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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Die Klägerin ist eine Kommanditgesellschaft, Kommanditist ist zu 100% Herr A B, Komplementärin ist die A B C GmbH. Die Klägerin hält unter anderem Beteiligungen an den Kapitalgesellschaften „B D GmbH E“ (Stammkapital 105.000 €) und „B D GmbH, F“ (Stammkapital 26.000 €). Mit Notarvertrag vom 29.01.2013 (Bl. 117 ff. der Gerichtsakte) veräußerte die Klägerin Gesellschaftsanteile an den vorgenannten Kapitalgesellschaften, sie blieb jedoch auch nach der Veräußerung zu mehr als 15% an diesen Gesellschaften beteiligt. (d.h. mit 26.250 € an der B D GmbH E und mit 6.500 € an der B D GmbH F).
3Aus den Beteiligungen flossen der Klägerin in den Streitjahren 2014 und 2015 Gewinnausschüttungen in Höhe von 767.910,23 € und 3.155.311,67 € zu. Im Vorjahr 2013 waren – wie zwischenzeitlich unstreitig ist – keine Gewinnausschüttungen erfolgt.
4Am 02.07.2015 reichte die Prozessbevollmächtigte einen Antrag auf Anpassung des Gewerbesteuermessbetrags für Vorauszahlungszwecke ab 2015 ein, weil das Ergebnis 2013 von einem Veräußerungserlös von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft beeinflusst worden sei und die derzeit festgesetzten Vorauszahlungen entsprechend zu hoch angesetzt worden seien. Beantragt wurde, den Gewerbesteuermessbetrag für Vorauszahlungszwecke ausgehend von einem Gewerbeertrag in Höhe von 342.500 € herabzusetzen. Dazu legte sie eine betriebswirtschaftliche Auswertung für 2014 vor, in der u.a. Erträge aus Beteiligungen z.T. steuerfrei i.H.v. 767.910,23 € ausgewiesen wurden, mit dem handschriftlichen Zusatz „ x 40%= 307.164 €“. Beigefügt war eine „Ergänzung zur BWA per 31.12.2014“f mit den Angaben
5Ergebnis laut BWA 447.898,40 €
6+ Steuern vom Einkommen und Ertrag 226.293,76 €
7./. Steuerfreier Anteil auf GA 307.164,00 €
8367.028,16 €
9./. Freibetrag 24.500,00 €
10= verbleiben 342.528,16 €
11Der Beklagte setzte daraufhin im Vorauszahlungsbescheid ab 2015 über den Gewerbesteuermessbetrag den Gewerbesteuermessbetrag für Zwecke der Vorauszahlungen mit 11.130 € fest (342.500 € ./. 24.500 € Freibetrag nach § 11 Abs. 1 GewStG x 3,5 %).
12Die Klägerin reichte ihre Gewerbesteuererklärungen der Streitjahre am 09.02.2016 (2014) und am 13.01.2017 (2015) beim Beklagten ein. In der Gewerbesteuererklärung für das Streitjahr 2014 erklärte sie einen Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 553.215 €, in der Gewerbesteuererklärung für das Streitjahr 2015 einen Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 2.452.268 €. Diesen Gewerbesteuererklärungen beigefügt war jeweils ein „Ergänzungsliste Überleitung zum steuerlichen Gewinn“, in denen der vorläufige Gewinn u.a. um „nach § 3 Nr. 40 EStG steuerfreie Erträge (Teileinkünfteverfahren“ i.H.v. 307.165 € (2014) bzw. i.H.v. 1.603.853 € (2015) gemindert worden waren. Unter Berücksichtigung weiterer Korrekturen wurde ausgewiesen „endgültiger Gewinn (+)/Verlust(-) gemäß § 7 GewStG“ in Höhe der vorgenannten Beträge (553.215 € bzw. 2.452.268 €). Erklärt wurden außerdem Hinzurechnungen nach § 8 Abs. 1 GewStG und Kürzungen nach § 9 Nr. 1 Satz 1, Nr. 2 des Gewerbesteuergesetzes. Angaben zu einer etwaigen Kürzung nach § 9 Nr. 2a des Gewerbesteuergesetzes erfolgten nicht.
13Aus der Gewinn- und Verlustrechnung für das Streitjahr 2014 ergibt sich, dass die Klägerin Erträge aus Beteiligungen an Kapitalgesellschaften (Erträge aus Beteiligungen z.T. steuerfrei, Konto 2615) in Höhe von 767.910,23 € in die Gewinnermittlung einbezogen hat (Bl. 9 der Bilanzakte). In der Bilanz zum 31.12.2014 wurden u.a. die Beteiligungen an der B D GmbH und an der A & J B C GmbH mit 26.250 € bzw. 12.800 € ausgewiesen, aber ohne Angabe der prozentualen Beteiligungshöhe. Den steuerlichen Gewinn ermittelte die Klägerin unter Ansatz von Abrechnungen in Höhe von 307.164,09 € (abzüglich nach § 3 Nr. 40 EStG steuerfreie Erträge in Höhe von 40%, Teileinkünfteverfahren) (Bl. 11 der Bilanzakte) und verschiedenen –hier nicht streitigen – Hinzurechnungen.
14Aus der Gewinn- und Verlustrechnung für das Streitjahr 2015 ergibt sich, dass die Klägerin Erträge aus Beteiligungen an Kapitalgesellschaften (Erträge aus Beteiligungen z.T. steuerfrei, Konto 2615, und Erträge Veräuß.Ant. KapGes z.T. stfrei, Konto 2723) in Höhe von 3.155.311,67 € und in Höhe von 854.319,33 € in die Gewinnermittlung einbezogen hat (Bl. 22 der Bilanzakte). In der Bilanz zum 31.12. 2015 wurden u.a. die Beteiligungen an der B D GmbH und an der A & J B C GmbH mit 26.250 € bzw. 12.800 € ausgewiesen, aber ohne Angabe der prozentualen Beteiligungshöhe. Aus der „Ergänzungsliste Überleitung zum steuerlichen Gewinn“ (Bl. 24 der Gewerbesteuerakte) ergibt sich, dass die Klägerin den steuerlichen Gewinn unter Abrechnung von nach § 3 Nr. 40 EStG steuerfreien Erträgen in Höhe von 1.603.853 € ermittelt hat.
15Der Beklagte erließ zunächst erklärungsgemäße Gewerbesteuermessbescheide für die Streitjahre 2014 und 2015.
