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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
2Streitig ist zwischen den Beteiligten die rückwirkende Aberkennung der Gemeinnützigkeit der Klägerin, einer in Liquidation befindlichen Stiftung.
3Die Eheleute A. und B. Z. schlossen am xx.xx.1998 einen notariell beurkundeten Erbvertrag (Urkundenrolle Nr. ... des Notars ...). Nach Ziffer II. sollte Erbin des Längstlebenden der beiden Eheleute die X Stiftung (die Klägerin) werden. Unter Ziffer III. setzten die Eheleute Vermächtnisse zugunsten ihrer Tochter, der am xx.xx.195x geborenen Frau D. . aus. Durch Herrn B. Z. wurde ein Vermächtnis ausgesetzt, wonach Frau Z. auf Lebenszeit eine monatliche Rente in Höhe von 5.000 DM, beginnend mit dem ersten Monat, der seinem Ableben folgt, erhalten sollte. Die Rente sollte sich im gleichen Verhältnis ändern wie sich von dem Tag des Vertragsschlusses an der Preisindex des Statistischen Bundesamts in Wiesbaden für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte ändere (Deutschland; Basisjahr 1991 = 100 Punkte). Maßgebend sein sollte der am xx.xx.1998 und dann jeweils am 1.1. zuletzt veröffentlichte Monats-Preisindex für das ganze dann beginnende Kalenderjahr.
4Beide Eheleute setzten zudem als Vermächtnis an ihre Tochter aus, dass diese nach dem Tod des Längstlebenden auf ihre Lebenszeit das unentgeltliche Nießbrauchsrecht an dem Grundstück Musterstraße 01 in K erhalten sollte. Ebenso sollte Frau D. Z. aus dem Nachlass des Längstlebenden den gesamten ehelichen Hausrat ihrer Eltern erhalten.
5Frau A. Z. verstarb am xx.xx.1999; Herr B. Z. verschied am xx.xx.1999. Ihr Testamentsvollstrecker wurde der Rechtsanwalt und Notar F..
6Mit Rücksicht auf eine Schenkung und die Zuwendung der Vermächtnisse ihrer Eltern verzichtete Frau D. Z. zunächst auf ihren Pflichtteilsanspruch. Weil sich in der Folgezeit aber Streitigkeiten über die Wirksamkeit des Verzichts entwickelten, schlossen Frau Z. und ihr Betreuer, Herr Rechtsanwalt E., einerseits und der Testamentsvollstrecker ihrer Eltern, Herr Rechtsanwalt und Notar F., andererseits am xx.xx.2000 eine Vereinbarung (Urkundenrolle Nr. ... des Notars ... mit dem Amtssitz in K), nach der Frau Z. ab dem xx.xx.1999 eine monatliche Leibrente in Höhe von 9.000 DM erhalten sollte (§ 1 Ziffer 1 der Vereinbarung). Auch diese sollte entsprechend dem Preisindex des Statistischen Bundesamtes angepasst werden (im Einzelnen s. § 1 Ziffer 2 der Vereinbarung). Auf die Leibrente angerechnet wurden alle Frau D. Z. zufließenden, wiederkehrenden Zahlungen (außer Arbeitseinkommen und Einkünfte aus Kapitalvermögen), insbesondere Renten oder sonstige Zahlungen aus der bei der ... Lebensversicherung AG – Versicherungsschein ... – abgeschlossenen Rentenversicherung gegen Einmalzahlung (§ 1 Ziffer 4 der Vereinbarung). Die Vertragschließenden waren sich darüber einig, dass die Leibrente ausschließlich und nachrangig gegenüber sonstigen Einkünften nur der Sicherstellung des angemessenen Lebensunterhalts von Frau D. Z. zu dienen bestimmt sein und insbesondere nicht der Vermögensbildung dienen sollte; Frau Z. verpflichtete sich daher mit Zustimmung ihres Betreuers, die Leibrente erst dann für Zwecke der Lebensführung zu verwenden, wenn ihre sonstigen Einkünfte --soweit diese von der Anrechnung nicht ausgenommen sein sollten-- verbraucht sein sollten (vgl. § 2 Ziffer 1 der Vereinbarung). Hiermit sollten alle erb- und pflichtteilsrechtlichen Ansprüche seitens Frau Z. abgegolten sein, das galt insbesondere auch im Hinblick auf den Nießbrauch an dem Grundstück Musterstraße 01 in K, auf den Frau Z. verzichtete (§ 3 Abs. 1 der Vereinbarung).
