Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Die Einkommensteuerbescheide für 2010, 2011 und 2012 vom 23.01.2019, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.02.2021, werden nach Maßgabe der Urteilsgründe geändert. Die Berechnung der festgesetzten Beträge wird dem Beklagten übertragen.
Die Gewerbesteuermessbetragsbescheide für 2010, 2011 und 2012 vom 01.02.2019, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.02.2021, werden aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht die Kläger zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leisten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
2Streitig ist, ob Grundstücke im Rahmen eines gewerblichen Grundstückshandels veräußert wurden, sodass keine Berechtigung zur Bildung einer Rücklage nach § 6b Einkommensteuergesetzes (EStG) im Rahmen der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft besteht und die Veräußerungsgewinne der Gewerbesteuer unterliegen.
3Die Kläger wurden in den Jahren 2010 bis 2012 (Streitjahre) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft ([…]) sowie aus Gewerbebetrieb ([…]), die Klägerin erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Den Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft ermittelte der Kläger nach § 4 Abs. 1 EStG unter Zugrundelegung eines Wirtschaftsjahres vom 01.07. bis 30.06. des Folgejahres. Im Jahr 2013 begann der Kläger mit dem Aufbau eines Hotel- und Gaststättenbetriebes auf der Hofstelle.
4Die Eigentumsflächen des Klägers umfassten unter anderem die Grundstücke G1 zur Größe von 21.909 m² (Betriebsvermögen der Land- und Forstwirtschaft) und G2 zur Größe von 1.065 m² (Privatvermögen). Diese Grundstücksflächen lagen innerhalb des Bebauungsplangebiets B1 der Stadt X-Stadt. Die Entwicklung und Erschließung dieses Baugebietes gestaltete sich wie folgt:
5Am 05.08.2003 schloss der Kläger mit der Stadt X-Stadt einen städtebaulichen Vertrag, der u.a. folgende Regelungen enthielt:
6„Die Stadt X-Stadt beabsichtigt für das Grundstück G1 und ggf. für weitere angrenzende Grundstücke einen Bebauungsplan aufzustellen.
7Zwischen der Stadt X-Stadt und dem Eigentümer B. T. […] wird zur Entwicklung des Gebietes ein städtebaulicher Grund-Vertrag geschlossen, der die wesentlichen Eckpunkte der Baulandentwicklung regelt. Die weitere Konkretisierung soll in einem späteren Vertrag erfolgen.
8Die Stadt X-Stadt erarbeitet einen Bebauungsplan Wohnbebauung einschließlich des ökologischen Ausgleichs. Es steht der Stadt X-Stadt frei, die Planungsarbeiten oder Teilleistungen an Dritte zu übertragen. Die Stadt X-Stadt gibt die für die Aufstellung ggf. notwendigen Gutachten und Fachplanungen in Auftrag, z.B. für den ökologischen Ausgleich.
[…]
Durch die Aufstellung des Bebauungsplanes und ggf. Durchführung einer Baulandumgebung wird die Stadt X-Stadt nicht verpflichtet, die Erschließung des neuen Baugebietes durchzuführen. Die Erschließung soll durch einen von der Stadt X-Stadt zu benennenden Erschließungsträger durchgeführt werden.
Herr B. T. erklärt seine Zustimmung, die anteilig anfallenden Kosten zu tragen für:
a) die Kosten der Aufstellung des Bebauungsplanes
15b) die Kosten für die Durchführung einer amtlichen oder freiwilligen Umlegung im Rahmen des gesetzlichen Ausgleich[s] des Umlegungsvorteil[s]
16c) die Kosten der Erschließung durch den Erschließungsträger
17d) die Kosten für den ökologischen Ausgleich
18Als pauschalen Infrastrukturausgleich und als Ausgleich sonstiger städtischer Aufwendungen, die zusätzlich zu den oben aufgeführten Leistungen von der Stadt X-Stadt erbracht werden, überträgt Herr B. T. aus dem Grundstück G1, groß 21.909 m², 15 % (i.W. fünfzehn von Hundert) der Grundstücksflächen an die Stadt X-Stadt, mithin 3.286 m². Mit dieser Rohbaulandfläche von 3.286 m² nimmt die Stadt zu den gleichen Bedingungen wie Herr T. an der Baulandentwicklung teil, d.h. sie unterwirft sich der Umlegungsregelung und trägt anteilig die unter 4. aufgeführten Kosten.
[…]
21Herr T. will in seinen Betrieb reinvestieren und hat bei der Stadt X-Stadt eine entsprechende Bauvoranfrage gestellt. Die Zustimmung zu diesem Vertrag durch Herrn T. ist solange unwirksam, bis dass die Bauvoranfrage positiv beschieden ist.“
22Am 12.03.2004 traf der Kläger mit der Stadt X-Stadt eine Vereinbarung, die die Durchführung, die Information des Klägers und die Absprache mit diesem bezüglich der Vorgehensweise betreffend archäologischer Voruntersuchungen betraf.
23Am 10.07.2006 schloss der Kläger mit der Firma H-AG einen „Vertrag zur Durchführung von Erschließungsmaßnahmen“, der u.a. folgende Regelungen enthielt:
24„II.
25Für den Planbereich B1 in Einen, […], führt die Stadt X-Stadt im Rahmen ihrer Planungshoheit derzeit das Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplanes durch. Der Planbereich soll einer zukünftigen baulichen Nutzung als Wohngebiet (WR oder WA) zugeführt werden. Mit der Rechtskraft des Bebauungsplanes wird spätestens zum 30.06.2006 nach Einschätzung der Stadt X-Stadt gerechnet.
26III.
27Beide Vertragsparteien gehen davon aus, dass zwischen der Stadt X-Stadt und der H-AG ein städtebaulicher Erschließungsvertrag gem. § 11 BauGB zur Durchführung städtebaulicher Erschließungsmaßnahmen für das Plangebiet abgeschlossen wird.
28IV.
29Herr T. erklärt schon jetzt, diesem Erschließungsvertrag nach Abs. III zuzustimmen und alle sich daraus ergebenden Kosten (insbesondere die Herstellungskosten für die öffentlichen Erschließungsanlagen, Verkehrs- und Grünflächen, Lärmschutzanlagen, Straßenbeleuchtung sowie für Anlagen zur öffentlichen Ver- und Entsorgung und die Kosten für die naturschutzrechtliche[n] Ausgleichsmaßnahmen einschl. der darauf entfallenden Planungskosten) in voller Höhe zu übernehmen. Die voraussichtlichen Gesamtkosten werden lt. Kalkulation vom 25.08.2005 auf 920.000,00 € (bei 16 % MwSt) geschätzt.
30V.
31[…]
32VI.
33Herr T. bleibt Eigentümer der Nettobaulandflächen und vermarktet diese auf eigene Rechnung selbst.
34VII.
35Die H-AG erhält für die Durchführung des Erschließungsvertrages und aller damit verbundenen Arbeiten eine Verwaltungskosten-Pauschale von 6,00 € / Nettobulandfläche. […]“
36Am 30.11.2006 schlossen die Stadt X-Stadt, die Entsorgungsbetriebe der Stadt X-Stadt und die Stadtwerke X-Stadt GmbH als Wasserversorger mit der H-AG einen Erschließungsvertrag nach § 124 Baugesetzbuch (BauGB) zum Bebauungsplan Nr. 6.08 für das Gebiet B1. In dem Vertrag wurden u.a. folgende Regelungen getroffen:
37„§ 1 Gegenstand des Vertrages
38(1) Die Stadt überträgt nach § 124 BauGB die Erschließung des […] Erschließungsgebietes dem Erschließungsträger. Dieser übernimmt die Erschließung im eigenen Namen und trägt ihre vollständigen Kosten.
39(2) Durch die Erschließungsanlagen nach § 2 dieses Vertrages werden auch Grundstücke erschlossen, die nicht im Eigentum des Erschließungsträgers stehen (Fremdanliegergrundstücke). Es bleibt dem Erschließungsträger überlassen, eine Beteiligung der Eigentümer dieser Grundstücke an seinen Herstellungskosten zu erreichen. Gegenüber der Stadt hat der Erschließungsträger keinen Anspruch auf Kostenbeteiligung für diese Fremdanliegergrundstücke.