16Im Jahr 2018 fand eine Betriebsprüfung (Bp) durch die Groß- und Konzernprüfung E für die Jahre 2013 bis 2015 bei der Klägerin statt. Ausgehend vom Prüfungsbericht vom 17.05.2018, auf den wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen wird, wurden zwar Feststellungen zur Höhe und zum Zeitpunkt der der Erfassung des Kaufpreises aus den o.g. Anteilsveräußerungen (Tz. 2.6 und 2.7 des Prüfungsberichts vom 17.05.2018) getroffen, jedoch nicht zu den Gewinnausschüttungen aufgrund der verbliebenen Beteiligungen. Der Beklagte erließ aufgrund der von der Bp vorbereiteten Eingabeprotokolle am 12.09.2018 nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Gewerbesteuermessbescheide für 2014 und 2015 und hob zugleich den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Die Klägerin legte gegen die geänderten Gewerbesteuermessbescheide keine Einsprüche ein.
17Mit Schreiben vom 14.03.2019 beantragte der Steuerberater der Klägerin die Änderung der Gewerbesteuermessbescheide nach § 129 AO. Im Rahmen der Gewerbesteuererklärungen 2014 und 2015 seien versehentlich die Eintragungen zur Kürzung der Bemessungsgrundlage nach § 9 Nr. 2a GewStG (sog. Schachteldividende) aufgrund der Gewinnausschüttungen unterlassen worden. Dadurch seien die Gewinnausschüttungen fälschlicherweise mit einem steuerpflichtigen Anteil von 60% (Teileinkünfteverfahren) berücksichtigt worden. Zutreffend wäre eine vollständige Kürzung des Gewerbeertrages in Höhe von 100% der Gewinnausschüttungen gewesen. Diese fehlerhafte Eintragung in den Steuererklärungen sei vom Beklagten mechanisch übernommen worden. Von einer unzutreffenden Rechtsanwendung könne nicht ausgegangen werden, da die Tatsache der Gewinnausschüttung und deren Folgen auf die Ermittlung des Gewinns für die Gewerbesteuer (Anwendung der Kürzungsvorschrift Schachteldividende) hinlänglich bekannt seien und kein Spielraum in einer rechtlichen Würdigung vorhanden sei. Ein Fall, in dem der Beklagte rechtliche Überlegungen anstellen müsste, welche zur Versagung der Anwendung des § 129 AO führen würden, läge hier gerade nicht vor. Die Tatsache, dass die Beteiligungen > 15% gehalten und Gewinnausschüttungen zugeflossen seien, sei gegenüber den Vorjahren grundsätzlich unverändert gewesen und dem Finanzamt bekannt gewesen. In den Vorjahren seien die Kürzungen gem. § 9 Nr. 2a GewStG korrekt in den Steuererklärungen erfasst und die Veranlagungen unter Anwendung der Kürzungsvorschrift durchgeführt worden. Zudem hätten dem Beklagten bei der Durchführung der Veranlagungen alle notwendigen Tatsachen der Jahre 2014 und 2015 vorgelegen. Bei dem Erlass der Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung seien die Gewinnausschüttungen entsprechend der Erklärung gem. dem Teileinkünfteverfahren veranlagt und die Anrechnung der Steuerabzugsbeträge korrekt erfasst worden. Die fehlende Eintragung zur Kürzungsvorschrift in den Gewerbesteuererklärungen sei vom Beklagten aus den fehlerhaften Erklärungen ohne Überprüfung übernommen worden. Die Steuerbescheinigungen über die zugeflossenen Gewinnausschüttungen hätten dem Finanzamt bei der Durchführung der Veranlagungen vorgelegen. Der mechanische Eintragungsfehler in den Gewerbesteuererklärungen der Streitjahre sei seitens des Beklagten übersehen worden. Für die betreffenden Jahre sei eine vollumfängliche Bp in der Zeit vom 29.05.2017 bis zum 21.03.2018 durchgeführt worden. Für die Ermittlung der Gewerbesteuer sei zudem ein Prüfer der Stadt E hinzugezogen worden. Die Beteiligungseinkünfte seien geprüft und besprochen worden. Die Prüfer hätten allerdings keine Änderung der offenbaren Unrichtigkeit vorgenommen und den Fehler zuungunsten der Klägerin nicht korrigiert. Eine Unrichtigkeit könne auch dann beim Erlass eines Verwaltungsaktes unterlaufen, wenn die Veranlagungsstelle des Finanzamts eine Unrichtigkeit des Außenprüfungsberichts bei dessen Auswertung übernehme. Dies gelte selbst dann, wenn die Unrichtigkeit des Prüfungsberichts darauf beruhe, dass eine offenbare Unrichtigkeit der Steuererklärung des Steuerpflichtigen vom Außenprüfer nicht erkannt werde. Ein bekannter Sachverhalt, der durch Unachtsamkeit bei der Steuerfestsetzung nicht berücksichtigt worden sei, dürfe als offenbare Unrichtigkeit berichtigt werden. Ein mechanisches Versehen werde angenommen, wenn der Sachbearbeiter es versehentlich unterlassen habe, die vom Steuerpflichtigen übersandten Unterlagen auszuwerten. Der Fehler könne sich auch aus beigefügten Unterlagen ergeben, wie hier aus den eingereichten Steuerbescheinigungen. Ein die Anwendung des § 129 AO ausschließender Ermittlungsfehler liege insoweit nicht vor und die Voraussetzungen zur Berichtigung der Steuerbescheide seien gegeben. Der Eintragungsfehler sei für das Finanzamt aus den vorliegenden Unterlagen ohne weiteres erkennbar gewesen (vorliegende Steuerbescheinigungen, richtige Veranlagung des Sachverhalts bei der gesonderten und einheitlichen Feststellung, getrennte Verbuchung der Gewinnausschüttung in dem Jahresabschluss, gleicher Sachverhalt analog zu den Vorjahren und dort korrekte Durchführung der Veranlagung).
18Mit Schreiben vom 01.04.2019 lehnte der Beklagte die Änderungsanträge der Klägerin ab. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass die bereits bestandskräftigen Gewerbesteuermessbescheide der Jahre 2014 und 2015 mangels einschlägiger Korrekturvorschriften nicht geändert werden könnten. Insbesondere komme die Vorschrift des § 129 AO nicht zur Anwendung, weil ein Rechtsanwendungsfehler im Streitfall nicht auszuschließen sei.
