Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
2Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte zu Recht einen Änderungsantrag betreffend die Einkommensteuerfestsetzung für 2011 abgelehnt hat. Wesentlicher Streitpunkt ist die Frage, ob ein Feststellungsbescheid über die Steuerpflicht von Zinsen aus Lebensversicherungen Bindungswirkung für den Kläger hat, wenn dieser Bescheid nicht gegenüber dem Kläger, sondern gegenüber einer GbR erlassen wurde, an deren Vermögen der Kläger im Streitjahr beteiligt war.
3Die Kläger sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Kläger war bis zum Streitjahr am Vermögen der im Jahr 1995 gegründeten Immobilienfonds GbR (GbR) beteiligt (zuletzt zu 16.129/1.000.000; rd. 1,61 %).
4Diese errichtete in A-Stadt sechs Gebäude mit insgesamt 113 Wohneinheiten, aus denen sie in der Folgezeit Vermietungseinkünfte erzielte. Zur Finanzierung der Anschaffungs- und Herstellungskosten schloss die GbR im Dezember 1995 zwei Darlehensverträge bei der A-Bank und bei der B-Bank ab. Die miteinander kooperierenden Kreditinstitute zahlten die Darlehen jeweils unter Einbehalt eines 10%igen Damnums aus (A-Bank: Darlehensbetrag: 14,5 Mio. DM, Disagio: 1,45 Mio. DM, Auszahlungsbetrag: 13,05 Mio. DM; B-Bank: Darlehensbetrag: 14 Mio. DM, Disagio: 1,4 Mio. DM; Auszahlungsbetrag: 12,6 Mio. DM).
5Ebenfalls im Dezember 1995 schloss die GbR als Versicherungsnehmerin vier Kapitallebensversicherungen bei der X-Lebensversicherung AG ab. Die Auszahlungen im Erlebensfall sollten 15.364.386 DM betragen. Versicherungsbeginn war der 01.12.1995. Die Laufzeit betrug jeweils 16 Jahre. Die GbR trat die Ansprüche aus den Kapitallebensversicherungen i. H. v. 14,5 Mio. DM, d. h. in Höhe des Nennbetrags der Darlehen inkl. Disagio, an die A-Bank zur Sicherheit ab. Ferner trat die GbR die Lebensversicherungsansprüche in Höhe des Nettokreditbetrags von 12,6 Mio. DM zweitrangig an die B-Bank zur Sicherung deren Darlehensrückzahlungsanspruchs ab.
6Nach entsprechender Anzeige der A-Bank stellte der Beklagte gemäß § 9 der Verordnung über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) vom 19. Dezember 1986 (BStBl I 1987, 2) i. d. F. der Zweiten Verordnung zur Änderung der Verordnung über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 AO vom 16. Dezember 1994 (BStBl I 1995, 3) mit Bescheid vom 23.11.1998 gegenüber der GbR die Steuerpflicht der Zinsen aus den oben genannten Kapitallebensversicherungen gesondert fest. Durch die Abtretung der Versicherungsansprüche seien nicht nur die mit dem Darlehen der A-Bank finanzierten Anschaffungs- und Herstellungskosten, sondern auch das Disagio besichert worden. Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb erfolglos. Eine Klage wurde nicht erhoben.
7Im Jahr 2005 vereinbarten die GbR und die A-Bank klarstellend, dass die Abtretung der Ansprüche aus den Lebensversicherungen auf den noch verbliebenen Netto-kreditbetrag i. H. v. insgesamt 1.668.089 € begrenzt werde. Unter Hinweis darauf beantragte die GbR beim Beklagten, den gesonderten Feststellungsbescheid vom 23.11.1998 gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO aufzuheben. Dies lehnte das Finanzamt ab und wies auch den hiergegen eingelegten Einspruch als unbegründet zurück.
8Mit der gegen die Feststellungsbescheide (wegen Nichtigkeit) und den Ablehnungsbescheid in der Gestalt der Einspruchsentscheidung erhobenen Klage machten die Gesellschafter der GbR – als Kläger – u. a. geltend, dass die Feststellungsbescheide nicht wirksam bekannt gegeben worden seien. Es liege lediglich eine gesonderte, allerdings nicht – wie erforderlich – auch eine einheitliche Feststellung der Steuerpflicht der Zinsen vor. Die Bescheide seien an die GbR gerichtet, an der allerdings mehrere Personen beteiligt gewesen seien (Bl. 11 des Sonderbands Immobilienfonds GbR [Auszüge Rechtsbehelfe] des Beklagten).
9Das Finanzgericht (FG) Münster wies die Klage mit Urteil vom 27.08.2010, 4 K 3982/07 F, n. v. ab. Hiernach hat der Beklagte kein unzutreffendes Verwaltungsverfahren für die Feststellung der Steuerpflicht der Zinsen angewandt. Die Steuerpflicht der Zinsen war lediglich gesondert und nicht auch einheitlich festzustellen. Nicht die Gesellschafter der GbR, sondern ausschließlich die GbR selbst als Versicherungsnehmerin war vom Regelungsgehalt der Feststellungsbescheide betroffen. Die Feststellungsbescheide waren lediglich „Vorschaltbescheide“ für die bei Fälligkeit bestehende Steuerpflicht der Zinsen aus den Kapitallebensversicherungen. Es handelt sich um Grundlagenbescheide für die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte der GbR. Erst durch diesen Bescheid werden die Gesellschafter der GbR betroffen (Bl. 13 des Sonderbands Immobilienfonds GbR [Auszüge Rechtsbehelfe] des Beklagten).
