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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Bescheids für 2010 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (Feststellungsbescheid). Die Kläger sind in erster Linie der Auffassung, dass der streitgegenständliche Feststellungsbescheid nicht hätte erlassen werden dürfen. Hilfsweise sind die Kläger der Auffassung, dass weitere Personen – die Beigeladenen zu 1. bis 8. – Feststellungsbeteiligte seien.
3Die Kläger zu 3. und 4. betreiben gemeinsam die WP/StB GmbH, eine Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft.
4Die Klägerin zu 2. wurde im Jahr 2009 gegründet (Gesellschaftsvertrag vom xx.xx.2009). Geschäftsführer waren im Streitjahr die Kläger zu 3. und 4. (HRB xx, Amtsgericht xx). Die Kläger zu 3. und 4. gründeten die Klägerin zu 2. zu dem Zweck, den Erwerb von Kapitalmarktprodukten für „family and friends“ der WP/StB GmbH zu vermitteln (Landgericht E-Stadt, Urteil vom xx.xx.2016, x O xx/15).
5Vor der Gründung der Klägerin zu 1. übersandte der Kläger zu 4. Anfang März 2010eine für den Beigeladenen zu 7. bestimmte E-Mail an die Beigeladene zu 8. In dieser teilte er – vor dem Hintergrund einer E-Mail-Konversation mit dem Beigeladenen zu 2. – mit, wie eine „interne Gewinnverteilung aussehen“ würde. Das nachfolgende, aus verschiedenen Tabellen bestehende Schaubild enthält verschiedene Gesellschaften – J AG, X GbR, X GmbH, M GbR und M Trading GbR – und stellt Zahlungsströme sowie die Beteiligungsverhältnisse von dem Beigeladenen zu 7., der Beigeladenen zu 8. und weiteren Anlegern dar (Bl. 147 f. der Feststellungsakte des Beklagten).
6Die Klägerin zu 1. ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Nach ihrem Gesellschaftsvertrag – deren Zweck der Erwerb und das Halten von Vermögensanlagen aller Art war – waren an ihrem Vermögen die Klägerin zu 2. mit einer Einlage i. H. v. xxxx € (80 %) sowie die Kläger zu 3. und 4. mit einer Einlage i. H. v. jeweils xxxx € (10 %) beteiligt. Am Gewinn und Verlust war die Klägerin zu 2. i. H. v. 50 % sowie die Kläger zu 3. und 4. i. H. v. jeweils 25 % beteiligt. Zur Geschäftsführung und Vertretung waren alle Gesellschafter nur gemeinschaftlich berechtigt und verpflichtet. Alle den Gesellschaftern durch Gesetz oder Vertrag zugewiesenen Entscheidungen sollten durch einstimmige Gesellschaftsbeschlüsse getroffen werden (Gesellschaftsvertrag der Klägerin zu 1. vom xx.03.2010, Vertragsakte des Beklagten).
7Nachfolgend änderten die Gesellschafter der Klägerin zu 1. den Gesellschaftsvertrag – entgegen einem vertraglich festgelegten Schriftformerfordernis – durch eine mündliche Vereinbarung dahingehend, dass die Klägerin zu 2. eine Einlage von yyyyy €erbringt und vorab eine Gewinnbeteiligung i. H. v. 4 % erhält (Bl. 3 der Betriebsprüfungsakte des Beklagten).
8Im März 2010 überwiesen die Kläger zu 2. bis 4. insgesamt zzzzz € auf ein Konto der Klägerin zu 1. bei der E-Bank (Klägerin zu 2.: xxxxd €; Kläger zu 3.: xxxxa € [„Einlage“], Kläger zu 4.: xxxxw €; Kontonummer xxx; Bl. 7 der Feststellungsakte des Beklagten).
9Die Klägerin zu 2. finanzierte ihre Einlage i. H. v. xxx € aus eigenen Mitteln und im Übrigen – i. H. v. xxxxy € – durch die Ausgabe von Genussscheinen an interessierte Anleger aus der Mandantschaft der WP/StB GmbH. Der Kläger zu 3. erbrachte seine Einlage in voller Höhe aus eigenen Mitteln. Der Kläger zu 4. finanzierte seine Einlage durch aus seinem Familienkreis zur Verfügung gestellten Kapital (Bl. 4 der Betriebsprüfungsakte des Beklagten). Die Einlagezahlung des Klägers zu 4. beruhte auf den nachfolgend dargestellten Einzelbeträgen:
10Beigeladener zu 3. |
x € |
Beigeladener zu 4. |
x € |
Beigeladener zu 5. |
xx € |
Beigeladener zu 6. |
x € |
Beigeladener zu 7. |
xxx € |
Beigeladene zu 8. |
xxx € |
Summe |
xxxxw € |
Buchhalterisch stellte die Klägerin zu 1. diese Einzelbeträge als eigene Verbindlichkeiten gegenüber den genannten Personen dar.
12Kurz darauf – am xx.03.2010 und aufgrund einer „Investitionsidee“ des Beigeladenen zu 2. (Bl. 10 der Betriebsprüfungsakte des Beklagten) – gingen auf dem Depot der Klägerin zu 1. bei der E-Bank aaaa Aktien (……) im Gegenwert von zzzzz € ein (Bl. 9 der Feststellungsakte des Beklagten; Bl. 9 der Vertragsakte des Beklagten). Ende Juni 2010 wurden diese Aktien im Gegenwert von zzzzzz € ausgebucht (Bl. 12 der Vertragsakte des Beklagten). Die Verrechnung der Depotbuchungen erfolgte über das o. g. Konto der Klägerin zu 1. Die E-Bank unterließ es, Kapitalertragsteuer einzubehalten und abzuführen. Der Gewinn aus der Veräußerung der Aktien i. H. v. z € floss der GbR ohne steuerliche Belastung zu (Bl. 6 der Betriebsprüfungsakte des Beklagten).
