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Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten darüber, inwieweit Leistungen des Klägers als umsatzsteuerfreie Heilbehandlungen anzusehen sind.
3Der Kläger ist selbständiger Arzt in der Allgemeinmedizin. Unter dem 1.5.2011 schloss der Kläger mit der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (im Folgenden: KVWL) eine Vereinbarung über die freiwillige Teilnahme am ärztlichen Notfalldienst in Westfalen-Lippe. In dieser heißt es unter anderem wie folgt:
4„§ 1
5Präambel
6In der Gemeinsamen Notfalldienstordnung (GNO) zwischen Ärztekammer Westfalen-Lippe (ÄVWL) und Kassenärztlicher Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) sind die zur Teilnahme am Notfalldienst verpflichteten Personen, die Organisationsstruktur des Notfalldienstes sowie die Notfalldienstzeiten mit Wirkung zum 01. Februar 2011 verbindlich neu festgelegt worden.
7Neben den nach der GNO (§ 2 Abs. 7) zur Teilnahme am Notfalldienst verpflichteten Personen können weitere Ärzte (im Folgenden: Arzt) an der Notfallversorgung freiwillig teilnehmen. Ebenso können zum Notfalldienst verpflichtete, angestellte Ärzte zusätzliche Dienste über die hinaus übernehmen, zu denen sie eingeteilt sind. Voraussetzung ist in beiden Fällen, dass sie die nachfolgend aufgeführten Voraussetzungen erfüllen und die erforderlichen Erklärungen abgegeben haben.
8[…]
9§3
10Versicherungsschutz
111. Der Arzt hat eine Unfall- sowie eine Berufshaftpflichtversicherung in ausreichender Höhe auf eigene Kosten abzuschließen.
122. Eine Haftung der KVWL für Fehler des Arztes in Zusammenhang mit dem Notfalldienst ist ausgeschlossen.
13§ 4
14Diensteinteilung
151. Der Arzt kann als Vertretung eines zum Notfalldienst eingeteilten Vertrags- oder Privatarztes am Notfalldienst in teilnehmen, ausnahmsweise aber auch unmittelbar bei der Diensteinteilung berücksichtigt werden. Eine unmittelbare Einteilung zum Notfalldienst dienstverpflichteter Ärzte nach dieser Vereinbarung ist ausgeschlossen.
162. Der Arzt hat anzugeben, in welchen Notfalldienstbezirken er Notfalldienste übernehmen und ob er am Sitz- und/ oder am Fahrdienst teilnehmen will. Ist ein fachärztlicher Notfalldienst eingerichtet, muss er erklären, ob er nur an dem fachärztlichen oder auch an dem allgemeinärztlichen Notfalldienst teilnehmen will.
173. Die Diensteinteilung ist für den Arzt verbindlich. Er ist verpflichtet, auf die genaue Einhaltung der Dienstzeiten zu achten, pünktlich den Dienst anzutreten und bis zum verbindlichen Dienstende wahrzunehmen. Ist der Arzt verhindert, hat er für Ersatz zu sorgen.
184. Einen Anspruch auf Einteilung zum Notfalldienst hat der Arzt nicht.
19[…]
20§ 6
21Abrechnung und Kostenbeteiligung
221. Der Arzt rechnet die von ihm im Notfalldienst erbrachten Leistungen über die ihm von der KVWL hierfür mitgeteilte Abrechnungsnummer (LANR/BSNR) ab. Er ist verpflichtet, im Notfalldienst die Praxisgebühr zu erheben. Diese Einnahmen werden auf sein Honorar angerechnet. Für die Versteuerung des im Notfalldienst erwirtschaftete Honorar [richtig wohl: erwirtschafteten Honorars] ist der Arzt verantwortlich.
232. Zur Finanzierung der Kosten des Notfalldienstes erhebt die KVWL von dem Arzt einen Kostenanteil in Höhe von 10 % des von ihm im Notfalldienst erwirtschafteten Bruttohonorars, maximal jedoch 330,00 EUR pro Quartal, den sie unmittelbar von dem ermittelten Honoraranspruch in Abzug bringt.
24[…]“
25Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Vereinbarung vom 1.5.2011 verwiesen.
26In den Streitjahren nahm der Kläger am ärztlichen Notfalldienst im Sitz- und Fahrdienst als Vertreter für andere Ärzte unter Übernahme der Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung des Notdienstes teil. Einen eigenen Praxisbetrieb unterhielt der Kläger nicht. Die Vertretung zeigte der Kläger gegenüber der KVWL jeweils gemäß eines Formblatts an. In diesem war anzugeben, ob die Übernahme durch einen Arzt erfolgt, für den die Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung beim vertretenen Arzt verbleibt und durch den die Abrechnung gegenüber der KVWL erfolgt, oder ein Vertrags- oder KVWL-Poolarzt die Vertretung übernimmt, der die Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung des Dienstes übernahm und selbst die Leistungen im Notfalldienst abrechnete. Auf das Formblatt wird Bezug genommen. Gegenüber den vertretenen Ärzten rechnete der Kläger mit einem Stundenlohn zwischen 20,00 € und 40,00 € ab. Hierzu heißt es in zwei Beispielrechnungen an Dr. med. F L vom 21.3.2016 bzw. 15.12.2016, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird:
27„[…]
28Rechnung
29Für die Notdienstvertretung im […] am […] berechne ich für die […] Std. wie vereinbart […].
30Ferner möchte ich an einer guten Zusammenarbeit festhalten und würde Sie gerne nächstes Jahr weiterhin im Ärztlichen Notdienst vertreten. […]“
31Die vom Kläger im Rahmen des Notfalldienstes erbrachten ärztlichen Leistungen liquidierte der Kläger darüber hinaus entweder im Wege der Privatliquidation oder über die KVWL.
32Daneben führte der Kläger in den Streitjahren für die Polizeibehörde M, insbesondere die Polizeidienststelle E, Blutentnahmen durch. In diesem Zuge fertigte der Kläger jeweils einen einseitigen ärztlichen Bericht gemäß einem Muster. In diesem war die Feststellung der Personalien, die Eintragung des Zeitpunkts und der Entnahmeform von Blut-, Urin- und Haarproben, die Aufnahme des Ergebnisses einer Befragung zum Vorliegen eines Blutverlusts u.ä. innerhalb der letzten 24 Stunden und der Vermerk eines Untersuchungsbefundes zu bestimmten Merkmalen vorgesehen. Die Liquidation für die Blutentnahmen erfolgte gegenüber der Landeskasse in … und hing dabei unter anderem davon ab, zu welchem Zeitpunkt und wie viele Blutentnahmen durchgeführt wurden. Zu vermerken war ebenfalls, an welchem Ort die Maßnahme auf polizeiliche Anordnung erfolgte.
33Der Kläger gab für die Streitjahre keine Umsatzsteueranmeldungen ab. Mit Prüfungsanordnung vom 10.7.2018 ordnete der Beklagte zunächst für die Streitjahre 2014 bis 2016 die Durchführung einer steuerlichen Außenprüfung an, mit der er am 17.11.2018 begann und deren Umfang mit Anordnung vom 5.12.2018 um die Jahre 2012 und 2013 erweitert wurde. Im Zuge der Außenprüfung ermittelte die Prüferin ausweislich einer Zusammenstellung der Erlöse, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird, Einnahmen aus Privatliquidationen, vom Land NRW, von Städten und von Bestattungsinstituten i.H. von brutto 48.174 € (2012), 46.005 € (2013), 34.482 € (2014), 24.424 € (2015) und 24.493 € (2016). Hieraus entfielen nach den Feststellungen der Außenprüfung auf Blutentnahmen im Jahr 2012 brutto 23.229 € und im Jahr 2016 brutto 4.687 €. Für die Jahre 2013 bis 2015 schätzte die Prüferin Einnahmen aus Blutentnahmen i.H. von brutto 20.000 € (2013), 10.000 € (2014) und 5.000 € (2015). Im Bericht über die Betriebsprüfung vom 18.7.2019 stellte die Prüferin darüber hinaus unter anderem fest, dass die Haupttätigkeit des Klägers darin bestehe, zum ärztlichen Notfalldienst bei der KVWL im Fahr- und Sitzdient verpflichtete Ärzte zu vertreten und den Notdienst für diese auszuüben. Gegen Ende eines Jahres plane der Kläger mit Kollegen, welche Dienste er im Folgejahr übernehmen könne. Nach Durchführung des Dienstes stelle er dem jeweiligen Kollegen eine Rechnung, in der ein Stundenlohn zwischen 20 € und 40 € angesetzt werde. Diese Tätigkeit sei entgegen der Handhabung durch den Kläger steuerpflichtig. Der Kläger erbringe bei der Übernahme des Notdienstes eine Leistung, die getrennt von der Heilbehandlung zu würdigen sei. Es handele sich nicht um eine einheitliche Leistung mit der Behandlung der Patienten. Zum einen führe der Kläger gegenüber den Patienten eine Heilbehandlung aus, die nach § 4 Nr. 14 Buchst. a) des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfrei sei. Zum anderen erbringe der Kläger gegenüber dem Arzt, dessen Notdienst er gegen Entgelt übernehme, eine sonstige Leistung. Diese Leistung werde nicht zum Zweck der Diagnose, der Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten und Gesundheitsstörungen bei Menschen vorgenommen. Ein therapeutisches Ziel stehe nicht im Vordergrund. Die Leistung gegenüber dem anderen Arzt bestehe ausschließlich in der Anwesenheitspflicht im Notdienst. Soweit der Kläger auf das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 2.8.2018, V R 37/17, betreffend die Steuerbefreiung von notärztlichen Bereitschaftsdiensten verweise, folge hieraus nicht anderes. Im Urteil werde vorausgesetzt, dass der Arzt zusätzliche Leistungen erbringe, die dazu dienten, eine gesundheitliche Gefahrensituation frühzeitig zu erkennen, um sofort geeignete Maßnahmen einleiten und damit einen größtmöglichen Behandlungserfolg sicherstellen zu können. Diese Zusatzleistungen, wie die Prüfung örtlicher Risiken für die Gesundheit der Teilnehmer, kontinuierliche Rundgänge und ein regelmäßiges Beobachten der Veranstaltungsteilnehmer als ärztlich diagnostische Tätigkeit, seien ausschlaggebend. Diese Tätigkeit sei jedoch mit der Tätigkeit des Klägers nicht zu vergleichen. In den Streitjahren seien damit die Bruttoeinnahmen i.H. von 45.760 € (2012, netto: 38.453 €), 60.665 € (2013, netto; 50.798 €), 48.015 € (2014, netto; 40.348 €), 42.035 € (2015, netto; 35.323 €) und 40.710 € (2016, netto: 34.210 €) der Umsatzsteuer zu 19% zu unterwerfen.