10Die hiergegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wies der BFH als unbegründet zurück (BFH-Beschluss vom 26.05.2011 VIII B 144/10, BFH/NV 2011, 1509). Hiernach hat der Beklagte zu Recht die Bescheide, in denen die Steuerpflicht der Zinsen aus den Kapitallebensversicherungen gesondert festgestellt worden ist, an die GbR und nicht (zugleich oder ausschließlich) an die Gesellschafter der GbR gerichtet. Eine einheitliche Feststellung war nicht durchzuführen. Der Gegenstand der Feststellung (die Steuerpflicht der Zinsen aus Kapitallebensversicherungen) ist nicht mehreren Personen zuzurechnen, sondern allein dem Versicherungsnehmer. Richtiger Adressat der Feststellung ist der Versicherungsnehmer als Steuerschuldner. Im Streitfall hat die GbR die Versicherungsverträge im eigenen Namen abgeschlossen. Nur sie ist Versicherungsnehmerin und zum Bezug der Leistungen berechtigt. Die GbR ist auch Steuerschuldnerin. Sie schuldet die auf die Zinsen entfallende Kapitalertragsteuer. Dass die Kapitalerträge letztlich den Gesellschaftern der GbR zuzurechnen sind, ändert nichts. Über die Zurechnung der Einkünfte wird erst im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung des Gewinns der GbR bei Fälligkeit der Zinsen entschieden. Eine frühere persönliche Zurechnung der Steuerpflicht hat keinen Vorteil, da nicht ausgeschlossen ist, dass Gesellschafter in der Zwischenzeit aus der Gesellschaft ausscheiden oder neue Gesellschafter eintreten.
11Mit notariellem Kauf- und Abtretungsvertrag vom 09.11.2011 übertrugen sämtliche am Vermögen der GbR Beteiligte ihre Anteile auf eine zuvor gegründete gewerblich geprägte GmbH & Co. KG (KG). Der Gesellschafterbestand und die Beteiligungsquoten der KG entsprachen denen der GbR. Als Gegenleistung wurde den Klägern ein Betrag i. H. v. 6.615.112,48 € (dies entsprach dem Saldo aus den Verkehrswerten der Aktiva abzgl. der anzurechnenden und auf die KG übergehenden Passiva der GbR) gewährt, der verhältniswahrend anhand der Beteiligungsquoten auf die Gesellschafter aufgeteilt wurde. Die Gesellschafter erhielten den ihnen zustehenden Betrag jeweils auf ihrem persönlichen Festkapitalkonto bei der KG gutgeschrieben.
12Übertragungsstichtag war der 31.10.2011, 24:00 Uhr. Zum Gesamthandsvermögen der GbR, das im Wege der Anwachsung auf die KG überging, gehörten auch die Ansprüche aus den vier Lebensversicherungen. Zum Ablauftermin am 01.12.2011 wurden die Versicherungssummen an die KG als Gesamtrechtsnachfolgerin der GbR unter Einbehalt von Kapitalertragsteuer für die rechnungs- und außerrechnungsmäßigen Zinsen ausgezahlt.
13Im Oktober 2013 erließ der Beklagte einen Bescheid für 2011 über Einkommensteuer gegenüber den Klägern. Dieser erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Für die Berechnung des zu versteuernden Einkommens berücksichtigte der Beklagte wegen der klägerischen Beteiligung an der GbR Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i. H. v. -4.910,01 € und Einkünfte aus Kapitalvermögen i. H. v. 4.546,87 € (Kapitalerträge i. S. d. § 32d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG), die nicht dem Steuerabzug unterlegen haben; Bl. 73, 54 der Einkommensteuerakte des Beklagten für 2011).
14Im Januar 2014 erließ der Beklagte einen geänderten Feststellungsbescheid für die GbR. Neben den bereits zuvor festgestellten Kapitalerträgen i. H. v. 281.906,63 € stellte er Kapitalerträge i. S. d. § 32d Abs. 1 EStG, die nicht dem Steuerabzug unterlegen haben, i. H. v. 5.408.205,91 € fest (Erhöhung um 5.126.299,28 €) und verteilte diese nach den Beteiligungsquoten auf die Gesellschafter. Hiergegen legten die ehemaligen Gesellschafter der GbR Einsprüche ein.
15Im März 2014 wies der Beklagte die gegen den geänderten Feststellungsbescheid eingelegten Einsprüche als unbegründet zurück. Außerdem erließ er einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 2011 gegenüber den Klägern. Mit diesem Bescheid erfasste der Beklagte die für die GbR festgestellten Beteiligungseinkünfte wie folgt:
16Immobilienfonds GbR (Feststellungsbescheid v. 15.01.2014) |
||
neu |
bisher |
|
Einkünfte aus Kapitalvermögen |
||
ohne inländischen Steuerabzug |
87.228,95 € |
4.546,87 € |
(Bl. 79 f. der Einkommensteuerakte des Beklagten für 2011)
18Unter dem 05.05.2014 änderte der Beklagte den Einkommensteuerbescheid für 2011 – aus hier nicht streitbefangenen Gründen – erneut (Bl. 85 f. der Einkommensteuerakte des Beklagten für 2011).