7Erbin der verstorbenen Eheleute Z. wurde entsprechend dem Erbvertrag die Klägerin, die durch die Bezirksregierung L am xx.xx.2004 anerkannt wurde.
8Die Klägerin verfolgte gemäß § 2 Ziffer 1 Satz 1 der Satzung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige und mildtätige Zwecke i.S. des Abschnitts „Steuerbegünstigte Zwecke“ der Abgabenordnung (AO). Sie war selbstlos tätig (§ 2 Ziffer 1 Satz 2 der Satzung). Eigenwirtschaftliche Zwecke durften nicht verfolgt werden; die Mittel der Klägerin durften nur für die satzungsgemäßen Zwecke verwendet werden (§ 2 Ziffer 1 Sätze 1 und 2 der Satzung).
9Zweck der Klägerin war nach § 3 Ziffer 1 der Satzung die Förderung von wissenschaftlichen Arbeiten, Projekten und Einrichtungen bei Universitäten, vorzugsweise die Unterstützung hilfsbedürftiger und begabter Absolventen der medizinischen Fakultät der Universität K durch Vergabe von Stipendien für Dissertationen und andere wissenschaftliche Arbeiten, besonders auf dem Gebiet [...]; von den verfügbaren Überschüssen sollten in der Regel 25 % zur Förderung entsprechender Zwecke anderer Fachbereiche der [...] Universitäten eingesetzt werden.
10Die Zweckerfüllung konnte nach § 3 Ziffer 2 der Satzung aber auch darin liegen, dass Teile der verfügbaren Überschüsse für Einrichtungen verwendet wurden, die auch von den nach Ziffer 1 zu unterstützenden Personen benutzt oder mitbenutzt werden konnten, z.B. für die Verbesserung der Ausstattung einzelner Universitäts-Institute mit Büchern und Geräten.
11Das Stiftungsvermögen bestand aus dem Nachlass der Stifter durch Verfügung von Todes wegen und der nach deren Maßgabe zugewandten Vermögensgegenstände und deren Erträgnissen (§ 4 Ziffer 1 der Satzung). Ihre Zwecke erfüllte die Klägerin mit den Erträgen des Stiftungsvermögens und ggf. mit dazu bestimmten weiteren Zuwendungen Dritter (§ 4 Ziffer 2 der Satzung). Im Interesse des langfristigen Bestandes der Stiftung war ihr jeweiliges Vermögen nach Beendigung der Testamentsvollstreckung über den Nachlass der Eheleute Z. ungeschmälert und in seinem Wert zu erhalten (§ 4 Ziffer 3 Satz 1 der Satzung). Zu diesem Zweck konnten Teile der jährlichen Erträge im Rahmen des steuerlich Zulässigen dem Stiftungsvermögen zugeführt, Grundstücke veräußert und Barvermögen in Wertpapiere angelegt werden (§ 4 Ziffer 3 Satz 2 der Satzung). Dabei sollte nach § 4 Ziffer 3 Satz 3 der Satzung dem Grundsatz der Ertragsoptimierung und der Werterhaltung Rechnung getragen werden.
12Leistungen gewährte die Stiftung nach § 5 Ziffer 1 der Satzung aufgrund eines entsprechenden Vorstandsbeschlusses; bei seiner Entscheidung handelte der Vorstand entsprechend dem Stiftungszweck nach pflichtgemäßem, jedoch weder behördlich noch gerichtlich nachprüfbarem Ermessen (§ 5 Ziffer 2 der Satzung).
13Aufzulösen sein sollte die Klägerin nur durch Beschluss aus wichtigem Grund (§ 7 Ziffer 1 der Satzung). Die Auflösung setzte nach § 7 Ziffer 1 Satz 2 der Satzung voraus, dass
141.1 der Stiftungszweck endgültig, d.h. dauernd und nachhaltig nicht mehr verfolgt werden konnte,
151.2 einer veränderten Situation, z.B. der Änderung der steuerrechtlichen Bestimmungen, nicht durch entsprechende Satzungsänderung unter Berücksichtigung des erklärten und mutmaßlichen Stifterwillens Rechnung getragen werden konnte.