34Soweit der Kläger darüber hinaus für die Polizeidienststelle E Blutentnahmen durchführe, sei dies ebenfalls entgegen der bisherigen Handhabung steuerpflichtig. Anhand der Blutproben würden unter anderem Blutalkohol- oder Drogenuntersuchungen durchgeführt. Einem therapeutischen Zweck diene die medizinische Leistung nicht.
35Nach § 4 Nr. 14 Buchst. a) UStG steuerfrei seien dagegen insbesondere die im Rahmen des ärztlichen Notdienstes durch die Behandlung der Patienten ausgeführten Heilbehandlungsleistungen. Diese würden entweder über Privatliquidation oder über die KVWL abgerechnet. Um eine steuerfreie Heilbehandlung handele es sich auch, soweit der Kläger in der Arztpraxis seiner Mutter unterstützend tätig würde. Die Mutter des Klägers leite die Einnahmen, die sie von der KVWL erhalten habe, an den Kläger weiter. Ebenso steuerfrei seien die vom Kläger in der Polizeibehörde und der Justizvollzugsanstalt E durchgeführten Untersuchungen zur Verwahr- und Haftfähigkeit, die gegenüber der Landeskasse … oder dem Kreis M abgerechnet würden.
36Bei diesen stehe die körperliche Untersuchung und medizinische Betreuung der Person im Vordergrund. Die Abrechnung dieser Tätigkeiten erfolge gegenüber den Bestattungsinstituten bzw. der Landeskasse … oder dem Kreis M.
37Die Rechnungsstellung werde von der Mutter des Klägers übernommen, die auch die Zahlungseingänge überprüfe und die Erlöse zusammenstelle. Für die Tätigkeitsbereiche Ärztevertretung, Einnahmen KVWL, Polizeieinsätze/Privatpatienten seien die einzelnen Einnahmen jeweils aufsummiert und als Summen dem Steuerbüro mitgeteilt worden. Aufzeichnungen, aus denen sich die Einnahmen im Einzelnen nachvollziehen ließen, habe der Kläger zur Prüfung nicht vorlegen können. Eine laufende, vollständige, richtige, zeitgerechte und geordnete Aufzeichnung aller Geschäftsvorfälle sei damit nicht festzustellen.
38Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bericht der Außenprüfung vom 18.7.2019 Bezug genommen.
39Der Kläger nahm mit Schriftsätzen vom 7.8.2019 und vom 23.9.2019 zum Bericht der Außenprüfung Stellung. Er ist der Ansicht, dass die Übernahme des ärztlichen Notdienstes und die durchgeführten Blutentnahmen umsatzsteuerfreie Heilbehandlungen seien. Von der Steuerfreiheit der durchgeführten Blutentnahmen gehe ausweislich eines Schreibens vom 12.7.2019 auch die Kreispolizeibehörde M aus, die die Erstattung der Umsatzsteuer für eine am 1.6.2019 durchgeführte Blutuntersuchung abgelehnt habe. Unabhängig davon sei betreffend die Höhe der Besteuerung zu berücksichtigen, dass ein Betrag i.H. von 3.975 € an die jeweiligen Überweisenden zurücküberwiesen worden sei. Dem liege zugrunde, dass der Kläger in diesen Fällen die ärztliche Vertretung nicht übernommen habe, weshalb eine Rücküberweisung erfolgt sei. Dies sei bisher nicht berücksichtigt worden, weil die Betriebseinnahmen allein anhand der Summe der Gutschriften aus den Kontoauszügen ermittelt worden seien.
40Der Beklagte schloss sich den Feststellungen der Außenprüfung grundsätzlich an und erließ mit Datum vom 24.10.2019 Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2012 bis 2016.
41Betreffend die Höhe der festzusetzenden Umsatzsteuer ging der Beklagte für die Vertretungen im ärztlichen Notdienst von den Feststellungen der Außenprüfung aus, minderte jedoch entsprechend dem klägerischen Schriftsatz vom 23.9.2019 für das Jahr 2013 die Höhe der Umsätze um einen Betrag i.H. von netto 3.340 €. Für die vom Kläger vorgenommenen Blutentnahmen übernahm der Beklagte die Ermittlungen der Außenprüfung und legte Umsätze i.H. von 19.520 € (2012), 16.806 € (2013), 8.403 € (2014), 4.201 € (2015) und 3.938 € (2016) zugrunde.
42Mit Schriftsatz vom 31.10.2019 legte der Kläger Einspruch ein. Ausweislich eines Telefonvermerks vom 22.11.2019 erfolge die Einspruchseinlegung urlaubsbedingt vorsorglich. Nach nochmaliger Prüfung der Steuerbescheide sei festgestellt worden, dass neben der strittigen Umsatzsteuerpflicht für die Jahre 2012 bis 2016 die Besteuerungsgrundlagen zur Einkommensteuer 2013 hinsichtlich der Höhe der Einnahmen aus Arztvertretungen möglicherweise nicht richtig ermittelt worden seien. Die Höhe der Einnahmen werde in den nächsten Tagen von einem Mitarbeiter überprüft. Mit Schriftsatz vom 5.12.2019 führte der Kläger sodann zur Einspruchsbegründung aus, der Einspruch beziehe sich auf die umsatzsteuerliche Behandlung der Vertretung im ärztlichen Notdienst sowie die Blutentnahme und Untersuchung im Polizeigewahrsam. Sowohl die Vertretung im ärztlichen Notdienst als auch die Entnahme von Blut und Untersuchung im Polizeigewahrsam erfolge nach § 4 Nr. 14 Buchst. a) UStG umsatzsteuerfrei. Dem folgte der Beklagte nicht und wies die Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom 16.6.2020 als unbegründet zurück.
43Der Kläger hat am 9.7.2020 Klage erhoben. Er ist weiterhin der Ansicht, die Vertretung im ärztlichen Notdienst und die Entnahme von Blut und Untersuchung im Polizeigewahrsam erfolge nach § 4 Nr. 14 Buchst. a) UStG umsatzsteuerfrei. Er habe sich mit der Vereinbarung vom 1.5.2011 freiwillig an der Teilnahme zum Notfalldienst verpflichtet. Die Voraussetzungen für die Teilnahme seien die ärztliche Approbation und mindestens die Absolvierung der Hälfte der Weiterbildungszeit sowie eine ausreichende Qualifikation bzw. grundlegende Kenntnisse der Notfallmedizin. Auf Grundlage dieser Vereinbarung könne er lediglich als Vertretung einer zum Notfalldienst verpflichteten Person eingeteilt werden. Einen eigenen Anspruch auf Einteilung zum ärztlichen Notfalldienst habe er nicht. Entsprechend vertrete er niedergelassene Ärzte, die nach § 2 Abs. 1 GNO die Patientenversorgung außerhalb der üblichen Praxisöffnungszeiten sicherzustellen hätten. Er stelle auf diesem Wege nicht die an sich verpflichteten Ärzte von ihrer Pflicht frei, sondern er übernehme die Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung des Notdienstes und erbringe unter seiner ärztlichen Zulassung alle Leistungen der niedergelassenen Ärzte, die der Patientenversorgung während der Notdienstzeiten dienten. Dazu gehöre zur Sicherstellung der ganztägigen Versorgungsbereitschaft die heilberufliche Tätigkeit im Sitz- und Fahrdienst.