19Im November 2015 wies das FG Münster die gegen den geänderten Feststellungsbescheid in der Gestalt der Einspruchsentscheidung erhobene Klage mit Urteil vom 06.11.2015, 4 K 1109/14 F, EFG 2016, 30 ab. Die Revision wurde zugelassen. Außerdem hob der Beklagte den bis dahin bestehen gebliebenen Vorbehalt der Nachprüfung hinsichtlich der Einkommensteuerfestsetzung für 2011 auf (Bl. 88 der Einkommensteuerakte des Beklagten für 2011).
20Auf die Revision wurde das Urteil des FG Münster vom 06.11.2015, 4 K 1109/14 F, EFG 2016, 30 durch BFH-Urteil vom 20.11.2018 VIII R 39/15, BFHE 263, 112 aufgehoben. Der BFH änderte die Feststellungsbescheide für die GbR und minderte die darin festgestellten Kapitaleinkünfte gemäß § 32d Abs. 1 EStG ohne Kapitalertragsteuerabzug um 5.126.299,28 €. In den Entscheidungsgründen führte der BFH aus, dass die Voraussetzungen für eine gesonderte und einheitliche Feststellung von Kapitaleinkünften nicht vorliegen. Kapitaleinkünfte gemäß § 20 Abs. 2 EStG, die nach Anschaffung einer Kapitalanlage durch eine vermögensverwaltende GbR aufgrund einer Anteilsveräußerung durch einen Gesellschafter gemäß § 20 Abs. 2 Satz 3 EStG entstehen, werden nicht gemäß §§ 179 Abs. 1, 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO gemeinschaftlich erzielt. Außerdem sind Kapitaleinkünfte, die aufgrund einer Anteilsveräußerung gemäß § 20 Abs. 2 Satz 3 EStG entstehen und keinem abgeltenden Kapitalertragsteuerabzug gemäß § 43 Abs. 5 Satz 1 EStG unterliegen, gemäß § 32d Abs. 3 Satz 1 EStG vom Gesellschafter zu erklären; über das Vorliegen und die Höhe dieser Einkünfte ist abschließend im Rahmen der Veranlagung zu entscheiden.
21Hierauf teilte der Beklagte den Klägern im Mai 2019 mit, dass die im Zusammenhang mit der Immobilienfonds GbR erzielten Kapitaleinkünfte nicht gemeinschaftlich erzielt worden und demzufolge nicht gesondert und einheitlich festzustellen seien. Vielmehr seien diese Einkünfte vom Gesellschafter selbst zu erklären. Vor diesem Hintergrund gehe er davon aus, dass die Einkünfte betragsmäßig identisch seien, sodass eine Änderung des Einkommensteuerbescheids für 2011 gänzlich unterbleibe (Bl. 104 der Einkommensteuerakte des Beklagten für 2011).
22Die Kläger beantragten den Erlass eines geänderten Einkommensteuerbescheids für 2011. Die aufgrund des Feststellungsbescheids für die Immobilienfonds GbR und für Zwecke des Einkommensteuerbescheids für 2011 berücksichtigten Einkünfte aus Kapitalvermögen seien zu eliminieren. Steuerpflichtige Kapitalerträge i. S. d. § 20 Abs. 2 Nr. 6 EStG seien nicht gegeben. Im Übrigen habe der Beklagte als Wohnsitz-Finanzamt in eigener Zuständigkeit über die Steuerpflicht dem Grunde und der Höhe nach zu entscheiden und könne sich nicht auf das BFH-Urteil vom 20.11.2018 VIII R 39/15, BFHE 263, 112 berufen. Der BFH habe sich in der Entscheidung ausschließlich auf verfahrensmäßige Zuständigkeitsfragen beschränkt (Bl. 105 f. der Einkommensteuerakte des Beklagten für 2011).
23Am 10.07.2019 lehnte der Beklagte den Änderungsantrag der Kläger ab. Zwar seien bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens wegen der klägerischen Beteiligung an der GbR lediglich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i. H. v. ‑4.910,01 € und Einkünfte aus Kapitalvermögen i. H. v. 4.546,87 € (Kapitalerträge i. S. d. § 32d Abs. 1 EStG, die nicht dem Steuerabzug unterlegen haben) zu berücksichtigen. Dies entspräche einer Reduzierung bei den Einkünften aus Kapitalvermögen um 82.682,08 €. Allerdings seien im Rahmen der klägerischen Einkommensteuerveranlagung zusätzlich die Kapitaleinkünfte aus der Veräußerung der Lebensversicherungen zu berücksichtigen. Zur Begründung verwies der Beklagte auf § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 Satz 1, Abs. 4 EStG i. V. m. § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG und hinsichtlich der steuerschädlichen Verwendung der Lebensversicherungen auf die Ausführungen des FG Münster, Urteil vom 06.11.2015 4 K 1109/14 F, EFG 2016, 30. Dies entspräche einer Erhöhung bei den Einkünften aus Kapitalvermögen um 82.682,08 €. Im Ergebnis resultierten hieraus keine geänderten Besteuerungsgrundlagen, sodass der Einkommensteuerbescheid für 2011 vom 05.05.2014 nicht geändert werde (Bl. 111, 103 der Einkommensteuerakte des Beklagten für 2011).