19Hiergegen legte die Klägerin am 23.04.2019 Einspruch ein. An den Kapitalgesellschaften sei sie unverändert seit Jahren mit mehr als 15% beteiligt gewesen, was dem Beklagten auch bekannt gewesen sei. Die fehlende Festsetzung des richtigen Gewerbeertrags habe ihren Ursprung in der versehentlich fehlenden Eintragung zur Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 2a GewStG gehabt. Dieser Eintragungsfehler stehe einem mechanischen Fehler gleich, da eine falsche Rechtanwendung ausgeschlossen sei. Die offenbare Unrichtigkeit sei direkt erkennbar gewesen. Zum einen seien die Erträge aus den Kapitalgesellschaften auf einem separaten FiBu-Konto erfasst worden, und zum anderen seien die entsprechenden Steuerbescheinigungen der betreffenden Jahre beim Beklagten eingereicht worden. Die Eintragung in der gesonderten und einheitlichen Feststellung sei ebenfalls vorgenommen worden. Daher hätte die fehlende Eintragung zur Kürzung in der Gewerbesteuererklärung zweifelsfrei festgestellt werden können. Der Beklagte habe den Fehler jedoch übernommen und sich somit zu Eigen gemacht.
20Der Sachbearbeiter habe die vorliegenden Unterlagen über die bezogenen Gewinnausschüttungen bei den Veranlagungen versehentlich nicht ausgewertet, obwohl es sich um eine für die Besteuerung relevante Tatsache handele. Das gleiche gelte für den Betriebsprüfer des Beklagten und den Prüfer der Stadt E im Hinblick auf die Gesamtverantwortung zur Ermittlung der richtigen Steuer. Des Weiteren seien die empfangenen Gewinnausschüttungen in den Vorjahreserklärungen in die entsprechende Zeile der Gewerbesteuererklärung zur Kürzung nach § 9 Nr. 2a GewStG korrekt eintragen worden. Die Gesamtumstände des Streitfalls ließen darauf schließen, dass es sich um ein rein mechanisches Versehen handele. Die unverändert geltende Rechtsnorm sei in den Vorjahren bereits richtig angewandt worden, und die theoretische Möglichkeit eines Spielraums für Zweifelsfragen in der Anwendung dieser Rechtsnorm könne daher nicht angenommen werden. Der BFH habe im Urteil vom 22.05.2019 (XI R 9/18), dem ein ähnlich gelagerter Sachverhalt zugrunde gelegen habe, eine offenbare Unrichtigkeit angenommen. Jedenfalls im Rahmen der Außenprüfung seien die Beteiligungsquoten unstreitig und eindeutig bekannt gewesen, gleichwohl habe keiner der Prüfer die offenbare Unrichtigkeit beseitigt. Darüber hinaus sei dem Beklagten die erforderliche Mindestbeteiligung aus den Vorjahren bekannt und auch sicherlich ohne Mühe aus den gespeicherten Daten zu entnehmen gewesen.
21Mit Einspruchsentscheidung vom 30.06.2020 (Bl. 9 ff der Gerichtsakte) wies der Beklagte die Einsprüche der Klägerin als unbegründet zurück. Der Klägerin sei keine ähnliche Unrichtigkeit i.S.v. § 129 AO unterlaufen. Aus den Gesamtumständen des Streitfalls bestünden erhebliche Zweifel, dass die Berücksichtigung der Kürzung des Gewinns aus den Gewinnausschüttungen bei der Erstellung der Steuererklärung nur aufgrund eines mechanischen Versehens unterblieben sei. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Klägerin den Betrag aus rechtlichen Gründen nicht erklärt habe. Es könne insoweit nicht von einem einfachen „Eintragungsfehler" die Rede sein. Für jeden unvoreingenommenen Dritten sei die fehlende Eintragung in den Gewerbesteuererklärungen zur Kürzung des Gewinnanteils nicht klar und deutlich als offenbare Unrichtigkeit erkennbar. Anhand der vorliegenden Steuerbescheinigungen der Gewinnausschüttungen sei nicht ersichtlich gewesen, in welcher Höhe eine Beteiligung der Klägerin an den Kapitalgesellschaften „B D GmbH, E" und „B D GmbH, F" bestanden habe. Demnach habe ohne weitere rechtliche Überlegungen nicht geklärt werden können, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Vorliegen einer sog. Schachteldividende erfüllt gewesen seien. Der Sachverhalt sei für den Beklagten bei der Veranlagung keineswegs klar und ohne weitere Ermittlungen/Prüfungen auch nicht zugänglich und erkennbar gewesen. Die Grundsätze des BFH-Urteils vom 27.05.2019 (X R 47/18) seien auf den Streitfall nicht übertragbar, da im Urteilsfall ein mechanisches Versehen angenommen worden sei, weil der Sachbearbeiter versehentlich die Auswertung vom Steuerpflichtigen übersandter Unterlagen unterlassen habe.
22Im Streitfall habe sich der Fehler jedoch nicht eindeutig aus den beigefügten Unterlagen ergeben. Es sei nicht ersichtlich, dass der Sachbearbeiter des Beklagten die vorliegenden Unterlagen über die bezogenen Gewinnausschüttungen bei den Veranlagungen versehentlich nicht ausgewertet habe. Insoweit habe die fehlende Nichtberücksichtigung der Kürzungsvorschrift ihren Grund nicht in einer bloßen Unachtsamkeit des zuständigen Sachbearbeiters. Nach den Gegebenheiten im Streitfall lasse sich einen Rechtsirrtum nicht ausschließen. Des Weiteren gehe auch der Hinweis der Klägerin, dass die unverändert geltende Rechtsnorm des § 9 Nr. 2a GewStG in den Vorjahren korrekt angewandt worden sei, ins Leere. Zum einem bereits aus dem Grunde, dass die Klägerin im Veranlagungszeitraum 2013 keine entsprechende Gewinnausschüttung erhalten habe und folglich keine Kürzung im Sinne des § 9 Nr. 2a GewStG in der Gewerbesteuererklärung 2013 hätte vorgenommen werden können. Hinzu komme zum anderen, dass es der gesicherten Rechtsprechung des BFH entspreche, dass grundsätzlich keine offenbare Unrichtigkeit vorliege, wenn sie für den zuständigen Sachbearbeiter des Finanzamts nur erkennbar gewesen wäre, wenn er die Steuererklärung eines Vorjahres bei der Veranlagung der Streitjahre zugezogen hätte. Soweit die Finanzbehörde auf Akten des Vorjahrs zurückgreifen müsse, liege eine aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen erforderliche, vom Sachbearbeiter jedoch unterlassene Sachverhaltsermittlung vor, die kein mechanisches Versehen sei. In solchen Fällen habe das Finanzamt zwar möglicherweise seine Amtsermittlungspflicht verletzt; diese Pflichtverletzung sei aber nicht mit einer offenbaren Unrichtigkeit gleichzusetzen, sie schließe vielmehr in der Regel eine offenbare Unrichtigkeit aus. Darüber hinaus bestehe im Streitfall die Besonderheit, dass sich die Beteiligungsverhältnisse der Klägerin an den beiden Kapitalgesellschaften ab dem Veranlagungszeitraum 2013 verändert hätten, da es insoweit zu Anteilsveräußerungen gekommen sei. Unabhängig von der Höhe der veräußerten Anteile sei die Aussage der Klägerin dahingehend nicht korrekt, dass es im Vergleich zu den