44Für diese Tätigkeit erhalte er eine Vergütung von den niedergelassenen Ärzten. Dem liege zugrunde, dass in Nordrhein-Westfalen das Entgelt für die Notfallversorgung der Patienten als Teil des allgemeinen Versorgungsauftrags des Arztes geleistet werde. Der niedergelassene Arzt erhalte mithin keine zusätzliche Vergütung, sondern die Leistungen seien im Rahmen der monatlichen „Scheinabrechnungen“ mit abgegolten. Anders sei dies beispielsweise in Niedersachsen, wo die Notdiensttätigkeit unmittelbar von der zentralen Notfallpraxis der Ärzteschaft vergütet werde. Vor diesem Hintergrund erfolge lediglich eine Weitergabe des bereits erhaltenen Entgelts durch den niedergelassenen Arzt. Es handele sich um einen bloßen Zahlungsvorgang für die Leistung Aufrechterhaltung einer Notfallversorgung. Diese Leistung von der eigentlichen Untersuchungsleistung abzukoppeln sei künstlich und aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers eine künstliche Aufteilung.
45Selbst wenn es sich um zwei Leistungen handelte, wäre die Vertretung im ärztlichen Notdienst als steuerfreie Heilbehandlung nach § 4 Nr. 14 Buchst. a) UStG anzusehen. Steuerfrei seien Leistungen eines Arztes, wenn sie der medizinischen Betreuung von Personen durch das Diagnostizieren und Behandeln von Krankheiten oder anderen Gesundheitsstörungen dienten. Der Begriff sei nicht besonders eng auszulegen. Erfasst seien auch Leistungen, die zum Zweck der Vorbeugung und zum Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der menschlichen Gesundheit erbracht würden. Auch die Sicherstellung des Versorgungsauftrages, die im Rahmen der ärztlichen Notdienste dem Kläger in eigener Verantwortung obliege, sei nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 20.11.2002, C-212/01, bereits als Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin anzusehen. Unerheblich seien demgegenüber die Abrechnungsmodalitäten. Es komme damit nicht darauf an, durch wen die Bezahlung erfolge. Auch bei der Regelversorgung erhalte ein Arzt sein Entgelt nicht direkt vom jeweiligen Patienten, sondern von der KVWL. Insoweit sei der Sachverhalt nicht anders zu beurteilen, wenn die KVWL nunmehr einen Dritten in die Vergütung einbeziehe. Auch die Person des Leistungsempfängers sei unerheblich. Ein Arzt könne daher auch gegenüber anderen Ärzten eine steuerfreie Heilbehandlung erbringen, wie der Bundesfinanzhof (BFH) im Urteil vom 25.11.2004, V R 44/02, erkannt habe.
46Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass telefonische Beratungsleistungen, die eine therapeutische Zielsetzung verfolgten, nach dem Urteil des EuGH vom 5.3.2020, C-48/19, unter den Begriff der Heilbehandlung zu fassen seien. Die Vertretung im ärztlichen Notdienst umfasse aber gerade nicht die bloße Anwesenheit und Einsatzbereitschaft. Die Patientenversorgung beinhalte vielmehr die Aufnahme der Anamnese bei telefonisch eingehenden Notfällen und die Entscheidung darüber, ob der Patient in die Notfallsprechstunde einbestellt werde, ein Hausbesuch vorzunehmen oder ein Rettungswagen zu alarmieren sei.
47Die Rechtsprechung gehe in vergleichbaren Fällen davon aus, dass eine umsatzsteuerfreie Heilbehandlung vorliege. So habe das FG Köln mit Urteil vom 3.7.2017, 9 K 1147/16, entschieden, dass die Entgelte eines freiberuflichen Arztes für Notarztdienste im Auftrag eines Krankenhauses steuerfrei seien. Das FG Niedersachsen habe mit Urteil vom 23.1.2020, 11 K 186/19, ebenfalls entschieden, dass die Übernahme eines ärztlichen Notdienstes steuerfrei sei. Derartige Dienste seien unerlässlich für notärztliche Behandlungen und gehörten zum typischen Berufsbild eines Arztes. Sie gewährleisteten eine zeitnahe Behandlung von Notfallpatienten und verfolgten damit einen therapeutischen Zweck. Die Aufrechterhaltung des Notdienstbetriebs sei aus Sicht eines durchschnittlichen Kunden untrennbar mit der Heilbehandlung verbunden. Schließlich habe es der BFH mit Urteil vom 2.8.2018, V R 37/17, ausreichen lassen, dass die Leistung den Zweck verfolge, gesundheitliche Gefahrensituationen frühzeitig zu erkennen, um sofort geeignete Maßnahmen einleiten und damit einen größtmöglichen Erfolg sicherstellen zu können. Dass er die Heilbehandlung gegenüber den Patienten und nicht gegenüber dem Veranstalter, der Leistungsempfänger der Verpflichtung des Arztes gewesen sei, erbracht habe, sei unerheblich.
48Schließlich verfolge § 4 Nr. 14 Buchst. a) UStG den Zweck, die Kosten von Heilbehandlungen zu senken und diese für den Einzelnen leichter zugänglich zu machen. Ferner verbiete es der Grundsatz der steuerlichen Neutralität insbesondere, dass Wirtschaftsteilnehmer, die gleichartige Umsätze bewirkten, bei der Mehrwertsteuererhebung unterschiedlich behandelt würden. Zu einer solchen unterschiedlichen Behandlung käme es aber, wenn die Leistung künstlich in eine ärztliche Behandlungsleistung und eine sonstige Leistung anderer Art aufgeteilt würde. Er, der Kläger, könnte seine Leistung im Wettbewerb mit anderen niedergelassenen Ärzten nicht mehr steuerfrei anbieten, obwohl der Kern der Leistung immer auf eine ärztliche Behandlungsleistung gerichtet sei. Auch wäre ein niedergelassener Arzt in Einzelpraxis gegenüber Ärzten in großen Gemeinschaftspraxen benachteiligt. Während letztere eine Vertretung innerhalb der Praxis organisieren könnten, müsste der niedergelassene Arzt in Einzelpraxis diese Leistung zusätzlich mit Umsatzsteuer belastet einkaufen. Zweck der Steuerbefreiung sei jedoch, wettbewerbsneutral die medizinische Versorgung in den Mitgliedsstaaten 24/7 kostengünstig sicherzustellen.
49Soweit dem nicht gefolgt werde, sei zu berücksichtigen, dass er zwei eigenständig zu beurteilende Leistungen erbringe. Zum einen erbringe er die Behandlungsleistungen gegenüber den Patienten, zum anderen Sitzdiente ohne Patientenkontakt. Die Behandlungsleistungen gegenüber den Patienten seien aber bisher überhaupt nicht gewürdigt worden. Während der Notfallsprechstunden würden auch ärztliche Leistungen ohne besondere Befunderhebung wie die unmittelbare Einweisung in ein Krankenhaus erbracht. Insoweit bedürfe es widrigenfalls einer weiteren Beweiserhebung. Der Kläger erbringe entweder tatsächlich Heilbehandlungen oder stelle mit seinen Leistungen eine schnelle Versorgung sicher.
50Auch seine ärztlichen Leistungen im Polizeigewahrsam seien steuerfrei. Der Kläger nehme in jedem Fall eine ausführliche Anamnese auf, die der Beurteilung des gesundheitlichen Zustands des Patienten und der Einschätzung der Frage diene, weshalb sich der Patient im Polizeigewahrsam befinde. Die Untersuchungen fielen in den Bereich der neurologischen Befundaufnahme, die Blutaufnahme ergänze diesen Zweck und sei Teil dieser Hauptleistung. Soweit der Beklagte von einer Steuerpflicht dieser Leistungen ausgehe, sei für die Jahre 2013 bis 2015 nicht nachvollziehbar, wie der Beklagte im Schätzungswege die fraglichen Umsätze ermittelt habe.
51Der Kläger beantragt,
52die Umsatzsteuerbescheide 2012 bis 2016 vom 24.10.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.6.2020 dergestalt zu ändern, dass die Umsatzsteuer 2012 bis 2016 auf jeweils 0 € festgesetzt wird,
53hilfsweise,
54die Revision zuzulassen.
55Der Beklagte beantragt,
56die Klage abzuweisen,
57hilfsweise,
58die Revision zuzulassen.
