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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
2Streitig ist, ob die Klägerin rechtzeitig Klage erhoben hat und – falls ja – ob eine bei der Klägerin vorgesehene Außenprüfung durch einen bestimmten Außenprüfer durchgeführt werden darf.
31. Bei der gewerblich tätigen Klägerin wurde für die Jahre 2010 bis 2012 eine Außenprüfung durchgeführt. Der für diese Außenprüfung zuständige Außenprüfer war Herr T (im Folgenden: Außenprüfer).
4Aufgrund der Ergebnisse dieser Außenprüfung, die zu Mehrsteuern führte, wurde ein Steuerstrafverfahren gegen die damalige Gesellschafterin und Geschäftsführerin eingeleitet. In diesem Strafverfahren trat der Außenprüfer als Zeuge auf. Das Strafverfahren wurde mit Beschluss vom 20.09.2018 nach § 153a Abs. 2 der Strafprozessordnung (StPO) eingestellt, nachdem die damalige Gesellschafterin und Geschäftsführerin die ihr gemachte Auflage der Zahlung eines Betrags […] erfüllt hatte.
5Für die Jahre 2013 bis 2015 führte der Beklagte bei der Klägerin ebenfalls eine Außenprüfung durch. Auch diese Außenprüfung führte der Außenprüfer durch. Nachdem die Außenprüfung für die Jahre 2013 bis 2015 abgeschlossen worden war, den zu (erheblichen) Mehrergebnissen führenden Prüfungsfeststellungen entsprechende Änderungsbescheide für die Jahre 2013 bis 2015 ergangen waren und die Klägerin hiergegen wegen eines Teils der Prüfungsergebnisse erfolglos Einspruch eingelegt hatte, hat die Klägerin gegen die Änderungsbescheide in Gestalt der (jeweiligen) Einspruchsentscheidung Klage erhoben. Die entsprechenden Klageverfahren, für die der Senat nicht zuständig ist (Aktenzeichen 5 K 1095/22 U sowie 10 K 1055/22 K,G), sind derzeit noch nicht abgeschlossen.
62. a) Unter dem 25.03.2022, also noch während des Laufs der vorgenannten Klageverfahren, erließ der Beklagte eine auf § 193 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) gestützte verfahrensgegenständliche Prüfungsanordnung, nunmehr für die Jahre 2016 bis 2018. Für diese Außenprüfung ist ausweislich der Prüfungsanordnung erneut derselbe Außenprüfer vorgesehen.
7b) Gegen diese Prüfungsanordnung legte die durch die Klägerbevollmächtigte vertretene Klägerin mit per besonderem elektronischen Anwaltspostfach (beA) übermittelter und vom Rechtsanwalt unterzeichneter Einspruchsschrift vom 25.04.2022 Einspruch ein. Diesen begründete die Klägerin im Wesentlichen damit, dass gegen den Außenprüfer der Verdacht des „Missbrauchs der Unparteilichkeit und Unbefangenheit (§ 83 Abs. 1 AO)“ bestehe. Des Weiteren erhob die Klägerin in der Einspruchsschrift gegenüber dem Außenprüfer den „Vorwurf der vorsätzlichen Steuerübererhebung“ zulasten der Klägerin. Im Laufe der Außenprüfung für die Jahre 2013 bis 2015 sei der Eindruck erweckt worden, dass der Außenprüfer ein persönliches Anliegen verfolge. Offensichtlich als Betriebsausgaben zu qualifizierende Aufwendungen für ordnungsgemäß erstellte Lohnabrechnungen sowie für Fortbildungskosten würden aufgrund konstruierter und lebensfremder Sachverhaltsverdrehungen als Entnahme eingestuft. Die mehrfachen Hinweise der Klägerin auf eine ihrer Auffassung nach unzutreffende Darstellung von Tatsachen sei abgelehnt und eine Abhilfe verweigert worden. Durch die vom Außenprüfer subjektiv und zutreffend beurteilten Sachverhalte würden Entnahmen der damaligen Gesellschafterin und Geschäftsführerin „phantasiert“, um den Verdacht der Steuerhinterziehung gegen diese erheben zu können. Aufgrund dieser pflichtwidrigen Bearbeitung und Beurteilung von Sachverhalten werde seitens der Klägerin Strafanzeige gegen den Außenprüfer wegen des Verdachts der „vorsätzlichen Steuerübererhebung“ gestellt werden. Der Umstand, dass die verfahrensgegenständliche Prüfungsanordnung noch vor rechtskräftigem Abschluss der Außenprüfung für die Jahre 2013 bis 2015 ergangen sei, zeige, dass durch eine Mehrbelastung im Rahmen einer weiteren Außenprüfung der Druck auf die Klägerin unsachgemäß erhöht werden solle, um so die rechtswidrigen Sachverhaltsdarstellungen entgegen geltendem Recht „durchdrücken“ zu können. Im Rahmen der Klageverfahren (für die Jahre 2013 bis 2015) würden die abwegigen Beurteilungen von Lebenssachverhalten durch den zuständigen Außenprüfer und die daraus resultierende „Mehrbesteuerung“ der richterlichen Überprüfung zugeführt und auf die Vereinbarkeit mit der geltenden Rechtsordnung hin kontrolliert werden. Eine vor der gerichtlichen Entscheidung durchgeführte Anschlussprüfung durch denselben Außenprüfer sei der Klägerin aus Objektivitätsgründen und dem Grundsatz der Unschuldsvermutung nicht zumutbar. Überdies sei eine Anschlussprüfung ohne rechtskräftig werdenden Abschluss der Außenprüfung für die Vorjahre nicht zielführend, da die Ergebnisse und Sachverhaltsbeurteilungen für den Folgezeitraum gleich zu bewerten sein werden.