16Im Falle der Auflösung oder des sonstigen Erlöschens der Klägerin war dafür zu sorgen, dass die bereits zugesagten Stiftungsleistungen gewährt und abgewickelt wurden (§ 7 Ziffer 2 Satz 1 der Satzung). Nicht verwendete Erträgnisse sollten dem Stiftungsvermögen zugeführt werden (§ 7 Ziffer 2 Satz 2 der Satzung). Im Übrigen sollte das Stiftungsvermögen dann der Gesellschaft Y. e. V. in K zufallen, vorausgesetzt, dass der vorgesehene Übernehmer als steuerbegünstigt i.S. der jeweils gültigen steuerrechtlichen Bestimmungen anerkannt war (§ 7 Ziffer 3 der Satzung). Der Empfänger des Stiftungsvermögens sollte dann möglichst die Zwecke der Klägerin i.S. der §§ 2 f. der Satzung, jedenfalls aber unmittelbar und ausschließlich gemeinnützige bzw. mildtätige Zwecke weiterverfolgen (§ 7 Ziffer 4 der Satzung).
17Das Stiftungsvermögen bestand zum xx.xx.1999 aus folgenden Vermögenswerten (Beträge in DM):
18Aktivseite
19A. Anlagevermögen
Finanzanlagen
221. Depot Bank K 772.304,57
2. Depot Bank M 4.423.912,88
3. Darlehen 495.330,73
B. Umlaufvermögen
I. Sonstige Vermögensgegenstände
Grundstücke und Bauten 750.000,00
31II. Guthaben bei Kreditinstituten 119.138,20
6.529.614,58
34Passivseite
35A. Eigenkapital
I. Stiftungskapital 3.154.859,05
II. Ergebnisrücklagen 0,00
III. Mittelvortrag 0,00
B. Rückstellungen
1. Rückstellung Testamentsvollstreckung 0,00
2. Rückstellung Jahresabschlusskosten 0,00
C. Verbindlichkeiten
1. Darlehen 1.500.000,00
2. Verbindlichkeiten Rentenvermächtnis 1.656.828,00
3. Verbindlichkeiten Schenkungsversprechen 217.927,53
6.529.614,58
53Zum 31.12.2003 / 31.12.2004 war das Vermögen der Stiftung bereits stark zurückgegangen (Beträge in €):
54Aktivseite
5531.12.2003 31.12.2004
56A. Anlagevermögen
Finanzanlagen
591. Depot Bank M 821.913,84 661.285,28
2. Unterdepot Bank M 555.043,20 508.497,20
3. Darlehen 240.432,28 236.644,14
B. Umlaufvermögen
I. Forderungen und sonstige
Vermögensgegenstände 0,00 47.602,97
68II. Guthaben bei Kreditinstituten 77.028,26 282.784,95
1.694.417,58 1.736.814,54
71Passivseite
72A. Eigenkapital
I. Stiftungskapital 1.613.053,82 1.613-053,82
II. Ergebnisrücklagen
Sonstige Ergebnisrücklage 253.305,19 340.205,19
78III. Mittelvortrag ./. 1.098.467,87 ./. 1.153.663,07
B. Rückstellungen
1. Testamentsvollstreckung 62.431,62 70.677,30
2. Jahresabschlusskosten 11.679,81 13.979,81
C. Verbindlichkeiten
Verbindlichkeiten Rentenvermächtnis 852.415,01 852.534,49
881.694.417,58 1.736.814,54
89Zum 31.12.2016 / 31.12.2017 setzte sich die negative Entwicklung des Stiftungsvermögens weiter fort (Beträge in €):
90Aktivseite
9131.12.2016 31.12.2017
92A. Anlagevermögen
93Finanzanlagen
94Wertpapiere des Anlagevermögens 933.670,09 929.441,64
95B. Umlaufvermögen
96I. Sonstige Vermögensgegenstände 2.173,54 2.173,54
97II. Guthaben bei Kreditinstituten 329.924,47 265.109,65
981.265.768,10 1.196.724,83
99Passivseite
100A. Eigenkapital
I. Stiftungskapital 1.613.053,82 1.613-053,82
103II. Ergebnisrücklagen
104Sonstige Ergebnisrücklage 499.305,19 499.305,19
105III. Mittelvortrag ./. 1.483.864,93 ./. 1.538.145,93
106B. Rückstellungen
Sonstige Rückstellungen 5.932,50 6.144,80
109C. Verbindlichkeiten
Sonstige Verbindlichkeiten 631.341,38 616.366,95
1121.265.768,10 1.196.724,83
113Seit dem xx.xx.1999 wurden aus dem Stiftungsvermögen monatlich folgende Rentenzahlungen geleistet (Zahlen nach dem Bericht über die Erstellung des Jahresabschlusses zum 31.12.2018):
