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Der Umsatzsteuer-Bescheid für 2016 vom 06.10.2017 und die Einspruchsentscheidung vom 19.01.2018 werden aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens bis zum 19.04.2021 tragen die Klägerin zu 9/10 und der Beklagte zu 1/10. Die Kosten des Verfahrens ab dem 20.04.2021 trägt der Beklagte.
Außergerichtliche Kosten des Beigeladenen werden nicht erstattet.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten noch über das Vorliegen einer umsatzsteuerlichen Organschaft im Streitjahr 2016, bei der die Klägerin die Organgesellschaft und ihre Kommanditistin die Organträgerin ist.
3Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG, die mit Gesellschaftsvertrag vom 27.05.2009 gegründet wurde. Zweck der Gesellschaft ist nach § 2 des Vertrags der Handel mit sowie das Erwerben, Verwalten und Vermieten von Geräten aller Art, insbesondere von mobilen Krananlagen nebst entsprechendem Zubehör.
4Komplementärin der Klägerin war bis zum 02.03.2017 die U Verwaltungs- und Beteiligungs- GmbH , die bis zum 16.10.2016 als C Verwaltungs- und Beteiligungsgesellschaft mbH firmierte. Einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer der GmbH waren seit der Gründung, d.h. auch im Streitjahr, Herr XC sen. (bis zum 03.03.2017), Herr XC jun. und NC . Alleingesellschafter der U Verwaltungs- und Beteiligungs-GmbH war im Streitjahr Herr XC sen. Mit Beschluss des Amtsgerichts N vom 01.08.2017 (Aktenzeichen: 00 IN 000/00) ist die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Verwaltungs- und Beteiligungsgesellschaft mbH mangels Masse abgelehnt worden. Seit dem 03.03.2017 ist die X u N. Verwaltungsgesellschaft UG Komplementärin der Klägerin.
5Alleinige Kommanditistin der Klägerin mit einem Kapitalanteil von 10.000,- € war zunächst die KC GmbH & Co. KG . Mit Vertrag vom 26.02.2016 veräußerten die Gesellschafter der KC GmbH & Co. KG ihre Kommanditanteile an die KC GmbH . Am 27.02.2016 beschloss die Gesellschafterversammlung der KC GmbH & Co. KG , dass ihre Komplementärin mit sofortiger Wirkung aus der Gesellschaft austrete, so dass das Vermögen der KC GmbH & Co. KG aufgrund des Austritts der Komplementärin im Wege der Gesamtrechtsnachfolge (Anwachsung) auf die verbleibende Kommanditistin, die KC GmbH überging. In der Gesellschafterversammlung vom 13.10.2016 ist dann die Umfirmierung der KC GmbH in die U GmbH beschlossen worden. Einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer der GmbH waren XC jun. und NC . Gesellschafter der KC GmbH bzw. U GmbH waren im Streitjahr 2016 XC sen. (Kapitalanteil 22.500,00 € = 90% der Anteile), XC jun. (Kapitalanteil 1.250,00 € = 5% der Anteile) und NC (Kapitalanteil 1.250,00 € = 5% der Anteile). Unter dem 13.08.2016 stellte der Beklagte und unter dem 24.10.2016 die Klägerin selbst einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Der vorläufige Insolvenzverwalter erstellte am 03.03.2017 ein Gutachten zur Insolvenzeröffnung. Mit Beschluss des Amtsgerichts N vom 08.03.2017 (Aktenzeichen: 00 IN 000/00) ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen der U GmbH (zuvor: KC GmbH ) eröffnet worden. Zum Insolvenzverwalter wurde Rechtsanwalt L bestellt, der in dieser Eigenschaft zum vorliegenden Verfahren beigeladen wurde (im Folgenden: Beigeladener).
6Nach § 5 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin war jeder persönlich haftende Gesellschafter alleinvertretungsberechtigt und befugt, die Gesellschaft bei der Vornahme von Rechtsgeschäften mit sich oder als Vertreter eines Dritten uneingeschränkt zu vertreten. Handlungen, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehen, durfte die Komplementärin nach § 5 Nr. 2 des Vertrags, auf den wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, grundsätzlich nur mit vorheriger Zustimmung der Gesellschafterversammlung vornehmen. Gesellschafterbeschlüsse bedurften nach § 8 Nr. 2 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin, soweit in zwingenden gesetzlichen Bestimmungen oder dem Gesellschaftsvertrag nicht anders bestimmt ist, der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen; Enthaltungen wurden dabei nicht mitgezählt. Nach § 8 Nr. 3 des Vertrags gewährten jede 1.000,- € eines Kapitalanteils eine Stimme; die Komplementärin hatte eine Stimme.