24Hiergegen legten die Kläger Einspruch ein (Bl. 113 der Einkommensteuerakte des Beklagten für 2011). Zur Begründung führten sie an, dass eine wirksame und die Kläger bindende gesonderte Feststellung der Steuerpflicht der außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen nicht existiere. Diese sei aber unabdingbare gesetzlicheVoraussetzung für eine Ausdehnung der Steuerpflicht auf Veräußerungen von Altverträgen und damit für die Einkommensteuerfestsetzung. Bedürfe es aber einer den Einkommensteuerschuldner bindenden gesonderten Feststellung sei für eine eigenständige Ermittlung jener Einkünfte im Rahmen der Festsetzung kein Raum. Vor diesem Hintergrund sei die „kraft Gesetzes entstandene“ Steuer diejenige, die sich unter Außerachtlassung des anteiligen Veräußerungsgewinns ergebe. Dieses Ergebnis folge unmittelbar aus den einschlägigen gesetzlichen Regelungen (§ 52a Abs. 10 Satz 2 Halbsatz 2 EStG i. v. m. § 20 Abs. 6 EStG) und könne daher nicht als Fehler i. S. d. § 177 Abs. 2 AO angesehen werden, um auf diesem Weg die Basis für eine „Fehlerkorrektur“ zu generieren. Unabhängig hiervon läge auch steuer-materiell keine Steuerpflicht für die Zinsen aus Lebensversicherungen vor. Das mit der Lebensversicherung besicherte Darlehen diene in vollem Umfang (unter Einschluss eines banküblichen Disagios) der Finanzierung begünstigter Anschaffungs- oder Herstellungskosten (Bl. 125 der Einkommensteuerakte des Beklagten für 2011).
25Mit Einspruchsentscheidung vom 17.03.2020 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Wenn einzelne Besteuerungsgrundlagen nachträglich aus dem Feststellungsverfahren ausgeschieden würden, eröffne dies der für den Erlass des Folgebescheids zuständigen Finanzbehörde die Möglichkeit, den Sachverhalt, der bisher Gegenstand des Feststellungsverfahrens war, selbständig zu beurteilen und den Folgebescheid insoweit nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO zu ändern (unter 1.). Dass der Kläger seine Beteiligung am Vermögen der GbR in die KG eingebracht habe, gelte als Veräußerung der auf den Kläger anteilig entfallenden Versicherungsansprüche der GbR an die KG (§ 20 Abs. 2 Satz 3 EStG). Da es sich bei den 1995 abgeschlossenen Kapitallebensversicherungen um vor dem 01.01.2005 abgeschlossene Alt-Verträge handle, sei die Veräußerung von Ansprüchen aus diesen Alt-Verträgen steuerpflichtig, sofern bei einem Rückkauf zum Veräußerungszeitpunkt die Erträge nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG in der am 31.12.2004 geltenden Fassung steuerpflichtig wären (§ 52a Abs. 10 Satz 5 Halbsatz 2 EStG). Im Fall der Steuerpflicht der rechnungs- und außerrechnungsmäßigen Zinsen unterliege der gesamte Veräußerungsgewinn der Besteuerung (BFH-Urteil vom 14.03.2017 VIII R 38/15). Der Feststellungsbescheid aus dem November 1998 betreffend die Steuerpflicht der Zinsen aus den Kapitallebensversicherungen entfalte Bindungswirkung. Richtiger Adressat sei der Versicherungsnehmer, also hier die GbR. Dieser Bescheid bezüglich der Steuerpflicht der Zinsen beziehe sich auch auf die zwischenzeitlich eingeführte Steuerpflicht von Veräußerungsvorgängen (unter 2.).
26Hiergegen haben die Kläger Klage erhoben. Zur Begründung tragen sie vor, dass keine Steuerpflicht gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 Satz 1, Abs. 4 i. V. m. § 52a Abs. 10 Satz 5 Halbsatz 2 EStG bestehe. Die Feststellungsbescheide aus November 1998, mit denen der Beklagte gegenüber der GbR die Steuerpflicht der Zinsen aus den Kapitallebensversicherungen gesondert festgestellt habe, würden keine Bindungswirkung gegenüber dem Kläger entfalten. Allein die GbR sei Inhaltsadressatin der Feststellungsbescheide. Da der Kläger am Feststellungsverfahren nicht beteiligt gewesen sei, sei er auch nicht rechtsbehelfsbefugt gewesen und hätte die gesonderte Feststellung der Steuerpflicht der Zinsen aus den Kapitallebensversicherungen nicht anfechten können. Außerdem sei ein bankübliches Disagio steuerunschädlich und diene auch der Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsgutes.
27Die Kläger beantragen,
28den Ablehnungsbescheid vom 10.07.2019 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17.03.2020 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den Bescheid über Einkommensteuer für 2011 vom 05.05.2014 dahingehend zu ändern, dass bei der Berechnung der Einkünfte, die nach § 32d Abs. 1 EStG besteuert werden (Abgeltungsteuer), die Kapitalerträge um 82.682,08 € reduziert werden,
29hilfsweise, die Revision zuzulassen.