114DM €
1151.8.1999 – 31.12.2000 9.000,00
1161.1.2001 – 31.12.2001 9.205,13
1171.1.2002 – 31.12.2002 4.785,11
1181.1.2003 – 31.12.2003 4.837,55
1191.1.2004 – 31.12.2004 4.898,61
1201.1.2005 – 31.12.2005 4.986,78
1211.1.2006 – 31.5.2007 5.099,48
122Juli 2007 4.158,77
123August 2007 4.765,61
124September 2007 4.759,04
1251.10.2007 – 31.12.2007 4.763,42
1261.1.2008 – 31.12.2008 4.911,09
1271.1.2009 – 30.6.2009 4.911,09
128Juli 2009 5.210,58
1291.8.2009 – 31.12.2009 4.956,78
1301.1.2010 – 30.6.2010 4.956,78
131Juli 2010 1.206,22
1321.8.2010 – 31.8.2011 4.224,94
133September 2011 4.273,74
1341.10.2011 – 31.8.2012 4.302,34
135September 2012 5.069,67
1361.10.2012 – 31.12.2012 4.380,19
1371.1.2013 – 31.3.2013 4.380,19
138April 2013 4.487,02
1391.5.2013 – 31.12.2013 4.413,38
1401.1.2014 – 30.6.2016 4.470,28
1411.7.2016 – 31.12.2018 4.472,65
142Unter dem xx.xx.2018 hob die Stiftungsaufsicht, die Bezirksregierung L, die Klägerin auf. Zur Begründung führte sie aus, die Stiftungsaufsicht könne gemäß § 87 des Bürgerlichen Gesetzbuches in der bis zum 30.6.2023 anwendbaren Fassung (BGB a.F.) der Stiftung eine andere Zweckbestimmung geben oder sie aufheben, wenn die Erfüllung des Stiftungszwecks unmöglich geworden sei oder sie das Gemeinwohl gefährde. Die Klägerin sei seit ihrer Gründung mit notariell vereinbarten Rentenrechten der im Jahre 195x geborenen, geistig behinderten und betreuungsbedürftigen Tochter der Stifter, Frau D. Z., belastet. Die Stiftung zahle an diese monatlich 4.472,65 € zur Deckung des Lebensunterhalts. Zur Wertsicherung sei eine jährliche Steigerung der Rente um 2 % notariell vereinbart worden. Der Zweck der Klägerin liege gemäß § 3 Ziffer 1 der Satzung vom xx.xx.2010 allerdings in der Förderung von Wissenschaft und Forschung und der Bildung. Die immer geringer gewordenen / werdenden Kapitalerträge reichten indes nicht mehr aus, um den Verpflichtungen gegenüber Frau Z. nachzukommen, die satzungsgemäßen Zwecke der Stiftung zu erfüllen und die Verwaltungskosten zu decken. Da eine dauerhaft signifikante Verbesserung der Ertragslage nicht in Sicht sei, drohe bei stagnierenden Einnahmen sowie unveränderten Verwaltungskosten und Rentenzahlungen das gesamte Vermögen der Klägerin durch die Rentenzahlungen bis zum Jahre 2037 aufgebraucht zu werden. Damit würde unter Verstoß gegen § 80 Abs. 2 BGB a.F. durch die Rentenzahlungen das Stiftungsvermögen stiftungsrechtswidrig bis zum vollständigen Verbrauch geschmälert und durch die nicht zweckgemäße Verwendung des Stiftungsvermögens somit auch die Gemeinnützigkeit der Klägerin gefährdet. Aufgrund dessen habe der Stiftungsvorstand bereits sein Amt niedergelegt und der zwischenzeitlich bestellte Sachwalter trotz intensiver Bemühungen keinen Nachfolger als dauerhaften Vorstand gewinnen können. Da auch eine Änderung der Zweckbestimmung keine Fortführung der Klägerin ermögliche, sei im Rahmen des gemäß § 87 Abs. 1 BGB a.F. eingeräumten Ermessens unter Abwägung des Erhaltungsinteresses der Stiftung einerseits gegenüber der Unmöglichkeit einer dauerhaften und nachhaltigen Zweckerfüllung, der Gefährdung der Gemeinnützigkeit sowie der Unmöglichkeit für die Klägerin, langfristig einen ordentlichen Vorstand gewinnen zu können andererseits, festzustellen, dass die Klägerin gemäß § 87 Abs. 1 BGB i.V.m. § 15 Abs. 2 des Stiftungsgesetzes für Land Nordrhein-Westfalen aufzuheben sei.
143Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
144Mit Schreiben vom 7.7.2020 wies der Beklagte (das Finanzamt --FA--) die Klägerin darauf hin, dass gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 AO das Vermögen der Stiftung bei Wegfall des bisherigen Zwecks nur für steuerbegünstigte Zwecke verwandt werden dürfe. Die Klägerin habe deshalb das Vermögen, abzüglich des Rentenbarwerts, an den Anfallsberechtigten auszukehren. Das FA bat, die Auskehrung bis zum xx.xx.2020 durch geeignete Unterlagen nachzuweisen. Werde das Vermögen nicht im Rahmen der Vermögensanfallsklausel für steuerbegünstigte Zwecke verwendet, so sei eine Nachversteuerung nach § 61 Abs. 3 AO durchzuführen.
145Mit Schreiben vom 10.8.2020 wies die Klägerin darauf hin, sich in Abwicklung zu befinden. Eine endgültige Auflösung könne derzeit nicht erfolgen, da zugunsten Frau Z.s ein Rentenvermächtnis bestehe. Diese werde durch Herrn Rechtsanwalt E. als Betreuer vertreten. In der Vergangenheit habe es mehrmals Versuche gegeben, das Rentenvermächtnis durch eine Einmalzahlung abzulösen. Hierzu habe der Betreuer indes seine Zustimmung verweigert. Daher liefen die Zahlungen bis zum Tode Frau Z.s weiter. Weiterhin habe sich Frau Z. in der Vereinbarung vom xx.xx.2000 ebenfalls verpflichtet, im Zeitpunkt ihres Todes vorhandene Vermögenswerte an die Stiftung herauszugeben. Daher seien eine vorzeitige Auflösung und Auszahlung des Vermögens nicht möglich. Der Zweck der Stiftung und die Vermögensbindung seien nicht aufgehoben worden. Im Zeitpunkt der endgültigen Auflösung der Stiftung und Auskehrung des Vermögens werde dieses der Gesellschaft Y. e. V. zufallen. Zahlungen an andere Personen mit Ausnahme der Rentenzahlungen an Frau Z. seien nicht erfolgt und dürften aufgrund der Satzung auch nicht vorgenommen werden.
146Daraufhin erließ das FA am 15.4.2021 und 10.5.2021 Bescheide für 2008 bis 2017 über Körperschaftsteuer, mit denen es die von der Klägerin in diesen Jahren erzielten Einkünfte aus Kapitalvermögen der Besteuerung unterwarf. Zur Begründung führte es aus, die Festsetzung erfolge gemäß § 61 AO, da die satzungsmäßige Vermögensbindung bei Wegfall der Gemeinnützigkeit nicht eingehalten worden sei.
147Die hiergegen eingelegten Einsprüche wies das FA durch Einspruchsentscheidung vom 11.4.2022 als unbegründet zurück. Die Klägerin diene allein noch dem Zweck, die laufenden Rentenverpflichtungen an Frau Z. zu erfüllen. Finanzielle Mittel für die Erfüllung der satzungsgemäßen gemeinnützigen Zwecke stünden laut dem Abschlussbericht nicht mehr zur Verfügung. Darüber hinaus seien derartige Ausgaben von dem Betreuer von Frau Z. verboten worden. Die tatsächliche Geschäftsführung sei ausschließlich auf die Zahlung der Rentenleistungen ausgerichtet.