7Mit Vertrag vom 12.06.2016 verkaufte die KC GmbH (später umbenannt in U GmbH ) Fahrzeuge, die in der Anlage 1 zum Vertrag einzeln aufgeführt sind, zu einem Kaufpreis in Höhe von insgesamt 4.835.447,17 € (netto 4.061.720,31 € zuzüglich Umsatzsteuer 771.726,86 €) an die Klägerin. Der Kaufpreis sollte in 28 jährlichen Raten in Höhe von je 145.061,44 € netto zuzüglich Umsatzsteuer gezahlt werden. Es wird wegen der Einzelheiten auf den Vertrag Bezug genommen.
8Die KC GmbH (später umbenannt in U GmbH ) stellte an die Klägerin unter dem 13.06.2016 eine Rechnung, in der Umsatzsteuer in Höhe von 771.726,86 EUR (19 % auf den Gesamtkaufpreis) offen ausgewiesen war.
9Die Klägerin verkaufte mit Rechnungen vom 20.06.2016 zwei Sattelzugmaschinen zu einem Kaufpreis von netto 85.000,- € an eine Firma M GmbH in J .
10Für das II. Quartal 2016 reichte die Klägerin unter dem 09.07.2016 eine Umsatzsteuer-Voranmeldung bei dem Beklagten ein, in der sie Umsätze in Höhe von 85.000,- € und Vorsteuern in Höhe von 771.726,86 € erklärte.
11Der Beklagte führte bei der Klägerin eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung durch, mit der er am 15.07.2016 begann. In dem Bericht über die Umsatzsteuer-Sonderprüfung vom 01.08.2016 führten die Prüfer aus: Der Vorsteuerabzug aus der Rechnung vom 13.06.2016 sei nicht zu gewähren. Das Geschäft sei rechtsmissbräuchlich, weil es nur dazu diene, Vorsteuerüberschüsse zu schaffen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bericht verwiesen.
12Der Beklagte erließ nach Maßgabe des Prüfungsberichts am 16.08.2016 einen Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlung für II/2016, mit dem er die Umsatzsteuer auf 16.150,- € festsetzte. Einen Vorsteuerabzug aus der Rechnung vom 13.06.2016 berücksichtigte er darin nicht. Den Einspruch gegen diesen Bescheid wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 23.01.2017 als unbegründet zurück.
13Mit der notariell beurkundeten Vereinbarung vom 05.04.2017 zwischen der Klägerin, dem Beigeladenen und der KC GmbH erfolgten Ergänzungen zu den Fälligkeitsregelungen im Vertrag vom 12.06.2016 und erklärte die KC GmbH den Schuldbeitritt. Ferner wurde eine Zwangsvollstreckungsunterwerfung vereinbart. Der Beigeladene verpflichtete sich, den Vertrag vom 12.06.2016 nicht anzufechten. Die Gläubigerversammlung der U GmbH genehmigte die Vereinbarung vom 05.04.2017 am 03.05.2017.
14Der Beklagte erließ unter dem 06.10.2017 den gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Umsatzsteuer-Bescheid für 2016 gegenüber der Klägerin, in dem er geschätzte Umsätze in Höhe von netto 450.000,- € ansetzte. Einen Vorsteuerabzug aus der Rechnung vom 13.06.2016 gewährte er darin nicht.
15Die Klägerin legte gegen diesen Bescheid am 13.10.2017 Einspruch ein. Am selben Tag reichte sie eine Umsatzsteuer-Erklärung für das Jahr 2016 beim Beklagten ein, mit der sie (Netto-)Umsätze zu 19 % in Höhe von 636.450,- € und Vorsteuern in Höhe von 771.726,86 € (verbleibender Überschuss: -650.801,36 €) erklärte. Zur Begründung des Einspruchs wies sie darauf hin, dass die Fahrzeuge durch die Übergabe der entsprechenden Fahrzeugbriefe auf sie übertragen worden seien. Dass das Eigentum übertragen worden sei, beweise der Bericht des Insolvenzverwalters. Die Gläubigerversammlung habe der notariellen Vereinbarung vom 05.04.2017, mit der der Vertrag vom 12.06.2016 ergänzt worden sei, zudem einstimmig zugestimmt. Die Fahrzeuge seien zum einen Teil an fremde Dritte und zum anderen Teil an die XC Einzelfirma und die KC GmbH weiterveräußert worden. Ein Leistungsaustausch sei insoweit auch unter nahestehenden Personen möglich. Es liege kein Gestaltungsmissbrauch gemäß § 42 AO und kein Scheingeschäft vor.
16Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 19.01.2018 als unbegründet zurück. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung verwiesen.
17Die Klägerin hat am 24.01.2018 Klage erhoben und zunächst die erklärungsgemäße Festsetzung der Umsatzsteuer 2016 begehrt.
18Der Beigeladene stornierte am 01.08.2019 die Rechnung vom 13.06.2016.
19Mit Schreiben vom 19.04.2021 macht die Klägerin nunmehr geltend, dass der streitbefangene Bescheid ersatzlos aufzuheben sei. Es liege für das Streitjahr eine umsatzsteuerliche Organschaft zwischen ihr und ihrer Kommanditistin vor. Sowohl sie selbst als auch ihre Kommanditistin seien unternehmerisch tätig gewesen. Sie, die Klägerin, sei die Organgesellschaft und ihre Kommanditistin sei die Organträgerin. Zwar sei nach früherer nationaler Auffassung eine GmbH & Co KG kein für eine Organgesellschaft taugliches Steuerrechtssubjekt gewesen, weil es sich bei dieser nicht um eine juristische Person im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) gehandelt habe. Diese Auffassung sei jedoch nach den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 16.07.2015 C-108/14 und C-109/14 – Larentia + Minverva und Mareneve Schiffahrt – (HFR 2015, 901) überholt. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe sich auch der Rechtsprechung des EuGH im Grundsatz angeschlossen, jedoch im Hinblick auf die Behandlung einer Personengesellschaft als Organgesellschaft nur unter der Voraussetzung, dass diese aufgrund des für Personengesellschaften grundsätzlich geltenden Einstimmigkeitsprinzips vollständig von der Organträgerin beherrscht werde. Diese Voraussetzung sei in ihrem Fall nicht erfüllt. Zwar habe ihre Kommanditistin 100% der Kommanditanteile gehalten, nicht jedoch auch die Anteile an der Komplementärin im Streitjahr 2016, der C Verwaltungs- und Beteiligungsgesellschaft mbH . Daher sei sie, die Klägerin, von ihrer Kommanditistin nicht im Sinne der vom BFH aufgestellten Voraussetzungen vollständig beherrscht worden. Allerdings habe der EuGH in einem späteren Urteil vom 15.04.2021 C-868/19 – Finanzamt für Körperschaften Berlin – (HFR 2021, 726) entgegen der Auffassung des BFH ausdrücklich festgehalten, dass das Fehlen des entsprechenden Einstimmigkeitsprinzips nicht gegen eine umsatzsteuerliche Organschaft spreche. Die finanzielle Eingliederung bestehe im Streitfall mithin, weil die KC GmbH (später umfirmiert in U GmbH ; Gesamtrechtsvorgängerin: KC GmbH & Co. KG ) über 10 Stimmen verfügt habe und gegenüber der Komplementärin ihren Willen habe durchsetzen können. Auf ein Über-/Unterordnungsverhältnis komme es nach der Auffassung des EuGH nicht an. Auch auf die der EuGH-Rechtsprechung widersprechenden Regelungen im Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE), auf die der Beklagte sich berufe, komme es nicht an. Bemerkenswert klar seien auch die Ausführungen des Beklagten zur Entscheidung des EuGH vom 15.04.2021 C 868/19 – Finanzamt für Körperschaften Berlin –, denn auch der Beklagte gehe zumindest nunmehr davon aus, dass unter Berücksichtigung dieser Entscheidung der Klage stattzugeben sei. Dass der Beklagte sich weiterhin durch den UStAE gebunden fühle, sei für den Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits unerheblich. Die organisatorische Eingliederung – wovon auch der Beklagte ausgehe – sei wegen der Identität der Geschäftsführung gegeben. Die wirtschaftliche Eingliederung – wovon auch der Beklagte ausgehe – bestehe, weil sie und die KC GmbH bzw. U GmbH im gleichen Tätigkeitsbereich tätig gewesen seien, insbesondere habe sie die Fahrzeuge der KC - GmbH, später umfirmiert in U GmbH , veräußert, was als ergänzende Tätigkeit anzusehen sei. Mithin sei sie auf dem gleichem Geschäftsgebiet wie ihre Muttergesellschaft tätig gewesen und habe deren Vermögensgegenstände in deren Geschäftsbereich verwertet und vermarktet. Sie, die Klägerin, sei „konzernintern“ die Betriebsabteilung gewesen.