40[…]
41§ 4 Baudurchführung
42(1) Gemäß § 123 Abs. 2 BauGB sollen die Erschließungsanlagen zeitlich entsprechend den Erfordernissen der Bebauung hergestellt werden und spätestens bis zur Fertigstellung der anzuschließenden Bauten benutzbar sein. Der Erschließungsträger verpflichtet sich, die Erschließungsanlagen bis zu folgenden Terminen in dem Umfang fertig zu stellen, der sich aus den von der Stadt gebilligten Ausführungsplänen ergibt: […]
43(2) Erfüllt der Erschließungsträger seine Verpflichtungen nicht oder fehlerhaft, so ist die Stadt berechtigt, ihm schriftlich eine angemessene Frist zur Ausführung der Arbeiten zu setzen. Erfüllt der Erschließungsträger bis zum Ablauf dieser Frist die vertragliche Verpflichtung nicht, so ist die Stadt berechtigt, die Arbeiten auf Kosten des Erschließungsträgers auszuführen oder ausführen zu lassen, wobei ihr weitere Ansprüche vorbehalten bleiben, oder von diesem Vertrag zurückzutreten. […]
44(3) Der Erschließungsträger hat notwendige bau-, wasserrechtliche sowie sonstige Genehmigungen bzw. Zustimmungen vor Baubeginn einzuholen und der Stadt vorzulegen. […]
45(4) Der Erschließungsträger hat durch Abstimmung mit Versorgungsträgern und sonstigen Leistungsträgern sicherzustellen, dass die Versorgungseinrichtungen für das Erschließungsgebiet (z. B. Kabel für Telefon- und Antennenanschluss, Strom-, Gas-, Wasserleitung) so rechtzeitig in die Verkehrsflächen verlegt werden, dass die zügige Fertigstellung der Erschließungsanlagen nicht behindert und ein Aufbruch fertig gestellter Anlagen ausgeschlossen wird. Das gleiche gilt für die Herstellung der Hausanschlussschächte für die Grundstücksentwässerung an die öffentliche Abwasseranlage. Die Verlegung von Kabeln muss unterirdisch erfolgen.
46[…]
47§ 5 Baudurchführung der Anlagen zur Entwässerung und Wasserversorgung
48(1) […]
49(2) Alle öffentlichen Abwasserleitungen enden an den Grundstücksgrenzen. Sonderleistungen, wie z. B. das Setzen der Abwasserschächte auf den Baugrundstücken, können mit den Grundstückseigentümern bzw. –erwerbern vor Beginn der Maßnahmen vereinbart werden und sind separat mit diesen abzurechnen. Hierzu zählen insbesondere Leistungen für die private Erschließung (z. B. Revisionsschächte, Hausanschlüsse etc.).
50[…]
51§ 6 Haftung und Verkehrssicherung
52(1) Vom Tage des Beginns der Erschließungsarbeiten bis zur Übernahme der mängelfrei abgenommenen Erschließungsanlagen trägt der Erschließungsträger im gesamten Erschließungsgebiet die Verkehrssicherungspflicht.
53(2) Der Erschließungsträger haftet bis zur Übernahme der Anlagen für jeden Schaden, der durch die Verletzung der bis dahin ihm obliegenden allgemeinen Verkehrssicherungspflicht entsteht und für solche Schäden, die infolge der Erschließungsmaßnahmen an bereits verlegten Leitungen oder sonst wie verursacht werden. Der Erschließungsträger stellt die Stadt insoweit von allen Schadensersatzansprüchen Dritter frei. Diese Regelung gilt unbeschadet der Eigentumsverhältnisse. […]
54§ 8 Gewährleistung
55(1) Der Erschließungsträger übernimmt die Gewähr, dass seine Leistung zur Zeit der Abnahme durch die Stadt die vertraglich vereinbarten Eigenschaften hat, den anerkannten Regeln der Technik und Baukunst entspricht und nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem nach dem Vertrag vorausgesetzten Zweck aufheben oder mindern.
56(2) Die Gewährleistung richtet sich nach den Regeln der VOB. Die Gewährleistungsfrist wird auf vier Jahre festgesetzt. […]
57(3) Der Erschließungsträger ist verpflichtet, alle während der Gewährleistungsfrist hervortretenden Mängel auf seine Kosten zu beseitigen, wenn es die Stadt vor Ablauf der Frist schriftlich verlangt. […]
58§ 10 Beiträge nach BauGB
59Die Stadt wird, wenn der Erschließungsträger den Erschließungsvertrag ordnungsgemäß erfüllt, die Eigentümer der Grundstücke im Vertragsgebiet nicht zur Zahlung von Erschließungsbeiträgen nach dem BauGB, sowie von Kanalanschlussbeiträgen nach KAG für die vom Erschließungsträger hergestellten Erschließungsanlagen heranziehen.
60§ 11 Ökologischer Ausgleich
61[…] Der Erschließungsträger löst die Ausgleichsverpflichtung mit 6,50 EUR je Werteinheit für den außerhalb des Plangebietes zu erbringenden ökologischen Ausgleich ab. Der Betrag in Höhe von 24.817,00 EUR ist fällig innerhalb von vier Wochen nach Vertragsschluss.
62§ 12 Sicherheitsleistungen
63(1) Zur Sicherung aller sich aus diesem Vertrag für den Erschließungsträger ergebenden Verpflichtungen leistet er Sicherheit in Höhe von 769.780,00 EUR durch Übergabe einer schriftlichen, unwiderruflichen, unbedingten und selbstschuldnerischen Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts. Die Höhe der Bürgschaftssumme bestimmt sich nach der von der Stadt geprüften Kostenaufstellung des Erschließungsträgers […]. […]
64§ 13 Ersatz städtischer Aufwendungen
65(1) Bis zum Abschluss dieses Vertrages sind der Stadt bereits die aus Anlage 7 ersichtlichen Aufwendungen in Höhe von 3.703,20 EUR entstanden. Die Aufwendungen werden vom Erschließungsträger vollständig erstattet […]. […]
66§ 15 Haftungsausschluss
67(1) Eine Haftung der Stadt für etwaige Aufwendungen des Erschließungsträgers, die dieser im Hinblick auf die beabsichtigte Beschließung des Bebauungsplans […] als Satzung tätigt, ist ausgeschlossen.
68[…]
69§ 17 Wirksamwerden
70Der Vertrag wird erst wirksam, wenn die Bürgschaft nach § 12 Abs. 1 vorliegt sowie die Zahlung der in den §§ 11 und § 13 genannten Beträge erfolgt ist und der Nachweis des Abschlusses einer Haftpflichtversicherung nach § 6 Abs. 2 erbracht ist. Der Vertrag steht ferner unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Rates der Stadt.“
71Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verträge vom 05.08.2003, 12.03.2004, 10.07.2006 und 30.11.2006 Bezug genommen.
72Mit zwei notariellen Verträgen vom 06.11.2006, Urkundenrolle Nr. […] und […] des Notars S. C., übertrug der Kläger eine noch zu vermessende Teilfläche von ca. 4.473 m² der Grundstücke G1 und G2 (öffentliche Grün- und Verkehrsflächen sowie Fußwegeflächen) sowie zwei Bauplätze des G3 (insgesamt ca. 1.027 m² – bezeichnet „als Strukturausgleich“) unentgeltlich an die Stadt X-Stadt. Bezüglich der Bauplätze wurde zudem vereinbart, dass der Kläger die Erschließungskosten trägt. Die Verträge waren jeweils aufschiebend bedingt durch den Eintritt der Rechtskraft des Bebauungsplanes Nr. 6.08 B1 sowie den Abschluss eines wirksamen Erschließungsvertrages nach §§ 124 ff. BauGB.
73Der Kläger veräußerte im Streitzeitraum diverse Baugrundstücke. In den Kaufverträgen wurde jeweils vereinbart, dass die Erschließung durch den Kläger gemäß dem mit der Stadt X-Stadt abgeschlossenen Erschließungsvertrag auf seine Kosten durchgeführt werde. Die aus den Verkäufen der Grundstücke resultierenden Gewinne erfasste der Kläger im Rahmen seiner Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft und stellte die angefallenen Gewinne wie folgt in eine Rücklage nach § 6b EStG ein:
74Zudem zeigte der Kläger im Rahmen des Wirtschaftsjahres 2011/2012 Änderungsbedarf hinsichtlich bereits erklärter Veräußerungsgewinne aus früheren Wirtschaftsjahren an, da sich bei der Neuermittlung der Rückstellung für die Erschließungskosten ergeben habe, dass diese niedriger ausfielen als ursprünglich vom Erschließungsträger prognostiziert. Die Veräußerungsgewinne seien entsprechend höher ausgefallen als in den vorherigen Bilanzen ermittelt. Die Differenzbeträge buchte der Kläger als Anlagenverkäufe nach und erhöhte zugleich die Rücklage nach § 6b EStG wie folgt:
76Bezüglich der näheren Einzelheiten hinsichtlich der konkreten Grundstücksverkäufe, der ermittelten Veräußerungsgewinne, der ermittelten Differenzgewinne sowie der Entwicklung der Rücklage wird auf die Seiten 6 bis 9 der Einspruchsentscheidung vom 23.02.2021 betreffend Einkommensteuer 2009 bis 2013 Bezug genommen.