148Hieraus werde klar ersichtlich, dass der satzungsgemäße gemeinnützige Zweck nicht mehr verfolgt werde. Im Zeitpunkt der schädlichen Zweckänderung hätte das Stiftungsvermögen --abzüglich des Rentenbarwerts-- zu steuerbegünstigten Zwecken verwandt werden müssen. Das sei jedoch nicht geschehen. Daher müsse eine Nachversteuerung nach § 63 Abs. 2 i.V.m. § 61 Abs. 3 AO erfolgen. § 55 Abs. 1 Nr. 4 AO sehe neben einer schädlichen Zweckänderung auch die Auflösung der Stiftung als Ereignis an, das die Auskehrung des Stiftungsvermögens an steuerbegünstigte Zwecke zwangsläufig nach sich ziehe. Da die Stiftung im Jahre 2018 durch die Bezirksregierung aufgelöst worden sei, sei auch diese Voraussetzung erfüllt.
149Eine frühzeitige Liquidation und Auskehrung des Stiftungsvermögens werde allein aus dem Grund abgelehnt, dass die Rentenverbindlichkeit an Frau Z. weiterhin bestehe. Die Voraussetzungen für die Anerkennung der Gemeinnützigkeit einer Stiftung in Liquidation seien bisher noch nicht höchstrichterlich entschieden. In jedem Fall aber müsse die Stiftung auch während der Liquidationsphase satzungsgemäß die gemeinnützigen Zwecke verfolgen, damit eine Gemeinnützigkeit in Betracht komme. Eine frühzeitige Liquidation und Auskehrung des Vermögens berge zwar das Risiko einer Vertragsverletzung zu Lasten von Frau Z.. Eine derartige privatrechtliche Ausgestaltung könne jedoch auf die steuerrechtliche Behandlung keine Auswirkung haben. Ein Abwarten auf die vollständige Abwicklung der Rentenverbindlichkeit stelle die privatrechtlichen Interessen der Rentenempfängerin über den Grundsatz der gleichmäßigen Besteuerung. Falls stattdessen zu einem späteren Zeitpunkt eine Nachversteuerung erfolgen würde, sei nicht mehr sichergestellt, dass dann überhaupt noch ausreichend Mittel vorhanden seien, um etwaige Steuerschulden zu bezahlen.
150Würde weiterhin wegen der Annahme der Gemeinnützigkeit auf eine Besteuerung verzichtet, komme dies keinen gemeinnützigen Zwecken mehr zugute, solange weiterhin ausschließlich die Rentenverbindlichkeit bedient werde.
151Mit der daraufhin erhobenen Klage wendet sich die Klägerin weiterhin gegen die Durchführung der Nachversteuerung.
152Der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH-- in seinem Urteil vom 21.1.1998 II R 16/95 könne entnommen werden, dass Verbindlichkeiten, die in Ausführung des Stiftungsgeschäfts auf die Stiftung übergehen, von vornherein das der Stiftung zugewendete Vermögen minderten. Der zur Erfüllung derartiger Ansprüche notwendige Teil des Stiftungsvermögens stehe den satzungsmäßigen Zwecken der Stiftung von Anfang an nicht zur Verfügung. Die Erfüllung derartiger Verpflichtungen stelle keinen Verstoß gegen die Gebote der Selbstlosigkeit und Ausschließlichkeit dar.
153Bei Gründung der Klägerin hätten sich in der Erbmasse der Stifter ein Depot bei der Bank K und ein Depot bei der Bank M befunden, das aus einer Vielzahl von Wertpapieren bestanden habe. Letzteres sei offenbar bis 2009 von der Bank verwaltet worden, anschließend offenbar vom Vorstand mit Unterstützung der Bank. Schon zu Beginn des Stiftungsgeschäfts habe sich der Wert des Depots aufgrund der Entwicklung der Aktienmärkte stark verringert. Während der Verwaltung durch die Bank sei ferner eine Reduzierung der Anzahl der Wertpapiere und eine zunehmende Investition in Investmentfonds erfolgt. Der letzte große Zukauf sei 2013 erfolgt.