Vorjahreserklärungen keine Änderung für die streitgegenständlichen Zeiträume gegeben habe. Die fehlende Eintragung in den Gewerbesteuererklärungen der Streitjahre könne auch nicht mit Bezug auf das BFH-Urteil vom 22.05.2019 (Az. Xl R 9/18) als offenbare Unrichtigkeit i.S.d. § 129 AO gewertet werden. Der Urteilsfall sei mit dem Sachverhalt des Streitfalls nicht zu vergleichen. Während im Urteilsfall entschieden worden sei, dass die fehlende Eintragung zur Zeile 44a) der Anlage WA zur Feststellungserklärung als unrichtig i.S.d. § 129 AO anzusehen sei, weil insoweit zwingend eine Eintragung (unabhängig von der Beteiligungshöhe) vorzunehmen sei, gehe es im vorliegenden Fall um die fehlende Eintragung in Zeile 62 der Gewerbesteuererklärung. Eintragungen zur Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 2a GewStG seien nur dann vorzunehmen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen der vorgenannten Norm erfüllt seien (Beteiligung von min. 15% am Stammkapital). Es handele sich folglich nicht im eine „allgemeine" Eintragung, die unabhängig von einer rechtlichen Beurteilung vorzunehmen sei. Das Gleiche gelte auch für das Urteil des Finanzgerichts Niedersachsen vom 19.02.2020 (Az. 3 K 323/19), in dem entschieden worden sei, dass die unterlassene Übernahme eines Verlustes aus einer Verlustbescheinigung nach § 43a Abs. 3 Satz 4 EStG in die Steuererklärung bei Vorliegen der Verlustbescheinigung bei der Steuerveranlagung eine Berichtigung des Bescheides nach § 129 Satz 1 AO aufgrund eines Übernahmefehlers begründen könne. Im Streiffall könne – anders als im Urteilsfall – nicht ausgeschlossen werden, dass der Kürzungsbetrag zur Gewerbesteuer aus rechtlichen Gründen nicht erklärt worden sei. Durch die Vorlage der Steuerbescheinigungen ergebe sich im Streitfall nicht die offenkundige Notwendigkeit, dass die Gewinnausschüttungen auch in der Zeile 62 der Gewerbesteuererklärung einzutragen und steuerlich zu berücksichtigen seien. Denn anders als im vorgenannten Urteilsfall, bei dem es um die Vorlage einer Verlustbescheinigung gegangen sei, welche einzig aus dem Zweck erstellt worden ist, dem Stpfl. eine Verlustverrechnung im Rahmen der Steuerveranlagung zu ermöglichen, werde eine Steuerbescheinigung über offene Gewinnausschüttungen nicht lediglich für Fälle ausgestellt, in denen eine Mindestbeteiligungsquote von 15% am Stammkapital der jeweiligen Kapitalgesellschaft vorliege. Auch der Hinweis der Klägerin, dass die Bp den Fehler nicht im Rahmen der Prüfung korrigiert habe, führe zu keiner anderen Beurteilung des Sachverhalts. Die Aussage, dass im Rahmen der Prüfung die Beteiligungsquoten unstreitig und eindeutig bekannt gewesen seien, sei nicht bewiesen. Aus dem Bp-Bericht vom 17.05.2018 ergäben sich keine Erkenntnisse über die Höhe der Beteiligungen an den Gesellschaften „B D GmbH E/F" oder über eine Überprüfung der streitigen Beteiligungseinkünfte. Daher ließen sich auch insoweit rechtliche Überlegungen nicht eindeutig ausschließen. Da die Anwendung des § 129 AO bereits daran scheitere, dass die Unrichtigkeit nicht offenbar sei, erübrige sich eine weitere Auseinandersetzung mit der Frage, ob sich der Beklagte den Fehler der Klägerin womöglich zu eigen gemacht habe, indem er diesen bei Erlass des Steuerbescheides übernommen habe.
23Mit ihrer am 31.07.2020 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren gerichtlich weiter. Die Unrichtigkeit der unzutreffenden Erklärung sei im Streitfall offenbar. Dem Beklagten sei bekannt gewesen, dass die Klägerin zu mehr als 15% an den vorbezeichneten Kapitalgesellschaften beteiligt gewesen sei. Hierzu sei ein Rückgriff auf Akten vorangegangener Veranlagungszeiträume nicht nötig gewesen, da sich die Beteiligungshöhe der Klägerin bereits aus den dem Beklagten vorliegenden Bilanzen ergebe. Das Stammkapital der B D GmbH E belaufe sich auf 105.000 €, ausweislich der Bilanz sei die Klägerin hieran mit einem Betrag in Höhe von 26.250,00 € und damit zu mehr als 15% beteiligt. Das Stammkapital der B D GmbH F belaufe sich auf 26.000 €, die Klägerin sei hieran mit 6.500 € beteiligt, auch dies entspreche einer Beteiligungsquote von mehr als 15%. Darüber hinaus habe der Beklagte aus den eingereichten Unterlagen, insbesondere dem separaten FiBu-Konto, erkennen müssen, dass die Gewinnausschüttungen in Höhe von 60% fehlerhaft im Rahmen der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags übernommen worden seien. Dem Beklagten habe (auch im Rahmen der Bp) der Notarvertrag vom 29.01.2013 vorgelegen, so dass dem Beklagten offenbar gewesen sei, dass die Beteiligungshöhe der Klägerin weiterhin mehr als 15% betragen habe. Aus dem Akteninhalt sei auch nicht erkennbar, dass der Beklagte sich überhaupt Gedanken über eine mögliche Änderung der Beteiligungshöhe der Klägerin an den Kapitalgesellschaften gemacht habe. Der unterlassene Eintrag der von der Klägerin erzielten Gewinnausschüttungen für die Kürzung nach § 9 Nr. 2a GewStG habe auf Unachtsamkeit bzw. Flüchtigkeit beruht. Rechtliche Gedanken habe sich die Klägerin bei Erstellung der Steuererklärungen nicht gemacht, da sich die Beteiligung an den Kapitalgesellschaften nicht unter 15% ermäßigt habe. Die Klägerin habe im Rahmen der Erstellung der Gewerbesteuererklärungen den für die Erklärung über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen ermittelten Gewinn, der die Gewinnausschüttungen nach dem Teileinkünfteverfahren zu 60% beinhaltet hatte, übernommen. Bei der Übernahme dieses Wertes habe die Klägerin sich keine Gedanken gemacht. Diesen Übertragungsfehler habe der Beklagte in den angefochtenen Steuerbescheiden als eigenen übernommen. Darüber hinaus habe das Finanzamt den Fehler der Bp, der die fehlerhafte Eintragung ebenfalls nicht aufgefallen sei, als eigenen Fehler übernommen. Die Möglichkeit eines Rechtsirrtums, eines Denk- oder Überlegungsfehlers scheide aus, da nach dem Akteninhalt insbesondere keine Auswertung des Notarvertrags erfolgt sei. Über eine mögliche Änderung der Beteiligungshöhe habe sich die Beklagte keine Gedanken gemacht. Nach der Rechtsprechung des BFH liege ein mechanisches Versehen auch dann vor, wenn der Sachbearbeiter nicht von der Finanzverwaltung überlassene, sondern von dem Steuerpflichtigen unterjährig übersandte Unterlagen bei der Veranlagung versehentlich nicht auswerte. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Fehler auf rechtliche oder tatsächliche Erwägungen zurückzuführen sei.