78Der Beklagte verlangte die Kläger, die ihre Einkommensteuererklärungen für 2010 am 13.07.2012 und für 2011 am 21.10.2013 einreichten, für die Streitjahre zunächst erklärungsgemäß, wobei sämtliche Steuerfestsetzungen gem. § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergingen.
79Bei dem Kläger fand eine steuerliche Außenprüfung durch das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung N-Stadt (nachfolgend: „GKBP“) für die Jahre 2008 bis 2013 bzw. bezüglich der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft für die Zeiträume 01.07.2008 bis 30.06.2014 statt. Die Betriebsprüfung wurde bezüglich des Streitzeitraums 2010 am 12.12.2014 angeordnet, der Prüfungsbeginn erfolgte am 27.05.2015. Bezüglich des Streitzeitraums 2011 erfolgten die Anordnung am 06.12.2017 und der Prüfungsbeginn am 21.12.2017. Die GKBP vertrat bezüglich der Grundstücksverkäufe die Auffassung, dass diese im Rahmen eines gewerblichen Grundstückshandels erfolgt seien:
80 Der Kläger habe die Entscheidung getroffen, seine Grundstücke vollständig selbst zu vermarkten, und mit Abschluss des Vertrages mit der H-AG das volle Risiko der Erschließungskosten übernommen. Dieser Vertrag sei bereits vor dem eigentlichen Erschließungsvertrag zwischen der H-AG und der Stadt X-Stadt geschlossen worden, so dass seitens der H-AG bereits vor Abschluss des eigentlichen Erschließungsvertrages das eigene Risiko ausgeschlossen gewesen sei. Anders als im Erschließungsvertrag vereinbart, habe die H-AG die Erschließung daher nicht auf eigenes Risiko vorgenommen; sie sei bereits zuvor durch den Vertrag mit dem Kläger abgesichert gewesen. Zwar habe die Stadt aufgrund ihrer Planungshoheit die H-AG beauftragt, wirtschaftlich betrachtet habe das Risiko aber eindeutig beim Kläger gelegen, als habe dieser selbst die H-AG beauftragt. Auch die Stadt habe durch die Vertragsgestaltung jegliches Kostenrisiko ausgeschlossen, wobei auch die verlangte Bürgschaft sowie die zeitliche Abfolge der Verträge zu berücksichtigen sei.
81 Die Vermarktung erfolge ausschließlich durch den Kläger, der zudem die Erschließungskosten in voller Höhe zahle und später über den Kaufpreis auf die Grundstückseigentümer abwälze. Dadurch seien dem Kläger die Aktivitäten der H-AG als Eigentümer zuzurechnen, da die H-AG die Erschließung nicht auf eigenes Risiko betreibe und auch keine Vermarktung aus eigener Initiative durchführe. Die Mitwirkung des Klägers beschränkte sich nicht im Wesentlich darauf, die gewerbliche Tätigkeit der H-AG zu ermöglichen. Der hiesige Fall unterscheide sich somit von den Anforderungen der Rechtsprechung für eine unschädliche Tätigkeit (unter Verweis auf Bundesfinanzhof – BFH –, Urt. v. 08.11.2007, IV R 35/06, BFHE 220, 28, BStBl. II 2008, 359).
82 Das Risiko, dass die Erschließungskosten im Falle einer Nichtveräußerung beim Kläger verblieben, habe der Kläger bewusst in Kauf genommen, um selbst höchstmögliche Kaufpreise erzielen zu können. Spätestens mit Abschluss des Vertrages mit der H-AG am 10.07.2006 sei somit ein gewerblicher Grundstückshandel begründet worden.
83 Rechtsfolge sei, dass die betroffenen Baugrundstücke zum 10.07.2006 zu Buchwerten in einen Gewerbebetrieb „gewerblicher Grundstückshandel“ überführt worden seien. Dort würden die Grundstücke Umlaufvermögen darstellen, sodass die Veräußerungsgewinne nicht in Rücklagen nach § 6b EStG eingestellt werden könnten. Im Rahmen der Gewinnermittlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb sei aus Vereinfachungsgründen – wie vom Kläger beantragt – das abweichende Wirtschaftsjahr beizubehalten und der Gewinn dem Kalenderjahr zuzurechnen, in dem das Wirtschaftsjahr ende. Zudem seien im Bereich der Land- und Forstwirtschaft im Zusammenhang mit den Baulandverkäufen gebildete Rückstellungen nunmehr im Betrieb des gewerblichen Grundstückshandels zu erfassen.
84Ausgehend davon ermittelte die GKBP Einkünfte des Klägers aus einem gewerblichen Grundstückshandel i. H. v. 128.550,19 EUR (2009/2010), 70.338,68 EUR (2010/2011) und 148.093,82 EUR (2011/2012), wobei die GKBP auf Ertragsseite (einzig) die vom Kläger ursprünglich in einer Rücklage verbuchten Veräußerungsgewinne und nicht die gesamten Veräußerungsgewinne berücksichtigte. Bezüglich der näheren Ermittlung wird auf die Seiten 10 und 11 sowie die Anlage 2 zum Betriebsprüfungsbericht vom 28.11.2018 Bezug genommen.
85Der Beklagte folgte der Auffassung der GKBP und erließ am 23.01.2019 nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre. Zudem erließ der Beklagte am 01.02.2019 erstmalig Gewerbesteuermessbetragsbescheide für den gewerblichen Grundstückshandel.
86Im Rahmen des Einspruchsverfahrens trug der Kläger vor, dass kein gewerblicher Grundstückshandel vorliege, sondern die Grundstücksverkäufe landwirtschaftliche Hilfsgeschäfte darstellen würden:
87 Nach der Rechtsprechung komme es für die Abgrenzung nicht auf die Anzahl der Verkaufsfälle sowie auf die Art der Verkaufsaktivitäten an. Es sei daher unerheblich, ob der Landwirt für die Vermarktung selber sorge oder einen Dritten hiermit beauftrage.
88 Auch die unentgeltliche oder verbilligte Übertragung von Grundstücken, die für öffentliche Zwecke wie Straßen, Bürgersteige, oder Kinderspielplätze benötigt würden, sei unschädlich. Selbiges gelte für die Übernahme der Erschließungskosten. Dementsprechend habe er, der Kläger, sowohl durch den städtebaulichen Vertrag vom 05.08.2003 als auch durch die Vereinbarung vom 12.03.2004 (betreffend die archäologischen Voruntersuchungen) keine gewerbliche Tätigkeit entfaltet, sondern sich (lediglich) zur Kostenübernahme sowie zur Übertragung eines Teilgrundstücks auf die Stadt X-Stadt verpflichtet. Dies sei unschädlich (unter Verweis auf FinMin. Bayern vom 04.01.2000, DStR 2000, 554). Er habe keine Planungs- oder Erschließungsleistungen übernommen.
89 Er, der Kläger, habe auch nicht an der Planung des Baugebietes mitgewirkt, bspw. durch Aufstellung und Vorlage eigener Planungsentwürfe. Dies sei allein durch die Stadt X-Stadt erfolgt.
90 Als mögliche gewerbliche Aktivität verbleibe nur die Durchführung der Erschließung, womit die Stadt die H-AG beauftragt habe. Die mit ihm, dem Kläger, vereinbarte Übernahme der Erschließungskosten sei unschädlich. Es sei auch unerheblich, ob der Grundstückseigentümer die in einem städtebaulichen Vertrag übernommenen Erschließungskosten an die Stadt zahle oder zur Vereinfachung und Verkürzung des Zahlungsweges direkt an den von der Kommune beauftragten Erschließungsträger.