8c) Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 08.06.2022 (den Prozessvertretern der Klägerin zugestellt mit Zustellungsurkunde am 11.06.2022) aus folgenden Erwägungen als unbegründet zurück:
9aa) Die auf § 193 Abs. 1 AO gestützte Prüfungsanordnung sei rechtmäßig, weil die Klägerin einen gewerblichen Betrieb unterhalte. Die Anordnung einer Anschlussprüfung sei ermessensgerecht, da die Vorprüfung deutliche Steueränderungen erbracht hätte, die auch für die Jahre 2010 bis 2012 bestandskräftig geworden seien. Die Sachverhalte der Jahre 2013 bis 2015 gölten nach Einlassung der Klägerin auch in den Folgejahren. Hieraus ergebe sich deren Prüfungsbedürftigkeit. Die gerichtliche Klärung der Rechtmäßigkeit der Änderungsbescheide für die Vorprüfung werde sich insoweit auswirken, „annulliere“ aber nicht die Notwendigkeit, die steuerlichen Verhältnisse im Prüfungszeitraum zu ermitteln (§ 194 Abs. 1 AO). Der Klägerin stehe es offen, einen Antrag auf Verlegung des Prüfungsbeginns (§§ 197 Abs. 2, 171 Abs. 4 AO) zu stellen, wobei dann das Risiko eines späteren Beweisnotstands zulasten der Klägerin je nach Dauer der Klageverfahren bestehe.
10bb) Soweit sich die Klägerin gegen die Person des Außenprüfers wende, habe der Einspruch ebenso wenig Erfolg.
11Zum einen sei dieser Punkt nicht anfechtbar. Denn die Benennung eines Außenprüfers sei nach der finanzgerichtlichen Rechtsprechung (Urteil des Finanzgerichts – FG – München vom 16.05.2018 4 K 1112/17, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2018, 1417, bestätigt durch den Beschluss des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 11.12.2019 II B 67/18, BFH/NV 2020, 360, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2020, 420) nicht Bestandteil des Verwaltungsaktes „Prüfungsanordnung“.
12Zum anderen seien die Kriterien, die der BFH im Beschluss vom 29.04.2002 IV B 2/20 (BFHE 198, 310, BStBl II 2002, 507) für Zweifel an der Geeignetheit des Prüfers aufstelle, nämlich eine über die bloße Besorgnis der Befangenheit hinausgehende Befürchtung einer irreversiblen Rechtsverletzung, nicht gegeben. Die Außenprüfung für die Jahre 2010 bis 2012 habe zu bestandskräftigen Änderungsbescheiden geführt, die Mehrsteuern seien durch die Klägerin ausgeglichen worden. Hieraus könne sich keine Besorgnis der Befangenheit ergeben. Die Außenprüfung für die Jahre 2013 bis 2015 unterliege zwischenzeitlich gerichtlicher Kontrolle. Auch insoweit sei die Befürchtung irreversibler Nachteile unbegründet. Da nach eigenem Vortrag die bislang festgestellten bzw. aufgegriffenen Sachverhalte auch für die Folgejahre Bedeutung hätten, sei die Durchführung der Außenprüfung gerade durch einen mit den betrieblichen Gegebenheiten betrauten Außenprüfer sachgerecht. Hierin dürfte das eigentliche Motiv der Ablehnung des Außenprüfers verborgen liegen.
13d) Im Nachgang zur vorgenannten Einspruchsentscheidung bat der Außenprüfer unter Hinweis darauf, dass der Rechtsbehelf gegen die (verfahrensgegenständliche) Prüfungsanordnung zwischenzeitlich erledigt sei, mit einem Schreiben vom 25.08.2022, einem Donnerstag (Eingang bei der Klägervertreterin am selben Tage), um Überlassung der steuerlich relevanten Daten der Finanzbuchhaltung für die Jahre 2016 bis 2018 auf einem Datenträger bis zum 09.09.2022.
144. a) Einen Tag später, also am 26.08.2022, ist bei Gericht per beA ein unter demselben Datum erstelltes Dokument der Klägervertreterin, einer aus einem Rechtsanwalt und einem Steuerberater bestehenden Sozietät, eingegangen (Bl. 2 f. der Akte des Finanzgerichts – FGA –). Der per beA des Rechtsanwalts eingegangene Schriftsatz vom 26.08.2022 ist von dem Steuerberater unterzeichnet (Bl. 3 FGA) und nicht mit einer qualifizierten Signatur versehen (Bl. 23 FGA). In diesem Schriftsatz bat die Klägerbevollmächtigte um Mitteilung „des Aktenzeichens“. Mit Schriftsatz vom 23.06.2022 sei in der Angelegenheit der Klägerin gegen die ablehnende Einspruchsentscheidung Klage erhoben worden. Die Klage sei per einfachem Brief versandt worden. Soweit der Beklagte im Schreiben vom 25.08.2022 zu Unrecht von einer Erledigung des Rechtsbehelfs ausgehe, treffe dies nicht zu.
15b) Für den Fall, dass die Klage vom 23.06.2022 aufgrund unbekannter Umstände nicht vom Finanzgericht beantwortet worden sei, hat die Klägerin zugleich die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beantragt.