24Von einer unzutreffenden Rechtsanwendung der Beklagten könne auch deshalb nicht ausgegangen werden, da die Tatsache der Gewinnausschüttungen und deren Folgen auf die Ermittlung des Gewinns für die gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung (hier Anwendung des Teileinkünfteverfahrens) bzw. Gewerbesteuer (hier Anwendung der Kürzungsvorschrift Schachtelprivileg) hinlänglich bekannt gewesen seien und insoweit kein Spielraum in einer rechtlichen Würdigung bestanden habe.
25Jedenfalls habe die Klägerin einen Anspruch auf Änderung der angefochtenen Steuerbescheide nach § 173a AO. Es liege eine fehlerhafte Übertragung dadurch vor, dass die Klägerin die Gewinnausschüttungen nicht in Gänze der Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 2a GewStG unterworfen habe. Die fehlerhafte Übertragung stelle einen Schreibfehler i.S.d. § 173a AO dar. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs zählten zu den Schreibfehlern auch fehlerhafte Übertragungen. Der Schreibfehler der Klägerin habe dazu geführt, dass dem Beklagten nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt des Erlasses des Steuerbescheids rechtserhebliche Tatsachen unzutreffend mitgeteilt worden seien. Schließlich sei unzutreffend die Mitteilung erfolgt, dass keine Kürzung der Gewinnausschüttungen nach § 9 Nr. 2a GewStG erfolgen solle und dass eine Beteiligung von mehr als 15% an den vorbezeichneten Kapitalgesellschaften bestanden habe. Diese Tatsache sei auch erheblich gewesen, schließlich wäre der Beklagte bei rechtzeitiger Kenntnis der Tatsache schon bei der ursprünglichen Veranlagung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einer niedrigeren Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags gelangt. Da eine dem Schreibfehler gleichstehende mechanische Übertragung vorliege, die zu einer unrichtigen Steuerfestsetzung führe, bestehe ein Anspruch auf Änderung der streitgegenständlichen Steuerbescheide nach § 173a AO.
26Die Klägerin beantragt,
27unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 01.04.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.06.2020 das Finanzamt zu verpflichten, den Bescheid vom 12.09.2018 über die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags 2014 dahingehend zu ändern, dass der Gewerbesteuermessbetrag auf 0 € festgesetzt wird und den Bescheid vom 12.09.2018 über die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags 2015 dahingehend zu ändern, dass der Gewerbesteuermessbetrag auf 35.460 € festgesetzt wird,
28hilfsweise, für den Fall des Unterliegens oder Teilunterliegens, die Revision zuzulassen.
29Der Beklagte beantragt,
30die Klage abzuweisen.
31Die Bescheide seien zwar unrichtig im Sinne des § 129 AO, da sie die nach § 9 Nr. 2a GewStG vorzunehmenden Kürzungen der Gewerbeerträge um die empfangenen Gewinnausschüttungen aus den Beteiligungen an der Kapitalgesellschaften „B D GmbH, E" und „B DGmbH, F" nicht enthielten. Die Bescheide der Streitjahre enthielten jedoch keine "beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufene" offenbare Unrichtigkeit. Der Beklagte habe die in den Gewerbesteuererklärungen der Klägerin enthaltenen Unrichtigkeiten daher auch nicht als "eigene" übernommen. Die Unrichtigkeit der Erklärungen der Klägerin wäre für den zuständigen Sachbearbeiter des Finanzamts nur erkennbar gewesen, wenn er die Akten der Anteilsveräußerung aus dem Jahr 2013 (Vertrags- oder Beteiligungsakte) bei der Veranlagung der Streitjahre zugezogen hätte oder ggf. die Steuerakten der Vorjahre. Dem Beklagten seien für die Streitjahre keine Unterlagen überlassen worden, die den Nachweis enthielten, dass die Klägerin zu mehr als 15% an den Kapitalgesellschaften beteiligt gewesen sei. Aus den Konten der Finanzbuchhaltung seien keinerlei Informationen zu entnehmen. Hieraus ergebe sich lediglich, dass das Teileinkünfteverfahren für Zwecke der Gewinnermittlung angewandt worden sei, was jedoch nicht voraussetzungsgleich mit der Anwendung der Vorschrift des § 9 Nr. 2a GewStG sei. Die Tatsache, dass sich keine Anhaltspunkte für eine Auseinandersetzung des Beklagten mit der Anteilsveräußerung aus den Akten ergäben, genüge nicht, um einen möglichen Rechtsfehler des Beklagten auszuschließen. Das Gleiche gelte für den Hinweis der Klägerin, dass dem Beklagten eine offenbare Unrichtigkeit unterlaufen sei, da er die Unrichtigkeit des Bp-Berichts bei dessen Auswertung übernommen habe. Hierbei wäre entscheidend, dass der Veranlagungsbeamte einen im Außenprüfungsbericht enthaltenen Fehler übernommen hätte, der auf ein mechanisches Versehen der Außenprüfer zurückzuführen wäre. Ein solcher Fehler sei im Streitfall jedoch nicht erkennbar. Aus dem Bericht der Bp ergäben sich keine Erkenntnisse über die Höhe der Beteiligungen an den Gesellschaften „B D GmbH" E und F. Des Weiteren sei dem Bericht und den Akten bzw. Aufzeichnungen nicht zu entnehmen, dass die Vorschrift des § 9 Nr. 2a GewStG zum Prüfungsinhalt gehörte habe. Die Möglichkeit eines Rechtsirrtums, Denkfehlers oder einer unvollständigen Sachverhaltsaufklärung könne daher nicht ausgeschlossen werden.