91Der Beklagte wies die Einsprüche mit zwei Einspruchsentscheidungen vom 23.02.2021 als unbegründet zurück. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) entstehe ein Dreiecksverhältnis, wenn ein privater Erschließungsträger Grundstücke erschließe, die im Eigentum eines Dritten stünden: Die Kommune übertrage die Durchführung und finanzielle Abwicklung der Erschließung gem. § 124 Abs. 1 BauGB auf den Erschließungsträger. Dieser refinanziere sich privatrechtlich bei den Grundstückseigentümern, indem diese sich verpflichteten, dem Erschließungsträger die ihm aus der Erfüllung des mit der Kommune geschlossenen Erschließungsvertrags entstehenden Kosten zu ersetzen (unter Verweis auf BVerwG, Urt. v. 01.12.2010, 9 C 8/09, BVerwGE 138, 244). Es treffe daher nicht zu, dass der Erschließungsvertrag und der zwischen Erschließungsträger und Grundstückseigentümer geschlossene Vertrag voneinander unabhängig seien. Es bestehe eine „Akzessorietät“ zwischen Erschließungsvertrag und Kostenvereinbarung. Auch ergebe sich erst aus der zusammenhängenden Betrachtung des städtebaulichen Vertrages zwischen der Stadt X-Stadt und dem Kläger vom 05.08.2003, dem Vertrag zur Durchführung von Erschließungsmaßnahmen zwischen der H-AG und dem Kläger vom 10.07.2006 sowie dem Erschließungsvertrag vom 30.11.2006 zwischen der Stadt X-Stadt und der H-AG der Sinn der vertraglichen Vereinbarungen, da sich diese Verträge einander bedingen würden. Nur so lasse sich das von allen Beteiligten beabsichtigte Ziel der Erschließung unter vollständiger finanzieller Last des Grundstückseigentümers erreichen. Daraus folge, dass die Beauftragung des Erschließungsträgers zumindest mittelbar im Interesse und im Auftrag des Klägers erfolgt sei. Zudem habe der Kläger durch die Übernahme der Erschließungskosten bis zum nachfolgenden Verkauf der erschlossenen Baugrundstücke das wirtschaftliche Risiko in Form der Vorfinanzierung übernommen. Nach der Rechtsprechung des BFH sei die gewerbliche Tätigkeit eines Dritten dem Grundstückseigentümer nicht zuzurechnen, wenn der Dritte die Erschließung und Vermarktung aus eigener Initiative und auf eigenes Risiko durchgeführt habe und sich die Mitwirkung des Grundstückseigentümers im Wesentlichen darauf beschränke, dessen gewerbliche Tätigkeit zu ermöglichen (unter Verweis auf BFH, Urt. v. 08.11.2007, IV R 35/06, BFHE 220, 28, BStBl. II 2008, 359). Anders als im dortigen Fall habe der hiesige Kläger jedoch keinen Vorvertrag mit dem Erschließungsträger über den Verkauf der Baugrundstücke abgeschlossen, sondern die Vermarktung vollständig in eigener Verantwortung übernommen. Ein weiterer Unterschied bestehe in der Übernahme der Vorfinanzierung der Erschließungskosten.
92Im Rahmen des Klageverfahrens begehren die Kläger weiterhin, die Grundstücksverkäufe als landwirtschaftliche Hilfsgeschäfte zu erfassen:
93 Zur Baureifmachung eines Baugebietes stünden der Kommune unterschiedliche Möglichkeiten zur Verfügung. Sie könne bspw. die Bauleitplanung bis zum rechtskräftigen Bebauungsplan durchführen (Rohbauland), anschließend die Erschließungsanlagen selbst errichten und die Erschließungskosten zu maximal 90 % durch Beitragsbescheide auf die Grundstückseigentümer umlegen (§§ 127 ff. BauGB). Die Kommune könne aber auch durch städtebaulichen Vertrag eine einmalige Ablösesumme für den Erschließungsbeitrag mit dem Grundstückseigentümer vereinbaren oder durch einen solchen Vertrag die Grundstückseigentümer zur Herstellung der Erschließungsanlagen selbst verpflichten. Eine weitere Möglichkeit bestehe darin, dass die Kommune einen Dritten durch städtebaulichen Vertrag mit der Errichtung der Erschließungsanlagen beauftrage. An diesem Vertrag seien die Grundstückseigentümer nicht beteiligt, sodass diesen auch keine eigenen Leistungsansprüche zustehen würden. Auch Sachmängelgewährleistungsansprüche würden alleine der Kommune zustehen. Die von der Kommune als Auftraggeber zu tragenden Erschließungskosten könne diese wiederum durch Beitragsbescheid nach §§ 127 ff. BauGB auf die Grundstückseigentümer (zu maximal 90 %) umlegen. Zur Vereinfachung des Abrechnungs- und Umlegungsverfahrens würden sich die Grundstückseigentümer oftmals aber dazu verpflichten, die Erschließungskosten direkt an das Erschließungsunternehmen zu entrichten – unter Befreiung von den Erschließungsbeiträgen nach §§ 127 ff. BauGB. Dies habe zusätzlich den Vorteil, dass die gesamten Erschließungskosten auf die Grundstückseigentümer umgelegt werden könnten.
94 Die Überschrift des Vertrages vom 10.07.2006 als „Vertrag zur Durchführung von Erschließungsmaßnahmen“ sei missverständlich, da der Vertrag nach dem Inhalt (lediglich) die Kostenübernahme regele und der tatsächliche Vertrag zur Durchführung der Erschließungsmaßnahmen der Vertrag zwischen der H-AG und der Stadt X-Stadt sei. An diesem Erschließungsvertrag seien ausschließlich die Kommune und die H-AG beteiligt gewesen. Ihm, dem Kläger, würden daraus keine Rechte und Pflichten erwachsen. Durch die Kostenübernahmevereinbarung habe er die H-AG auch nicht beauftragt und sich derer somit nicht bedient.
95 Das im Vertrag zwischen ihm, dem Kläger, und der H-AG unter Ziffer VII. vereinbarte zusätzliche Entgelt in Form der Verwaltungskosten-Pauschale hätte die H-AG auch einkalkuliert, wenn sie die Erschließungsanlagen der Kommune in Rechnung gestellt hätte.
96 Er, der Kläger, habe auf Art und Umfang der Erschließungsanlagen weder Einfluss genommen noch rechtlich nehmen können. Die vom Kläger übernommene Kostentragung hingegen wäre auch bei einer Abrechnung durch Beitragsbescheid nach §§ 127 ff. BauGB angefallen. In rechtlicher Hinsicht führe die Übernahme der Erschließungskosten – egal ob diese durch Beitragsbescheid oder durch eine Ablösevereinbarung durch städtebaulichen Vertrag, auch wenn nicht nur 90 %, sondern die gesamten Erschließungskosten übernommen würden – nicht zu einer aktiven Mitwirkung an der Erschließung (unter Verweis auf BFH, Urt. v. 08.09.2005, IV R 38/03, BFHE 211, 195, BStBl. II 2006, 166). Es sei für ihn gleichgültig gewesen, ob die Erschließungskosten an die Stadt oder an das Erschließungsunternehmen gezahlt würden.
97 Selbst wenn er, der Kläger, ein wirtschaftliches Risiko übernommen habe, habe er nicht aktiv an der Bauleitplanung oder der Erschließung mitgewirkt. Die Erschließungskosten würden immer ein finanzielles Risiko des Grundstückseigentümers begründen, unabhängig davon, ob die Heranziehung durch Beitragsbescheid oder durch städtebaulichen Vertrag erfolge.
98 Nach der Rechtsprechung des BFH seien auch intensive Kaufpreisverhandlungen über die Erschließungsflächen, die Höhe der Beteiligung an den Erschließungskosten sowie Äußerungen und Erörterungen im Rahmen der Bürgerbeteiligung nach § 3 Abs. 1 BauGB keine gewerblichen Aktivitäten.
99 Der Erschließungsträger habe die Erschließungsanlagen auch nicht für ihn, den Kläger, errichtet. Denn die öffentlichen Erschließungsanlagen würden der Kommune und nicht den Anliegern gehören.
100Die Kläger beantragen,
101die Einkommensteuerbescheide für 2010, 2011 und 2012 vom 23.01.2019, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.02.2021, dahingehend zu ändern, dass die bisher im Rahmen eines gewerblichen Grundstückshandels berücksichtigten Veräußerungsgewinne als Hilfsgeschäfte des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs behandelt werden und jeweils eine Rücklage nach § 6b EStG in der ursprünglich gebildeten Höhe zugelassen wird,
102die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären,
103sowie hilfsweise, für den Fall des vollständigen oder teilweisen Unterliegens, die Revision zuzulassen.
104Der Kläger beantragt zudem,
105die Gewerbesteuermessbetragsbescheide für 2010, 2011 und 2012 vom 01.02.2019, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.02.2021, aufzuheben,
106die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären,
107sowie hilfsweise, für den Fall des vollständigen oder teilweisen Unterliegens, die Revision zuzulassen
108Der Beklagte beantragt,
109die Klage abzuweisen
110sowie hilfsweise, die Revision zuzulassen.
111Zur Begründung verweist er auf die Einspruchsentscheidungen vom 23.02.2021 und führt ergänzend aus, dass die hiesige Vertragskonstellation zwischen der Stadt X-Stadt, dem Erschließungsträger und dem Kläger vergleichbar mit der im Urteil des erkennenden Senats vom 29.09.2016 (8 K 2896/14 E,G, juris) behandelten Vertragskonstellation sei. Dort sei der Senat zu der Auffassung gelangt, dass der Kläger den Erschließungsträger beauftragt und sich somit des Erschließungsträgers zur Baureifmachung bedient habe.
112Die Sache ist am 20.04.2023 vor dem Senat verhandelt worden. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
113Entscheidungsgründe
114I. Die zulässige Klage ist begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Kläger (bezüglich Einkommensteuer) bzw. den Kläger (bezüglich Gewerbesteuer) in ihren bzw. seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –). Denn der Beklagte hat die Gewinne des Klägers aus der Veräußerung der Grundstücke zu Unrecht bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb erfasst und deshalb unzutreffend keine Rücklagen nach § 6b EStG im Rahmen der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft zugelassen sowie Gewerbesteuermessbetragsbescheide erlassen. Die streitigen Grundstücksveräußerungen stellen Hilfsgeschäfte des land- und fortwirtschaftlichen Betriebs des Klägers dar.