20Auf Antrag des Beklagten ist mit Beschluss des Senats vom 22.09.2021 L in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der U GmbH (vormals KC - GmbH; Gesamtrechtsvorgängerin: KC GmbH & Co. KG ) – bisher bereits als Beigeladener bezeichnet – gemäß § 174 Abs. 4, 5 AO zum vorliegenden Verfahren beigeladen worden. Die Klägerin legte am 24.09.2021 Beschwerde gegen den Beiladungsbeschluss ein, die der BFH mit Beschluss vom 02.02.2022 V B 58/21 als unbegründet zurückwies.
21Die Klägerin beantragt,
22die Einspruchsentscheidung vom 19.01.2018 und den Umsatzsteuer-Bescheid für 2016 vom 06.10.2017 ersatzlos aufzuheben.
23Der Beklagte beantragt,
24die Klage abzuweisen,
25hilfsweise, die Revision zuzulassen.
26Der Beigeladene hat keine Anträge gestellt.
27Der Beklagte führt zum Vorliegen einer umsatzsteuerlichen Organschaft aus: Es sei zutreffend, dass bei der Anwendung des EuGH-Urteils vom 15.04.2021 C-868/19 – Finanzamt für Körperschaften Berlin – die finanzielle Eingliederung vorläge, da insoweit das Halten der Anteilsmehrheit für die finanzielle Eingliederung einer Personengesellschaft maßgebend sei. Bis zu einer Änderung des Abschn. 2.8 Abs. 5a UStAE sei es ihm jedoch nicht möglich, die Grundsätze des EuGH-Urteils allgemein anzuwenden. Nach dem sie bindenden Abschnitt 2.8. Abs. 5a UStAE setze die finanzielle Eingliederung einer Personengesellschaft auch voraus, dass Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur Personen seien, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert seien, so dass die erforderliche Durchgriffsmöglichkeit selbst bei der stets möglichen Anwendung des Einstimmigkeitsprinzips gewährleistet sei. Die Anteile der U Verwaltungs- und Beteiligungs-GmbH habe jedoch im Streitjahr 2016 XC sen. gehalten. Die U Verwaltungs- und Beteiligungs-GmbH (vormals C Verwaltungs- und Beteiligungsgesellschaft mbH ) sei im Streitfall nicht in die KC GmbH (später: U GmbH ) finanziell eingegliedert gewesen, was Voraussetzung sei. Die umsatzsteuerliche Organschaft liege mithin nicht vor, obwohl die Klägerin wirtschaftlich als auch organisatorisch in die KC GmbH , umbenannt in U GmbH , eingegliedert gewesen sei. Wirtschaftlich sei die Klägerin in die U GmbH eingegliedert gewesen, da sie im Jahr 2016 Fahrzeuge der U GmbH an die KC GmbH und an fremde Dritte veräußert habe. Sie sei damit im Rahmen des Gesamtunternehmens in engem wirtschaftlichem Zusammenhang mit der U GmbH wirtschaftlich tätig geworden. Dies gelte unabhängig davon, dass der Ankauf der Fahrzeuge als Scheingeschäft zu qualifizieren sei. Anteilseigner der U GmbH seien 2016 XC sen. (22.500,00 € = 90% der Anteile), XC jun. (1.250,00 € = 5% der Anteile) und NC (1.250,00 € = 5% der Anteile) gewesen. Geschäftsführer der U GmbH seien XC jun. und NC gewesen. Beide Geschäftsführer seien einzelvertretungsberechtigt gewesen. Die Klägerin werde von jedem persönlich haftenden Gesellschafter einzeln vertreten. Einziger persönlich haftender Gesellschafter der Klägerin sei die C Verwaltungs- und Beteiligungsgesellschaft mbH (später U Verwaltungs- und Beteiligungs GmbH) gewesen. Diese wiederum werde durch ihre Geschäftsführer XC sen., XC jun. und NC vertreten. Alle Geschäftsführer seien wiederum einzelvertretungsberechtigt. Die organisatorische Eingliederung setze in aller Regel die personelle Verflechtung der Geschäftsführungen des Organträgers und der Organgesellschaft voraus. Dies sei insbesondere bei einer Personenidentität in den Leitungsgremien beider Gesellschaften gegeben. Zwar sei diese Personenidentität hier nicht komplett gegeben gewesen, da XC sen. kein Geschäftsführer der KC GmbH (später: U GmbH ) gewesen sei. Allerdings sei XC sen. Mehrheitsgesellschafter der KC GmbH (später U GmbH ) gewesen. Eine von der KC GmbH (später U GmbH ) abweichende Willensbildung in der Klägerin könne vor diesem Hintergrund ausgeschlossen werden.