32Die Korrekturvorschrift des § 173a AO komme vorliegend ebenfalls nicht zur Anwendung. Bei der von der Klägerin bei Erstellung der Gewerbesteuererklärungen vergessenen Eintragung zu den Gewinnausschüttungen handele es sich nicht um einen Schreib-oder Rechenfehler, sondern allenfalls um eine "ähnliche offenbare Unrichtigkeit" im Sinne des § 129 AO. Ähnliche offenbare Unrichtigkeiten würden — im Gegensatz zu § 129 AO — von dem eindeutigen Wortlaut des § 173a AO gerade nicht erfasst. Auch Fehler bei der Übertragung von Daten seien, entgegen der Auffassung der Klägerin, von § 173a AO nicht erfasst. Hinzu komme, dass bei der Anwendung des § 173a AO der Schreib- oder Rechenfehler, wie im Anwendungsbereich des § 129 AO, durchschaubar, eindeutig oder augenfällig sein müssten. Das sei dann der Fall, wenn der Schreib- oder Rechenfehler bei Offenlegung des Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und deutlich als solcher erkennbar sei und kein Anhaltspunkt dafür bestehe, dass eine unrichtige Tatsachenwürdigung, ein Rechtsirrtum oder ein Rechtsanwendungsfehler vorliege. Insoweit verweist der Beklagte auf seine Ausführungen zu § 129 AO.
33In der Sache hat am 14.06.2023 eine mündliche Verhandlung vor dem Senat stattgefunden; auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
34E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
35I. Die Klage ist unbegründet.
361. Die Voraussetzungen für eine Änderung der Gewerbesteuermessbescheide 2014 und 2015 nach § 129 AO liegen nicht vor.
37a) Die Finanzbehörde kann gem. § 129 Satz 1 AO Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist gem. § 129 Satz 2 AO zu berichtigen.
38Die Berichtigungsmöglichkeit nach § 129 AO setzt grundsätzlich voraus, dass die offenbare Unrichtigkeit in der Sphäre der den Verwaltungsakt erlassenden Finanzbehörde entstanden ist (z.B. BFH-Urteil vom 16.09.2015 - IX R 37/14, BFHE 250, 332, BStBl II 2015, 1040). Da die Unrichtigkeit aber nicht aus dem Bescheid selbst erkennbar sein muss, ist die Vorschrift auch dann anwendbar, wenn das Finanzamt offenbar fehlerhafte Angaben des Steuerpflichtigen als eigene übernimmt (z.B. BFH-Urteil vom 08.12.2021 – I R 47/18, BStBl. II 2022, 827; BFH-Urteil vom 03.05.2017 - X R 4/16, BFH/NV 2017, 1415, m.w.N.).
39Offenbare Unrichtigkeiten i.S. des § 129 AO sind mechanische Versehen wie beispielsweise Eingabe- oder Übertragungsfehler. Dagegen schließen Fehler bei der Auslegung oder Anwendung einer Rechtsnorm, eine unrichtige Tatsachenwürdigung oder die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts eine offenbare Unrichtigkeit aus. § 129 AO ist nicht anwendbar, wenn auch nur die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass die Nichtbeachtung einer feststehenden Tatsache in einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung oder einem sonstigen sachverhaltsbezogenen Denk- oder Überlegungsfehler begründet ist oder auf mangelnder Sachverhaltsaufklärung beruht (vgl. dazu insgesamt BFH-Urteil vom 17.05.2017 - X R 45/16, BFH/NV 2018, 10, BFH-Urteil vom 08.12.2021 – I R 47/18, BStBl. II 2022, 827 m.w.N.). Ob ein mechanisches Versehen oder ein die Berichtigung nach § 129 AO ausschließender Tatsachen- oder Rechtsirrtum vorliegt, muss nach den Verhältnissen des Einzelfalls beurteilt werden (BFH-Urteil vom 08.12.2021 – I R 47/18, BStBl. II 2022, 827).
40Offenbar ist eine Unrichtigkeit dann, wenn sie klar auf der Hand liegt, durchschaubar, eindeutig oder augenfällig ist (BFH-Urteil vom 13.6.2012 – VI R 85/10, BStBl. II 2013, 5). Nicht erforderlich ist, dass der Empfänger des Verwaltungsakts die Unrichtigkeit erkennen konnte; die Unrichtigkeit muss sich insbesondere nicht aus dem Verwaltungsakt selbst ergeben (Füssenich in BeckOK, AO, § 129 Rdn. 32; Wernsmann in HübschmannHepp/Spitaler, AO, § 129 Rdn. 70). Ausreichend ist, dass die Unrichtigkeit bei Offenlegung des Sachverhalts für einen unvoreingenommenen Dritten klar und eindeutig als offenbare Unrichtigkeit erkennbar ist (BFH-Urteil vom 08.12.2021 – I R 47/18, BStBl. II 2022, 827; BFH-Urteil 8.12.2011 – VI R 45/10, BFH/NV 2012, 694; BFH-Urteil vom 3.8.2016 – X R 20/15, BFH/NV 2017, 438).
41b) Nach diesen Grundsätzen liegt im Streitfall keine ähnliche offenbare Unrichtigkeit vor.
42aa) Im Streitfall waren sowohl die erstmaligen Gewerbesteuermessbescheide 2014 und 2015 wie die im Anschluss an die Betriebsprüfung geänderten Gewerbesteuermessbescheide 2014 und 2015 materiell-rechtlich unrichtig. Da die Klägerin auch nach den Anteilsveräußerungen zu mehr als 15 % an der B D GmbH E“ und der „B D GmbH, F“ beteiligt war, lagen die Voraussetzungen des § 9 Nr. 2a GewStG für die von der Klägerin beantragte Kürzung der Gewinne unstreitig vor.
43bb) Ein zur Nichtanwendbarkeit des § 129 AO führender Tatsachen- oder Rechtsanwendungsfehler lässt sich indes nicht ausschließen.
44(1) Fehler bei der Auslegung, Anwendung oder Nichtanwendung einer Rechtsvorschrift stellen keine offenbaren Unrichtigkeiten i.S.v. § 129 AO dar. Das Gleiche gilt, wenn die erforderliche rechtliche Prüfung vollständig unterblieben ist (Wernsmann: in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, § 129 Rdn. 41, 60 m.w.N.).