59Der Beklagte meint, der Kläger erbringe im Rahmen der Vertretung im ärztlichen Notfalldienst zwei eigenständig zu beurteilende Leistungen. Zum einen erbringe er Heilbehandlungen gegenüber den Patienten. Diese würden mit der KVWL oder per Privatliquidation gesondert abgerechnet und seien nach § 4 Nr. 14 Buchst. a) UStG von der Umsatzsteuerpflicht befreit. Zum anderen befreie der Kläger die zum ärztlichen Notfalldienst verpflichteten Ärzte von ihrer Verpflichtung. Diese Leistung sei unabhängig von den im abzuleistenden Notdienst durchgeführten Heilbehandlungen und stelle keine Nebenleistung zu diesen dar. Sie sei zudem von der Wahrnehmung des ärztlichen Notdienstes selbst zu unterscheiden, dessen Wahrnehmung gegenüber der KVWL geschuldet werde. Den Ärzten gegenüber schulde der Kläger jedoch nur die Entbindung und die Erfüllung an ihrer Stelle, weshalb der Kläger auch nicht die Ausübung des Notdienstes sondern die Vertretungsleistung in Rechnung stelle. Eine Heilbehandlung liege hierin aber nicht, es fehle an einem therapeutischen Zweck. Der Ansicht des Klägervertreters, dass das Vorliegen eines therapeutischen Zwecks für die Beurteilung der Leistungsverhältnisse unmaßgeblich sei, könne hierbei ausdrücklich nicht gefolgt werden
60Die vom Kläger genannten Urteilsfälle seien nicht vergleichbar. In diesen Fällen seien die jeweiligen Ärzte unmittelbar für die Notfall- und Bereitschaftsdienste vergütet worden. Demgegenüber werde der Kläger für die Übernahme der Verpflichtung der vertretenen Ärzte vergütet. Die übernommene Verpflichtung werde jedoch nach der GNO nicht vergütet. Der Kläger erhalte seine Vergütung auch nicht für Tätigkeiten wie fernmündliche Beratungen und die Erstellung von Erstdiagnosen, denn für die Tätigkeiten sei keine Vergütung vorgesehen.
61Die am 1.5.2011 zwischen dem Kläger und der KVWL geschlossene Vereinbarung über die freiwillige Teilnahme am ärztlichen Notfalldienst in Westfalen-Lippe stelle entgegen der Annahme des Klägervertreters keine Verpflichtung zur Teilnahme am ärztlichen Notfalldienst dar. Vielmehr berechtige sie den Kläger dazu, zum ärztlichen Notfalldienst verpflichtete Ärzte zu vertreten. Der Kläger sei aufgrund dieser Vereinbarung somit dazu berechtigt, im Rahmen des ärztlichen Notfalldienstes Heilbehandlungen gegenüber Patienten zu erbringen. Hiervon losgelöst seien die Leistungen des Klägers gegenüber den vertretenen Ärzten zu beurteilen.
62Soweit sich der Kläger auf den Grundsatz der steuerlichen Neutralität berufe, folge hieraus nichts anderes. Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität verbiete es, dass Wirtschaftsteilnehmer, die gleichartige Umsätze bewirkten, bei der Mehrwertsteuererhebung unterschiedlich behandelt würden. Eine solche Ungleichbehandlung sei im vorliegenden Fall aber bereits aus dem Grund nicht gegeben, dass es sich bei den hier maßgeblichen Leistungen nicht um gleichartige Umsätze handele.
63Auch die Umsätze aus den Blutentnahmen für die Polizei seien umsatzsteuerpflichtig. Umsätze aus ärztlicher Sachverständigentätigkeit und der Erstellung von Gutachten seien lediglich dann steuerfrei, wenn der Hauptzweck der Begutachtung im Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit liege. Steuerpflichtig seien dagegen Gutachten, die der Entscheidungsfindung eines Dritten dienten, die gegenüber dem Betroffenen oder einer anderen Person Rechtswirkungen entfalte. Ein mittelbarer Beitrag zum Schutz des Betroffenen genüge nicht. In diesem Sinne seien Alkohol- und Drogengutachten zum Zwecke der Untersuchung der Fahrtüchtigkeit sowie im Zusammenhang mit anderen gerichtlichen Zwecken nicht von der Umsatzsteuer befreit. Im Streitfall tätige der Kläger die Blutentnahmen für die Polizei, der dadurch die Bestimmung der Blutalkoholkonzentration ermöglicht werde. Diese sei Grundlage für etwaige Ermittlungsverfahren und weitere Verfahren wie etwa die Entziehung der Fahrerlaubnis. Hierin liege das Hauptziel der Blutentnahme. Angaben zur Verwahrfähigkeit seien dabei möglicherweise erforderlich, jedoch eher nebensächlich. Hierfür spreche auch, dass ausschließlich die Blutentnahme vergütet werde.
64Die Betriebsprüfung habe für die Jahre 2012 und 2016 die hiernach steuerpflichtigen Beträge auf Grundlage der vom Kläger vorgelegten Abrechnungen für die getätigten Blutentnahmen ermittelt. Den vorgelegten Abrechnungen habe man Bruttoumsätze i.H. von 23.229 € beziehungsweise 4.687 € entnommen. Für die Jahre 2013 bis 2015 seien die Umsätze aus Blutentnahmen durch die Betriebsprüfung geschätzt worden. Hierbei habe sich die Betriebsprüfung an den erklärten Umsätzen des Klägers aus der Behandlung von Privatpatienten, der Tätigkeit als Bestatter sowie den Tätigkeiten gegenüber dem Land NRW beziehungsweise einzelnen Kommunen orientiert. Ein bestimmter Prozentsatz sei der Schätzung jedoch nicht zugrunde gelegt worden. Weitere Unterlagen zur Ermittlung der Werte lägen dem Beklagten nicht vor.
65Der Senat hat in der Sache am 9.5.2023 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen.
66Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die übersandten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
67Entscheidungsgründe:
68I. Die Klage ist unbegründet. Die Umsatzsteuerbescheide 2012 bis 2016 vom 24.10.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.6.2020 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Kläger kann eine weitergehende Behandlung der von ihm erbrachten Umsätze als steuerfrei nicht beanspruchen. Die vom Kläger vereinnahmten Gelder für die Vertretung im ärztlichen Notdienst stehen nicht im Zusammenhang mit einer nach § 4 Nr. 14 Buchst. a) UStG steuerfreien Heilbehandlung, sondern sind steuerpflichtig. Der Kläger erhält die Gelder von den vertretenen Ärzten für eine in der Übernahme des ärztlichen Notdienstes liegende sonstige Leistung (dazu unter 1.). Die Leistung ist nicht als steuerfreie Heilbehandlung im Sinne des § 4 Nr. 14 Buchst. a) UStG anzusehen (dazu unter 2.). Auch die vom Kläger durchgeführten Blutentnahmen für die Polizeibehörde sind nicht gemäß § 4 Nr. 14 Buchst. a) UStG von der Umsatzsteuer befreit (dazu unter 3.). Die Ermittlung der Höhe der steuerpflichtigen Umsätze seitens des Beklagten begegnet keinen durchgreifenden Bedenken (dazu unter 4.).
691. Der Kläger erbringt mit der Übernahme des ärztlichen Notdienstes gegenüber den vertretenen Ärzten eine sonstige Leistung gegen Entgelt, die auf die Freistellung des vertretenen Arztes von sämtlichen Verpflichtungen im Zusammenhang mit einem zugeteilten Notfalldienst gerichtet ist.
70a) Der Umsatzsteuer unterliegen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG die Umsätze aus Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Unionsrechtlich beruht dies auf Art. 2 Abs. 1 Buchst. c) der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (Mehrwertsteuersystemrichtlinie, nachfolgend: MwStSystRL).
71Für das Erfordernis einer entgeltlichen Leistung muss nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) und des Bundesfinanzhofs (BFH) zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis bestehen, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte bestimmbare Leistung bildet. Dies ist dann der Fall, wenn zwischen der erbrachten Leistung und dem erhaltenen Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Der Leistungsempfänger muss identifizierbar sein. Er muss einen Vorteil erhalten, der zu einem Verbrauch im Sinne des gemeinsamen Mehrwertsteuerrechts führt. Es bestimmt sich in erster Linie nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis, ob eine Leistung des Unternehmers vorliegt, die derart mit der Zahlung verknüpft ist, dass sie sich auf die Erlangung einer Gegenleistung (Zahlung) richtet (ständige Rechtsprechung, bspw. EuGH-Urteil vom 22.11.2018 C-295/17 – Meo - Serviços de Comunicações e Multimédia, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung – HFR – 2019, 58; EuGH-Urteil vom 23.12.2015 C-250/14, C-289/14 – Air France KLM u.a., HFR 2016, 173; BFH-Urteil vom 30.6.2022 V R 36/20, Sammlung amtlich veröffentlichter Entscheidungen des BFH – BFHE – 277, 508; BFH-Urteil vom 13.2.2019 XI R 1/17, BFHE 263, 560, Bundessteuerblatt – BStBl – II 2021, 785; BFH-Urteil vom 21.12.2016 XI R 27/14, BFHE 257, 154, BStBl II 2021, 779, jeweils mit weiteren Nachweisen).
72b) Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei den Zahlungen der vertretenen Ärzte um ein Entgelt für die Freistellung von der Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung des Notfalldienstes.