30Der Beklagte beantragt,
31die Klage abzuweisen
32hilfsweise, die Revision zuzulassen.
33In der Klageerwiderung trägt der Beklagte vor, dass der Feststellungsbescheid vom 23.11.1998 auch persönliche Bindungswirkung für den Kläger entfalte und verweist in diesem Zusammenhang auf FG Münster, Urteil vom 06.11.2015 4 K 1109/14 F, EFG 2016, 30.
34Am 24.11.2023 hat eine mündliche Verhandlung vor dem Senat stattgefunden.
35Entscheidungsgründe
36I. Die Klage hat keinen Erfolg.
Der Ablehnungsbescheid vom 10.07.2019 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17.03.2020 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Es besteht keine Verpflichtung des Beklagten, den Bescheid über Einkommensteuer für 2011 vom 05.05.2014 dahingehend zu ändern, dass bei der Berechnung der Einkünfte, die nach § 32d Abs. 1 EStG besteuert werden (Abgeltungsteuer), die Kapitalerträge um 82.682,08 € reduziert werden (§ 101 FGO).
39Ein Anspruch auf die begehrte Änderung ergibt sich nicht aus § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO. Zwar hat der BFH die gesondert und einheitlich festgestellten Einkünfte entsprechend gemindert. Aufgrund dieser Änderung war der Beklagte allerdings berechtigt, den Sachverhalt, der bisher Gegenstand des Feststellungsverfahrens war, in eigener Zuständigkeit zu ermitteln und steuerrechtlich zu beurteilen. Da sich insofern an den Besteuerungsgrundlagen nichts geändert hat, war der Beklagte nicht zum Erlass eines geänderten Einkommensteuerbescheides verpflichtet (dazu 1.).
40Der Beklagte hat zu Recht bei der Berechnung der Einkünfte, die nach § 32d Abs. 1 EStG besteuert werden, Kapitalerträge i. H. v. 87.390 € berücksichtigt. Diese resultieren i. H. v. 82.682,08 € aus der Veräußerung der klägerischen Beteiligung an der GbR und betreffen die Veräußerung der Ansprüche aus den Lebensversicherungen (§ 20 Abs. 2 Satz 3 EStG i. V. m. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 EStG, dazu 2. bis 4.). Im Übrigen sind die berücksichtigten Kapitalerträge unstreitig (87.390 € ./. 82.682,08 € = 4.707,92 €).
411. Der Beklagte war nicht zu der begehrten Änderung der Einkommensteuerfestsetzung verpflichtet. Insbesondere ergibt sich ein Änderungsanspruch nicht aus § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO.
a) Nach dieser Vorschrift ist ein Steuerbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit ein Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10), dem Bindungswirkung für diesen Steuerbescheid zukommt, erlassen, aufgehoben oder geändert wird.
44Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist diese Vorschrift weit auszulegen, wenn ein Grundlagenbescheid ersatzlos aufgehoben wird, weil die gesetzlichen Voraussetzungen für ein Feststellungsverfahren nicht erfüllt sind. Danach erlaubt es die Aufhebung des Feststellungsbescheides oder der Erlass eines negativen Feststellungsbescheides dem für den Erlass des Folgebescheides zuständigen Finanzamt, den Sachverhalt, der bisher Gegenstand des Feststellungsverfahrens war, in eigener Zuständigkeit zu ermitteln und steuerrechtlich zu beurteilen (BFH-Beschluss vom 30.10.2000 V B 89/00, BFH/NV 2001, 733). Entsprechendes gilt, wenn einzelne Besteuerungsgrundlagen nachträglich aus dem Feststellungsverfahren ausgeschieden werden (BFH-Urteil vom 14.07.1993 X R 34/90, BFHE 172, 290, BStBl II 1994, 77; von Wedelstädt in Gosch, § 175 AO Rn. 32.0).
45Demzufolge erfasst § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO auch die Fälle, in denen ein bestimmter Sachverhalt, der zunächst in einem Feststellungsbescheid (Grundlagenbescheid) geregelt war und nunmehr – durch dessen Aufhebung oder Änderung aus der bis dahin bestehenden Bindungswirkung entlassen wird und – in einem Steuerbescheid (Folgebescheid) zu regeln ist (BFH-Urteile vom 11.04.1990 I R 82/86, BFH/NV 1991, 143; 25.06.1991 IX R 57/88, BFHE 164, 502; 14.07.1993 X R 34/90, BFHE 172, 290 und BFH-Beschluss vom 08.09.1998 IX B 71/98, BFH/NV 1999, 157). Mit anderen Worten: Wenn einzelne Besteuerungsgrundlagen nachträglich aus dem Feststellungsverfahren ausgeschieden werden, eröffnet dies der für den Erlass des Folgebescheids zuständigen Finanzbehörde die Möglichkeit, den Sachverhalt, der bisher Gegenstand des Feststellungsverfahrens war, selbständig zu beurteilen und den Folgebescheid insoweit nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO zu ändern (Anwendungserlass zur Abgabenordnung zu § 175 Nr. 1.3).
46b) Nach diesen Grundsätzen war der Beklagte nicht zur Änderung der Einkommensteuerfestsetzung verpflichtet.