45Bereits nicht ausschließen lässt sich, dass die Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 2a GewStG bzw. deren konkrete Tatbestandsvoraussetzungen (maßgebliche Beteiligungshöhe) dem Bearbeiter des Beklagten im Veranlagungsbezirk nicht bekannt gewesen sind und mithin ein Rechtsanwendungsfehler vorliegt. Nicht ausschließen lässt sich ferner, dass der Bearbeiter – selbst wenn ihm die Norm und ihre Tatbestandsvoraussetzungen grundsätzlich geläufig gewesen wäre – eine Prüfung dieser Norm nicht aus Versehen sondern bewusst unterlassen hat, weil in den durch einen fachkundigen Berater erstellten Gewerbesteuererklärungen nebst Anlagen (in denen anderweitige Hinzurechnungen/Kürzungen nach §§ 8, 9 GewStG ausgewiesen wurden) keinen Anlass boten, an der Richtigkeit der Steuererklärung zu zweifeln (s. dazu nachfolgend unter (2)). Auch dies würde die Annahme einer offenbaren Unrichtigkeit ausschließen (vgl. BFH, Urteil vom 12.04.1994 – IX R 31/91, BFH/NV 1995, 1).
46(2) Des Weiteren erscheint es ernstlich möglich, dass der Bearbeiter des Beklagten einem Tatsachenirrtum unterlegen ist. Werden bekannte Sachverhalte falsch gewürdigt bzw. werden aus bekannten Informationen falsche Schlüsse gezogen, so liegt darin in der Regel ein Fehler in der Tatsachenwürdigung und/oder ein Denk- bzw. Überlegungsfehler, der nicht zur Berichtigung nach § 129 AO berechtigt (Wernsmann: in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, § 129 Rdn. 63 , 65 f. m.w.N.).
47Nicht ausschließen lässt sich, dass der Bearbeiter des Beklagten (nach der Teilanteilsveräußerung) – dem von der Klägerin unter Hinweis auf die Anteilsveräußerung gestellten Antrag auf Anpassung des Gewerbesteuermessbetrags für Vorauszahlungszwecke ab 2015 sowie den zu unterschiedlichen Zeitpunkten abgegebenen Gewerbesteuererklärungen für die Streitjahre folgend – irrigerweise (ebenso wie möglicherweise der steuerliche Berater) davon ausgegangen ist, dass die Klägerin (nach den Anteilsveräußerungen) tatsächlich in einem geringeren Umfang als von § 9 Nr. 2a GewStG gefordert an den Kapitalgesellschaften beteiligt gewesen ist und mithin ein Tatsachenirrtum und/oder ein Denk- und Überlegungsfehler gegeben ist.
48Objektive Umstände, die für eine versehentliche Nichtberücksichtigung (Nichteintragung der Ausschüttung in Zeile 62 des Vordrucks für die Gewerbesteuererklärung) und gegen eine Nichteintragung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen sprechen, bestehen – anders als im Fall, der dem BFH-Urteil vom 08.12.2021 (I R 47/18, BStBl. II 2022, 827, siehe dort Rdn. 26) zugrunde lag – nicht. Auch das von der Klägerin zitierte BFH-Urteil vom 22.05.2019 XI R 9/18 (BStBl II 2020, 37) ist mit dem vorliegenden Streitfall nicht vergleichbar. Denn in dem Sachverhalt, welcher dieser BFH-Entscheidung zugrunde lag, hätte die Klägerin entweder neben der Eintragung in Zeile 44a denselben Betrag auch in Zeile 44b eintragen müssen (bei Vorliegen einer Streubesitzdividende) oder sie hätte in den Fällen des § 8b Abs. 1 KStG eine Eintragung in Zeile 44d vermerken müssen. Demgegenüber waren vorliegend in der Zeile 61 der Gewerbesteuererklärungen einzutragen „Gewinne aus Anteilen an nicht steuerbefreiten inländ. Kapitalgesellschaften … (§ 9 Nr. 2a GewStG), soweit nicht bereits bei der Ermittlung des Gewinns lt. Zeile 33 nach § 3 Nr. 40 EStG bzw. § 8b KStG abgezogen.“ nur Beträge einzutragen, falls die Voraussetzungen des § 9 Nr. 2a GewStG vorlagen, d.h. auch nach der Anteilsveräußerung mindestens noch eine Beteiligungsquote von 15 % bestanden hätte.
49cc) Selbst wenn man davon ausginge, dass die Vorschrift des § 9 Nr. 2a GewStG und deren konkrete Tatbestandsvoraussetzungen (maßgebliche Beteiligungshöhe) dem Bearbeiter des Beklagten bekannt gewesen sind, so war die Unrichtigkeit der (vom Beklagten übernommenen) Angaben der Klägerin in den Steuererklärungen jedenfalls nicht offenbar.
50Für den Beklagten war nicht klar und eindeutig erkennbar, dass die Voraussetzungen der Vorschrift im Streitfall erfüllt waren und die übernommenen Angaben aus der Steuererklärung der Klägerin unrichtig waren. Der Umfang der Beteiligung der Klägerin an den Kapitalgesellschaften ergab sich nicht aus der Steuererklärung selbst. Die Höhe der Beteiligung wäre auch nicht durch einen bloßen einfachen Blick in die Gewinnermittlungen/Bilanzen der Klägerin erkennbar gewesen. Insbesondere ist eine Beteiligung in der Bilanz mit den Anschaffungskosten, Herstellungskosten oder ggf. einem niedrigeren Teilwert anzusetzen (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG), die betragsmäßig nicht zwingend mit der Beteiligung am Stammkapital identisch sind. Der Notarvertrag vom 29.01.2013 ist erst während der Bp vorgelegt worden und die Klägerin hat auch nicht vorgetragen, dass sie die Beteiligungsverhältnisse nach der Anteilsübertragung dem Beklagen vor der Erstveranlagung anderweitig zur Kenntnis gebracht hätte.
51Hierfür spricht auch, dass dem steuerlichen Berater der Klägerin selbst der Fehler in den zu unterschiedlichen Zeitpunkten abgegebenen Gewerbesteuererklärungen der Jahre 2014 und 2015, im Herabsetzungsantrag vom 02.07.2015 sowie während der Bp nicht aufgefallen ist.