28Die Entscheidungen des EuGH vom 01.12.2022 C-141/20 – Norddeutsche Gesellschaft für Diakonie – (HFR 2023, 86) und C-269/20 – Finanzamt T – (HFR 2023, 90) hätten auf den vorliegenden Streitfall keine Auswirkung. Im vorliegenden Fall sei die finanzielle Eingliederung der Klägerin als eine Personengesellschaft und nicht als eine Kapitalgesellschaft in den umsatzsteuerlichen Organkreis streitig, bei der nicht alle Gesellschafter der Klägerin finanziell in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert seien. Für die finanzielle Eingliederung einer Kapitalgesellschaft in den Organkreis sei nach der neuen EuGH-Rechtsprechung die Mehrheitsbeteiligung des Organträgers an der Kapitalgesellschaft ausreichend. Bei GmbHs sei für Abstimmungen das Mehrheitsprinzip auch grundsätzlich anzuwenden, § 47 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG). Dadurch ergebe sich bei einer Mehrheitsbeteiligung die Möglichkeit, den Willen des Mehrheitsbeteiligten durchzusetzen. Auf eine Personengesellschaft treffe dies jedoch nicht zu. Bei Personengesellschaften, wie die Klägerin eine sei, sei für die Beschlussfassung der Gesellschafter die Einstimmigkeit aller Gesellschafter erforderlich, § 709 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), § 119 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs (HGB), § 161 Abs. 2 HGB. Folglich sei zur Willensdurchsetzung die Zustimmung aller Gesellschafter der Personengesellschaft notwendig. Zwar handele es sich bei diesen Vorschriften um dispositives Recht, welches aufgrund von Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag abgeändert werden könne. Dennoch bedürfe es zunächst eines entsprechenden Gesellschaftsvertrages, welcher nicht vorausgesetzt werden könne. Dieser wesentliche Unterschied zwischen Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften sei ein weiterer Grund, weshalb die Entscheidungen des EuGH im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung kommen könnten. Zudem weise er darauf hin, dass aktuell unter den Aktenzeichen V R 8/22 und V R 14/21 noch zwei weitere Verfahren beim BFH anhängig seien, die sich mit den Voraussetzungen der finanziellen Eingliederung einer Personengesellschaft in das Unternehmen des Organträgers befassen. Bei den Entscheidungen in diesen Verfahren werde sich der BFH auch mit dem EuGH-Urteil vom 15.04.2021 C-868/19 – Finanzamt für Körperschaften Berlin – auseinandersetzen müssen.
29Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Gerichtsakte und die von dem Beklagten übersandten Verwaltungsvorgänge verwiesen.
30Es wurde die Gerichtsakte 5 V 3424/17 U zum vorliegenden Verfahren beigezogen.
31Der Senat hat am 23.03.2023 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen.
32Entscheidungsgründe
33Die Klage ist begründet.
34Der angefochtene Umsatzsteuer-Bescheid für 2016 vom 06.10.2017 und die Einspruchsentscheidung vom 19.01.2018 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-).
35Zwischen der Klägerin und der KC GmbH bzw. U GmbH bestand im Streitjahr 2016 eine umsatzsteuerliche Organschaft (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG), bei der die KC GmbH bzw. U GmbH die Organträgerin und die Klägerin die Organgesellschaft war, so dass die Umsätze und Vorsteuerbeträge der Organgesellschaft (der Klägerin) der Organträgerin (der KC GmbH bzw. U GmbH ) zuzurechnen sind.
36Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft).
37Die nationale Vorschrift beruht auf Art. 11 der Richtlinie 200/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL). Hiernach kann jeder Mitgliedstaat nach Konsultation des Beratenden Ausschusses für die Mehrwertsteuer in seinem Gebiet ansässigen Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln.
38Besteht eine Organschaft, sind die im Inland gelegenen Unternehmensteile als ein Unternehmen zu behandeln (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 UStG). Dies führt dazu, dass der Organträger Steuerschuldner für alle Leistungen ist, die die Unternehmensteile des Organkreises erbringen (vereinbar mit Unionsrecht lt. EuGH-Urteil vom 01.12.2022 C-141/20, Norddeutsche Gesellschaft für Diakonie, BFH/NV 2023, 253, Rn. 60); die von der Organgesellschaft ausgeführten Umsätze sind dem Organträger zuzurechnen. Leistungsbezüge der Organgesellschaft werden dem Organträger gleichfalls zugerechnet und berechtigen diesen grundsätzlich zum Vorsteuerabzug (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 01.06.2016 XI R 17/11, BFHE 254, 164, BStBl II 2017, 582; EuGH-Urteil vom 17.09.2014 C-7/13, Skandia of America (USA), HFR 2014, 1031).
