nicht auf diese Vorschrift berufen können. Es ist nicht Sache des Gerichts, Tatbestandsmerkmale – wie z.B. das Vorhandensein von Arbeitnehmern – zu ergänzen, auf die der Gesetzgeber im Rahmen des § 3a Abs. 2 EStG verzichtet hat. Dasselbe gilt für den vom Beklagten geforderten Ausschluss von gewerblich geprägten Personengesellschaften (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG) vom Tatbestand des § 3a Abs. 1 EStG. Abgesehen davon, dass der erkennende Senat, wie noch unter I. 2. c) (2) auszuführen sein wird, nicht davon ausgeht, dass die Klägerin keine Tätigkeit i. S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ausübt, hat der Gesetzgeber davon abgesehen, lediglich gewerblich geprägte Personengesellschaften von der Begünstigung auszuschließen. Über die in bezuggenommenen Begriffe der „Betriebsvermögensmehrung“ und des „Unternehmens“ sind von der Norm auch gewerblich geprägte Personengesellschaften angesprochen. Im Übrigen hält der erkennende Senat die fortgesetzte Wohnraumvermietung für ausreichend volkswirtschaftlich nützlich, sodass auch von einer Verfehlung des gesetzgeberischen Ziels und damit einer Korrekturbedürftigkeit der Auslegung keine Rede sein kann.
128Vor dem Hintergrund des Vorstehenden wird in § 3a Abs. 2 EStG eine ganz oder jedenfalls überwiegende Identität/Kongruenz des Unternehmens vor und nach dem Schuldenerlass nicht gefordert, sodass das tatsächlich von der Klägerin fortgeführte Unternehmen den Anforderungen des § 3a Abs. 2 EStG genügt.
129(2) Aber selbst nach der vom Beklagten geäußerten Rechtsauffassung, die vom erkennenden Senat, wie vorstehend ausgeführt ist, nicht geteilt wird, ist von einer hinreichenden Identität/Kongruenz des vor der Sanierung vorhandenen Unternehmens mit dem im Anschluss betriebenen Unternehmen gegeben.
130Soweit die Klägerin – nach dem begrifflichen Verständnis des Beklagten – zum einen vermögensverwaltend (Vermietung eines Mehrfamilienhauses) tätig geworden ist und zum anderen ein Baubetreuungs- bzw. Bauträgergeschäft mit anschließender Veräußerung der Häuser/Wohneinheiten betrieben hat – war die Fortführung beider Geschäfte im Zeitpunkt des Schuldenerlasses beabsichtigt und wurde auch fortgeführt. Die Klägerin hat – entsprechend der auf die richterliche Verfügung ergangenen Schriftsätze vom 20.12.2023 und 17.4.2024 – verschiedene avisierte Projekte beginnend mit dem Jahr 2009 vorgelegt. Nach Auffassung des Gerichts genügen diese Unterlagen, da das Baubetreuungs- bzw. Bauträgergeschäft ausschließlich projektbezogen erfolgt. Der Erfolg eines einzelnen Projekts hängt wesentlich von der Geeignetheit eines Grundstücks und einer Finanzierungszusage für die auf diesem Grundstück zu errichtende Immobilie ab. Angesichts der vorgelegten Unterlagen lag es nach Auffassung des erkennenden Senats im Bereich des Möglichen, dass die Klägerin im Segment der Baubetreuung- bzw. dem Bauträgergeschäft verschiedene Projekte verwirklicht. Dabei hat der Senat auch berücksichtigt, dass es zum einen zahlreiche Faktoren aus der Sphäre kommunaler Entscheidungsgremien – und damit außerhalb der Einflussmöglichkeiten der Klägerin – gibt (zum Beispiel die Planung und Erschließung von Baugrundstücken), die Projekte erheblich verzögern können. Zum anderen hat der Senat berücksichtigt, dass durch Beginn der Niedrigzinsphase seit 2010 ein regelrechter „Boom“ in der Baubranche ausgelöst wurde, mit der Folge, dass die Konkurrenz erheblich größer und das Angebot verfügbarer Grundstücke deutlich geringer wurde.