16Diesem Schriftsatz ist eine Klageschrift – datierend auf den 23.06.2022 und ebenfalls vom Steuerberater unterzeichnet – beigefügt (Bl. 4 bis 6 FGA), nach der zunächst fristwahrend Klage gegen die Prüfungsanordnung vom 25.03.2022 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 08.06.2022 erhoben werde. Über die Außenprüfungen für die Vorjahre sei aufgrund anhängiger Klageverfahren vor dem FG Münster (Aktenzeichen 5 K 1095/22 U sowie 10 K 1055/22 K,G) noch nicht rechtskräftig entschieden worden. Im Rahmen dieser Klageverfahren würden die Feststellungen des Außenprüfers einer gerichtlichen Kontrolle unterzogen. Eine weitere Auseinandersetzung mit demselben Außenprüfer sei der Klägerin unzumutbar. Ohne vorherige Überprüfung der subjektiv bewerteten Sachverhaltsdarstellungen des Außenprüfers durch das FG würden erneute Fehlbeurteilungen wiederholt zu rechtswidrigen mehr Steuern zulasten der Klägerin führen.
17b) aa) Nachdem die bisher zuständige Berichterstatterin mit Schreiben vom 31.08.2022 der Klägerbevollmächtigten mitgeteilt hatte, dass eine Klage vom 23.06.2022 nicht bei Gericht eingegangen sei und die Klägerbevollmächtigte unter Hinweis auf die Zwei-Wochen-Frist des § 56 Abs. 2 FGO gebeten werde, Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand glaubhaft zu machen, hat die Klägerbevollmächtigte mit bei Gericht per beA des Rechtsanwalts am 14.09.2022 eingegangenem, vom Steuerberater unterzeichnetem und wiederum nicht qualifiziert signiertem Schriftsatz vom 14.09.2022 ausgeführt, dass die Klageschrift fristgerecht zur Post aufgegeben worden sei. Bei einem gewöhnlichen Fortgang sei mit dem ordnungsgemäßen und fristgerechten Zugang der Klageschrift beim FG Münster zu rechnen gewesen. Dem Unterzeichner sei nicht erklärlich, worauf es zurückzuführen sei, dass die vom 23.06.2022 datierende, am nächsten Tag durch Abgabe bei einer Agentur der Deutschen Bundespost gegen 17:00 Uhr abgegebene Postsendung mit der Klageschrift nicht beim FG Münster habe eingehen können. Für ein Organisationsverschulden der „Deutschen Bundespost“ könne die Klägerin – wie sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) in BVerfGE 51, 352 ergebe – nicht verantwortlich gemacht werden. Eine Übermittlung per beA habe zum Zeitpunkt des Verfahrens der Klageschrift nicht zur Verfügung gestanden. Das Anwaltspostfach sei dem Rechtsanwalt zugeordnet, welcher sich zu dem Zeitpunkt in seinem Jahresurlaub befunden habe. Die Klageschrift sei durch den Unterzeichner (Steuerberater) verfasst, unterzeichnet und eingereicht worden. Die Klage sei nicht unzulässig, da Steuerberater im Jahr 2022 vor Aktivierung/Freigabe des besonderen Steuerberaterpostfachs ab dem 01.01.2023 nicht von der Pflicht der Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs betroffen seien.
18bb) Dem Schriftsatz vom 14.09.2022 beigefügt war eine eidesstattliche Versicherung (vgl. Bl. 33 FGA). In dieser hat eine Mitarbeiterin der Klägerbevollmächtigten unter dem 13.09.2022 an Eides statt versichert, dass die Klageschrift vom 23.06.2022 persönlich am Freitag, den 24.06.2023, zur Post aufgegeben habe. Der Briefumschlag sei von der Mitarbeiterin persönlich frankiert und in der Poststelle in einem … Markt aufgegeben worden.
19c) Im weiteren Verlauf hat die Klägerin ihren Vortrag ergänzt.
20Sie habe die unter dem 23.06.2022 gefertigten Schriftsatz durch eine Mitarbeiterin der Klägerbevollmächtigten am 24.06.2022 zur Post gegeben. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand habe Erfolg (aa). Der Außenprüfer habe nicht für die Durchführung der Außenprüfung vorgesehen werden dürfen (bb).
21aa) Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei zu entsprechen.
22(1) Die versäumte Handlung sei innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 56 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz FGO nachgeholt worden. Mit Bekanntwerden und Antrag vom 26.06.2022 sei die Klageschrift vom 23.06.2022 gleichzeitig dem Gericht vorgelegt worden.
23Dass die Klageschrift vom 23.06.2022 mit einem Brief zur Post gegeben worden sei, sei nicht ungewöhnlich. Ein üblicher Geschäftsablauf, nach dem der Schriftverkehr die Klägerbevollmächtigte per beA kommuniziere, bestehe nicht. Wie der Beklagte auch verwende die Klägerbevollmächtigte unterschiedliche Übermittlungswege (Post, Telefax, EGVP u. a.). Hauptsachbearbeiter für dieses Klageverfahren sei – wie für die Klageverfahren gegen die Änderungsbescheide infolge der Außenprüfung für die Jahre 2010 bis 2012 – der Rechtsanwalt. Aufgrund der einer Dienstunfähigkeit geschuldeten Abwesenheit des Rechtsanwalts sei die hier gegenständliche Klage durch den ebenfalls bevollmächtigten Steuerberater erhoben worden. Ein bevorzugtes Kommunikationsmittel oder ein bestimmter Sachbearbeiter dürfe nicht eingefordert werden.
24Zudem sei auf die in den Medien bekannt gewordene Häufung von Verlusten von Postsendungen bei der Deutschen Post AG zu verwiesen. Danach seien in den Sommermonaten des Jahres 2022 vermehrt Briefe nicht ordnungsgemäß den Empfängern zugestellt worden.