73aa) Die vertretenen Ärzte waren in Übereinstimmung mit der gemeinsamen Notfalldienstordnung der KVWL in der für die Streitjahre jeweils maßgeblichen Fassung zum ärztlichen Notdienst verpflichtet und eingeteilt worden. Nach § 1 Abs. 1 GNO ist es Aufgabe der niedergelassenen oder in einem Anstellungsverhältnis an der ambulanten Versorgung mitwirkenden Ärzte, die ambulante Versorgung der Patienten zu jeder Zeit sicherzustellen. Zur Teilnahme am ärztlichen Notdienst sind dem folgend nach § 2 GNO insbesondere zugelassene Vertragsärzte, niedergelassene ermächtigte Ärzte, niedergelassene privatärztlich tätige Ärzte und Ärzte verpflichtet, die in einem Anstellungsverhältnis an der ambulanten Versorgung mitwirken. Diesem Personenkreis oblag es, während näher bestimmter Zeiten im ärztlichen Notdienst die ambulante Versorgung der Patienten sicherzustellen, § 3 GNO. Zu diesem Zweck wurden die zum Notdienst verpflichteten Ärzte nach § 6 GNO durch den Bezirksstellenleiter durch Bekanntgabe des Notfalldienstplanes zum Notfalldienst herangezogen. Im sog. Sitzdienst nach § 8 Abs. 1 GNO waren die vertretenen Ärzte verpflichtet, den allgemeinen Notfalldienst während der Öffnungszeiten der Notfallpraxis von dieser aus wahrzunehmen und sich außerhalb der Öffnungszeiten innerhalb des Notfalldienstbezirkes für die Leitstelle ständig erreichbar zu halten. Auch der sog. Fahrdienst war nach § 8 Abs. 2 GNO grundsätzlich von der Notfallpraxis aus wahrzunehmen. Ihnen oblag insoweit im Notfall nach § 1 Abs. 3 GNO die Behandlung der Patienten bis zur nächstmöglichen regulären ambulanten oder stationären Behandlung und die Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung des Notfalldienstes (arg. ex § 9 Abs. 5 GNO).
74bb) Im Streitfall vertrat der Kläger die an sich zum ärztlichen Notdienst verpflichteten Ärzte und stellte sie auf diesem Wege von sämtlichen Verpflichtungen im Zusammenhang mit dem übernommenen Dienst einschließlich der Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung des Notfalldienstes frei.
75Nach § 9 Abs. 1 GNO konnte sich der zum Notdienst verpflichtete Arzt durch einen anderen geeigneten Arzt vertreten lassen. Allerdings verblieb nach § 9 Abs. 5 Satz 1 GNO die Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung des Notfalldienstes grundsätzlich beim vertretenen Arzt und ihm oblag die Abrechnung der im ärztlichen Notdienst erbrachten Heilbehandlungsleistungen gegenüber der KVWL. Etwas anderes galt nur, wenn die Vertretung durch einen Arzt erfolgte, der im Sinne des § 9 Abs. 5 GNO an der vertragsärztlichen Versorgung teilnahm. Dann gingen auf den Vertreter sämtliche Verpflichtungen im Zusammenhang mit dem übernommenen Dienst über, was nach § 9 Abs. 5 Satz 2 GNO die vollständige Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung des Notfalldienstes umfasste. Ebenso oblag nunmehr – wie auch das Formblatt der KVWL zur Anzeige der Vertretung in diesen Fällen belegt – dem Vertreter die Abrechnung der im ärztlichen Notdienst erbrachten Heilbehandlungsleistungen mit der KVWL.
76Die vom Kläger im Streitfall übernommenen Vertretungen führten in diesem Sinne dazu, dass die vertretenen Ärzte von sämtlichen Verpflichtungen im Zusammenhang mit dem übernommenen Dienst frei wurden. Der Kläger nahm auf Grund der Vereinbarung über die freiwillige Teilnahme am ärztlichen Notdienst in Westfalen-Lippe vom 1.5.2011 an der vertragsärztlichen Versorgung im Sinne dieser Bestimmung teil. Er unterwarf sich hierdurch der Geltung der GNO, § 2 Abs. 7 Satz 2 Hs. 2 GNO, und war nach § 4 Nr. 1 der Vereinbarung berechtigt, am ärztlichen Notdienst in Vertretung für einen anderen zum Notfalldienst eingeteilten Vertrags- oder Privatarzt teilzunehmen und die von ihm im Notfalldienst erbrachten Leistungen nach § 6 Nr. 1 der Vereinbarung unmittelbar mit der KVWL unter der ihm hierfür mitgeteilten Abrechnungsnummer abzurechnen. Dem entspricht es, dass die vom Kläger übernommenen Vertretungen in den Streitjahren der KVWL mit der für diesen Fall ausdrücklich vorgesehenen formularmäßigen Angabe angezeigt wurden, dass die Vertretung durch einen Vertrags- oder KVWL-Poolarzt erfolgt, der – wie der Kläger auch selbst vorträgt – die Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung des Dienstes übernimmt und selbst die Leistungen im Notfalldienst abrechnet. Entsprechend rechnete der Kläger die von ihm im ärztlichen Notdienst erbrachten Heilbehandlungen auch unmittelbar mit der KVWL unter Verwendung der ihm hierfür erteilten Abrechnungsnummer ab.
77cc) Ebendiesen Vorteil – die Freistellung von sämtlichen Verpflichtungen im Zusammenhang mit dem zugeteilten Notfalldienst – wollten sich die vertretenen Ärzte verschaffen. Sie vergüteten den Kläger, damit er sie im ärztlichen Notdienst vertrat und sie von sämtlichen Verpflichtungen im Zusammenhang mit dem konkret eingeteilten Notdienst frei werden. Entsprechend bemaßen die am Leistungsaustausch Beteiligten das Entgelt nach dem Stundenaufwand, der dem Kläger mit der Vertretung des jeweils eingeteilten Notdienstes entstand. Ebenso rechnete der Kläger dem folgend mit den vertretenen Ärzten ausweislich der vorliegenden Beispielsrechnungen ausdrücklich „für die Notdienstvertretung“ ab.
78c) Angesichts der vorstehenden Umstände überzeugt es nicht, wenn der Kläger einen unmittelbaren Zusammenhang zu den (verschiedenen) im ärztlichen Notdienst ausgeführten Tätigkeiten annehmen will. Dagegen, dass die von den vertretenen Ärzten erhaltenen Zahlungen in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den im ärztlichen Notdienst erbrachten Heilbehandlungsleistungen und / oder sonstigen Tätigkeiten wie die unmittelbare Weiterleitung von Patienten nach einem telefonischen Kontakt an eine Notaufnahme stehen, die nicht im Wege der Privatliquidation oder gegenüber der KVWL abrechnungsfähig sind, spricht weitergehend auch, dass die geleisteten Zahlungen – anders als in dem vom Kläger wiederholt angeführten Urteilsfall des FG Köln vom 3.7.2017, 9 K 1147/16 (EFG 2017, 1760) – nicht in einen Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten gestellt sind. Vielmehr wird die Vergütung stundenweise und damit unabhängig davon gewährt, ob im übernommenen Dienst tatsächlich Heilbehandlungsleistungen erbracht wurden oder sonstige Tätigkeiten wie sie der Kläger beschreibt erforderlich wurden. Dabei übersieht der Senat nicht, dass die am Leistungsaustausch beteiligten Personen auch ein pauschaliertes Entgelt vorsehen können, insbesondere wenn eine andere Abrechnungsmethode Faktoren berücksichtigt, die dem Zugriff und der Überprüfung des Leistungsempfängers entzogen sind. Hiervon kann allerdings angesichts der Bemessung nach dem Stundenaufwand aus Sicht des Senats nicht ausgegangen werden. Es ist auch nicht ersichtlich, weshalb der vertretene Arzt an den Kläger für die im ärztlichen Notdienst erbrachten Heilbehandlungsleistungen oder sonstigen Tätigkeiten ein (weiteres) Entgelt aufwenden sollte. Der Kläger rechnet die von ihm in eigener Verantwortung erbrachten Heilbehandlungsleistungen mit der KVWL oder im Wege der Privatliquidation unmittelbar ab. Für diese Leistungen sieht bereits die Gebührenordnung der Ärzte (GoÄ) in Abschnitt B. II. die Erhebung von Zuschlägen vor. Der Kläger erhält mithin sowohl für die im ärztlichen Notdienst erbrachten Heilbehandlungen als auch für sonstige Tätigkeiten als Vertreter ebenjenes Entgelt, das auch der vertretene Arzt erhalten würde, wenn er sich nicht vom Kläger vertreten lassen würde.
79d) Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Zahlungen der vertretenen Ärzte an den Kläger allein einer umsatzsteuerlich irrelevanten Weiterleitung von Geldern dienten, die die vertretenen Ärzte für den ärztlichen Notdienst im Rahmen der sog. „Scheinabrechnungen“ als Entgelt für außerhalb des ärztlichen Notdienstes erbrachte Heilbehandlungsleistungen erhalten hätten und die sie außerhalb eines Leistungsaustausches dem Kläger hätten zukommen lassen wollen. Dabei braucht der erkennende Senat nicht abschließend darüber zu befinden, ob dem Kläger darin zu folgen ist, dass mit den sog. Scheinabrechnungen für außerhalb des ärztlichen Notdienstes erbrachte Heilbehandlungsleistungen ein erhöhtes Entgelt gewährt wird, um im Wege einer Pauschale etwaige wirtschaftliche Nachteile aus der Verpflichtung zum ärztlichen Notdienst auszugleichen. Hiergegen spricht schon, dass die GoÄ für die im ärztlichen Notdienst erbrachten Heilbehandlungsleistungen die Erhebung eines Zuschlags vorsieht und damit ein Bedarf für ein entsprechendes Vorgehen nicht erkennbar ist. Ebenso haben jedenfalls die im Streitfall am Leistungsaustausch beteiligten Personen eine stundenweise Vergütung vereinbart. Dass diese Vergütung den vorab erhaltenen Geldern entsprechen würde, ist nicht ersichtlich. Jedenfalls würde sich eine derartige Weiterleitung aber nicht außerhalb eines umsatzsteuerlichen Leistungsaustausches vollziehen. Denn die Weiterleitung der Gelder würde dann in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Freistellung des vertretenen Arztes von sämtlichen Verpflichtungen im Zusammenhang mit einem eingeteilten Notfalldienst stehen, da die Gelder für die Freistellung aufgewandt werden, um wirtschaftliche Nachteile aus der Vertretung auszugleichen.