131Mehr als die Möglichkeit der Verwirklichung weiterer Projekte im Bereich der Baubetreuung- bzw. dem Bauträgergeschäft wird nach der gemäß § 3a Abs. 2 EStG anzustellenden Prognose für den Zeitpunkt des Schuldenerlasses nicht verlangt. Letztlich ist sogar zu konstatieren, dass das Baubetreuungs- bzw. Bauträgergeschäft dadurch fortgeführt wurde, dass die zunächst vermietete Immobilie (A-Str. 214) in 2019 veräußert wurde. Denn Kern der Baubetreuung- bzw. des Bauträgergeschäfts ist die Errichtung von Immobilien mit anschließendem Verkauf. Genau dies hat die Klägerin in Bezug auf die zunächst vermietete Immobilie getan, sie zunächst zu errichten und später zu veräußern. Das ist die Fortsetzung ihrer ursprünglichen unternehmerischen Tätigkeit.
132d) Nach Auffassung des erkennenden Senats handelte die den Schuldenerlass aussprechende B Bank AG mit Sanierungsabsicht.
133(1) Der die Schulden erlassende Gläubiger muss gem. § 3a Abs. 2 EStG mit Sanierungsabsicht handeln. An das Vorliegen der Sanierungsabsicht sind nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung keine strengen Anforderungen zu stellen. Der Gläubiger braucht den Erlass nicht aus selbstlosen Motiven zu gewähren; vielmehr sind eigennützige Motive unschädlich, soweit die Sanierungsabsicht zumindest mitentscheidend ist. Dass der Gläubiger mit dem Forderungserlass typischerweise eigene Motive verfolgt und der Erlass nur das Mittel zum Zweck ist, einen Teil seiner Restforderung oder eine Geschäftsverbindung zu retten, stellt die Sanierungsabsicht nicht infrage (Seer in Kirchhof/Seer, Einkommensteuergesetz, 23. Auflage 2024, 6. Sanierungsabsicht der Gläubiger., Rn. 27). Allerdings darf nach der BFH-Rechtsprechung die fremdnützige Sanierungsabsicht auch nicht völlig fehlen (vgl. BFH-Beschluss vom 27.11.2020 X B 63/20, BFH/NV 2021, 531).
134(2) Der erkennende Senat ist nach der Zeugenbefragung der für die B Bank AG tätigen Vertreter P T und I W der Überzeugung, dass der Erlass zwar vordergründig nicht aus selbstlosen Motiven gewährt wurde, dass die Sanierungsabsicht aber mitentscheidend gewesen ist.
135Die Sanierungsabsicht zeigt sich bereits im Schreiben der B Bank AG vom 7.3.2011 („[…] zu Ihrer obigen Anfrage teilen wir Ihnen mit, dass wir auf Grund der laufenden Sanierungsverhandlungen bzw. der angedachten Vergleichslösung das Bauvorhaben derzeit nicht begleiten können“). Dies hat der Zeuge P T , der zum Zeitpunkt des Schuldenerlasses auf Seiten der B Bank AG für die Klägerin zuständig gewesen ist, in seiner Vernehmung in der mündlichen Verhandlung glaubhaft bestätigt, in dem er folgende Ausführungen gemacht hat: „Die Kosten der Vollstreckung und die Dauer der Vollstreckung wurden als nachteilig angesehen, sodass man es bevorzugt hatte, dass die Klägerin einen Obolus leistet und man gütlich dann hier rausgeht. Nach dem Motto: Leben und leben lassen.“ Damit hat der für die B Bank AG tätige Zeuge nach dem Verständnis des Senats dargestellt, dass natürlich die eigenwirtschaftlichen Gründe der Bank im Vordergrund standen, aber ihm die fremdnützige Wirkung des Schuldenerlasses bekannt war und auch von ihm gewollt wurde. Diese Wertung hat der Zeuge nochmals dadurch bestätigt, dass er ausgeführt hat: „Man hat die Regelung so getroffen, dass beide Seiten erhobenen Hauptes aus dem Engagement heraustreten konnten.“ Konkret auf die Frage, ob er für die B Bank AG mit Sanierungsabsicht gehandelt hat, hat er ausgeführt: „Für mich war das eine wirtschaftliche Entscheidung, um den bestmöglichen Exit für beide Beteiligte hinzubekommen.“ Hierdurch, insbesondere durch die Betonung „beider Seiten“, zeigt sich, dass ihm nicht nur am Wohl der Bank gelegen war, sondern auch an der Klägerin, sodass der erkennende Senat in der Gesamtschau von einer ausreichenden Sanierungsabsicht ausgeht.