13Ende Juni 2010 zahlte die Klägerin zu 1. die im Zusammenhang mit der Einlage des Klägers zu 4. geleisteten Einzelbeträge an die jeweiligen Personen zurück und löste die hierfür buchhalterisch dargestellten Verbindlichkeiten auf. Anfang Juli 2010 überwies die Klägerin zu 1. Einzelbeträge i. H. v. a € bis b € an die genannten Personen (10 % des jeweiligen zur Verfügung gestellten Einzelbetrags nach Abzug von Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag – 26,375 % -). Buchhalterisch stellte die Klägerin zu 1. diese Zahlungen als Privatentnahmen des Klägers zu 4. dar.
14Im Juli 2010 überwies die Klägerin zu 1. einen Betrag i. H. v. bbb € an die Steuerberaterin L., die bei der WP/StB GmbH als Steuerberaterin angestellt ist.
15Im September 2010 überwies die Klägerin zu 1. einen Betrag i. H. v. bb € (cc € abzgl. kalkulatorische Kapitalertragsteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag) an den Beigeladenen zu 2. (Bl. 10 der Betriebsprüfungsakte des Beklagten).
16In einem Kundenstamm-Vertrag der Klägerin zu 1. mit der E-Bank aus dem Januar 2011 wurde zur Rechtsform vermerkt: „Vereinigung von juristischen Personen“ (Bl. 11 f. der Feststellungsakte des Beklagten).
17Im April 2014 teilte das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung J-Stadt dem Beklagten mit, dass im Rahmen eines steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen die Klägerin zu 1. festgestellt worden sei, dass die seit März 2010 tätige Klägerin zu 1. ihren Geschäftssitz im Zuständigkeitsbereich des Beklagten habe und bislang nicht steuerlich geführt werde. Für das laufende Ermittlungsverfahren sei es hilfreich, wenn die Gesellschafter der Klägerin zu 1. zur Abgabe von Steuererklärungen für die Jahre 2010 bis 2012 aufgefordert würden (Bl. 6 der Feststellungsakte des Beklagten). Nachfolgend forderte der Beklagte den Kläger 4. als geschäftsführenden Gesellschafter der Klägerin zu 1. zur Abgabe von Feststellungserklärungen für die Jahre 2010 f. auf (Bl. 3 der Feststellungsakte des Beklagten). Hierzu nahmen die Kläger zu 3. und 4. Stellung. Sie vertraten die Auffassung, dass keine Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung bestehe. Die Klägerin zu 1. habe ausschließlich private Kapitaleinkünfte i. S. d. § 20 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erzielt. Einer gesonderten Feststellung habe es nicht bedurft. Der einzig bedeutsame Vorgang im Streitjahr habe automatisch der Abgeltungssteuer unterlegen. Dass der Kapitalertragsteuer-Einbehalt fehlerhaft von den Banken versäumt worden sei, ändere hieran nichts (Bl. 14 f. der Feststellungsakte des Beklagten).
18Unter dem xx.07.2016 erstellte das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung J-Stadt einen Bericht über die Ermittlungen bei der Klägerin zu 1. Im Ergebnis regte es an, gegenüber der Klägerin zu 1. Einkünfte aus Kapitalvermögen i. H. v. z € für 2010 festzustellen und diese Erträge der Klägerin zu 2. zu 52 % und den Klägern zu 3. und 4 zu jeweils 24 % zuzurechnen. Die von der Klägerin zu 1. an die Beigeladene zu 1. und den Beigeladenen zu 2. gezahlten Beträge seien Aufwendungen, die der Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen dienten. Insoweit sei bei der Besteuerung der Kläger zu 3. und 4. ein Werbungskostenabzug ausgeschlossen (§ 20 Abs. 9 Satz 1 EStG; Bl. 12 der Betriebsprüfungsakte des Beklagten).
19Unter dem 23.08.2016 erließ der Beklagte den streitgegenständlichen Feststellungsbescheid. Er stellte Kapitalerträge i. S. d. § 32d Abs. 1 EStG, die nicht dem Steuerabzug unterlegen haben, i. H. v. z € (zzzzzz € ./. zzzzz €) fest. Diese verteilte er zu jeweils 24 % (k €) auf die Kläger zu 3. und 4. sowie zu 52 % (kk €) auf die Klägerin zu 2. In den Erläuterungen führte der Beklagte aus, dass die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 AO geschätzt worden seien, weil trotz Aufforderung keine Steuererklärungen abgegeben worden seien. Den Feststellungen lägen die Ermittlungen des Finanzamts für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung J-Stadt laut Bericht vom xx.07.2016 zugrunde (Bl. 34 f. der Feststellungsakte des Beklagten).