52dd) Der Veranlagungsbeamte hat auch keinen im Bp-Bericht eindeutig dargestellten und sachlich unzweifelhaften Sachverhalt bei der Auswertung des Berichts übersehen (BFH-Urteil vom 27.11.2003 – V R 52/02, BFH/NV 2004, 605; v. Wedelstädt in Gosch, AO, § 129 Rdn. 47) noch einen Fehler übernommen, der bereits im Außenprüfungsbericht enthalten und als offenbare Unrichtigkeit i.S. des § 129 AO zu beurteilen ist (BFH-Urteil vom 18.08.1999 – I R 93/98, BFH/NV 2000, 539; BFH-Urteil vom 04.03.2009 – I R 45/08, BFH/NV 2010, 244; v. Wedelstädt in Gosch, AO, § 129 Rdn. 47). Dabei kommt es in der letztgenannten Variante nicht darauf an, ob sich die Fehlerhaftigkeit unmittelbar aus dem Außenprüfungsbericht selbst ergibt; es genügt vielmehr, wenn die Unrichtigkeit des Berichts auf einem mechanischen Fehler des Außenprüfers beruht (BFH in BFH/NV 2000, 539).
53(1) Gegenstand des Außenprüfungsberichtes waren im Textteil weder die Beteiligungseinkünfte noch die Anwendung des § 9 Nr. 2a GewStG, sondern lediglich die Höhe und der Zeitpunkt der Erfassung des Kaufpreises aus den Anteilsveräußerungen (Tz. 2.6 und Tz. 2.7 des Bp-Berichts). In den Anlagen wurde lediglich im Jahr 2015 der im Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte auszuweisende Betrag „In den vorstehenden Einkünften enthaltene laufendende Einkünfte, die unter §§ 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 bzw. § 4 Abs. 7 UmwStG fallen (100 %)“ angepasst von 4.009 631 € (vgl. die von der Klägerin in ihrer Ergänzungsliste erklärten nach § 3 Nr. 40 EStG steuerfreien Erträge von 1.603.853 €, die 40 % entsprachen) um die von der Bp angenommene Erhöhung des Veräußerungsgewinns um 1 Mio. €). Eine unzutreffende Auswertung des Bp-Berichts durch den Veranlagungsbeamten liegt somit nicht vor.
54(2) Der Außenprüfungsbericht enthielt auch keinen Fehler, der als offenbare Unrichtigkeit i.S. des § 129 AO zu beurteilen ist.
55Von einer abstrakten Kenntnis des hier in Rede stehenden § 9 Nr. 2a GewStG mag bei einem Prüfer der Groß- und Konzernbetriebsprüfung auszugehen sein.
56Die Klägerin, die auch die Prüferhandakten eingesehen hat, hat jedoch nicht substantiiert dargelegt, dass nicht nur der Veräußerungsgewinn, sondern auch die Beteiligungseinkünfte konkret Gegenstand einer Überprüfung durch den Betriebsprüfer gewesen wäre. Der Prüfer hat dies in seiner E-Mail an den Beklagten vom 14.06.2023 verneint. Für die Richtigkeit der Darstellung des Prüfers spricht, dass auch dem steuerlichen Berater der Klägerin der Fehler im Rahmen der Prüfung nicht aufgefallen ist. Letzteres wäre aber zu erwarten gewesen, wenn auch die Ausschüttungen und deren steuerliche Behandlung im Rahmen der Außenprüfung thematisiert worden wären.
57Unstreitig lag im Rahmen der Betriebsprüfung allerdings der notarielle Vertrag über die teilweise Veräußerung der Geschäftsanteile vom 29.01.2013 vor. Die Höhe des Stammkapitals der B D GmbH E und der B D GmbH in E ist aus § 1 Abs. 1.1, 1,2 des Vertrages leicht zu ersehen. Die Höhe der verbleibenden Beteiligungen der Klägerin ist hingegen wegen der verschiedenen Verkäufer und der verschiedenen Anteile nicht auf den ersten Blick zu erkennen. Des Weiteren hätten in den Jahren 2014 und 2015 weitere Veränderungen hinsichtlich der Beteiligungsquoten eingetreten sein können, was ggf. noch aufzuklären gewesen wäre. Außerdem ist es nicht zu beanstanden, wenn ein Prüfer Prüfungsschwerpunkte bildet und grundsätzlich auf die Richtigkeit der Angaben des fachkundig beratenen Steuerpflichtigen vertraut, zumal dieser hier selbst weder Rahmen der Betriebsprüfung noch innerhalb der Rechtsbehelfsfrist gegen die im Anschluss an die Betriebsprüfung ergangenen Änderungsbescheide die Nichtanwendung des § 9 Nr. 2a GewStG gerügt hatte. Angesichts der Vielzahl der im Rahmen einer Prüfung gesichteten Unterlagen kann somit nicht allein deshalb von einem offenkundigen Versehen des Prüfers ausgegangen werden, weil er nicht jedes ihm vorgelegte Dokument unter allen denkbaren rechtlichen Gesichtspunkten überprüft, sondern in Teilbereichen von der Richtigkeit der Steuererklärungen ausgeht (vgl. auch BFH, Urteil vom 03.03.2011 – IV R 8/08, BFH/NV 2011, 1649). Eine anderweitige Beurteilung würde im Übrigen (zugunsten wie zuungunsten der Beteiligten) unter Durchbrechung der Bestandskraft den Vertrauensschutz und die Rechtssicherheit zu weit zurückdrängen und den Wertungen des § 173 Abs. 2 AO widersprechen (vgl. dazu Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 173 AO, Rz. 89: Schaffung von Rechtsfrieden nach einer Außenprüfung), der allerdings – wie der Senat nicht verkennt _- weder unmittelbar noch analog auf § 129 AO Anwendung findet (Loose, a.a.O., Rz. 90).
582. Die Voraussetzungen für eine Änderung der Gewerbesteuermessbescheide 2014 und 2015 nach § 173a AO liegen ebenfalls nicht vor.
59Steuerbescheide sind gem. § 173a AO aufzuheben oder zu ändern, soweit dem Steuerpflichtigen bei Erstellung seiner Steuererklärung Schreib- oder Rechenfehler unterlaufen sind und er deshalb der Finanzbehörde bestimmte, nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt des Erlasses des Steuerbescheids rechtserhebliche Tatsachen unzutreffend mitgeteilt hat.
60Es ist weder dargelegt noch sonst erkennbar, dass der Klägerin bei Erstellung der Steuererklärungen ein Schreib- oder Rechenfehler unterlaufen ist. Dagegen spricht u.a., dass derselbe Fehler dreifach aufgetreten ist, d.h. in den zu unterschiedlichen Zeitpunkten abgegebenen Jahressteuererklärungen 2014 und 2015 sowie in dem Antrag auf Herabsetzung des Gewerbesteuermessbetrags für Vorauszahlungszwecke des Jahres 2015. Auf ähnliche offenbare Unrichtigkeiten findet § 173a AO keine Anwendung (Peters in BeckOK, AO, § 129 Rdn. 13).
61II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
62III. Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor. Die Entscheidung folgt den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung und beruht im Übrigen auf den tatsächlichen Feststellungen und Umständen des Einzelfalles.