136Der Senat folgt der Aussage des Zeugen P T . Der Zeuge P T kann ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit beanspruchen. Er hat kein Interesse, die Klägerin zu belasten oder zu begünstigen und er hat kein eigenes Interesse am Ausgang des Verfahrens, da die Beendigung der geschäftlichen Beziehungen zur Klägerin bereits lange zurückliegt.
137Der Zeuge P T hat in der mündlichen Verhandlung die Entwicklung der Darlehensbeziehung und der Vergleichsverhandlungen zur Beendigung des Kreditengagements nachvollziehbar geschildert, sodass ausgeschlossen erscheint, dass er sich das bekundete Geschehen ausgedacht oder im Kern unrichtig wiedergegeben haben könnte. Vielmehr geht der Senat davon aus, dass die Erinnerungen – trotz des lange zurückliegenden Zeitraums – zutreffend sind.
138Die Aussage des Zeugen I W , dem damaligen Vorgesetzten des Zeugen P T , war vor dem Hintergrund, dass er an dem Vergleichsangebot und den hierzu geführten Gesprächen nicht mehr mitgewirkt hatte, weil er bereits in 2011 in eine andere Abteilung gewechselt war, nicht von unmittelbarer Bedeutung für Feststellung, ob der Schuldenerlass durch den hier erlassenden Gläubiger (der B Bank AG) von einer Sanierungsabsicht getragen war. Seine Aussage als Vorgesetzter hat das Gericht lediglich als Ausdruck der allgemeinen Geschäftspolitik der B Bank AG verstanden. Diese hat der erkennende Senat dahingehend gewürdigt, dass bei allen Entscheidungen – wie es bei einer Geschäftsbank auch kaum anders möglich sein kann – die eigenwirtschaftlichen Interessen im Vordergrund stehen, die eigenen Entscheidungen aber sehr wohl für den jeweiligen Kreditnehmer positive Begleiteffekte haben können, die, wenn sie denn eintreten, auch gewollt sind.
139Dem steht nicht entgegen, dass die B Bank AG nach Angabe des Zeugen I W keine Kunden, sondern Kredite saniere. Daraus folgende, etwaige Zweifel in Bezug auf den konkreten Bedeutungsgehalt bzw. Bezug des Wortes „Sanierungsverhandlungen“ in dem o.g. Schreiben vom 7.3.2011, wonach denkbar ist, dass das Wort Sanierung aus Sicht der B Bank AG nicht auf den Schuldner bezogen ist, werden durch die Aussagen des Zeugen P T , der im Gegensatz zum Zeugen I W auch an dem konkreten Schuldenerlass beteiligt war, verdrängt. Sie belegen, dass auch die Belange des Schuldners, hier der Klägerin, in den konkreten strategischen Überlegungen der Bank Berücksichtigung gefunden haben.
140In diesem Zusammenhang hat das Gericht jedoch nicht berücksichtigt, dass in dem dem Gericht von der Klägerin übersandten Schriftstück der B Bank AG vom 17.4.2008 eine Sanierungsabsicht angedeutet wurde, da aufgrund einer durch den Zeugen I W vorgelegten – durch ihn paraphierten – Kopie dieses Schreibens, unklar ist, welche Fassung letztlich an die Klägerin versandt wurde.
141Die Vertreter der erlassenden Bank waren sich ausweislich ihrer Aussagen der sanierenden Wirkung ihrer Entscheidung eindeutig bewusst. Dass sie im Übrigen kein ausschließlich altruistisches Motiv verfolgt haben, stellt die Sanierungsabsicht nicht in Frage, da Gläubiger mit dem Forderungserlass typischerweise eigene Motive (mit)verfolgen.
1423. Der erkennende hat mit der vorstehenden Feststellung, dass der Schuldenerlass einen steuerfreien Sanierungstrag i. S. des § 3a Abs. 1 Satz 1 EStG darstellt noch nicht die weiteren aus dieser Feststellung resultierenden Rechtsfolgen gezogen (vgl. vor allem § 3a Abs. 3 EStG), deren konkrete Berechnung durch den Beklagten zu erfolgen hat.
143II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
144III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
145IV. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.