20Hiergegen legten die Kläger fristgerecht Einspruch ein. Zur Begründung verwiesen sie auf den bereits erfolgten Sach- und Rechtsvortrag im Ermittlungsverfahren (Bl. 44 der Feststellungsakte des Beklagten) und insbesondere auf die steuerrechtlichen Ausführungen aus dem Schriftsatz vom 21.11.2016 (Bl. 51 f. der Feststellungsakte des Beklagten). Im Fall eines pflicht- und rechtswidrigen Nichteinbehalts von Kapitalertragsteuer durch die hierfür verantwortliche Stelle sei von Gesetzes wegen die Delta-Korrektur (§ 43a Abs. 3 Satz 7 EStG) vorgesehen. Hilfsweise sei vorrangig die Depotbank bzw. die auszahlende Stelle in Anspruch zu nehmen (§ 44 Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 EStG). Alternativ hätte das Betriebsstätten-Finanzamt der auszahlenden Stelle – hier das Finanzamt B für die E-Bank – diese in Anspruch nehmen können (§ 43 Abs. 3 Satz 7, § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG). Die von dem Kläger zu 4. zur Finanzierung seiner Einlage im Familienkreis eingeworbenen Beträge seien aufgrund von Unterbeteiligungen erbracht worden. Selbst wenn man dies nicht anerkenne, lägen keine Darlehen, sondern Treuhandverhältnisse vor. Auch im Falle der Steuerberaterin L. läge eine Unterbeteiligung vor (Bl. 57 f. der Feststellungsakte des Beklagten).
21Im Januar 2017 nahm die Oberfinanzdirektion Nordrhein-Westfalen zu verschiedenen Fragen zur steuerlichen Behandlung der Feststellungen bei der Klägerin zu 1. Stellung (Bl. 71 f. der Feststellungsakte des Beklagten).
22Im März 2017 forderten die Kläger das für die E-Bank örtlich zuständige Finanzamt B auf, die kapitalertragsteuerabzugs- und -abführungsverpflichtete Stelle in Haftung zu nehmen. Hierzu teilte das Finanzamt B mit, dass eine Haftung nicht in Betracht komme, da die Steuerschuld bereits erloschen sei, da die Steuer im Wege der Einkommensteuerveranlagung bereits angesetzt und von den Steuerpflichtigen gezahlt worden sei (Bl. 142 der Gerichtsakte). Wegen der weiteren Einzelheiten des diesbezüglichen Verfahrensgangs wird einerseits auf die Schreiben der Kläger vom 11.07.2017 (Bl. 143 der Gerichtsakte) und 15.09.2017 (Bl. 145 der Gerichtsakte) sowie andererseits auf die Schreiben des Finanzamts B vom 14.07.2017 (Bl. 144 der Gerichtsakte) und 20.09.2017 (Bl. 148 der Gerichtsakte) verwiesen.
23Mit Einspruchsentscheidung vom 02.04.2019 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, dass der Erlass eines Feststellungsbescheids zulässig gewesen sei. Erziele eine vermögensverwaltende Personengesellschaft Kapitalerträge i. S. d. § 20 EStG, seien diese Einkünfte gesondert und einheitlich festzustellen (§ 179 Abs. 2 i. V. m. § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a) AO). Die gesonderte und einheitliche Feststellung habe unabhängig davon zu erfolgen, ob auf Ebene eines Gesellschafters eine Veranlagung durchzuführen sei.
24Die Klägerin zu 1. sei grundsätzlich zur Abgabe einer Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung verpflichtet gewesen. Steuerpflichtige Kapitalerträge, die aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht dem Kapitalertragsteuerabzug unterlegen hätten, habe der Steuerpflichtige in seiner Einkommensteuererklärung anzugeben (§ 32d Abs. 3 Satz 1 EStG; BMF-Schreiben vom 22.12.2009, BStBl. I 2010, 94, Rz. 144).
25Bei einer Verletzung der hinsichtlich der Kapitalertragsteuer bestehenden Pflichten (Einbehalt und Abführung) habe das für die Besteuerung des Steuerabzugsverpflichteten zuständige Finanzamt nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob es die Kapitalertragsteuer beim Steuerabzugsverpflichteten – im Wege der Haftung durch Haftungsbescheid oder durch Nachforderungsbescheid – oder beim Gläubiger der Kapitalerträge – durch Nachforderungsbescheid – nacherhebt. Im Streitfall – bei einer Verletzung der Einbehaltungspflicht – sei zu berücksichtigen, auf welche Weise die Besteuerung der Kapitalerträge sichergestellt werden könne. Für den Fall, dass der Gläubiger der Kapitalerträge ein Steuerinländer sei, der ohnehin zur Einkommen- oder Körperschaftsteuer veranlagt werde, sei zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens der Inanspruchnahme des Gläubigers der Kapitalerträge der Vorzug zu geben. Sei der in Rede stehende Veranlagungszeitraum seit längerer Zeit abgelaufen, sei es auch zulässig, formell auf einen Nachforderungsbescheid gegenüber dem Gläubiger der Kapitalerträge zu verzichten und die Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen unmittelbar im Verfahren über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und im Wege der Veranlagung zur Einkommen- und Körperschaftsteuer sicherzustellen.
26Eine Inanspruchnahme des Steuerabzugsverpflichteten – der E-Bank – komme nicht in Betracht.
27Hinsichtlich der von den Klägern vorgetragenen Unterbeteiligungen scheitere eine steuermindernde Berücksichtigung der Zahlungen an dem Werbungskostenabzugsverbot (§ 20 Abs. 9 EStG). Dies gelte sowohl für den Fall, dass Darlehensverhältnisse vorliegen würden, als auch für den Fall, dass von typisch stillen Unterbeteiligungen auszugehen sei.
28Schließlich sei für die Beigeladenen zu 1. und 2. nicht von einem (Unter)Beteiligungsverhältnis auszugehen.
29Hiergegen haben die Kläger am 02.05.2019 Klage erhoben. Zur Begründung tragen sie grundlegend vor, dass das vorliegende Verfahren obsolet sei, wenn die E-Bank ihre gesetzliche Pflicht zum Einbehalt und zur Abführung der Kapitalertragsteuer erfüllt hätte. Das rechtmäßige Verwaltungshandeln sei daher eine Inhaftungnahme der E-Bank.