47Die Änderung der gesonderten und einheitlichen Feststellung durch den BFH wirkt in zwei Richtungen. Sie hat zur Folge, dass die vom BFH geminderten Kapitaleinkünfte nicht mehr auf der Grundlage dieser Feststellung mit Bindungswirkung für die Einkommensteuerfestsetzung berücksichtigt werden dürfen. Zugleich ergibt sich aus der Änderung der Feststellungsbescheide aber, dass der Beklagte nunmehr auf der Ebene des Einkommensteuerbescheids der Kläger zu entscheiden hat, ob und – falls ja – in welcher Höhe Kapitaleinkünfte gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 i. V. m. § 20 Abs. 2 Satz 3 EStG vorliegen. Denn der BFH hat die Minderung der festgestellten Kapitaleinkünfte damit begründet, dass Kapitaleinkünfte gemäß § 20 Abs. 2 EStG, die nach Anschaffung einer Kapitalanlage durch eine vermögensverwaltende GbR aufgrund einer Anteilsveräußerung durch einen Gesellschafter gemäß § 20 Abs. 2 Satz 3 EStG entstehen, nicht gemäß §§ 179 Abs. 1, 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO gemeinschaftlich erzielt werden und damit die Voraussetzungen für eine gesonderte und einheitliche Feststellung nicht vorliegen. Damit hat er die streitbefangenen Einkünfte nachträglich aus dem Feststellungsverfahren ausgeschieden.
48Da der Beklagte zu Recht davon ausgegangen ist, dass die im Einkommensteuerbescheid angesetzten Kapitaleinkünfte im Ergebnis zutreffend sind (vgl. dazu nachfolgend 2. bis 4.), war er nicht zu einer Änderung der Steuerfestsetzung verpflichtet (vgl. dazu auch BFH-Urteil vom 12.01.1995 IV R 83/92, BFHE 177, 4, BStBl II 1995, 488).
49Entgegen der Auffassung der Kläger müssen nicht die Tatbestandsvoraussetzungen einer – neben § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO – weiteren Änderungsnorm vorliegen, um für die Einkommensteuerfestsetzung der Kläger auch die zulasten der Kläger bestehenden Umstände zu berücksichtigen. Der hier zu entscheidende Rechtsstreit betrifft allein eine Berichtigung der Einkommensteuerveranlagung nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO aus dem sachlichen Anlass, dass die hier streitgegenständlichen Kapitaleinkünfte aus dem Feststellungsverfahren ausgeschieden wurden (negative Feststellung über die dortige Nichterfassung, vgl. BFH-Urteil vom 14.07.1993 X R 34/90, BFHE 172, 290, BStBl II 1994, 77).
502. Der Beklagte hat zu Recht bei der Berechnung der Einkünfte, die nach § 32d Abs. 1 EStG besteuert werden, Kapitalerträge i. H. v. 87.390 € berücksichtigt.
Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehört auch der Gewinn aus der Veräußerung von Ansprüchen auf eine Versicherungsleistung i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 EStG in der im Streitjahr – 2011 – geltenden Fassung). Die Anschaffung oder Veräußerung einer unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligung an einer Personengesellschaft gilt als Anschaffung oder Veräußerung der anteiligen Wirtschaftsgüter (§ 20 Abs. 2 Satz 3 EStG in der im Streitjahr – 2011 – geltenden Fassung).
53Sämtliche am Vermögen der GbR Beteiligten – und somit auch der Kläger – haben mit notariellem Kauf- und Abtretungsvertrag vom 09.11.2011 ihre Anteile an der GbR, in denen Ansprüche auf Versicherungsleistungen enthalten waren, veräußert.
54a) Da es sich bei den 1995 abgeschlossenen Lebensversicherungen um vor dem 01.01.2005 abgeschlossene Alt-Verträge handelt, ist die Veräußerung eines Anspruchs aus einem solchen Alt-Vertrag nach § 52a Abs. 10 Satz 5, 2. Halbsatz EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung steuerpflichtig, sofern bei einem Rückkauf zum Veräußerungszeitpunkt die Erträge nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG in der am 31.12.2004 geltenden Fassung steuerpflichtig wären. Im Fall der Steuerpflicht der rechnungs- und außerrechnungsmäßigen Zinsen bei einem hypothetischen Rückkauf unterliegt der gesamte Veräußerungsgewinn i. S. d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 i. V. m. § 20 Abs. 4 EStG der Besteuerung (BFH-Urteil vom 20.11.2018 VIII R 39/15 BFHE 263, 112 m. w. N.).
55Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG in der am 31.12.2004 geltenden Fassung gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch außerrechnungsmäßige und rechnungsmäßige Zinsen aus den Sparanteilen, die in den Beiträgen zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall enthalten sind. Dies gilt nicht für Zinsen aus Versicherungen im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b, die mit Beiträgen verrechnet oder im Versicherungsfall oder im Fall des Rückkaufs des Vertrags nach Ablauf von zwölf Jahren seit dem Vertragsschluss ausgezahlt werden (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG in der am 31.12.2004 geltenden Fassung). Dies wiederum gilt in den Fällen des § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG nur, wenn die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe a oder b erfüllt sind oder soweit bei Versicherungsverträgen Zinsen in Veranlagungszeiträumen gutgeschrieben werden, in denen Beiträge nach § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe c abgezogen werden können (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 4 EStG in der am 31.12.2004 geltenden Fassung).