1151. Die Veräußerung von Grund und Boden, der zum Anlagevermögen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs gehört, führt grundsätzlich zu Einnahmen aus Land- und Forstwirtschaft, weil die Veräußerung ein Hilfsgeschäft der land- und forstwirtschaftlichen Betätigung ist (vgl. BFH, Urt. v. 08.11.2007, IV R 34/05, BFHE 219, 306, BStBl. II 2008, 231; Urt. v. 08.11.2007, IV R 35/06, BFHE 220, 28, BStBl. II 2008, 359; jeweils m.w.N.). Das gilt nach der ständigen Rechtsprechung des BFH – der sich der Senat anschließt – auch dann, wenn ein großes bisher landwirtschaftlich genutztes Grundstück parzelliert wird und zahlreiche Parzellen an verschiedene Erwerber mit erheblichem Gewinn veräußert werden. Ein Land- und Forstwirt veräußert daher Grundvermögen grundsätzlich als reinvestitionsbegünstigtes Anlagevermögen, solange er nicht einen gewerblichen Grundstückshandel eröffnet (BFH, Urt. v. 08.11.2007, IV R 34/05, BFHE 219, 306, BStBl. II 2008, 231; Urt. v. 08.11.2007, IV R 35/06, BFHE 220, 28, BStBl. II 2008, 359).
116a) Grundstücksveräußerungen sind erst dann Gegenstand eines selbständigen gewerblichen Grundstückshandels und nicht mehr landwirtschaftliches Hilfsgeschäft, wenn der Landwirt über die Parzellierung und Veräußerung hinausgehende Aktivitäten entfaltet, die darauf gerichtet sind, den zu veräußernden Grundbesitz zu einem Objekt anderer Marktgängigkeit zu machen (BFH, Urt. v. 08.11.2007, IV R 34/05, BFHE 219, 306, BStBl. II 2008, 231; Urt. v. 08.11.2007, IV R 35/06, BFHE 220, 28, BStBl. II 2008, 359; Urt. v. 08.09.2005, IV R 38/03, BFHE 211, 195, BStBl. II 2006, 166). Denn damit verwendet der Landwirt die Grundstücke seines Anlagevermögens wie ein Gewerbetreibender und erfüllt die Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 Abs. 2 EStG. Mit den in Veräußerungsabsicht vorgenommenen, werterhöhenden Aktivitäten werden die Grundstücke zum gewerblichen Umlaufvermögen (BFH, Urt. v. 08.11.2007, IV R 34/05, BFHE 219, 306, BStBl. II 2008, 231; Urt. v. 08.11.2007, IV R 35/06, BFHE 220, 28, BStBl. II 2008, 359).
117b) Ob die Aktivitäten im Zusammenhang mit Grundstücksveräußerungen zu einer gewerblichen Tätigkeit führen oder ob sie als landwirtschaftliche Hilfsgeschäfte einzustufen sind, muss nach denselben Grundsätzen beurteilt werden, die von der Rechtsprechung zur Abgrenzung eines gewerblichen Grundstückshandels von einer privaten Vermögensverwaltung entwickelt worden sind (BFH, Urt. v. 08.11.2007, IV R 34/05, BFHE 219, 306, BStBl. II 2008, 231; Urt. v. 08.11.2007, IV R 35/06, BFHE 220, 28, BStBl. II 2008, 359; Urt. v. 05.10.1989, IV R 35/88, BFH/NV 1991, 317; Urt. v. 28.09.1987, VIII R 306/84, BFH/NV 1988, 301). Bei der Abgrenzung zwischen dem Gewerbebetrieb einerseits und der Vermögensverwaltung andererseits ist nach der Rechtsprechung des BFH auf das Gesamtbild der Verhältnisse und die Verkehrsauffassung abzustellen. In Zweifelsfällen ist die gerichtsbekannte und nicht beweisbedürftige Auffassung darüber maßgebend, ob die Tätigkeit, soll sie in den gewerblichen Bereich fallen, dem Bild entspricht, das nach der Verkehrsauffassung einen Gewerbebetrieb ausmacht und einer privaten Vermögensverwaltung fremd ist (BFH, Urt. v. 08.11.2007, IV R 34/05, BFHE 219, 306, BStBl. II 2008, 231; Urt. v. 08.11.2007, IV R 35/06, BFHE 220, 28, BStBl. II 2008, 359; Beschl. v. 10.12.2001, GrS 1/98, BFHE 197, 240, BStBl. II 2002, 291).
118aa) Soweit die Aktivitäten im Zusammenhang mit der Bebaubarkeit des Grundstücks nach öffentlichem Recht (BauGB) stehen, ist danach zu differenzieren, ob sich diese im Rahmen der Mitwirkungsrechte nach den einschlägigen bau- und/oder bauordnungsrechtlichen Regelungen bewegen oder ob die Aktivitäten bereits als Übernahme kommunaler Aufgaben zu qualifizieren sind (BFH, Urt. v. 08.11.2007, IV R 34/05, BFHE 219, 306, BStBl. II 2008, 231; Urt. v. 08.09.2005, IV R 38/03, BFHE 211, 195, BStBl. II 2006, 166).
119bb) Für die Beurteilung als landwirtschaftliches Hilfsgeschäft schädlich sind danach die Beantragung eines Bebauungsplans und dessen Finanzierung oder die aktive Mitwirkung an der Erschließung (BFH, Urt. v. 08.11.2007, IV R 34/05, BFHE 219, 306, BStBl. II 2008, 231; Urt. v. 08.11.2007, IV R 35/06, BFHE 220, 28, BStBl. II 2008, 359, jeweils m.w.N.). Die Anlage von Straßen und Abwasserkanälen oder die Verlegung von Versorgungsleitungen ist auch dann schädlich, wenn der Landwirt keinen Einfluss auf die Erstellung des Bebauungsplans genommen hat (BFH, Urt. v. 08.11.2007, IV R 35/06, BFHE 220, 28, BStBl. II 2008, 359; Urt. v. 05.10.1989, IV R 35/88, BFH/NV 1991, 317).
120In solchen Fällen lässt sich ein landwirtschaftliches Hilfsgeschäft nicht schon daraus ableiten, dass mit den Verkäufen eine Notlage abgewendet oder betriebliche Schulden getilgt werden sollten oder dass mit den Verkaufserlösen der landwirtschaftliche Betrieb arrondiert oder verbessert werden sollte. Allerdings können solche Umstände als Beweisanzeichen für eine Tätigkeit angesehen werden, die nicht gewerblicher Natur ist (BFH, Urt. v. 08.11.2007, IV R 35/06, BFHE 220, 28, BStBl. II 2008, 359 m.w.N.).
121cc) Demgegenüber reichen allein die wiederholte Vorsprache bei den Entscheidungsträgern der Gemeinde, die Vorlage eigener Planungsentwürfe und die Anregung zur Vornahme der Erschließung in Teilabschnitten, solange der Landwirt keine kommunalen Aufgaben übernimmt, sondern lediglich im Rahmen seiner Mitwirkungsrechte tätig ist, nicht aus, um einen gewerblichen Grundstückshandel anzunehmen. Ebenso sind unter diesen Voraussetzungen auch die bloße Übernahme der Kosten der Planung und Erschließung sowie die Bereitstellung von Ausgleichsflächen für die Belange des Naturschutzes und der Abwasserentsorgung unschädlich (BFH, Urt. v. 08.11.2007, IV R 34/05, BFHE 219, 306, BStBl. II 2008, 231; Urt. v. 08.11.2007, IV R 35/06, BFHE 220, 28, BStBl. II 2008, 359; Urt. v. 08.09.2005, IV R 38/03, BFHE 211, 195, BStBl. II 2006, 166). Selbiges gilt für die vertragliche Vorfinanzierung der anschließend auf die Erwerber überwälzten Erschließungskosten und/oder die unentgeltliche Bereitstellung von Straßenland durch den veräußernden Landwirt einschließlich der entsprechenden Baulastbewilligung (BFH, Urt. v. 08.11.2007, IV R 35/06, BFHE 220, 28, BStBl. II 2008, 359; Urt. v. 28.09.1987, VIII R 306/84, BFH/NV 1988, 301). Für eine aktive Beteiligung an der Erschließung genügt auch der Abschluss eines Erschließungsvertrags mit der Gemeinde für sich genommen nicht; maßgeblich ist, auf wessen Initiative das Vertragswerk zustande gekommen ist (BFH, Urt. v. 08.11.2007, IV R 35/06, BFHE 220, 28, BStBl. II 2008, 359; Urt. v. 28.09.1987, VIII R 306/84, BFH/NV 1988, 301).