154Die Klägerin trägt vor, das Ertrag bringende Darlehen an die Eheleute G. sei 2016 getilgt worden. Daraufhin habe der Testamentsvollstrecker den Betreuer von Frau Z. mit Schreiben vom 26.4.2016 gebeten, der Geldanlage in Fonds mit höherem Aktienanteil zuzustimmen. Dieses Ansinnen sei durch Herrn Rechtsanwalt E. aber abgelehnt worden. Das habe dann letztlich zur Auflösung der Klägerin geführt.
155Die Klägerin beantragt,
156die Bescheide für 2008 bis 2017 über Körperschaftsteuer vom 15.4.2021 bzw. vom 10.5.2021, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.4.2022, aufzuheben
157hilfsweise, die Revision zuzulassen.
158Das FA beantragt,
159die Klage abzuweisen.
160Soweit die Klägerin aus der Rechtsprechung ableite, dass es unschädlich sei, wenn mit einer Verbindlichkeit belastetes Vermögen übertragen werde, sei darauf hinzuweisen, dass in der von ihr zitierten Entscheidung von der Übertragung negativer Vermögenswerte neben positiven Vermögensgegenständen die Rede sei. Derartige Fälle seien nicht anders zu beurteilen, als wenn der Stifter bei der Errichtung der Stiftung Vermögensgegenstände zurückbehalte. Eine Übertragung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall setze voraus, dass eine Bewertung der positiven und negativen Vermögenswerte zur Zeit der Errichtung der Stiftung erfolge. Das könne für steuerliche Zwecke nur im Wege der Berechnung des Barwerts der Rentenverbindlichkeit geschehen. Für Bewertungszwecke könne nicht bis zur Erledigung der Rentenverbindlichkeit abgewartet werden.
161Ein schrittweiser Verbrauch des positiven Vermögens durch die Rentenverbindlichkeit führe zu dem Ergebnis, dass bereits zum Zeitpunkt der Errichtung der Stiftung kein positives Vermögen übertragen worden sei. Unter Zugrundelegung dieser Auffassung wären gar keine positiven Vermögensgegenstände übertragen worden. M.a.W. wäre in einem solchen Fall das gesamte Vermögen zurückbehalten worden. Daher wäre es allenfalls zulässig gewesen, den anfänglichen Barwert der Rentenlast von dem positiven Vermögen zu trennen. Von dem restlichen Vermögen und den daraus resultierenden Einnahmen hätten zwingend die steuerlich begünstigten Satzungszwecke gefördert werden müssen.
162In § 58 Nr. 6 AO sowie dazu in Nr. 14 des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO) zu § 55 AO sei geregelt, dass der Körperschaft, verwende sie zur Erfüllung einer vor der Zuwendung des Vermögens begründeten Rentenschuld eigene Erträge, ihr dann ausreichende Mittel für die Verwirklichung ihrer steuerbegünstigten Zwecke verbleiben müssten. Es dürfe lediglich höchstens 1/3 des Einkommens der Körperschaft für die Verwirklichung der Rentenverbindlichkeit aufgewendet werden. Bei der Berechnung dieses Betrags seien sämtliche Zahlungen an die Rentenbegünstigte zu berücksichtigen. Im vorliegenden Fall sei diese Grenze ersichtlich überschritten worden. Nach den eigenen Angaben der Klägerin reichten selbst die vollständigen Erträge nicht mehr aus, um allein die Rentenzahlungen zu bestreiten.
163Darüber hinaus könne entsprechend eines früheren Urteils des BFH (vom 24.3.1993 I R 27/92, BFHE 171, 198, BStBl II 1993, 637) auch die Erfüllung einer laufenden Rentenverpflichtung dadurch Satzungszweck sein, dass in dem Testament, durch das die Stiftung errichtet worden sei, die entsprechende Verpflichtung zur Rentenzahlung begründet worden sei. Das sei vorliegend im Rahmen des Erbvertrags vom xx.xx.1998, der dem Gericht bereits vorliege, der Fall. Die erhebliche wirtschaftliche Bedeutung der Rentenzahlungen liege hier aus bereits genannten Gründen auf der Hand. Unter Berücksichtigung dieses Grundsatzes habe die Klägerin von Anfang an nicht allein steuerbegünstigte Zwecke verfolgt, so dass gegen die Grundsätze der Ausschließlichkeit und Selbstlosigkeit verstoßen worden sei. Dadurch sei auch der Anwendungsbereich des § 58 Nr. 6 AO eröffnet, wenn nicht deshalb bereits insgesamt die Gemeinnützigkeit zu versagen sei.