30Die Finanzverwaltung vertrete die Auffassung, dass im Falle eines rechts- und pflichtwidrigen Nichteinhaltens und Nichtabführens der Kapitalertragsteuer durch die hierfür verantwortliche auszahlende Stelle von Gesetzes wegen die Delta-Korrektur (§ 43a Abs. 3 Satz 7 EStG) vorgesehen sei. Dies gelte auch für bereits erfolgte Veräußerungen. Für den Fall, dass die Bankverbindung im Zeitpunkt des Erkennens des Fehlers nicht bestehe, sei nach § 44 Abs. 1 Satz 8 und 9 EStG zu verfahren (BMF-Schreiben vom 08.07.2015, BStBl. I 2015, 543; 18.01.2016, BStBl. I 2016, 85 Tz. 241, 241d). Im Streitfall seien daher die Kapitalerträge nicht etwa vom Gläubiger zu deklarieren und zu veranlagen. Vielmehr habe die Depotbank – hier die E-Bank – ihrem Betriebsstättenfinanzamt anzuzeigen, dass der Kapitalertragsteuerabzug nicht erfolgt sei, damit ggf. ein Nachforderungsbescheid ergehen könne.
31Folge man dieser Auffassung der Finanzverwaltung nicht, komme nur die Inanspruchnahme der auszahlenden Stelle – hier der E-Bank – in Betracht (§ 44 Abs. 5 EStG). § 44 Abs. 5 EStG betreffe genau den Streitfall.
32Hinsichtlich der (Unter)Beteiligungsstruktur habe der Kläger zu 4. die Absicht gehabt, Familienangehörige in das Investment so einzubinden, dass die Rechtsstellung dieser Familienangehörigen der seinen entspreche. Hierzu habe er ein Konzept der Unterbeteiligung entwickelt. In diesem Zusammenhang erstellte er auch entsprechende Vertragsentwürfe. Bestandteil des Konzeptes sei auch die N Trading GbR gewesen, die aus den Klägern zu 3. und 4 sowie der Beigeladenen zu 1. bestanden habe. Für die außenstehenden Anleger sei schon hieran deutlich geworden, dass die Beigeladene zu 1. – damals als Geschäftsführerin der N Trading GbR – auf der gleichen Ebene wie die Kläger zu 3. und 4. in das Konstrukt eingebunden gewesen sei. Aus einer Prognose und der sich daraus ergebenden Gewinnverteilung gehe hervor, dass die Beigeladene zu 1. zu 20 % beteiligt sein sollte. Dies entsprach ihrer geplanten Beteiligung an der N Trading GbR.
33Es sei letztlich die Struktur mit zwei Gesellschaften bürgerlichen Rechts – eine davon sei die N Trading GbR – umgesetzt worden. Hintergrund sei die vorgesehene Gewinnverteilung gewesen. Die Gesellschafter hätten über die gesetzlich vorgesehene Gesamtgeschäftsführungsbefugnis der Gesellschafter einer GbR diskutiert. Deshalb habe das Konstrukt mit der Klägerin zu 1. und der N Trading GbR zur Diskussion gestanden. Hierbei sollte die Klägerin zu 1. als „Dachgesellschaft“ fungieren. Diese habe mit Blick auf das Investment (yyyyy €) zu diesem Zeitpunkt bereits Bestand gehabt.
34Die geplante Struktur unter Fassung schriftlicher Gesellschaftsverträge sei angesichts des damals bestehenden Zeitdrucks nicht (mehr) umgesetzt bzw. an die neuen Gegebenheiten angepasst worden. Geblieben sei die Klägerin zu 1. Unter allen vier Beteiligten sei eine gleichrangige (Unter)Beteiligung vereinbart worden.
35In steuerlicher Hinsicht sei das tatsächlich vollzogene Rechtsgeschäft maßgeblich und nicht die vom Beklagten zu Grunde gelegte Vertragslage. Das tatsächlich gewollte und vollzogene Konstrukt sei anhand der Zahlungsflüsse und der gegebenen Erläuterungen dokumentiert.
36Hinsichtlich der Unterbeteiligungen der Familienangehörigen des Klägers zu 4. sei anzumerken, dass die Erträge unmittelbar und ohne Abzüge weitergeleitet worden seien. Erkenne man diese Unterbeteiligungen nicht an, sei von Treuhandverhältnissen auszugehen. Im Übrigen sei für die Unterbeteiligungen kein gesondertes Feststellungsverfahren erforderlich. Es handle sich um einen Fall von geringer Bedeutung (§ 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AO; BMF vom 09.10.2012, BStBl. I 2012, 953 Rz. 290 und vom 18.01.2016, BStBl. I 2016, 85 Rz. 290; Rundverfügung der Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main vom 16.04.2018, juris, Rz. 290).
37Die Kläger beantragen,
38den Bescheid für 2010 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 23.08.2016 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.04.2019 aufzuheben,
39hilfsweise, den Bescheid für 2010 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 23.08.2016 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.04.2019 dahingehend zu ändern, dass die Zahlungen an die weiteren Beteiligten (Beigeladenen) berücksichtigt werden,
40hilfsweise, die Revision zuzulassen.
41Der Beklagte beantragt,
42die Klage abzuweisen.
43In seiner Klageerwiderung weist der Beklagte darauf hin, dass über eine Aufteilung von Einkünften aus Kapitalvermögen, die auf die am Anteil des Klägers zu 4. unterbeteiligten Personen nach der Klagebegründung vorzunehmen sei, in einem separaten Verfahren zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Einkünften der Unterbeteiligungsgesellschaft zu entscheiden wäre. Eine solche Feststellungserklärung liege nicht vor.