56Ob diese Voraussetzungen tatsächlich vorliegen, ist in diesem Verfahren nicht zu prüfen. Die Steuerpflicht der Zinsen aus den vier Lebensversicherungen stellte der Beklagte bereits mit Bindungswirkung durch bestandskräftigen Feststellungsbescheid vom 23.11.1998 fest. Die diesbezüglichen Einwendungen der Kläger können in dem hier zu entscheidenden Verfahren daher keine Beachtung finden.
57b) Der Beklagte hat mit dem vorgenannten Bescheid hinsichtlich der Versicherungsverträge „X-Lebensversicherung AG, xxxxx C-Stadt, Nr. x-z DLxxxxx und wegen der Verwendung der Ansprüche aus dieser Versicherung zur „Darlehenstilgung im Zusammenhang mit der Errichtung von 113 Wohneinheiten“ festgestellt, dass wegen dieser Verwendung die außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen aus den in den Beiträgen zu den genannten Versicherungsverträgen enthaltenen Sparanteilen im Zeitpunkt ihrer Verrechnung und Auszahlung „insgesamt einkommensteuerpflichtig“ sind.
58aa) Rechtsgrundlage dieses Feststellungsbescheids ist § 9 der Verordnung über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 AO (VO) in der für das Jahr 1998 geltenden Fassung.
59Hiernach stellt das für die Einkommensbesteuerung des Versicherungsnehmers zuständige Finanzamt die Steuerpflicht der außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen aus den in den Beiträgen enthaltenen Sparanteilen (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG) gesondert fest, wenn für Beiträge zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG nicht erfüllt sind.
60bb) § 9 VO beruht auf der Ermächtigung in § 180 Abs. 2 Satz 3 AO und regelt auf dieser Grundlage eine gesonderte Feststellung bei nachträglicher Steuerpflicht der Zinsen aus bestimmten Lebensversicherungen, soweit die Ansprüche aus den Versicherungsverträgen steuerschädlich zu Finanzierungszwecken verwendet worden sind.
61Hintergrund dieser Vorschrift ist, dass der Steuerpflichtige in der Regel erst bei Fälligkeit der Versicherungsleistungen nach Jahren oder Jahrzehnten von den steuerlichen Folgen der Verwendung der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag erfährt. Die rechtliche Stellung des Versicherungsnehmers bei der Verwendung von Ansprüchen aus Versicherungsverträgen auf den Erlebens- oder Todesfall zur Tilgung oder Sicherung eines Darlehens soll dadurch verbessert werden, dass die Steuerpflicht der Zinsen frühzeitig gesondert festgestellt wird. Der Steuerpflichtige kann sodann zeitnah etwaige Einwendungen vorbringen (BR-Drs. 972/94, S. 1).
62c) Die Bestandskraft des Feststellungsbescheids vom 23.11.1998 ergibt sich zunächst daraus, dass nach einem erfolglosen Rechtsbehelfsverfahren keine Klage erhoben wurde.
63Im Übrigen haben die Gesellschafter der GbR gegen den Feststellungsbescheid vom 23.11.1998 Klage – wegen Nichtigkeit – erhoben. Sie machten geltend, dass die Feststellungsbescheide nicht wirksam bekannt gegeben worden seien. Es liege lediglich eine gesonderte, allerdings nicht – wie erforderlich – auch eine einheitliche Feststellung der Steuerpflicht der Zinsen vor. Die Bescheide seien an die GbR gerichtet, an der allerdings mehrere Personen beteiligt gewesen seien. Das FG Münster wies die Klage mit Urteil vom 27.08.2010, 4 K 3982/07 F, n. v. ab. Die hiergegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde als unbegründet zurückgewiesen (BFH-Beschluss vom 26.05.2011 VIII B 144/10, BFH/NV 2011, 1509). Wegen der Einzelheiten der (Entscheidungs-)Gründe wird auf die genannten Entscheidungen verwiesen.
64d) Der Feststellungsbescheid entfaltet auch gegenüber dem Kläger persönliche Bindungswirkung.
65Die Bindungswirkung für den Kläger ist dem hier durchgeführten Verwaltungsverfahren und der gesamthänderischen Verbundenheit der Gesellschafter immanent. Es entspricht dem Sinn und Zweck des durchgeführten Verwaltungsverfahrens, die Steuerpflicht der Zinsen aus den Kapitallebensversicherungen mit persönlicher Bindungswirkung für die am Vermögen der GbR beteiligten Gesellschafter festzustellen.
66Dass sich die persönliche Bindungswirkung des Feststellungsbescheids vom 23.11.1998 nicht nur auf die GbR, sondern auch auf die am Vermögen der GbR beteiligten Gesellschafter bezieht, entspricht auch dem BFH-Beschluss vom 26.05.2011 VIII B 144/10, BFH/NV 2011, 1509. In dieser Entscheidung geht der BFH – jedenfalls implizit – davon aus, dass die gesonderte Feststellung der Steuerpflicht gegenüber der GbR auch Bindungswirkung gegenüber den Gesellschaftern entfaltet. Andernfalls käme der gesonderten Feststellung jedenfalls für die Einkommensteuerveranlagung keine Bedeutung zu, da sich sowohl die nachfolgende gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte (vgl. BFH-Beschluss vom 16.07.2015 IV B 72/14, BFH/NV 2015, 1351) als auch die Einkommensteuerfestsetzung an die Gesellschafter als Inhaltsadressaten richtet.