39Nach diesen Vorgaben ist für die Annahme einer Organschaft im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG erforderlich, dass (a) der unternehmerisch tätige Organträger, (b) bei der abhängigen juristischen Person finanziell über die Mehrheit der Stimmrechte verfügt, (c) die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung auch rechtlich wahrnehmen kann und (d) wirtschaftlich mit der Organgesellschaft verflochten ist (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 12.10.2016 XI R 30/14, BFHE 255, 467, BStBl II 2017, 597).
40Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens liegen diese Eingliederungsmerkmale im Streitfall vor. Die Klägerin war nach dem Gesamtbild der Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen der U GmbH eingegliedert.
411. Sowohl die Klägerin als auch die KC GmbH bzw. U GmbH waren im Streitjahr 2016 – was zwischen den Beteiligten unstreitig ist – unternehmerisch im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG tätig, da sie mit Fahrzeugen gehandelt haben.
422. Die Klägerin war im Streitjahr in das Unternehmen der KC GmbH bzw. U GmbH finanziell eingegliedert.
43Die finanzielle Eingliederung i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG erfordert im Grundsatz, dass dem Organträger die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft zusteht.
44Der Annahme einer finanziellen Eingliederung steht zunächst nicht bereits entgegen, dass die Klägerin als GmbH & Co. KG keine juristische Person im Sinne des nationalen Zivilrechts ist. Nach der Vorschrift des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG können juristische Personen Organgesellschaft sein. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG entsprechend der in Art. 11 Abs. 1 MwStSystRL rechtsformunabhängig getroffenen Regelung unionsrechtskonform dahingehend auszulegen, dass der Begriff „juristische Person“ auch Personengesellschaften umfassen kann (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 01.06.2016 XI R 17/11, BFHE 254, 164, BStBl II 2017, 581; BFH-Urteil vom 02.12.2015 V R 25/13, BFHE 251, 534, BStBl II 2017, 547).
45Der Annahme einer finanziellen Eingliederung steht ebenfalls nicht bereits entgegen, dass die Kommanditistin der Klägerin, die KC GmbH bzw. U GmbH , nicht die Anteile an der Komplementärin der Klägerin, der C Verwaltungs- und Beteiligungsgesellschaft mbH (später U Verwaltungs- und Beteiligungs-GmbH), gehalten hat. Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung (vgl. Abschn. 2.8 Abs. 5a UStAE mit Verweis auf die BFH-Urteile vom 02.12.2015 V R 25/13 und vom 03.12.2015 V R 36/13) setzt die finanzielle Eingliederung einer Personengesellschaft nach der Rechtsprechung des EuGH gerade nicht voraus, dass neben dem Organträger an der Personengesellschaft nur Personen beteiligt sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG auch in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind (vgl. Urteil vom 15.4.2021 C-868/19, Finanzamt für Körperschaften Berlin, HFR 2021, 726). Vielmehr ist eine umsatzsteuerliche Organschaft unabhängig von der Art der Personengesellschaft und dem Gesellschafterkreis möglich, sofern die finanzielle Eingliederung dieser Gesellschaft in den Organträger nachgewiesen ist.
46Danach war die Klägerin im Streitjahr finanziell in das Unternehmen der KC GmbH bzw. der U GmbH eingegliedert. Die KC GmbH bzw. U GmbH war zu 100 % am Kapital der Klägerin beteiligt und verfügte im Rahmen von Abstimmungen in der Gesellschafterversammlung der Klägerin über 10 von 11 Stimmen. Damit besaß sie die für die finanzielle Eingliederung notwendige Mehrheit der Stimmrechte. Die Mehrheit der Stimmrechte genügte insoweit auch, da die Gesellschafterbeschlüsse nach § 8 Nr. 2 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin grundsätzlich nur der einfachen Mehrheit bedurfte und dies nur nicht ausreichte, „soweit in zwingenden gesetzlichen Bestimmungen oder im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist“. „Etwas anderes“ ist im Streitfall nur im Gesellschaftsvertrag für die abweichende Verteilung des Jahresergebnisses (§ 11 Nr. 5 des Gesellschaftsvertrags) und für die Umbuchung von Beträgen von dem Kapitalkonto II auf die Kapitalkonten III und umgekehrt (§ 12 Nr. 2 des Gesellschaftsvertrags) bestimmt; für diese Entscheidungen bedurfte es eines einstimmigen Gesellschafterbeschlusses.