122dd) Die Erschließung des Baugeländes ist dem Verkäufer allerdings dann als eigene Tätigkeit zuzurechnen, wenn er sich zu ihrer Durchführung eines Dritten bedient, der Geschäfte dieser Art gewerblich betreibt (BFH, Urt. v. 08.11.2007, IV R 35/06, BFHE 220, 28, BStBl. II 2008, 359; Urt. v. 13.03.1969, IV R 132/68, BFHE 95, 488, BStBl. II 1969, 483). Das gilt auch dann, wenn der Grundstückseigentümer die durch die Beauftragung des Dritten entstehenden Kosten als Teil des Gesamtkaufpreises von den Parzellenkäufern verlangt (BFH, Urt. v. 08.11.2007, IV R 35/06, BFHE 220, 28, BStBl. II 2008, 359; Urt. v. 14.11.1972, VIII R 71/72, BFHE 107, 501, BStBl. II 1973, 239).
123Dagegen können dem Grundstückseigentümer die Aktivitäten eines Dritten nicht zugerechnet werden, wenn dieser die Erschließung und Vermarktung der Grundstücke aus eigener Initiative und auf eigenes Risiko durchführt, und sich die Mitwirkung des Grundstückseigentümers im Wesentlichen darauf beschränkt, dessen gewerbliche Tätigkeit zu ermöglichen (BFH, Urt. v. 08.11.2007, IV R 35/06, BFHE 220, 28, BStBl. II 2008, 359). Denn in einem solchen Fall bedient sich nicht der Grundstückseigentümer des Dritten. Vielmehr verhält es sich umgekehrt; die Mitwirkung des Grundstückseigentümers dient dann der Verwirklichung der gewerblichen Zwecke des Dritten (BFH, Urt. v. 08.11.2007, IV R 35/06, BFHE 220, 28, BStBl. II 2008, 359).
1242. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Kläger die Grenze zum gewerblichen Grundstückshandel nicht überschritten.
125a) Die Errichtung der Erschließungsanlagen ist dem Kläger nicht zuzurechnen.
126aa) Im Streitfall hat die H-AG und nicht der Kläger die gewerbliche Tätigkeit bezüglich der Erschließungsmaßnahmen entfaltet. Denn die H-AG hat aufgrund des Erschließungsvertrags mit der Stadt X-Stadt die Aufgabe der inneren Erschließung durch städtebaulichen Vertrag nach § 124 BauGB a.F. im eigenen Namen sowie auf eigene Rechnung übernommen. Damit hat die H-AG die der Stadt X-Stadt gem. § 123 BauGB obliegende kommunale Aufgabe übernommen; gleichzeitig ist die Wertsteigerung auf die Aktivitäten der H-AG zurückzuführen. Demgegenüber hat der Kläger mit der Stadt X-Stadt gerade keinen Vertrag zur Übernahme der Erschließungsmaßnahmen abgeschlossen.
127bb) Die Erschließungsmaßnahmen der H-AG sind dem Kläger auch nicht zuzurechnen. Denn die Stadt X-Stadt – und nicht der Kläger – hat die H-AG mit den Erschließungsmaßnahmen durch einen eigenständigen Erschließungsvertrag beauftragt. Bei dem zwischen dem Kläger und der H-AG geschlossen Vertrag vom 10.07.2006 handelt es sich um eine reine Kostentragungsregelung, die kein Auftragsverhältnis begründet und daher auch keine Zurechnung rechtfertigt.
128(1) Gem. § 123 Abs. 1 BauGB ist die Erschließung im Grundsatz als Aufgabe der Gemeinde ausgestaltet. Die gesetzliche Zuweisung bedeutet jedoch nicht, dass die Gemeinde die Erschließungsanlagen selbst herstellen muss. § 124 Abs. 1 BauGB a.F. (bzw. § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BauGB n.F.) ermöglicht es vielmehr, die Durchführung der Erschließung durch Vertrag auf einen Dritten zu übertragen. Mit Abschluss eines solchen Erschließungsvertrags kann die Gemeinde hingegen nicht ihre Erschließungslast nach § 123 Abs. 1 BauGB sowie ihre Hoheitsrechte übertragen, im Außenverhältnis bleibt die Gemeinde für die Erschließung verantwortlich (Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 11 Rn. 19).
129Der Erschließungsvertrag, der die Rechtsbeziehung der Gemeinde als Trägerin der Erschließungslast i. S. d. § 123 Abs. 1 BauGB zum Erschließungsträger regelt, ist von der Rechtsbeziehung zwischen dem Erschließungsträger und den Grundstückseigentümern betreffend die Kostenerstattung für Erschließungsmaßnahmen zu unterscheiden. Da letztere Rechtsbeziehung zivilrechtlicher Natur ist (BVerwG, Urt. v. 01.12.2010, 9 C 8/09, BVerwGE 138, 244), kann der Kläger durch den Abschluss des Vertrags vom 10.07.2006 bereits keine kommunale Aufgabe übernommen haben.
130Der Beklagte führt zwar insoweit zutreffend aus, dass zwischen der Stadt X-Stadt, der H-AG und dem Kläger ein Dreiecksverhältnis bestand. Denn die Stadt X-Stadt hatte die Durchführung und finanzielle Abwicklung der Erschließung auf den Erschließungsträger übertragen. Dieser refinanzierte sich privatrechtlich bei dem Kläger als Grundstückseigentümer, indem dieser sich verpflichtete, dem Erschließungsträger die ihm aus der Erfüllung des mit der Gemeinde geschlossenen Erschließungsvertrags entstehenden Kosten zu ersetzen. Der Vertrag vom 10.07.2006 ist damit nicht unabhängig von dem Erschließungsvertrag geschlossen worden (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.12.2010, 9 C 8/09, BVerwGE 138, 244). Das konkrete Auftragsverhältnis besteht jedoch zwischen der Stadt X-Stadt und der H-AG. Denn die Kostenerstattungsvereinbarung begründet gerade keinen eigenen Leistungsanspruch des Klägers auf die Herstellung der Erschließungsanlagen i. S. d. BauGB. Diese werden vielmehr für die Kommune hergestellt und von dieser abgenommen; auch stehen alleine der Kommune die Gewährleistungsansprüche zu (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.12.2010, 9 C 8/09, BVerwGE 138, 244).
131(2) Eine Zurechnung ergibt sich auch nicht über eine „mittelbare Beauftragung“ der H-AG. Zwar hat sich der Kläger – um den Vorteil der Befreiung von Erschließungsbeiträgen – gegenüber der H-AG zur Refinanzierung verpflichtet, sodass eine „Akzessorietät“ zwischen Erschließungsvertrag und Kostenvereinbarung besteht (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.12.2010, 9 C 8/09, BVerwGE 138, 244). Diese Akzessorietät führt jedoch – trotz Vorfinanzierung der Erschließungsmaßnahmen – nicht dazu, dass der Kläger das gesamte wirtschaftliche Risiko der Erschließungsmaßnahmen übernommen hat. Denn zum einen besteht für die H-AG – wie ausgeführt – gegenüber der Stadt X-Stadt trotz Abschluss des Vertrags mit dem Kläger das Risiko, zukünftig etwaigen Sachmängelgewährleistungsansprüchen ausgesetzt zu sein (vgl. auch § 8 des Erschließungsvertrags vom 30.11.2006). Zum anderen hat die H-AG gegenüber der Stadt X-Stadt auch die Verkehrssicherungspflichten für den Zeitraum der Erschließungsarbeiten übernommen und sich dieser gegenüber dazu verpflichtet, diese von etwaigen Schadensersatzansprüchen freizustellen (vgl. § 6 des Erschließungsvertrages vom 30.11.2006). Diese entsprechenden Risiken hätte die H-AG aufgrund des Vertrages mit dem Kläger vom 10.07.2006, der (lediglich) die Kostentragung in Bezug auf die originären Erschließungsmaßnahmen regelt und gerade keine Umlegung etwaiger Sachmängelansprüche der Stadt X-Stadt oder Haftungsansprüche Dritter beinhaltet, nicht bei dem Kläger refinanzieren können. Da der Kläger somit nicht das wirtschaftliche Risiko der Erschließung selbst übernommen hat, ist eine Beauftragung der H-AG durch den Kläger auch nicht aus der zeitlichen Reihenfolge der Eingehung der Vertragsbeziehungen abzuleiten.