44Die von den Klägern angeführte Auffassung der Finanzverwaltung zu Fällen von geringer Bedeutung sei im Streitfall nicht anzuwenden. Diese betreffe nicht der Körperschaftsteuer unterliegende Zusammenschlüsse. Bei der Klägerin zu 1. handle es sich um eine Zebragesellschaft. Mindestens einer der Beteiligten erziele Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
45Über das Vermögen des Beigeladenen zu 2. ist mit Beschluss des Amtsgerichts E-Stadt vom xx.xx.2021 das Insolvenzverfahren eröffnet worden (Az. x IN x/21). Es wurde der im Rubrum aufgeführte Insolvenzverwalter bestellt. Die Beigeladenen zu 5. und 6. sind verstorben. Die Rechtsnachfolger sind im Rubrum aufgeführt.
46In der Sache hat am 26.10.2022 ein Erörterungstermin mit dem Berichterstatter stattgefunden. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll verwiesen (Bl. 249 der Gerichtsakte). Am 29.09.2023 hat eine mündliche Verhandlung vor dem Senat stattfinden. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll verwiesen.
47Entscheidungsgründe
48I. Die Klage hat hinsichtlich des Haupt- und Hilfsantrags keinen Erfolg.
Der Bescheid für 2010 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 23.08.2016 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.04.2019 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
51Der Beklagte hat den Feststellungsbescheid zu Recht erlassen (Hauptantrag; hierzu 1.). Die Beigeladenen zu 1. bis 8. sind keine Feststellungsbeteiligten (Hilfsantrag; hierzu 2.).
521. Die Voraussetzungen für eine gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen liegen vor (dazu a). Dem Erlass eines Feststellungsbescheides stehen die Regelungen zum Kapitalertragsteuerabzug nicht entgegen (dazu b).
a) Die Voraussetzungen für eine gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach §§ 179 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2, 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a) AO liegen vor.
55aa) Besteuerungsgrundlagen werden durch einen Feststellungsbescheid gesondert festgestellt, soweit dies in der AO oder sonst in den Steuergesetzen bestimmt ist (§ 179 Abs. 1 AO). Eine gesonderte Feststellung wird gegenüber mehreren Beteiligten einheitlich vorgenommen, wenn dies gesetzlich bestimmt ist oder der Gegenstand der Feststellung mehreren Personen zuzurechnen ist (§ 179 Abs. 2 Satz 2 AO).
56Gesondert festgestellt werden insbesondere die einkommensteuerpflichtigen und körperschaftsteuerpflichtigen Einkünfte und mit ihnen in Zusammenhang stehende andere Besteuerungsgrundlagen, wenn an den Einkünften mehrere Personen beteiligt sind und die Einkünfte diesen Personen steuerlich zuzurechnen sind (§ 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a) AO). Mehrere Personen sind an Einkünften beteiligt, wenn sie den Tatbestand der Einkunftserzielung in einer Gesellschaft oder Gemeinschaft erfüllen (Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 19.04.2005 VIII R 6/04, BFH/NV 2005, 1737).
57Das Verfahren der gesonderten und einheitlichen (Gewinn-)Feststellung (§ 179 Abs. 2 Satz 2, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a) AO) zielt – neben Aspekten der Verfahrensökonomie – vornehmlich darauf, einander materiell-rechtlich widersprechende Entscheidungen über die nämlichen Besteuerungsgrundlagen – sei es, dass einzelne Besteuerungsgrundlagen gegenüber mehreren Steuerpflichtigen, sei es, dass sie gegenüber den Steuerpflichtigen unterschiedlich festgestellt werden – zu vermeiden (BFH-Urteil vom 20.05.2010 IV R 74/07, BFHE 229, 71). Dementsprechend bezweckt dieses Verfahren, in verfahrensrechtlich gestufter und abschichtender Weise die notwendigen Entscheidungen verbindlich vorzugeben, um auf dieser Grundlage die Folgebescheide erlassen zu können (BFH-Beschluss vom 11.04.2005, GrS 2/02, BFHE 209, 399).
58Nach diesen Grundsätzen waren die streitbefangenen Einkünfte gesondert und einheitlich festzustellen, da an der Klägerin zu 1. mehrere Personen beteiligt waren und damit in einer Gesellschaft den Tatbestand der Einkunftserzielung erfüllt haben. Da dies zwischen den Beteiligten unstreitig ist, sieht der Senat insoweit von weiteren Ausführen ab.
59bb) Von dem Feststellungsverfahren war auch nicht nach § 180 Abs. 3 AO abzusehen.
60Nach dieser Vorschrift ist ein Feststellungsverfahren nicht durchzuführen, wenn nur eine der an den Einkünften beteiligten Personen mit ihren Einkünften im Geltungsbereich dieses Gesetzes einkommensteuerpflichtig oder körperschaftsteuerpflichtig ist oder es sich um einen Fall von geringer Bedeutung handelt, insbesondere weil die Höhe des festgestellten Betrags und die Aufteilung feststehen (§ 180 Abs. 3 Satz 1 AO). Nach der ständigen Rechtsprechung ist ein Fall von geringer Bedeutung über den gesetzlich genannten Beispielsfall hinaus auch dann anzunehmen, wenn es sich um einen leicht überschaubaren Sachverhalt handelt, die Ermittlung der Einkünfte hinsichtlich Höhe und Zurechnung verhältnismäßig einfach und die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen nahezu ausgeschlossen ist (BFH-Urteil vom 16.03.2004 IX R 58/02, BFH/NV 2004, 1211).