25(2) Bei der Nachholung der versäumten Rechtshandlung, also der Klageerhebung, seien die maßgeblichen Formalien beachtet, also die Klage schriftlich erhoben, worden.
26Unschädlich sei es, dass der per beA übermittelte Schriftsatz vom 26.08.2023 nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur unterzeichnet worden sei. Die auf dem Postweg verlorengegangene Klageschrift sei durch den vertretungsberechtigten Steuerberater handschriftlich unterzeichnet und damit rechtsverbindlich gewesen. Die Nutzung des beA des Rechtsanwalts, der zum Zwecke sicherer Übermittlung im Rahmen des Wiedereinsetzungsantrages vom 26.08.2022 genutzt worden sei, könne die rechtsverbindliche Zeichnung der Klageschrift in keinem Fall entkräften. Dies würde der Logik der prozessualen Führung eines Rechtsstreites zuwiderlaufen. Die elektronische Signatur, die als Authentifizierung des beA-Inhabers, hier des am 26.08.2023 erkrankten Rechtsanwaltes, nicht unterzeichnete Schriftstücke dem rechtmäßigen Absender zuordnen lasse, sei mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar.
27Ansonsten würde einer tatsächlich vorhandene Unterzeichnung und damit rechtsverbindliche Klageschrift durch eine elektronische Signatur die Rechtsgültigkeit genommen. Dies sei nicht Sinn und Zweck des Übermittlungswegs per beA. Das beA sei eine qualifizierte Form des Telefaxversands. Abgesehen davon sei das beA noch immer nicht vollständig ausgereift und in der Gerichtssphäre omnipräsent. So sei zum Beispiel das beA für das „K-Aktenzeichen“ beim Amtsgericht (AG) Kamen nicht verwendbar. Das AG Wuppertal benötige zur Wahrnehmung eines per beA eingegangen Schriftsatzes die separate Mitteilung des Zugangszeitpunkts. Die Zugangsmöglichkeit zum beA könne nur auf Weisung des Rechtsanwaltes erfolgen, der hier den Zugang dem vertretungsberechtigten Unterzeichner zur nachweisbaren Übermittlung auch ermöglicht habe.
28Der tatsächlich unterzeichnete Schriftsatz sei ebenso wirksam, als sei dieser über den Postweg dem Gericht zugegangen. Auf eine Übersendung per Post sei aufgrund des bereits erfolgten Verlusts der Klageschrift vom 23.06.2023 nachvollziehbar verzichtet worden. Mangels des zu dem Zeitpunkt bestehenden besonderen elektronischen Steuerberaterpostfaches (beSt) sei auf die einzig verbliebene Möglichkeit der sicheren Übertragung mit Zugangsnachweis zurückgegriffen worden.
29(3) Ein irgendwie gearteter Organisationsmangel werde ausdrücklich bestritten.
30cc) Der Grund der Parteilichkeit, der dem Verfahren zugrunde liege, setze sich nunmehr vom Beklagten offenkundig durch die unterstellte Täuschungsabsicht fort. Es werde deutlich, dass eine neutrale und unvoreingenommene Beurteilung von Sachverhalten durch den Beklagten in Bezug auf die Klägerin nicht gegeben sei. So habe der Beklagte entgegen der eidesstattlichen Versicherung im Klageverfahren vorgetragen, die Klageschrift vom 23.06.2022 sei in einen Briefkasten eingeworfen worden. An Eides statt sei aber versichert worden, dass der Briefumschlag mit der Klageschrift der am Tag vor Ort arbeitenden Poststellenmitarbeiterin in die Hand gegeben worden sei.
31Die Kläger beantragt,
32die Prüfungsanordnung vom 25.03.2022 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 08.06.2023 aufzuheben.
33Der Beklagte beantragt,
34die Klage abzuweisen.
35a) Dem Wiedereinsetzungsantrag sei nicht zu entsprechen.
36Der Beklagte hat mit Schreiben vom 02.09.2022 darauf hingewiesen, dass der bei der Klägerbevollmächtigten für das hiesige Klageverfahren Zuständige ein Rechtsanwalt sei und über ein beA verfüge. Nach eigenem Bekunden habe er die Klageschrift mit einfachem Brief verschickt, weshalb die Klage unzulässig gewesen sein dürfte.
37Der Vortrag der Klägerin widerspreche dem in der Kanzlei der Klägerbevollmächtigten üblichen Geschehensablauf. Die in den Klageverfahren 5 K 1095/22 U und 10 K 1055/22 K,G eingegangenen Schriftsätze seien ausnahmslos per beA übermittelt worden. Dabei seien teilweise Anträge durch die Mitarbeiterin der Klägerbevollmächtigten selbst unterzeichnet und von ihr per beA übermittelt worden. Gleiches gelte für die Schriftsätze im hiesigen Klageverfahren, die der Steuerberater per beA übermittelt habe. Ihm habe offenbar das beA uneingeschränkt zur Verfügung gestanden. Dass der Vortrag der Klägerbevollmächtigten wahrscheinlich sei, erschließe sich dem Beklagten nicht. Das Postausgangsbuch wäre vorzulegen gewesen. Dies sei nicht geschehen. Eine Zeugeneinvernahme erscheine unerlässlich. Aufgrund der greifbaren Organisationsmängel sei eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgeschlossen.