802. Die durch den Kläger erfolgte Übernahme eines zugeteilten ärztlichen Notdienstes unter Freistellung des vertretenen Arztes von sämtlichen Verpflichtungen im Zusammenhang mit diesem Dienst ist keine nach § 4 Nr. 14 Buchst. a) UStG steuerfreie Heilbehandlung.
81a) Von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG fallenden Umsätzen sind gemäß § 4 Nr. 14 Buchst. a) UStG Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut, Hebamme oder einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit durchgeführt werden, steuerfrei. Unionsrechtlich beruht dies auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. c) MwStSystRL. Danach sind „Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe durchgeführt werden", steuerfrei.
82Nach der Rechtsprechung des EuGH umfasst der Begriff „Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin“ Leistungen, die der Diagnose, der Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen dienen (hierzu und dem folgenden statt vieler EuGH-Urteil vom 4.3.2.2021 C-581/19 – Frenetikexito, HFR 2021, 525; BFH-Urteil vom 30.6.2022 V R 36/20, BFHE 277, 508; BFH-Urteil vom 26.8.2014 XI R 19/12, BFHE 247, 276, BStBl II 2015, 310, jeweils mit weiteren Nachweisen). Die „Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin“ im Sinne dieser Bestimmung muss zwingend einen therapeutischen Zweck verfolgen, da dieser ausschlaggebend dafür ist, ob eine ärztliche oder arztähnliche Leistung von der Mehrwertsteuer zu befreien ist. Das Erfordernis einer therapeutischen Zielsetzung einer Leistung ist allerdings nicht unbedingt in einem besonders engen Sinn zu verstehen. Vielmehr ist der Begriff unter Berücksichtigung des Zwecks der Steuerbefreiung auszulegen, der darin besteht, die Kosten ärztlicher Heilbehandlungen zu senken (bspw. EuGH-Urteil vom 13.3.2014 C-366/12 – Klinikum Dortmund, HFR 2014, 463). Erfasst sein können auch Beratungsleistungen, die darin bestehen, die in Betracht kommenden Diagnosen und Therapien zu erläutern sowie Änderungen der durchgeführten Behandlungen vorzuschlagen oder die es der betroffenen Person ermöglichen, ihre medizinische Situation zu verstehen und gegebenenfalls entsprechend tätig zu werden (EuGH-Urteil vom 5.3.2020 C-48/19 – X, HFR 2020, 494; BFH-Urteil vom 23.9.2020 XI R 6/20, BFHE 270, 230, BStBl II 2023, 415). Zu den Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin gehören zudem Leistungen, die zum Zweck der Vorbeugung erbracht werden, wie vorbeugende Untersuchungen (EuGH-Urteil vom 13.3.2014 C-366/12 – Klinikum Dortmund, HFR 2014, 463; BFH-Urteil vom 26.8.2014 XI R 19/12, BFHE 247, 276, BStBl II 2015, 310; BFH-Urteil vom 18.8.2011 V R 27/10, BFHE 235, 58). Insofern werden auch Maßnahmen erfasst, die darauf abzielen, die Beobachtung und die Untersuchung der Patienten zu ermöglichen, noch bevor es erforderlich wird, eine etwaige Krankheit zu diagnostizieren, zu behandeln oder zu heilen, oder gesundheitliche Gefahrensituationen frühzeitig zu erkennen, um sofort entsprechende Maßnahmen einleiten und damit einen größtmöglichen Erfolg einer (späteren) Behandlung sicherstellen zu können (EuGH-Urteil vom 10.6.2010 C-262/08 – CopyGene, HFR 2010, 886; BFH-Urteil vom 18.12.2019 XI R 23/19, BFHE 267, 571; BFH-Urteil vom 2.8.2018 V R 37/17, BFHE 263, 63). Demgegenüber kommt eine Steuerbefreiung für ärztliche Leistungen, die zu einem anderen Zweck als dem des Schutzes einschließlich der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der menschlichen Gesundheit erbracht würden, nicht in Betracht (EuGH-Urteil vom 5.3.2020 C-48/19 – X, HFR 2020, 494; BFH-Urteil vom 30.6.2022 V R 36/20, BFHE 277, 50). Steuerpflichtig ist deshalb beispielsweise der Verzicht eines Chefarztes gegenüber dem Träger der Klinik, an der er tätig ist, auf das ihm eingeräumte Recht zur Privatliquidation, um der Klinik selbst die Abrechnung gegenüber Privatversicherten zu ermöglichen (BFH-Urteil vom 30.6.2022 V R 36/20, BFHE 277, 508), oder die Überlassung von Operationsräumen an einen anderen Arzt (BFH-Urteil vom 18.3.2015 XI R 15/11, BFHE 249, 359, BStBl II 2015, 1058).
83b) Nach diesen Maßstäben ist die Übernahme eines zugeteilten ärztlichen Notdienstes unter Freistellung des vertretenen Arztes von sämtlichen Verpflichtungen im Zusammenhang mit diesem Dienst keine nach § 4 Nr. 14 Buchst. a) UStG steuerfreie Heilbehandlungsleistung.
84aa) Die vertretungsweise Übernahme eines zugeteilten Notdienstes dient keinem therapeutischen Zweck. Denn mit der Erbringung dieser Leistung ist im Vergleich zu der ursprünglichen Zuteilung des vertretenen Arztes zum ärztlichen Notdienst kein weitergehender Schutz der menschlichen Gesundheit verbunden. Die Vertretung dient vielmehr dem Zweck, den ursprünglich zu Notfalldienst herangezogenen Arzt von sämtlichen Verpflichtungen in Bezug auf den zugeteilten Notfalldienst zu befreien. Dies fördert – vergleichbar dem Verzicht eines Chefarztes auf das Recht zur Privatliquidation zugunsten des Klinikträgers (BFH-Urteil vom 30.6.2022 V R 36/20, BFHE 277, 508, Rz. 35) – den Schutz, die Aufrechterhaltung oder die Wiederherstellung der menschlichen Gesundheit nicht.
85bb) Soweit der Kläger demgegenüber unter Hinweis auf die Urteile des BFH vom 2.8.2018 (V R 37/17, BFHE 263, 63) und des Niedersächsischen FG vom 23.1.2020 (11 K 186/19, EFG 2020, 561) betont, die Durchführung des ärztlichen Notdienstes diene an sich einem therapeutischen Zweck, ist dem nicht zu folgen.
86(1) Zum einen kommt es auf die Frage, ob die Durchführung ärztlicher Notdienste einem therapeutischen Zweck dient, im Streitfall nicht an. Die Besonderheit der zu beurteilenden Leistung liegt darin, dass nicht nur ein ärztlicher Notdienst übernommen und damit im Sinne des Klägers von ihm durchgeführt wird, sondern dass die Übernahme vertretungsweise und damit unter der von den am Leistungsaustausch beteiligten Personen bezweckten Freistellung des an sich eingeteilten Arztes erfolgt. Der Kläger selbst war nach der Vereinbarung vom 1.5.2011 auch gar nicht berechtigt, selbst unmittelbar bei der Zuteilung zum ärztlichen Notdienst berücksichtigt zu werden. Insoweit unterscheidet sich der Streitfall aus Sicht des Senats von demjenigen, den das Niedersächsische FG im Verfahren 11 K 186/19 zu beurteilen hatte. Denn im dortigen Streitfall schuldete der Arzt gegenüber der zentralen Notfallpraxis der Ärzteschaft die Zurverfügungstellung seiner Arbeitskraft während der Bereitschaftsdienstzeit und erhielt hierfür unabhängig von der tatsächlichen Anzahl der behandelten Patienten eine Stundenvergütung (Niedersächsische FG Urteil vom 23.1.2020 11 K 186/19, EFG 2020, 561).