61Demnach liegt im Streitfall kein Fall von geringer Bedeutung vor. Es handelt sich weder um einen leicht überschaubaren Sachverhalt noch ist die Ermittlung der Einkünfte hinsichtlich Höhe und Zurechnung verhältnismäßig einfach.
62Entgegen der Auffassung der Kläger haben die vom Beklagten getroffenen gesonderten und einheitlichen Feststellungen eine steuerliche Bedeutung. Diese ergibt sich bereits daraus, dass zwischen den Beteiligten streitig ist, welche Personen am Vermögen der Klägerin zu 1. oder der Beteiligung des Klägers zu 4. (unter)beteiligt und in welcher Höhe diesen (unter)beteiligten Personen Einkünfte zuzurechnen sind. Demzufolge resultiert die steuerliche Bedeutung des vom Beklagten durchgeführten Feststellungsverfahrens und des erlassenen Feststellungsbescheids bereits aus der grundsätzlichen Frage, wer und – falls ja – in welcher Höhe am Vermögen der Klägerin zu 1. oder der Beteiligung des Klägers zu 4. (unter)beteiligt war.
63Im Übrigen weist der Senat daraufhin, dass an der Klägerin (GbR) mit der A GmbH eine Kapitalgesellschaft beteiligt war, so dass es insoweit zur Umwidmung der Einkünfte aus Kapitalvermögen in gewerbliche Einkünfte kommt und keine Abgeltungswirkung eintritt (§ 20 Abs. 8 EStG, § 43 Abs. 5 S. 2 EStG).
64b) Dem Erlass eines Feststellungsbescheides stehen die Regelungen zum Kapitalertragsteuerabzug nicht entgegen.
65aa) Weder die Abgabenordnung noch das Einkommensteuergesetz enthalten eine ausdrückliche Regelung (wie z.B. §§ 169, 181 Abs. 1 AO zum Ablauf der Festsetzungs- oder Feststellungsfrist), nach welcher eine Veranlagung oder eine Feststellung ausgeschlossen ist, wenn der Kapitalertragsteuerabzug fälschlicherweise nicht durchgeführt worden ist.
66bb) Auch § 43 Abs. 5 Satz 1 HS. 1 EStG lässt sich eine derartige Regelung nicht entnehmen, da es im Streitfall zu keinem abgeltenden Steuerabzug gekommen ist.
67Nach dieser Vorschrift ist die Einkommensteuer für Kapitalerträge, soweit sie der Kapitalertragsteuer unterlegen haben, mit dem Steuerabzug abgegolten. Danach setzt die Abgeltungswirkung voraus, dass Kapitalertragsteuer abgezogen worden ist (BFH-Urteil vom 29.09.2020 VIII R 17/17, BFHE 271, 340, BStBl II 2021, 468). Nach § 43 Abs. 5 Satz 1 HS. 2 EStG tritt die Abgeltungswirkung nicht ein, wenn der Gläubiger nach § 44 Abs. 1 Satz 10 und 11 und Abs. 5 EStG in Anspruch genommen werden kann. Sie scheidet ferner aus in Fällen des § 32d Absatz 2 und für Kapitalerträge, die zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb, aus selbständiger Arbeit oder aus Vermietung und Verpachtung gehören (§ 43 Abs. 5 Satz 2 EStG).
68Im Falle eines abgeltenden Steuerabzugs bedarf es keiner Feststellung gemäß § 179, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a) AO. Die Entscheidung darüber ist in dem Feststellungsverfahren zu treffen, in dem ansonsten diese Einkünfte festzustellen wären (BFH-Urteil vom 23.10.1991 I R 86/89, BFHE 166,74 zu § 50a EStG).
69Vorliegend scheitert die Abgeltungswirkung bereits daran, dass keine Kapitalertragsteuer einbehalten worden ist. Zudem ist die abgeltende Wirkung auch nach §§ 43 Abs. 5 Satz 1 HS. 2 EStG ausgeschlossen. Denn nach § 44 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 EStG könnte der Gläubiger in Anspruch genommen werden, da die Kapitalerträge auszahlende inländische Kreditinstitut die Kapitalerträge zu Unrecht ohne Abzug der Kapitalertragsteuer an die Klägerin zu 1. ausgezahlt hat. Schließlich ist der Ausschlussgrund nach § 43 Abs. 5 Satz 2 EStG gegeben, da die Kapitalerträge bei der Klägerin zu 2. zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehören (§ 8 Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes).
70cc) Auch den Vorschriften zur Haftung nach § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG kann nicht entnommen werden, dass ein Feststellungsverfahren nicht durchzuführen war.
71Nach dieser Vorschrift haften die Schuldner der Kapitalerträge, die den Verkaufsauftrag ausführenden Stellen oder die die Kapitalerträge auszahlenden Stellen für die Kapitalertragsteuer, die sie einzubehalten und abzuführen haben, es sei denn, sie weisen nach, dass sie die ihnen auferlegten Pflichten weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt haben.