38Zu klären sei auch, wann und auf welchem Wege (beA, Brief, …) das FG üblicherweise einem Kläger den Eingang der Klage bestätige und das vergebene Aktenzeichen mitteile. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dürfte aufgrund des Verschuldens der Klägerbevollmächtigten ausscheiden. Ein solches Verschulden läge ab dem Zeitpunkt vor, ab dem die Klägerin Zweifel an dem Eingang ihrer Klage bei Gericht hätte haben müssen. Dass erst mit Schriftsatz vom 26.08.2022 nachgefragt worden sei, sei nach der finanzgerichtlichen Rechtsprechung (BFH, Urteile vom VI R 171/75, BFHE 125, 493, BStBl II 1978, 667, Rz. 20; vom 11.08.1993 II R 6/91, BFH/NV 1994, 440, Rz. 17; BFH, Beschluss vom 13.09.2017 V B 64/17, BFH/NV 2018, 45, Rz. 10) zu spät gewesen.
39b) Überdies sei fraglich, ob die versäumte Handlung innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 56 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz FGO nachgeholt worden sei. Der Hinweis der zuvor zuständigen Berichterstatterin vom 31.08.2022 sei der späteste Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses. Zu diesem Zeitpunkt wäre die Klage ausdrücklich zu erheben gewesen. Eine solche Verfahrenshandlung sei hier nicht ohne weiteres ersichtlich.
40c) Die Zustellungsprobleme der Post bestünden seit dem Beginn der Corona-Krise und seien dem Klägervertreter offenbar bewusst (gewesen). Unklar bleibe, weshalb der Postweg gewählt worden sei, statt der zuverlässigeren und in seiner Kanzlei üblichen elektronischen Übermittlung, die auch der Mitarbeiterin der Klägerbevollmächtigten geläufig gewesen sei.
41Da das FG Münster bei der „Bundespost“ ein Großkunde sei, entfielen hier also die Probleme von Briefkastenleerung und Briefträgerzustellung. Dass dieser Brief verloren gegangen sein solle, sei demnach praktisch ausgeschlossen.
425. Die zuvor zuständige Berichterstatterin hat gemeinsam mit dem Senatsvorsitzenden mit richterlichem Hinweis vom 25.10.2023, auf den wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, darauf hingewiesen, dass die Klage nach der seinerzeitigen Aktenlage keine Aussicht auf Erfolg haben dürfte. Sie sei nicht fristgerecht erhoben worden und eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dürfte nicht Betracht kommen (Bl. 51 bis 54 FGA).
436. Der Senat hat am 27.04.2023 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
44Entscheidungsgründe
45Die Klage hat keinen Erfolg.
461. Sie ist bereits unzulässig, weil sie nicht innerhalb der Einspruchsfrist erhoben worden ist (vgl. unter a) und eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausscheidet (vgl. unter b).
47a) Da die Einspruchsentscheidung vom 08.06.2022 ausweislich der Zustellungsurkunde am 11.06.2022 bekannt gegeben wurde, lief die einmonatige Klagefrist des § 47 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz der Finanzgerichtsordnung (FGO) mithin am 11.07.2022 (Montag) ab.
48Zwischen den Beteiligten ist zu Recht nicht streitig, dass bis zu diesem Tag die Klageschrift vom 23.06.2022 nicht eingegangen ist.
49b) Dem Wiedereinsetzungsantrag war nicht zu entsprechen.
50aa) Nach § 56 Abs. 1 FGO ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist – hier die Klagefrist nach § 47 Abs. 1 FGO – einzuhalten. Ein Verschulden des Bevollmächtigten muss sich ein Kläger als eigenes Verschulden zurechnen lassen (§ 155 FGO i. V. m. § 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung – ZPO –). Der Wiedereinsetzungsantrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 56 Abs. 2 Satz 1 FGO); innerhalb dieser Frist sind die für die Wiedereinsetzung wesentlichen Tatsachen in sich schlüssig darzustellen (BFH, Beschluss vom 30.09.2009 IX B 77/09, BFH/NV 2010, 440, Rz. 4). Unter dem Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses – ein verschuldensunabhängiges Tatbestandsmerkmal – ist der Zeitpunkt zu verstehen, zu dem der Beteiligte oder sein Prozessbevollmächtigter (§ 155 FGO i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO) Kenntnis von der Fristversäumnis erhalten hat oder bei ordnungsgemäßer Verfolgung der Rechtssache hätte haben können. Ein Kläger ist zwar regelmäßig nicht gehalten, den rechtzeitigen Zugang eines Schriftstücks zu überwachen. Liegen jedoch Umstände vor, die ihn zweifeln lassen, ob die Rechtsmittelfrist eingehalten worden ist, oder hätten ihm aufgrund solcher Umstände Zweifel kommen müssen, beginnt die Antragsfrist spätestens in dem Zeitpunkt, in dem er durch Nachfrage Gewissheit über die Rechtzeitigkeit des Rechtsmittels hätte erlangen können (BFH, Beschluss vom 12.06.2009 II B 166/08, juris, Rz. 3, m. w. N.).
51bb) Im Streitfall sind die für die Wiedersetzung wesentlichen Tatsachen nicht innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO dargestellt worden (1). Ungeachtet dessen ist die erforderliche Rechtshandlung (hier: die Klageerhebung) auch nicht innerhalb der Zwei-Wochen-Frist (formwirksam) nachgeholt worden (2).
52(1) Gemäß den allgemeinen Grundsätzen zum Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses hat die Klägerin die Zwei-Wochen-Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht eingehalten. Dies gilt unabhängig davon, ob bereits das Schreiben vom 26.08.2022 eine Nachholung der Klageerhebung darstellt oder dies erst mit Schreiben vom 14.9.2022 geschehen ist. Beide Schreiben sind außerhalb der Wiedereinsetzungsfrist eingegangen.
53Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin hätten bereits mangels zeitnaher Eingangsbestätigung des Gerichts Zweifel Eingang der Klage kommen müssen, die durch kurzfristige Rückfrage beim FG hätten geklärt werden können. Diese standardisierte Mitteilung, die die üblichen Hinweise des Gerichts nach Eingang der Klage, insbesondere die Zuteilung eines Aktenzeichens verbunden mit der Bitte um Angabe desselben in künftigen Schriftsätzen und die vorläufige Bemessung der Gerichtskosten enthält, wird üblicherweise innerhalb weniger Tage nach Klageeingang versandt. Im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Klageschrift vom 23.06.2022 ist der Klägerbevollmächtigten mangels Klageingangs keine Eingangsbestätigung zugegangen, obwohl die Klägerbevollmächtigte die Klageschrift am 24.06.2022 abgesendet haben will. Spätestens zwei Wochen nach Absendung hätten sich bei den rechtskundigen Vertretern der Klägerin Zweifel aufdrängen müssen, ob die per Post versandte Klageschrift zugegangen ist. Jedenfalls ist ein Zuwarten von mehr als zwei Monaten deutlich zu lang.
54Dass die Klägerin zur Wahrung dieser Zwei-Wochen-Frist unverschuldet nicht in der Lage war (sog. Wiedereinsetzung in die Wiedereinsetzung; vgl. dazu etwa BFH, Beschluss vom 03.09.1991 VI R 6/91, BFH/NV 1991, 834, Rz. 19, m. w. N.) ist weder dargetan noch sonst ersichtlich.
55(2) Ungeachtet des Vorstehenden ist auch die erforderliche Rechtshandlung der Klageerhebung nicht formwirksam erfolgt.
56(a) Gemäß § 64 Abs. 1 FGO ist eine Klage schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erheben. Nach § 52d FGO sind vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichenden Anträge und Erklärungen, die durch ein Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln. Bei Rechtsanwälten geschieht dies über das beA. Gleiches gilt für die nach der FGO vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 52a Abs. 4 Nr. 2 FGO zur Verfügung steht. Gemäß § 52a Abs. 3 Satz 1 FGO muss bei elektronischer Übermittlung das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Für Steuerberater stand im Jahr 2022 noch kein sicherer Übermittlungsweg § 52a Abs. 4 Nr. 2 FGO zur Verfügung. Diese hatten daher allein die Möglichkeit, Schriftsätze und Prozesserklärungen im Klageverfahren schriftlich, also insbesondere auf dem Postwege oder per Telefax, einzureichen.
57Das beA ist dem einzelnen Inhaber zugeordnet. Nur dieser kann über diesen Übermittlungsweg wirksam elektronisch Dokumente versenden (Thürmer in: Hübschmann/Hepp/Spitaler: AO/FGO, § 52a FGO, Rz. 102 <Stand: Stand: Januar 2023>). Zwar können auch Dritte das beA nutzen. Dies setzt aber voraus, dass der übermittelte Schriftsatz zusätzlich mit einer qualifizierten elektronischen Signatur des beA-Inhabers versehen ist (BAG v. 24.10.2019 – 8 AZN 589/19, Neue Juristische Wochenzeitrift – NJW – 2020, 258; Oberlandesgericht – OLG – Braunschweig, Beschluss vom 08.04.2019 11 U 146/18, NJW 2019, 2180, Rz. 34; Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 29.03.2022 3 U 96/21, juris, Rz. 38; Thürmer in: Hübschmann/Hepp/Spitaler: AO/FGO, § 52a FGO, Rz. 102 <Stand: Januar 2023>). Soweit gegen diese Auffassung im Schrifttum eingewendet wird, dass sie dem Ziel der Erleichterung des elektronischen Rechtsverkehrs zuwider laufe (vgl. Schmieszek in: Gosch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 52a FGO, Rz. 26 <Stand: März 2023>), folgt der Senat dem nicht. § 52a Abs. 3 Satz 1 FGO spricht davon, dass ein elektronisches Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der „verantwortenden Person“ versehen sein oder von der „verantwortenden Person“ signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden muss. Mit dem Wortlaut des § 52a Abs. 3 Satz 1 FGO wäre es deshalb nicht vereinbar, zuzulassen, dass Dritte das beA nutzen, ohne dass der Inhaber des beA durch seine qualifizierte elektronische Signatur Verantwortung für das Dokument übernimmt und als (weitere) „verantwortende Person“ auftritt. Überdies spricht die Gefahr eines Missbrauchs gegen die Zulässigkeit einer beA-Nutzung durch Dritte.
58(b) Nach diesen Grundsätzen ist die Klage nicht formwirksam erhoben worden.
59Im Streitfall wurde der Schriftsatz der Klägerbevollmächtigten vom 26.08.2022, der die Klageschrift vom 23.06.2022 beigefügt worden war, aus dem beA des Rechtsanwalts elektronisch übersandt. Unterschrieben waren sowohl der Schriftsatz als auch die Klageschrift vom Steuerberater. Mit einer qualifizierten elektronischen Signatur des Rechtsanwalts war der Schriftsatz vom 26.08.2022 nicht versehen. Damit genügte der Schriftsatz vom 26.08.2022 nicht den gesetzlichen Anforderungen an eine wirksame Klageerhebung. Auch der Schriftsatz der Klägerbevollmächtigten vom 14.09.2022, der ebenfalls aus dem beA des Rechtsanwalts elektronisch übersandt und vom Steuerberater unterschrieben worden war, ohne vom Rechtsanwalt qualifiziert elektronisch signiert worden zu sein, genügte den gesetzlichen Wirksamkeitserfordernisse nicht.