87(2) Zum anderen ist dem Kläger auch nicht darin zu folgen, dass die Durchführung des ärztlichen Notdienstes im ambulanten hausärztlichen Notdienst einem therapeutischen Zweck dient. Dabei verkennt der Senat nicht, dass dies erforderlich ist, um eine zeitnahe Patientenversorgung im ambulanten hausärztlichen Notfalldienst zu ermöglichen (hierzu noch unter I. 2. c) bb)). Allein das Vorhalten medizinischer (Personal-)Ressourcen im Sitz- oder Fahrdienst dient aber noch keinem therapeutischen Zweck. Es handelt sich vielmehr nur um die Schaffung der Voraussetzungen für die nachfolgende zeitnahe Erbringung von Heilbehandlungsleistungen, ohne selbst eine Heilbehandlungsleistung zu sein (vgl. zur Überlassung von Operationsräumen an einen anderen Arzt BFH-Urteil vom 18.3.2015 XI R 15/11, BFHE 249, 359, BStBl II 2015, 1058, Rz. 20; a.A. Niedersächsische FG Urteil vom 23.1.2020 11 K 186/19, EFG 2020, 561, Rz. 34 f.). Dass es sich auch hierbei um eine typische ärztliche Tätigkeit handelt, weil die spätere Erbringung einer Heilbehandlungsleistung diese Qualifikation erfordert, ist insoweit ohne Belang.
88Hierdurch unterscheidet sich der Streitfall auch von demjenigen, den der BFH im Verfahren V R 37/17 zu beurteilen hatte. Der BFH hat insoweit ausgeführt, dass der Kläger nicht nur den Veranstaltungsbereich im Vorfeld zu kontrollieren und die Verantwortlichen im Hinblick auf mögliche Gesundheitsgefährdungen zu beraten hatte, sondern während der Veranstaltung bei kontinuierlichen Rundgängen frühzeitig Gefahren und gesundheitliche Probleme der anwesenden Personen erkennen sollte. Gegenstand der Leistung war damit, gesundheitliche Gefahrensituationen frühzeitig zu erkennen, um sofort entsprechende Maßnahmen einleiten und damit einen größtmöglichen Erfolg einer (späteren) Behandlung sicherstellen zu können. Hierin erblickte der BFH einen therapeutischen Zweck, auf Grund dessen die Leistung als Heilbehandlung qualifizierte (BFH-Urteil vom 2.8.2018 V R 37/17, BFHE 263, 63, Rz. 17).
89cc) Angesichts der vorstehenden Umstände führt die Behandlung der Leistung des Klägers als steuerpflichtig auch nicht zu einer zweckwidrigen Erhöhung der Kosten für die Erbringung ärztlicher Heilbehandlungsleistungen. Vielmehr wird lediglich der Vorteil der vertretenen Ärzte umsatzsteuerlich belastet, der – gleichsam außerhalb des Systems ärztlicher Heilbehandlungsleistungen liegend – darin besteht, dass die vertretenen Ärzte in einem ihnen zugeteilten Notfalldienst vertreten und von sämtlichen Verpflichtungen in Bezug auf diesen befreit werden wollen.
90c) Soweit der Kläger darauf hinweist, dass die im ärztlichen Notdienst vorgenommenen Heilbehandlungen nach § 4 Nr. 14 Buchst. a) UStG steuerfrei sind und die Durchführung des ärztlichen Notdienstes für die hausärztliche Notfallversorgung und damit auch für die zeitnahe Vornahme von Heilbehandlungen unerlässlich ist, folgt hieraus nichts anderes. Denn weder bildet die Übernahme des zugeteilten ärztlichen Notdienstes unter Freistellung des vertretenen Arztes von sämtlichen Verpflichtungen im Zusammenhang mit diesem Dienst mit den etwaig im ärztlichen Notdienst erfolgten Heilbehandlungen eine einheitliche Leistung, noch vermag der Umstand, dass die Durchführung des ärztlichen Notdienstes unerlässlich für eine zeitnahe ambulante Patientenversorgung ist, eine Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 14 Buchst. a) UStG zu begründen.
91aa) Ob eine Mehrzahl zusammenhängender Leistungen umsatzsteuerlich als eine Gesamtleistung zu bewerten ist, bestimmt sich nach folgenden Grundsätzen: Grundsätzlich ist jeder Umsatz eine eigenständige Hauptleistung. Bei einem Umsatz, der ein Bündel von Einzelleistungen und Handlungen umfasst, ist aber im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu bestimmen, ob zwei oder mehr getrennte Umsätze vorliegen oder ein einheitlicher Umsatz. Dabei sind unter Berücksichtigung eines Durchschnittsverbrauchers die charakteristischen Merkmale des Umsatzes zu ermitteln. Insoweit darf einerseits eine wirtschaftlich einheitliche Leistung nicht künstlich aufgespaltet werden. Andererseits sind mehrere formal getrennt erbrachte Einzelumsätze als einheitlicher Umsatz anzusehen, wenn sie nicht selbständig sind. Einen einheitlichen Umsatz hat der EuGH für zwei Fallgruppen bejaht. Zum einen liegt eine einheitliche Leistung vor, wenn eine oder mehrere Einzelleistungen eine Hauptleistung bilden und die andere Einzelleistung oder die anderen Einzelleistungen eine oder mehrere Nebenleistungen bilden, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Dies setzt voraus, dass die Leistungen gegenüber ein und demselben Leistungsempfänger erbracht werden; Nebenleistungen Dritter oder an Dritte gibt es nicht. Zum anderen kann sich eine einheitliche Leistung daraus ergeben, dass zwei oder mehrere Handlungen oder Einzelleistungen des Steuerpflichtigen für den Kunden so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv einen einzigen untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang bilden, dessen Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Dies ist unter Berücksichtigung der jeweils zugrunde liegenden Rechtsverhältnisse zu beantworten (BFH-Urteil vom 26.5.2021 V R 25/20, BFHE 274, 197, BStBl II 2022, 131; BFH-Urteil vom 18.3.2015 XI R 15/11, BFHE 249, 359, BStBl II 2015, 1058; BFH-Beschluss vom 29.9.2011 V B 23/10, Sammlung nicht amtlich veröffentlichter Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 2012, 75; BFH-Beschluss vom 29.10.2013 V B 58/13, BFH/NV 2014, 192).
92Eine einheitliche Leistung kann danach unter dem Gesichtspunkt von Haupt- und Nebenleistung bereits deshalb nicht angenommen werden, weil die Leistungen gegenüber verschiedenen Leistungsempfängern, nämlich den vertretenen Ärzten einerseits und den Patienten andererseits, erbracht werden. Ebenso wenig kann aus Sicht des erkennenden Senats von einem untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang ausgegangen werden, dessen Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Denn für den vertretenen Arzt ist es unerheblich, inwieweit der Kläger im Rahmen des ärztlichen Notdienstes seiner Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung des Notfalldienstes nachkommt und ob und in welchem Umfang im Rahmen des ärztlichen Notdienstes die Erbringung von Heilbehandlungsleistungen erforderlich wird. Der vertretene Arzt wird nämlich mit der Vertretung von sämtlichen Verpflichtungen in Bezug auf den ursprünglich ihm zugewiesenen Notfalldienst frei. Gerade dies – die Übernahme des zugeteilten ärztlichen Notdienstes unter Freistellung des vertretenen Arztes von sämtlichen Verpflichtungen im Zusammenhang mit diesem Dienst – ist Gegenstand des Leistungsaustausches zwischen dem Kläger und den vertretenen Ärzten (dazu bereits unter I. 1. b); vgl. insoweit auch FG Köln Urteil vom 3.7.2017 9 K 1147/16, EFG 2017, 1760, Rz. 31).
93bb) Auch der Umstand, dass die Durchführung der Notfalldienste für eine zeitnahe Patientenversorgung im hausärztlichen Notdienst unerlässlich ist, vermag die Steuerfreiheit der Freistellung von sämtlichen Verpflichtungen in Bezug auf einen zugeteilten Notfalldienst nach § 4 Nr. 14 Buchst. a) UStG nicht zu begründen.
94Zwar umfasst die Steuerbefreiung noch Leistungen, die unerlässlicher, fester und untrennbarer Bestandteil einer gesamten Heilbehandlung sind und deren einzelne Abschnitte sinnvoller Weise nicht isoliert voneinander durchgeführt werden können (EuGH-Urteil vom 18.11.2010 C-156/09 – Verigen Transplantation Service International, HFR 2011, 121; BFH-Urteil vom 29.6.2011 XI R 52/07, BFHE 234, 461, BStBl II 2013, 971). Denn dann folgt die therapeutische Zweckbestimmung daraus, dass die Tätigkeit im Rahmen eines hinreichend „konkreten, individuellen, der Diagnose, Behandlung, Vorbeugung und Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen dienenden Leistungskonzeptes“ erfolgt (BFH-Urteil vom 11.1.2019 XI R 29/17, BFH/NV 2019, 440, mit weiteren Nachweisen). Um einen derartigen Zusammenhang geht es jedoch nicht, wenn der Kläger darauf hinweist, die Durchführung der Notfalldienste für eine zeitnahe Patientenversorgung im hausärztlichen Notdienst unerlässlich ist.