67Auch wenn der BFH in seiner Entscheidung vom 26.05.2011 ausführt, dass die GbR selbst Schuldnerin der Kapitalertragsteuer sei (insofern allerdings abweichend BFH-Urteil vom 09.11.1994 I R 5/94, BFHE 176, 248, BStBl II 1995, 255; Levedag in Schmidt, § 44 EStG Rn. 2), kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Feststellung der Steuerpflicht lediglich für die Kapitalertragsteuer bindend sein soll. Eine solche Sichtweise würde dem gesetzgeberischen Zweck der gesonderten Feststellung (frühzeitig Klärung der Steuerpflicht) entgegenlaufen.
68Auch führt die Annahme einer Bindungswirkung gegenüber den Gesellschaftern nicht zu einer unzumutbaren Beschränkung ihrer Rechtsschutzmöglichkeiten. Die Möglichkeit, Einwendungen gegen den Feststellungsbescheid vom 23.11.1998 vorzubringen, haben sowohl die GbR als auch ihre Gesellschafter – einschließlich des Klägers – genutzt. Gegen den Feststellungsbescheid wurde Einspruch eingelegt und – u. a. durch den Kläger – Klage wegen Nichtigkeit erhoben. In diesem Zusammenhang führte der BFH im BFH-Beschluss vom 26.05.2011 VIII B 144/10, BFH/NV 2011, 1509 für den vorliegenden Streitfall ausdrücklich aus, dass die Steuerpflicht der Zinsen aus Kapitallebensversicherungen nur gesondert festzustellen ist und eine einheitliche Feststellung insofern nicht stattfindet. Richtiger Adressat der Feststellung ist der Versicherungsnehmer als Steuerschuldner (hier: die GbR). Dass die Kapitalerträge letztlich den Gesellschaftern der GbR zuzurechnen sind, ändert hieran nichts. Über die Zurechnung der Einkünfte wird erst bei Fälligkeit der Zinsen im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung des Gewinns der GbR entschieden.
69Nichts anderes folgt aus dem BFH-Urteil vom 20.11.2018 VIII R 39/15, BFHE 263, 112. Insbesondere lässt sich dieser Entscheidung nicht entnehmen, dass eine gesonderte und einheitliche Feststellung gemäß § 9 VO oder eine Bekanntgabe an den Kläger persönlich geboten gewesen wäre.
70Aufgrund dieses BFH-Urteils steht für den hier zu entscheidenden Streitfall fest, dass die vorliegenden Kapitaleinkünfte gemäß § 20 Abs. 2 Satz 3 EStG i. V. m. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 EStG nicht gemäß §§ 179 Abs. 1, 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a AO gemeinschaftlich erzielt worden sind. Da diese Kapitaleinkünfte, die aufgrund einer Anteilsveräußerung gemäß § 20 Abs. 2 Satz 3 EStG entstanden und keinem abgeltenden Kapitalertragsteuersatz gemäß § 43 Abs. 5 Satz 1 EStG unterlagen, sind sie gemäß § 32d Abs. 3 Satz 1 EStG vom Gesellschafter zu erklären. Über das Vorliegen und die Höhe dieser Einkünfte ist abschließend im Rahmen der Veranlagung zu entscheiden.
71Aus dieser BFH-Entscheidung folgt nicht, dass der Beklagte für die Feststellung der Steuerpflicht der Zinsen ein unzutreffendes Verwaltungsverfahren angewandt hat. Das Feststellungsverfahren ist bestandskräftig abgeschlossen worden und durch die nachfolgenden finanzgerichtlichen Entscheidungen bestätigt worden (FG Münster, Urteil vom 27.08.2010 4 K 3982/07 F, n. v.; BFH-Beschluss vom 26.05.2011 VIII B 144/10, BFH/NV 2011, 1509).
72Diese Entscheidung des BFH betrifft nicht die Ebene der Feststellung der Steuerpflicht der Zinsen, sondern die Ebene der Zurechnung der erzielten Kapitaleinkünfte. Dass auf dieser Ebene keine gesonderte und einheitliche Feststellung dieser Kapitaleinkünfte erfolgt, sondern diese Kapitaleinkünfte unmittelbar im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung Berücksichtigung finden, hat keine Auswirkungen auf die Ebene der Feststellung der Steuerpflicht der Zinsen.
73e) Die sachliche Bindungswirkung des Feststellungsbescheids vom 23.11.1998 umfasst auch den Besteuerungstatbestand nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 EStG. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hinsichtlich der weiteren Begründung auf FG Münster, Urteil vom 06.11.2015, 4 K 1109/14 F, EFG 2016, 33, Rz. 30 f. verwiesen.
743. Über die Höhe der Kapitaleinkünfte besteht zwischen den Beteiligten kein Streit. Der Senat sieht daher von weiteren Ausführungen hierzu ab.
II. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Revisionszulassung folgt aus § 115 Abs. 2 FGO.