602. Ungeachtet des Vorstehenden ist die Klage unbegründet.
61a) Der Erlass der Prüfungsanordnung war nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte war befugt, beim Kläger eine Außenprüfung zu den dort genannten Steuern bzw. Feststellungen für die Jahre 2016 bis 2018 anzuordnen. Rechtsgrundlage sind die §§ 193 Abs. 1, 194 Abs. 1, 196 AO. Die darin aufgestellten formellen und materiellen Voraussetzungen sind erfüllt.
62aa) Nach § 193 Abs. 1 AO ist eine Außenprüfung unter anderem bei Steuerpflichtigen zulässig, die – wie die Klägerin – einen gewerblichen Betrieb unterhalten. Der sachliche Umfang der vom Beklagten angeordneten Prüfung hält sich in dem durch § 194 Abs. 1 Satz 2 AO vorgegebenen Rahmen. Danach kann die Außenprüfung beim Steuerpflichtigen – wie im Streitfall – mehrere Steuerarten und mehrere Besteuerungszeiträume umfassen.
63bb) Weitere Anforderungen enthält die Norm nicht; es handelt sich um eine tatbestandlich voraussetzungslose Prüfungsermächtigung. Im Rahmen des § 193 Abs. 1 AO sind daher Außenprüfungen in den Grenzen des Verhältnismäßigkeitsprinzips und des Willkürverbots grundsätzlich unbeschränkt zulässig. Weder der Abgabenordnung noch der Betriebsprüfungsordnung ist zu entnehmen, dass Außenprüfungen nur in einem bestimmten Turnus oder mit zeitlichen Abständen erfolgen dürfen (BFH, Urteil vom 15.06.2016 III R 8/15, BFHE 254, 203, BStBl II 2017, 25, Rz. 17).
64Die Häufigkeit von Außenprüfungen wird auf der Tatbestandsseite von §§ 193 Abs. 1, 194 Abs. 1 Satz 2 AO nicht beschränkt. Ebenso wenig ist den Vorschriften zu entnehmen, dass Außenprüfungen nur mit zeitlichen Abständen durchgeführt werden dürfen. Für die Anordnung der Prüfung des Streitzeitraums spielt es deshalb keine Rolle, dass die Mehrergebnisse aufgrund der vorherigen Außenprüfung noch vor dem 5. bzw. 10. Senat des FG Münster anhängig sind. Im Übrigen betreffen diese Klageverfahren andere Jahre als die hier verfahrensgegenständliche Prüfungsanordnung. Der Grundsatz der Abschnittsbesteuerung gebietet es aber, dass das Finanzamt (hier: der Beklagte) in jedem Veranlagungszeitraum die Besteuerungsgrundlagen erneut prüft und rechtlich würdigt (vgl. BFH, Urteil vom 13.04.2010 VIII R 27/08, BFH/NV 2010, 2038, Rz. 30).
65cc) Der Beklagte hat von seinem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht.
66So verstößt die Anordnung der zweiten Anschlussprüfung nicht gegen den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung. Die der Betriebsprüfungsordnung 2000 (BpO) bewirkt eine auch im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Selbstbindung der Finanzverwaltung bei der Anordnung von Außenprüfungen. Es handelt sich um eine ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift, sodass ihre Auslegung sich nicht nach den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Maßstäben richtet, sondern danach, wie die Verwaltung sie versteht und verstanden wissen will. Die gerichtliche Überprüfung beschränkt sich darauf, ob die Auslegung durch die Behörde möglich ist (BFH, Urteil vom 15.06.2016 III R 8/15, BFHE 254, 203, BStBl II 2017, 25, Rz. 23). Nach der BpO bestimmt die Finanzbehörde den Umfang der Außenprüfung nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 4 Abs. 1 BpO). Im Übrigen wird im sog. Rationalisierungserlass die Bedeutung der Unvorhersehbarkeit der Außenprüfung hervorgehoben. Diese Unvorhersehbarkeit spricht somit aus Sicht der Verwaltung gegen eine Bindung von Außenprüfungen an einen bestimmten Turnus oder einen Anspruch auf prüfungsfreie Jahre (BFH, Urteil vom 15.06.2016 III R 8/15, BFHE 254, 203, BStBl II 2017, 25, Rz. 25).
67b) Ebenso wenig begründet ist die Klage, soweit sich die Klägerin gegen die Bestimmung des Außenprüfers wendet.
68aa) Die Bestimmung des Außenprüfers, der eine angeordnete Betriebsprüfung durchzuführen hat, ist eine nicht anfechtbare innerdienstliche Maßnahme des Finanzamts.