47Dass vorliegend Einstimmigkeit für diese besonderen Beschlüsse vorgesehen war, ist aber unschädlich. Die finanzielle Eingliederung setzt nicht voraus, dass die Einstimmigkeit für alle Beschlüsse ausgeschlossen ist. In dem der EuGH-Entscheidung (Urteil vom 15.04.2021 C-868/19, Finanzamt für Körperschaften Berlin, HFR 2021, 726) zugrundeliegenden Sachverhalt galt das Einstimmigkeitsprinzip insoweit auch für einige wenige ausgewählte Gesellschafterbeschlüsse. Dies hinderte die finanzielle Eingliederung nicht.
48Nach Auffassung des erkennenden Senats ist die Geltung des Einstimmigkeitsprinzips unschädlich, wenn die Beschlüsse, bei denen Einstimmigkeit erzielt werden muss, keinen Einfluss darauf haben, dass der Organträger die Aufgabe des „Steuereinnehmers“ für die Organgesellschaft zu erfüllen hat (BFH-Urteil vom 08.08.2013 V R 18/13, BFHE 242, 433, BStBl II 2017, 543). Da nach ständiger höchstrichterlicher Zivilrechtsprechung (vgl. u.a. Urteile des Bundesgerichtshofs -BGH- vom 22.10.1992 IX ZR 244/91, HFR 1993, 672; vom 19.01.2012 IX ZR 2/11, HFR 2012, 550) Organgesellschaft und Organträger im Innenverhältnis zueinander gemäß § 426 BGB die durch ihre eigene Geschäftstätigkeit ausgelöste Umsatzsteuer zu tragen haben, steht das Einstimmigkeitsprinzip der finanziellen Eingliederung nur dann entgegen, wenn die Einstimmigkeit Beschlüsse betrifft, die den Organträger hindern könnten, die durch die Organgesellschaft verursachte Umsatzsteuer einzuziehen und an das Finanzamt weiterzuleiten (vgl. auch Finanzgericht Münster, Urteil vom 26.04.2022 15 K 137/18, EFG 2022, 1322).
49Im Streitfall ist dies aber nicht so, da – wie ausgeführt – das Einstimmigkeitsprinzip gerade nur für die abweichende Verteilung des Jahresergebnisses (§ 11 Nr. 5 des Gesellschaftsvertrags) und die Umbuchung von Beträgen von dem Kapitalkonto II auf die Kapitalkonten III und umgekehrt (§ 12 Nr. 2 des Gesellschaftsvertrags) galt. Keiner dieser Beschlüsse ist geeignet, Zahlungen der Organgesellschaft an den Organträger zu verhindern, damit dieser die Steuer für die Umsätze aus der Tätigkeit der Organgesellschaft als Steuerschuldner und damit als „Steuereinnehmer“ entrichten kann. Im Übrigen bedurfte es für die Änderung des Gesellschaftsvertrags (vgl. § 19 Nr. 2 des Gesellschaftsvertrags) („nur“) einer qualifizierten Mehrheit von 75 % und für die rechtsgeschäftliche Verfügung über den Gesellschaftsanteil einer qualifizierten Mehrheit von 2/3, über die die KC GmbH bzw. U GmbH im Streitjahr aber auch jeweils verfügte.
503. Die Klägerin war im Streitjahr in das Unternehmen der KC GmbH bzw. U GmbH außerdem organisatorisch eingegliedert. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.
51Die organisatorische Eingliederung setzt voraus, dass der Organträger die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung wahrnimmt, wobei er die Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrschen muss (vgl. BFH-Urteil vom 15.12.2016 V R 14/16, BFH/NV 2017, 709; BFH-Urteil vom 02.12.2015 V R 15/14, BFHE 252, 158, BStBl II 2017, 553, Rz 42). Eine organisatorische Eingliederung im Sinne einer engen Verflechtung mit Über- und Unterordnung liegt regelmäßig vor, wenn Personenidentität in den Leitungsgremien von Organträger und Organgesellschaft besteht (BFH-Urteil vom 12.10.2016 XI R 30/14, BFHE 255, 467, BStBl II 2017, 597).