72Diese Regelungen führen nach der Rechtsprechung des BFH nicht zu einem subjektiv-öffentlichen Recht des Gläubigers von Kapitalerträgen auf den Erlass eines Haftungsbescheids gegenüber dem Schuldner von Kapitalerträgen. Die Vorschriften zum Steuerabzug von Kapitalerträgen dienen nicht dem Schutz des Gläubigers jener Erträge. Sie enthalten vielmehr Regelungen für eine Quellenbesteuerung, die zur Beschleunigung der Steuererhebung beitragen, vor allem aber Kontroll- und Sicherungsfunktion im Hinblick auf die Erhebung der Einkommen- und Körperschaftsteuer des Kapitalertragsgläubigers haben. Durch sie soll verhindert werden, dass steuerpflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen dem steuerlichen Zugriff entzogen werden, indem der Gläubiger der Kapitalerträge die Einkünfte z. B. nicht oder unvollständig erklärt. Ihr Sinn und Zweck ist mithin die Gewährleistung einer materiell gesetzmäßigen Besteuerung und die Sicherung des Steueraufkommens, und zwar gerade im Hinblick auf mögliche Pflichtverletzungen der Gläubiger von Kapitalerträgen. Angesichts dieser Zielrichtung handelt es sich nicht um Normen, die den Kapitalertragsgläubiger begünstigen und ihm eine bestimmte Rechtsposition gegenüber dem Schuldner des Kapitalertrags sichern sollen. Das gesamte System des Kapitalertragsteuerabzugs dient vielmehr allein dem Interesse der Allgemeinheit. Soweit eine Anwendung dieser Vorschriften im Einzelfall die Rechtsposition des Kapitalertragsgläubigers verbessert, handelt es sich dabei um einen bloßen Reflex der gesetzlichen Regelung, der nicht vom Ziel des Gesetzes umfasst ist und nicht zu einem subjektiven Recht des Kapitalertragsgläubigers führen kann (BFH-Urteil vom 15.12.2004 I R 42/04, BFH/NV 2005, 1073 Rn. 10 f.).
73Im Übrigen sind die Vorschriften zur Haftung nicht vorrangig gegenüber dem Veranlagungsverfahren. Ein solcher Vorrang kann nur angenommen werden, wenn den Kapitalerträgen Abgeltungswirkung zukommt (vgl. hierzu Jachmann-Michel in Brandis/Heuermann, § 44 EStG Rz. 82, unter Verweis auf BFH-Urteil vom 21.09.2017 VIII R 59/14, BFHE 259, 411; in diese Richtung auch Geurts in Bordewin/Brandt, EStG, § 44 Rz. 84). Im hier zu entscheidenden Streitfall haben die Kapitalerträge jedoch keiner Abgeltungswirkung unterlegen (s. o.).
74dd) Auch die Regelungen zum sog. Delta-Korrekturverfahren nach § 43a Abs. 3 Satz 7 EStG stehen einer Feststellung nicht entgegen.
75Erfährt die auszahlende Stelle nach Ablauf des Kalenderjahres von der Veränderung einer Bemessungsgrundlage oder einer zu erhebenden Kapitalertragsteuer, hat sie gemäß § 43a Abs. 3 Satz 7 Halbsatz 1 EStG die entsprechende Korrektur erst zum Zeitpunkt ihrer Kenntnisnahme vorzunehmen. § 44 Abs. 5 EStG bleibt unberührt (§ 43a Abs. 3 Satz 7 Halbsatz 2 EStG).
76Das Kapitalertragsteuerabzugsverfahren ist darauf angelegt, beim privaten Kapitalanleger die Veranlagung von Kapitaleinkünften, soweit sie vom Kapitalertragsteuerabzug erfasst werden, weitestgehend entbehrlich zu machen. Diesem administrativen Entlastungseffekt dient das Korrekturverfahren gemäß § 43a Abs. 3 Satz 7 EStG und die korrespondierende Regelung in § 20 Abs. 3a EStG. Bei der Aufdeckung materieller Fehler bei der Kapitalertragsteuer-Ermittlung sind die auszahlenden Stellen dazu angehalten, eine Korrektur vorzunehmen, sodass die Kontinuität des „Veranlagungsverfahrens beim Kreditinstitut“ nicht unterbrochen wird (vgl. BT-Drucks 17/2249, S. 52 f., 58 f.).
77Entgegen der Auffassung der Kläger kann diesem Korrekturverfahren nicht entnommen werden, dass hinsichtlich einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft mit Einkünften aus Kapitalvermögen kein Feststellungsverfahren mehr durchgeführt werden kann, wenn materielle Fehler bei der Kapitalertragsteuer-Ermittlung durch eine auszahlende Stelle geschehen. Das Korrekturverfahren gemäß § 43a Abs. 3 Satz 7 EStG stellt eine Besonderheit des Kapitalertragsteuerabzugsverfahrens dar und hat keine Auswirkungen auf ein gegebenenfalls durchzuführendes Feststellungsverfahren.
78ee) Schließlich spricht auch der Sinn und Zweck des Kapitalertragsteuerabzugsverfahrens nicht gegen die Durchführung eines Feststellungsverfahrens.
79Das Kapitalertragsteuerabzugsverfahren hat eine der Steuererhebung – und damit einem Interesse der Allgemeinheit – dienende Funktion. Die vorgesehene Quellenbesteuerung soll die Steuererhebung beschleunigen und die Einkommen- und Körperschaftsteuererhebung zulasten des Kapitalertragsgläubigers kontrollieren und sichern. Das Kapitalertragsteuerabzugsverfahren soll verhindern, dass steuerpflichtige Kapitaleinkünfte dem steuerlichen Zugriff entzogen werden, indem der Kapitalertragsgläubiger die Einkünfte z. B. nicht oder unvollständig erklärt. Vor diesem Hintergrund beabsichtigt das gesamte System des Kapitalertragsteuerabzugs gerade nicht eine Begünstigung des Kapitalertragsgläubigers. Eine im Einzelfall gegebenenfalls eintretende Verbesserung der Rechtsposition des Kapitalertragsgläubigers ist als bloßer Reflex der gesetzlichen Regelungen anzusehen, nicht als Zielsetzung des Kapitalertragsteuerabzugsverfahrens (BFH-Urteil vom 15.12.2004 I R 42/04, BFH/NV 2005, 1073 Rn. 10 f.).