69(1) Denn die Bestimmung der Personen, die mit der Durchführung einer Betriebsprüfung betraut werden, beinhaltet keine unmittelbare Regelung in Bezug auf den Kläger und beeinträchtigt ihn nicht unmittelbar in seinen Rechten. Die Bestimmung der Prüfer für eine Betriebsprüfung ist kein anfechtbarer Verwaltungsakt i. S. des § 118 AO. Dem steht § 197 Abs.1 AO nicht entgegen, der vorschreibt, dass dem Steuerpflichtigen außer der nach § 196 AO als Verwaltungsakt ergangenen Prüfungsanordnung auch die Namen der Prüfer bekanntzugeben sind. Aus dieser Verpflichtung für das Finanzamt folgt nicht, dass die Bestimmung des Prüfers ein Verwaltungsakt ist. Denn diese Vorschrift sagt nichts über die Rechtsnatur der dem Beteiligten bekanntzugebenden Entscheidung des Finanzamts über die Person der beauftragten Prüfer aus (vgl. BFH, Entscheidungen vom 07.05.1981 IV B 60/80, BFHE 133, 340, BStBl II 1981, 634, Rz. 14; vom 13.12.1994 VII R 46/94, BFH/NV 1995, 756, Rz. 12; vom 29.04.2002 IV B 2/02, BFHE 198, 310, BStBl II 2002, 507, Rz. 26; vom 15.05.2009 IV B 3/09, BFH/NV 2009, 1401, Rz. 13 f.; jeweils m. w. N.)
70Der Gesetzgeber wollte verselbständigte Ablehnungsstreitigkeiten bewusst ausschließen. Diese Absicht hat dadurch ihren Niederschlag im Gesetz gefunden, dass lediglich für Ausschussmitglieder in § 84 AO ein Ablehnungsrecht vorgesehen ist. Auch nach dieser Vorschrift kann die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch jedoch nur zusammen mit der Endentscheidung des Ausschusses angefochten werden (§ 84 Satz 5 AO).
71Bei dieser Auslegung des Gesetzes wird der Verfahrensbeteiligte nicht rechtsschutzlos gestellt. Der das Verwaltungsverfahren abschließende Steuerverwaltungsakt ist nicht nur dann fehlerhaft und anfechtbar, wenn einer Anordnung des Behördenleiters oder des von ihm Beauftragten nicht Folge geleistet wird, sondern auch dann, wenn eine solche Anordnung unterblieben ist, obwohl sie hätte ergehen müssen. Es gibt zwar für den Verfahrensbeteiligten keine verfassungsmäßige Garantie des gesetzlichen Amtsträgers. Die Mitwirkung eines nicht unparteiischen Amtsträgers im Steuerfestsetzungs- und Einspruchsverfahren ist aber ein Verfahrensfehler, der im Rechtsbehelfsverfahren zur Aufhebung des Verwaltungsakts führt, es sei denn (§ 127 AO), dass in der Sache selbst keine andere Entscheidung hätte getroffen werden können (BFH, Beschluss vom 07.05.1981 IV B 60/80, BFHE 133, 340, BStBl II 1981, 634, Rz. 15, m. w. N.).
72(2) Die fehlende Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen schließt es nicht aus, dem Steuerpflichtigen ein Recht auf gerichtliche Überprüfung der Festlegung des Prüfers zuzugestehen, wenn – über die bloße Besorgnis der Befangenheit hinaus – zu befürchten ist, dass der Prüfer Rechte des Steuerpflichtigen verletzen wird, ohne dass diese Rechtsverletzung durch spätere Rechtsbehelfe rückgängig gemacht werden könnte. Eine solche Rechtsverletzung ist u. a. dann zu befürchten, wenn der Prüfer in einer vorangegangenen Prüfung unberechtigterweise Prüfungsfeststellungen an eine Strafverfolgungsbehörde weitergegeben hat mit dem Hinweis, hieraus könnten sich Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten des Steuerpflichtigen ergeben (BFH, Beschluss vom 29.04.2002 IV B 2/02, BFHE 198, 310, BStBl II 2002, 507, Rz. 29).
73(3) Diese Grundsätze gelten in der Regel auch für den Fall, dass – wie im Streitfall – ein Amtsträger erneut als Prüfer benannt wird (vgl. BFH, Beschluss vom 09.04.2009 IV S 5/09, BFH/NV 2009, 1080, Rz. 22).
74bb) Nach diesen Maßstäben ist die Bestimmung der Person des Außenprüfers im Streitfall nicht anfechtbar.
75Insbesondere ist hier – über die von der Klägerin geltend gemachte bloße Besorgnis der Befangenheit hinaus – nicht zu befürchten, dass der Außenprüfer Rechte der Klägerin verletzen wird, ohne dass diese Rechtsverletzung durch spätere Rechtsbehelfe rückgängig gemacht werden könnte. Allein die unmittelbaren Auswirkungen der Prüfung auf die festzusetzende Steuer sowie unterschiedliche rechtliche Auffassungen über die Bewertung steuerrechtlich erheblicher Sachverhalte zwischen der Klägerin und dem Außenprüfer reichen hierfür nicht aus (vgl. BFH, Beschluss vom 09.04.2009 IV S 5/09, BFH/NV 2009, 1080, Rz. 24). Es kommt hinzu, dass die Ergebnisse der Außenprüfung für die Jahre 2013 bis 2015 nur teilweise strittig sind, der Außenprüfer also auch nach Auffassung der Klägerin jedenfalls zum Teil überzeugende Rechtsauffassungen vertritt. Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, dass der Außenprüfer in nicht sachgerechter Weise an dem Strafverfahren gegen die ehemalige Gesellschafterin und Geschäftsführerin mitgewirkt hatte. Dass die Strafverfolgung aufgrund der Erkenntnisse der Außenprüfung ungerechtfertigt war, hat die Klägerin selbst nicht vorgetragen. Hierfür ist auch sonst nichts ersichtlich. Im Gegenteil spricht für die Rechtmäßigkeit der Strafanzeige der Umstand, dass das anschließende Strafverfahren nach § 153a Abs. 2 StPO (Absehen von der Verfolgung unter Auflagen und Weisungen) und gerade nicht mangels hinreichenden Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden war.
763. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.