52Hiervon ausgehend konnte die KC GmbH bzw. U GmbH ihren Willen bei der Klägerin durchsetzen. Die Komplementär-GmbH der Klägerin, die C Verwaltungs- und Beteiligungsgesellschaft mbH (umfirmiert in U Verwaltungs- und Beteiligungs-GmbH), wurde durch die einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführer XC sen., XC jun. und NC vertreten. Alleingesellschafter der geschäftsführenden Komplementär-GmbH war XC sen., der auch über 90 % der (Kapital-)Anteile an der Kommanditistin, der KC GmbH bzw. U GmbH verfügte. Einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer der KC GmbH bzw. U GmbH waren XC jun. und NC , die jeweils 5 % der Anteile an der KC GmbH bzw. U GmbH hielten. Mithin bestand im Streitfall zwar keine vollständige Personenidentität in den Leitungsgremien der KC GmbH bzw. U GmbH und der Klägerin, weil XC sen. kein Geschäftsführer der KC GmbH bzw. U GmbH war, allerdings war XC sen. – wie ausgeführt - Mehrheitsgesellschafter der KC GmbH bzw. U GmbH . Eine abweichende Willensbildung bei der KC GmbH bzw. U GmbH konnte daher im Streitjahr 2016 – wovon übereinstimmend auch die Beteiligten ausgehen – ausgeschlossen werden.
534. Die Klägerin war auch wirtschaftlich in das Unternehmen der U GmbH eingegliedert.
54Für die wirtschaftliche Eingliederung müssen nach ständiger Rechtsprechung des BFH die Unternehmensbereiche von Organträger und Organgesellschaft miteinander verflochten sein (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 01.02.2022 V R 23/21, juris; BFH-Urteil vom 07.07.2011 V R 53/10, BFHE 234, 548, BStBl. II 2013, 218). Für eine wirtschaftliche Eingliederung im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG genügt es, dass zwischen der Organgesellschaft und dem Unternehmen des Organträgers ein vernünftiger wirtschaftlicher Zusammenhang im Sinne einer wirtschaftlichen Einheit, Kooperation oder Verflechtung vorhanden ist. Die Tätigkeiten von Organträger und Organgesellschaft müssen lediglich aufeinander abgestimmt sein und sich dabei fördern und ergänzen (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 03.04.2003 V R 63/01, BFHE 202, 79, BStBl II 2004, 434). Hierfür reicht das Bestehen von mehr als nur unerheblichen Beziehungen zwischen Organträger und Organgesellschaft aus; insbesondere braucht die Organgesellschaft nicht wirtschaftlich vom Organträger abhängig zu sein (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 22.10.2009 V R 14/08, BFHE 227, 513, BStBl II 2011, 988; BFH-Urteil vom 01.02.2022 V R 23/21, BFHE 276, 362, BStBl II 2023, 148).
55Im Streitfall liegen diese Voraussetzungen vor. Die Klägerin war im Streitjahr 2016 im Rahmen des Handels mit den Fahrzeugen / der Veräußerung der Fahrzeuge – was zwischen den Beteiligten unstreitig ist – eingebunden und damit im Rahmen des „Gesamtunternehmens“ in einem engen wirtschaftlichen Zusammenhang mit der KC GmbH bzw. U GmbH wirtschaftlich tätig geworden. Im Hinblick auf die deutliche Ausprägung der finanziellen und organisatorischen Eingliederung ist es im Übrigen nach höchstrichterlicher Rechtsprechung auch unschädlich, wenn die wirtschaftliche Eingliederung weniger deutlich zu Tage tritt (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 03.04.2008 V R 76/05, BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905).
565. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 136 Abs. 1, 135 Abs. 3, 139 Abs. 4 FGO. Die Kosten sind verhältnismäßig geteilt worden (§ 136 Abs. 1 FGO). Die Klägerin hat ihr Klagebegehren mit Schreiben vom 19.04.2021 geändert. Da der Beigeladene keinen Antrag gestellt hat, können ihm keine Kosten auferlegt werden (§ 135 Abs. 3 FGO). Umgekehrt entspricht es mangels eines Kostenrisikos des Beigeladenen nicht der Billigkeit, seine außergerichtlichen Kosten dem unterlegenen Beteiligten oder der Staatskasse aufzuerlegen (§ 139 Abs. 4 FGO).
576. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
587. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Der Senat weicht hinsichtlich der Voraussetzungen zur finanziellen Eingliederung von der bisherigen Rechtsprechung des V. Senats des BFH ab. Beim BFH sind zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Personengesellschaft als Organgesellschaft in das Unternehmen eines Organträgers eingegliedert ist, zudem noch die Verfahren V R 14/21 und V R 8/22 anhängig.
59… … …