132Auch entspricht es der dargestellten Rechtsprechung des BFH, dass die vertragliche Vorfinanzierung und anschließende Umlegung der Erschließungskosten auf die Erwerber keinen gewerblichen Grundstückshandel begründet. Für die Zurechnung der Aktivitäten eines Bauunternehmens genügt es gerade nicht, wenn auf der einen Seite das Bauunternehmen seine Planungen ohne die Mitwirkung des Grundstückseigentümers nicht hätte umsetzen können und auf der anderen Seite dessen Tätigkeiten auch dem Grundstückseigentümer zugutekommen. Denn das wäre bei einem direkten Verkauf der Grundstücke an die Bauunternehmen nicht anders (so bereits BFH, Urt. v. 08.11.2007, IV R 35/06, BFHE 220, 28, BStBl. II 2008, 359). Zwar war im dortigen Urteilsfall die Verfügungsmöglichkeit des Klägers anders als hier vertraglich eingeschränkt. Dies rechtfertigt jedoch keine andere steuerliche Behandlung. Insbesondere kann es keinen Unterschied machen, ob die Gemeinde die Erschließung selbst übernimmt, entsprechende Unternehmen beauftragt und den Steuerpflichtigen durch Erhebung eines Erschließungsbeitrags nach §§ 127 ff. BauGB zur Kostentragung heranzieht oder ob die Gemeinde einen Erschließungsträger zur Herstellung der Erschließung im Namen und auf Kosten der Erschließungsträgers beauftragt, wodurch ihr kein beitragsfähiger Aufwand i. S. d. § 127 Abs. 1 BauGB verbleibt (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.12.2010, 9 C 8/09, BVerwGE 138, 244), und der Erschließungsträger sich deshalb durch privatrechtlichen Vertrag beim Steuerpflichtigen refinanziert. Zwar ist insoweit zu beachten, dass der BFH in seiner früheren Rechtsprechung eine vom Grundstücksverkäufer veranlasste Verpflichtung der Grundstückskäufer zur vollen Übernahme der Erschließungskosten, also die Schaffung einer Finanzierungsquelle, die über die gesetzliche Beitragspflicht von maximal 90 % des beitragsfähigen Erschließungsaufwands hinausgeht (vgl. § 129 Abs. 1 Satz 3 BauGB), als Sicherung der Erschließungsmaßnahmen und daher als aktive Mitwirkung an der Baureifmachung angesehen hat (vgl. BFH, Urt. v. 05.12.1968, IV R 164/68, BFHE 94, 457, BStBl. II 1969, 236 Rn. 9; Urt. v. 29.08.1973, I R 214/71, BFHE 110, 348, BStBl. II 1974, 6, Rn. 20). Zudem bringt der vom Kläger eingegangene Verzicht auf den Schutz des beitragsrechtlichen Vorteilsprinzips (also dem Schutz der Grundstückseigentümer vor einer Kostenbelastung für Vorteile der Allgemeinheit, die über ihren, der Grundstückseigentümer, Sondervorteil hinausgehen) zum Ausdruck, dass die Nachfrage nach Baugrundstücken in der Stadt X-Stadt so hoch war, dass die Erschließung eine über den beitragsrechtlichen Erschließungsvorteil hinausgehende Wertsteigerung der Grundstücke im Erschließungsgebiet erwarten ließ, die der Kläger abzuschöpfen beabsichtigte (näher BVerwG, Urt. v. 01.12.2010, 9 C 8/09, BVerwGE 138, 244, Rn. 45). In seiner jüngeren Rechtsprechung hat der BFH jedoch die vertragliche Vorfinanzierung der Erschließungskosten als unerheblich eingestuft, ohne (zusätzlich) auf einen Vergleich zwischen den vertraglich übernommenen Erschließungskosten mit den maximal nach dem Erschließungsbeitragsrecht (§§ 127 ff. BauGB) auf die Grundstückseigentümer umlegungsfähigen Kosten abzustellen (BFH, Urt. v. 08.11.2007, IV R 35/06, BFHE 220, 28, BStBl. II 2008, 359 Rn. 22; BFH, Urt. v. 28.09.1987, VIII R 306/84, BFH/NV 1988, 301 Rn. 20). Nach Auffassung des Senats kann von dem Steuerpflichtigen auch nicht erwartet werden, die oftmals von der Kommune bevorzugte Erschließung im beschriebenen Dreiecksverhältnis abzulehnen, da dem Steuerpflichtigen die finanziellen Unterschiede zwischen der Kostentragung aufgrund privatrechtlicher Vereinbarung mit dem Erschließungsunternehmen und einer Zahlungsverpflichtung durch öffentlich-rechtlichen Beitragsbescheid der Kommune nach §§ 127 ff. BauGB regelmäßig nicht bekannt sein dürften. Die bloße Kostenübernahme ist stets als unschädlich anzusehen (wie hier bei der Kostenübernahme durch städtebaulichen Vertrag: OFD München, 10.03.2000, S 2240 6 St 41/42 M S 2240 222/St 31 N, EStB 2000, 164, OFD Niedersachsen, 03.05.2011, G 1400 275 St 254, DB 2011, 2119; Graf/Weber, DStR 2001, 1463, 1468 f.; Kanzler, DStZ 2013, 822, 827 f.).
133(3) Dieser Einschätzung steht auch nicht entgegen, dass im Rahmen des Vertrags vom 10.07.2006 neben der Übernahme der eigentlichen Erschließungskosten vereinbart wurde, dass die H-AG für die Durchführung des Erschließungsvertrags und aller damit verbundenen Arbeiten eine Verwaltungskosten-Pauschale von 6,00 EUR / Nettobaulandfläche erhält. Denn insofern verbleibt es bei dem Charakter der reinen Kostentragung ohne (mittelbare) Beauftragung. Auch ist kein Unterschied zu der Gestaltung ersichtlich, dass der Grundstückeigentümer durch städtebaulichen Vertrag (und somit außerhalb der Beschränkungen der §§ 127 ff. BauGB) von der Kommune zur Übernahme entsprechender Kosten herangezogen wird.
134(4) Soweit der Senat in seinem Urteil vom 29.09.2016 (8 K 2896/14 E, G, juris, Nichtzulassungsbeschwerde als unbegründet zurückgewiesen durch BFH, Beschl. v. 29.06.2017, VI B 114/16, nicht veröffentlicht) aus der Übernahme der Erschließungskosten eine aktive Mitwirkung an der Erschließung des Grundstücks hergeleitet hat, hält er hieran nicht fest.
135b) Auch die weiteren Aktivitäten des Klägers rechtfertigen nicht die Annahme eines gewerblichen Grundstückshandels.
136aa) Zwar hat der Kläger bereits im Vorfeld der Erschließung einen städtebaulichen Vertrag mit der Stadt X-Stadt abgeschlossen und sich darin bereit erklärt, neben den Kosten der Erschließung durch den Erschließungsträger auch die Kosten der Aufstellung des Bebauungsplanes selbst sowie die Kosten für den ökologischen Ausgleich zu übernehmen. Zusätzlich hat sich der Kläger dazu verpflichtet, Grundstücksflächen als pauschalen Infrastrukturausgleich und als Ausgleich sonstiger städtischer Aufwendungen an die Stadt X-Stadt zu übertragen (vgl. Ziffern 4 und 5 des Vertrages vom 05.08.2003). Dementsprechend hat der Kläger auch mit Verträgen vom 06.11.2006 öffentliche Grün- und Verkehrsflächen sowie Fußwegeflächen neben zwei Bauplätzen (als Strukturausgleich), deren Erschließungskosten er zusätzlich übernommen hat, unentgeltlich an die Stadt X-Stadt übertragen. Nach der Rechtsprechung des BFH sind jedoch auch die Übernahme der Planungskosten, die Bereitstellung von Ausgleichsflächen für die Belange des Naturschutzes sowie die unentgeltliche Bereitstellung von Straßenland unschädlich (vgl. obige Ausführungen unter I. 1. b) cc)). Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger aktiv die Aufstellung des Bebauungsplanes initiiert und beantragt und somit kommunale Aufgaben übernommen hat, die über die baurechtlichen Mitwirkungsrechte hinausgehen, sind weder ersichtlich noch vorgetragen. In dem städtebaulichen Vertrag vom 05.08.2003 heißt es vielmehr, dass die Stadt X-Stadt die Aufstellung des Bebauungsplans beabsichtigte. Auch in der öffentlich abrufbaren Begründung zum Bebauungsplan Nr. 6.08 für das Gebiet B1 der Stadt X-Stadt heißt es, dass mit der Ausweisung der Wohnbaufläche der Nachfrage nach weiteren Baugrundstücken für die im Ortsteil ansässige Bevölkerung nachgekommen werde und der Bereich aufgrund der Lage und Größe des Gebietes für eine Abrundung der Siedlungsentwicklung geeignet sei.