802. Die Beigeladenen zu 1. bis 8. sind keine Feststellungsbeteiligten (Hilfsantrag; hierzu 2.). Der Senat kann weder eine (Unter)Beteiligung der Beigeladenen zu 1. bis 8. noch Treuhandverhältnisse feststellen.
a) Nach dem Gesellschaftsvertrag der Klägerin zu 1. sind ihre Gesellschafter die Kläger zu 2. bis 4. Eine (bürgerlich-rechtliche) Beteiligung weiterer Personen lässt sich dem Gesellschaftsvertrag nicht entnehmen. Zu einer Unterbeteiligung der Beigeladenen zu 1. bis 8. an der Beteiligung des Klägers zu 4. liegt lediglich eine E-Mail vor, die für sich genommen keine verschriftlichte gegenseitige Vereinbarung zwischen dem Kläger zu 4. einerseits und den Beigeladenen zu 1. bis 8. andererseits darstellt.
83Die Kläger selbst tragen mit ihrer Klagebegründung vor, dass im Vorfeld der Gründung der Klägerin zu 1. diskutierte Beteiligungsstrukturen „angesichts des damals bestehenden Zeitdrucks nicht (mehr) umgesetzt bzw. an die neuen Gegebenheiten angepasst“ wurden.
84b) Entgegen der Auffassung der Kläger lässt sich eine (Unter)Beteiligung der Beigeladenen zu 1. bis 8. an der Klägerin zu 1. oder der Beteiligung des Klägers zu 4. auch nicht aus dem tatsächlich vollzogenen Rechtsgeschäft herleiten. Aufgrund der tatsächlichen Zahlungsflüsse und der tatsächlichen Abläufe kann der Senat nicht zweifelsfrei feststellen, dass weitere Personen an der Klägerin zu 1. beteiligt gewesen sind.
85aa) Hinsichtlich der Beigeladenen zu 1. und 2. liegen lediglich Überweisungen der Klägerin zu 1. an diese Personen vor. Aufgrund dieses Sachverhalts kann der Senat keine (Unter)Beteiligung oder ein Treuhandverhältnis hinsichtlich der Beigeladenen zu 1. und 2. feststellen. Auch der Umstand, dass hinsichtlich der Überweisung an den Beigeladenen zu 2. ein Abzug einer kalkulatorischen Kapitalertragsteuer berücksichtigt wurde, lässt diesen Rückschluss nicht zu.
86bb) Die tatsächlichen Zahlungsflüsse hinsichtlich der Beigeladenen zu 3. bis 8. (zunächst Bereitstellung von Kapital durch die Beigeladenen zu 3. bis 8. gegenüber dem Kläger zu 4.; sodann Zurückzahlung des bereitgestellten Kapitals durch die Klägerin zu 1. und nachfolgend Zahlung von 10 % des jeweiligen Einzelbetrags nach Abzug von Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag durch die Klägerin zu 1.) lässt keinen zweifelsfreien Rückschluss darauf zu, dass diese Personen an der Klägerin zu 1. oder der Beteiligung des Klägers zu 4. (unter)beteiligt waren. Auf dieser Grundlage kann es sich ebenso um Darlehen der Beigeladenen zu 3. bis 8. für eine Investition des Klägers zu 4. gehandelt haben, die gewinnabhängig verzinst wurden.
87Ebenso lassen die tatsächlichen Abläufe im Zusammenhang mit der Bereitstellung und Rückzahlung des Kapitals durch und an die Beigeladenen zu 3. bis 8. (zunächst buchhalterische Erfassung als Verbindlichkeiten der Klägerin zu 1. gegenüber den Beigeladenen zu 3. bis 8.; sodann Auflösung der Verbindlichkeiten und nachfolgende Erfassung von Privatentnahmen des Klägers zu 4.) nicht den zweifelsfreien Rückschluss darauf zu, dass die Beigeladenen zu 3. bis 8. an der Klägerin zu 1. oder der Beteiligung des Klägers zu 4. (unter)beteiligt waren. Auch auf dieser Grundlage kann es sich ebenso um – gewinnabhängig verzinste – Darlehen der Beigeladenen zu 3. bis 8. für eine Investition des Klägers zu 4. gehandelt haben.
88cc) Auch eine Gesamtbetrachtung der tatsächlichen Zahlungsflüsse und der tatsächlichen Abläufe im Zusammenhang mit der Bereitstellung und Rückzahlung des Kapitals lässt keinen zweifelsfreien Rückschluss auf eine (Unter)Beteiligung der Beigeladenen zu 3. bis 8. zu.
89c) Schließlich kann der Senat auch keine Treuhandverhältnisse zwischen dem Kläger zu 4. einerseits und den Beigeladenen zu 3. bis 8. andererseits feststellen. Wie bereits ausgeführt, kann es sich bei der Bereitstellung und Rückzahlung des Kapitals durch und an die Beigeladenen zu 3. bis 8. ebenso um – gewinnabhängig verzinste – Darlehen gehandelt haben.
90Soweit das Finanzamt für Steuerfahndung und Steuerstrafsachen J-Stadt in seinem Bericht vom 21.02.2017 davon ausgeht, dass zwischen dem Kläger zu 4. und den Eheleuten P. ein Treuhandverhältnis besteht, entfaltet dies für den Senat keine Bindungswirkung.
91II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO; § 139 Abs. 4 FGO. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 2 FGO) liegen nicht vor.