95Jenseits dessen kann der Begriff „ärztliche Heilbehandlung“ allerdings nicht auf sämtliche Leistungen, die mit der Behandlung von Patienten zusammenhängen, ausgedehnt werden. Die bei der Auslegung des § 4 Nr. 14 Buchst. a) UStG zu berücksichtigende Bestimmung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. c) MwStSystRL enthält nämlich im Gegensatz zu Art. 132 Abs. 1 Buchst. b) MwStSystRL keine Bezugnahme auf Umsätze, die „mit ärztlichen Heilbehandlungen eng verbunden“ sind. Deshalb erfasst Art. 132 Abs. 1 Buchst. c) MwStSystRL selbständige Leistungen, die nicht selbst als ärztliche Heilbehandlungen qualifizieren, aber für die Erbringung einer Heilbehandlungsleistung unerlässlich und damit mit ihr eng verbunden sind, grundsätzlich nicht (EuGH-Urteil vom 13.3.2014 C-366/12 – Klinikum Dortmund, HFR 2014, 463; BFH-Urteil vom 2.8.2018 V R 37/17, BFHE 263, 63; BFH-Urteil vom 18.3.2015 XI R 15/11, BFHE 249, 359, BStBl II 2015, 1058). Angesichts dessen kam es auf die weitere Frage, ob in den vom Kläger übernommenen Notfalldiensten überhaupt ärztliche Heilbehandlungsleistungen erbracht wurden, mit denen die Übernahme eng verbunden sein könnte, nicht an.
96d) Soweit der Kläger schließlich vorbringt, die Behandlung der Leistung des Klägers als steuerpflichtig führe zu mit dem Neutralitätsgrundsatz nicht vereinbaren Ergebnissen, weil eine vergleichbare Belastung bei medizinischen Versorgungszentren mit mehreren angestellten Ärzten und einer wechselseitigen Vertretung nicht eintreten würde, ist dem nicht zu folgen.
97Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität der Mehrwertsteuer verbietet es insbesondere, dass Wirtschaftsteilnehmer, die gleichartige Umsätze bewirken, bei der Mehrwertsteuererhebung unterschiedlich behandelt werden. Dem ist bei der Auslegung der Bestimmungen des Mehrwertsteuerrechts Rechnung zu tragen (statt vieler EuGH-Urteil vom 4.3.2.2021 C-581/19 – Frenetikexito, HFR 2021, 525; EuGH-Urteil vom 8.10.2020 C-657/19 – Finanzamt D, HFR 2020, 1205; EuGH-Urteil vom 13.3.2014 C-366/12 – Klinikum Dortmund, HFR 2014, 463; BFH-Urteil vom 18.12.2019 XI R 23/19, BFHE 267, 571; BFH-Urteil vom 18.3.2015 XI R 15/11, BFHE 249, 359, BStBl II 2015, 1058; BFH-Urteil vom 7.2.2013 V R 22/12, BFHE 240, 428, BStBl II 2014, 126).
98Allerdings sind die vom Kläger betrachteten Tätigkeiten nicht in diesem Sinne gleichartig. Denn Gegenstand des Leistungsaustausches zwischen dem Kläger und den von ihm vertretenen Ärzten ist die Übernahme des zugeteilten ärztlichen Notdienstes unter Freistellung des vertretenen Arztes von sämtlichen Verpflichtungen im Zusammenhang mit diesem Dienst (dazu bereits unter I. 1. b)). Demgegenüber verbleibt bei den anstellenden Ärzten bzw. den Trägern eines medizinischen Versorgungszentrums, die nach § 6 Abs. 3 Satz 1 GNO zum Notfalldienst herangezogen werden, in jedem Fall die Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung des Notfalldienstes. Ob der Notfalldienst vom anstellenden Arzt bzw. dem Träger des medizinischen Versorgungszentrums selbst oder einem der angestellten Ärzte wahrgenommen wird, ist nach § 6 Abs. 3 Satz 2 GNO ausdrücklich unerheblich.
993. Auch die vom Kläger vorgenommenen Blutentnahmen für die Polizeibehörden sind nicht nach § 4 Nr. 14 Buchst. a) UStG steuerfrei.
100a) Zwar sind als Heilbehandlungen noch medizinische Analysen anzusehen, die von praktischen Ärzten im Rahmen ihrer Heilbehandlungen angeordnet werden und zur Aufrechterhaltung der menschlichen Gesundheit beitragen, indem sie wie jede vorbeugend erbrachte ärztliche Leistung darauf abzielen, die Beobachtung und die Untersuchung der Patienten zu ermöglichen, noch bevor es erforderlich wird, eine etwaige Krankheit zu diagnostizieren, zu behandeln oder zu heilen. Wird eine ärztliche Leistung dagegen in einem Zusammenhang erbracht, der die Feststellung zulässt, dass ihr Hauptziel nicht der Schutz der menschlichen Gesundheit ist, kommt eine Steuerbefreiung als ärztliche Heilbehandlung nicht in Betracht. Dies gilt insbesondere, wenn Hauptzweck der Leistung nicht der Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit ist, sondern die Erstattung eines Gutachtens, das Voraussetzung einer Entscheidung ist, die Rechtswirkungen erzeugt (ständige Rechtsprechung, vgl. EuGH-Urteil vom 20.11.2003 C-212/01 – Unterpertinger, HFR 2004, 280; EuGH-Urteil vom 20.11.2003 C-307/01 – D'Ambrumenil und Dispute Resolution Services, HFR 2004, 278; BFH-Urteil vom 24.2.2021 XI R 30/20, BFHE 272, 259; BFH-Beschluss vom 31.7.2007 V B 98/06, BFHE 217, 94, BStBl II 2008, 35).
101b) Ausgehend hiervon sind Umsätze des Klägers im Zusammenhang mit der Entnahme von Blut für die Polizeibehörden nicht als steuerfreie Heilbehandlungsleistungen zu qualifizieren. Die Blutentnahmen wurden auf polizeiliche Anforderung durchgeführt und erfolgten, um den Blutalkoholwert zu bestimmen oder die Einnahme von Drogen festzustellen. In diesem Zusammenhang war ein ärztlicher Bericht zu erstellen, in dem das Geschlecht, das Gewicht, die Körpergröße der Zeitpunkt der Probenentnahme, das Ergebnis einer Befragung zum Vorliegen eines Blutverlustes, Schocks und von Erbrechen, zur Blutentnahme nach einer Narkose, zum Erhalt einer Trans- oder Infusion, zur Einnahme von Medikamenten oder Drogen und zum Vorliegen vom jeweiligen Vorfall unabhängiger Leiden sowie Auffälligkeiten im Zusammenhang mit einer weitergehenden Untersuchung wie das Gang- und Sprachbild festzuhalten war. Diese Feststellungen dienten nicht – wie der Kläger unter Verweis auf Fragen der Haft- und Verwahrfähigkeit behauptet – vorrangig dem Schutz des Gesundheitszustandes des Betroffenen, sondern der Beweiserhebung im Zusammenhang mit einem strafrechtlich oder öffentlich-rechtlich geführten Verfahren. Dem entsprechend wurde nicht die Untersuchung des Betroffenen, sondern die Blutentnahme selbst nach dem hierzu zu verwendenden Abrechnungsformular liquidiert, wobei eine Staffelung des Entgelts nach dem Ort, der Uhrzeit und der Anzahl der Blutentnahmen bei einer einzelnen Person erfolgt. Soweit demgegenüber eine Person im Polizeigewahrsam untersucht werden musste und damit diese Untersuchung im Vordergrund stand, erfolgte die Liquidation nach einem eigenständigen Formblatt und nach Maßgabe der GoÄ.
102c) Soweit der Kläger einwendet, die Begutachtung habe auch der Feststellung der Haft- oder Verwahrfähigkeit gedient, folgt hieraus nichts anderes. Der Beklagte hat die Untersuchungen zur Verwahr- und Haftfähigkeit nicht als steuerpflichtig behandelt. Die Untersuchungen im Polizeigewahrsam wurden auch mit einem eigenständigen Formblatt nach Maßgabe der GoÄ liquidiert. Angesichts dessen hätte es eines substantiierten Vortrags bedurft, in welchen Fällen der Kläger eine im Rahmen einer Haft- oder Verwahrfähigkeitsuntersuchung durchgeführte Blutentnahme getrennt von dieser Untersuchung vorgenommen und vergütet bekommen hat.
1034. Die Ermittlung der Höhe der hiernach der Umsatzsteuer zu unterwerfenden Umsätze begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Der Beklagte hat die Umsätze aus der Übernahme des zugeteilten ärztlichen Notdienstes unter Freistellung des vertretenen Arztes von sämtlichen Verpflichtungen im Zusammenhang mit diesem Dienst im Einzelnen ermittelt. Auch die Umsätze im Zusammenhang mit der Durchführung von Blutentnahmen für die Polizeibehörden sind für die Jahre 2012 und 2016 ermittelt worden. Soweit der Beklagte im Übrigen die Höhe der steuerpflichtigen Umsätze aus den in den Jahren 2013 bis 2015 durchgeführten Blutentnahmen anhand der Verhältnisse der Jahre 2012 und 2016 geschätzt hat, weil der Kläger entgegen § 22 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG hierzu keine (Einzel-)Aufzeichnungen geführt hat, begegnet die Höhe der festgesetzten Umsatzsteuer keinen durchgreifenden Bedenken. Der Kläger hat insoweit auch keine substantiierten Einwendungen unter Nachweis einer weitergehenden Steuerfreiheit der von ihm in den Jahren 2013 bis 2015 erbrachten Leistungen erhoben.
104II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
105III. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).