137bb) Die Gestattung sowie die Information über die archäologischen Voruntersuchungen (vgl. Vereinbarung vom 12.03.2004) hat bereits nicht zu einer anderen Marktgängigkeit der Grundstücke geführt. Selbiges gilt dafür, dass der städtebauliche Vertrag vom 05.08.2003 von der Bedingung abhing, dass die vom Kläger gestellte Bauvoranfrage (betreffend einer beabsichtigten Reinvestitionsmaßnahme) positiv beschieden wurde.
138cc) Auch die Vielzahl der Grundstücksverkäufe sowie die damit verbundene Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr sowie die eigenständige Vermarktung der Grundstücke führt nicht zur Begründung eines gewerblichen Grundstückshandels, da – wie ausgeführt – auch umfangreiche Veräußerungen mit erheblichem Gewinn nicht als schädlich einzustufen sind. Im Übrigen begründet auch das vom Kläger durch die Vorfinanzierung der Erschließungskosten übernommene Risiko, mit diesen im Falle der Nichtveräußerung der Grundstücke wirtschaftlich endgültig belastet zu sein, keine gewerbliche Tätigkeit. Denn dieses Risiko besteht ebenso, wenn der Steuerpflichtige durch Beitragsbescheid nach §§ 127 ff. BauGB zur Übernahme der Erschließungskosten herangezogen wird.
1393. Aus der Einordnung der Verkäufe als land- und forstwirtschaftliche Hilfsgeschäfte folgt, dass die vom Kläger erzielten Veräußerungsgewinne im Rahmen der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft zu berücksichtigen sind. Konkret ergeben sich daraus die folgenden Auswirkungen:
140a) Die Gewerbesteuermessbetragsbescheide sind aufzuheben.
141b) Im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzungen 2010 bis 2012 sind die Einkünfte aus Gewerbebetrieb dahingehend zu ändern, dass die aktuell angesetzten Gewinne aus einem gewerblichen Grundstückshandel (2010 = 128.550,00 EUR; 2011 = 70.338,00 EUR; 2012 = 148.093,00 EUR) sowie die damit verbundene Gewerbesteueranrechnung i. S. d. § 35 EStG nicht zu berücksichtigen sind.
142c) Die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft sind dahingehend zu ändern, dass die ursprünglich vom Kläger ermittelten Gewinne i. H. v. 16.922,38 EUR (Wirtschaftsjahr 2009/2010), ./. 9.251, 02 EUR (Wirtschaftsjahr 2010/2011), 4.883,59 EUR (Wirtschaftsjahr 2011/2012 – Gewinn nach außerbilanzieller Korrektur nach § 3 Nr. 40 EStG) bzw. 19.993,73 EUR (Wirtschaftsjahr 2012/2013 – Gewinn nach außerbilanzieller Korrektur nach § 7g Abs. 7 EStG) zu berücksichtigen sind. Denn die von der GKBP vorgenommenen Gewinnänderungen (= die Nichtberücksichtigung von im Zusammenhang mit den Grundstücksverkäufen gebildeten Rückstellungen, vgl. Tz. 2.2.3.2 und Anlage 5 zum Betriebsprüfungsbericht vom 28.11.2018) sind auf die unzutreffende Annahme eines gewerblichen Grundstückshandels zurückzuführen. Soweit die Veräußerungsgewinne vom Kläger nicht in eine Rücklage eingestellt und als sofort zu versteuernde Gewinne behandelt wurden, ergeben sich keine Änderungen gegenüber der bisherigen Veranlagung, da im Rahmen der GKBP einzig die einer Rücklage zugeführten Veräußerungsgewinne und nicht die gesamten Veräußerungsgewinne den gewerblichen Einkünften zugeordnet wurden.
143d) Die nachfolgend dargestellte Entwicklung der Rücklage nach § 6b EStG hat keine Auswirkungen auf die Höhe der festzusetzenden Gewinne:
144aa) Die vom Kläger gebildeten Rücklagen nach § 6b Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 EStG sind zulässig. Insbesondere gehörten die veräußerten Wirtschaftsgüter im Zeitpunkt der Veräußerung für mindestens sechs Jahre ununterbrochen zum Anlagevermögen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs (§ 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG). Denn landwirtschaftlich genutzte Flächen sind der Sache nach nicht geeignet, Umlaufvermögen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs zu sein, sodass die Parzellierung und die Verkaufsabsicht nicht zum Verlust der Zugehörigkeit zum Anlagevermögen führt (u.a. BFH, Urt. v. 31.05.2001, IV R 73/00, BFHE 195, 551, BStBl. II 2001, 673).
145bb) Die zulässige Rücklagenbildung gilt auch für die vom Kläger im Wirtschaftsjahr 2011/2012 im Zusammenhang mit der jeweiligen Neuermittlung der Rückstellung für die Erschließungskosten angefallenen „Differenzgewinne“, soweit der Kläger hiervon einen Gesamtbetrag i. H. v. 52.838 EUR in eine Rücklage eingestellt hat. Da sich der Kläger im Rahmen der von ihm abgeschlossenen Grundstücksverträge den Käufern gegenüber verpflichtete, die Erschließungskosten vollständig zu übernehmen, ist der Kläger den Käufern gegenüber eine der Höhe nach ungewisse Verbindlichkeit eingegangen, die (zutreffend) im Jahr der Realisation des jeweiligen Grundstücksverkaufs durch eine Rückstellung berücksichtigt wurde (vgl. BFH, Urt. v. 14.10.2009, X R 45/06, BFHE 227, 50, BStBl. II 2010, 274 Rn. 86). Die für die noch zu erbringenden Erschließungskosten anfallenden Aufwendungen stehen in unmittelbarer sachlicher Beziehung zu dem jeweiligen Veräußerungsgeschäft, sodass sie Veräußerungskosten i. S. d. § 6b Abs. 2 Satz 1 EStG darstellen. Eine nachträgliche Änderung der prognostizierten Erschließungskosten führt somit dazu, dass sich die Veräußerungskosten nachträglich vermindern und sich der Gewinn dadurch erhöht. Um den Zweck des Begünstigungstatbestands zu erreichen, den durch eine Veräußerung von Anlagevermögen entstandenen Gewinn zu Reinvestitionszwecken zu neutralisieren und bestimmte Reinvestitionen zu erleichtern, muss auch die nachträgliche Erhöhung des Veräußerungsgewinns auf Ersatzwirtschaftsgüter übertragen werden können (BFH, Urt. v. 13.09.2000, X R 148/97, BFHE 193, 129, BStBl. II 2001, 641). Aufgrund der der Rücklagenbildung innewohnenden Gewinnneutralität ist es unerheblich, dass die Rücklage wohl über eine rückwirkende Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO in den früheren Wirtschaftsjahren (vgl. BFH, Urt. v. 13.09.2000, X R 148/97, BFHE 193, 129, BStBl. II 2001, 641) statt im Wirtschaftsjahr 2011/2012 zu bilden gewesen wäre. Der Differenzgewinn ist jedenfalls wie vom Kläger behandelt solange rücklagenfähig, wie der ursprüngliche Reinvestitionszeitraum noch nicht abgelaufen ist.
146cc) Für die Streitjahre kann dahinstehen, wann der Kläger mit der Herstellung des Hotels, auf welches er die Rücklagen übertragen wollte, begonnen hat und ob möglicherweise die verlängerte Reinvestitionsfrist nach § 6b Abs. 3 Satz 3 EStG greift. Denn sollte dies nicht der Fall sein, wäre die im Wirtschaftsjahr 2009/2010 gebildete Rücklage (inklusive der diesem Wirtschaftsjahr zuzurechnenden „Differenzgewinne“) erst im Wirtschaftsjahr 2013/2014 und somit außerhalb des Streitzeitraums gewinnerhöhend aufzulösen (vgl. § 6b Abs. 3 Satz 5 EStG).
147dd) Hinsichtlich der konkreten Entwicklung der Rücklage bis zum Ende des hier streitgegenständlichen Wirtschaftsjahres 2012/2013 wird auf Seite 9 der Einspruchsentscheidung vom 23.02.2021 betreffend Einkommensteuer 2009 bis 2013 verwiesen.
1484. Die Übertragung der Berechnung der festgesetzten Beträge bezüglich der Einkommensteuerbescheide 2010 bis 2012 auf den Beklagten beruht auf § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.
149II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung hinsichtlich der Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren aus § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.
150III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
151IV. Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO im Hinblick auf die Rechtsfrage zuzulassen, ob die Erschließung durch ein von der Kommune beauftragtes Erschließungsunternehmen bei einer privatrechtlichen Kostentragungsvereinbarung, mit der der Steuerpflichtige sich zur Finanzierung der Erschließungsmaßnahmen (über den nach den §§ 127 ff. BauGB auf den Grundstückseigentümer umlagefähigen Erschließungsbeitrag hinaus) verpflichtet, zur Begründung eines gewerblichen Grundstückshandels führt.
152[…] […] […]
153ist aufgrund einer Abordnung
154an der Beifügung der
155Unterschrift gehindert
156[…]