164Im vorliegenden Fall stehe indes eindeutig die Erfüllung der Rentenverpflichtung im Vordergrund. Insoweit seien durch das Stiftungsvermögen auch nicht steuerbegünstigte Zwecke verfolgt worden. Spätestens nach der endgültigen Einstellung der Verfolgung steuerbegünstigter Satzungszwecke zugunsten der fortgeführten Erfüllung der Rentenverbindlichkeit seien eindeutig keine begünstigten Zwecke mehr verfolgt worden. Es liege ein Verstoß gegen § 55 und § 56 AO vor.
165Ferner sei nicht ersichtlich, dass ein etwaiges Verschulden als eine Voraussetzung für einen Verstoß gegen die Anforderungen an die tatsächliche Geschäftsführung i.S. des § 63 AO vorliegen müsse.
166Der Sach- und Streitstand ist am 11.9.2023 mit den Beteiligten erörtert worden. Wegen der Einzelheiten des Erörterungstermins wird auf den Inhalt des Protokolls Bezug genommen.
167Am 29.11.2023 ist in dem Verfahren mit den Beteiligten mündlich verhandelt worden. Auch insoweit wird wegen der Einzelheiten der mündlichen Verhandlung auf den Inhalt des Protokolls Bezug genommen.
168Entscheidungsgründe
169Die zulässige Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Körperschaftsteuerbescheide 2008 bis 2017 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Zu Recht hat das FA für zehn Jahre rückwirkend die Gemeinnützigkeit aberkannt und eine Nachversteuerung bei der Klägerin durchgeführt.
170I. Von der Körperschaftsteuer befreit sind nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes 2002 (KStG 2002) Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die nach der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung und nach der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen (§§ 51 bis 68 AO).
171II. Die tatsächliche Geschäftsführung der Körperschaft muss auf die ausschließliche und unmittelbare Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke gerichtet sein und den Bestimmungen entsprechen, die die Satzung über die Voraussetzungen für Steuervergünstigungen enthält (§ 63 Abs. 1 AO). Hierbei ist insbesondere der Grundsatz der Vermögensbindung zu beachten (vgl. § 63 Abs. 2 AO).
1721. Der Grundsatz der Vermögensbindung verlangt, dass das Vermögen der Körperschaft bei Auflösung oder Wegfall ihres bisherigen Zwecks, soweit es die eingezahlten Kapitalanteile der Mitglieder und den gemeinen Wert der von den Mitgliedern geleisteten Sacheinlagen übersteigt, nur für steuerbegünstigte Zwecke verwendet werden darf (§ 55 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 AO). Diese Voraussetzung ist auch erfüllt, wenn das Vermögen einer anderen steuerbegünstigten Körperschaft oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts für steuerbegünstigte Zwecke übertragen werden soll (§ 55 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 AO).
173Eine steuerlich ausreichende Vermögensbindung liegt vor, wenn der Zweck, für den das Vermögen bei Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft oder bei Wegfall ihres bisherigen Zwecks verwendet werden soll, in der Satzung so genau bestimmt ist, dass auf Grund der Satzung geprüft werden kann, ob der Verwendungszweck steuerbegünstigt ist (§ 61 Abs. 1 AO). Die Satzungsbestimmungen müssen so bestimmt sein, dass eine anderweitige Verwendung des verbleibenden Restvermögens ausgeschlossen ist. Dies erfordert entweder die Angabe des Namens der Körperschaft, die das Vermögen bei Auflösung oder Aufhebung der steuerbegünstigten Körperschaft oder bei Wegfall ihres bisherigen steuerbegünstigten Zwecks zur ausschließlichen und unmittelbaren Verwendung für steuerbegünstigte Zwecke erhalten soll, oder aber die Angabe eines bestimmten (also genau zu bezeichnenden) steuerbegünstigten Verwendungszwecks (statt aller Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 61 AO Rz. 1).
174Erfolgt dies nicht und entspricht die Geschäftsführung nicht mehr den Maßgaben des § 55 Abs. 1 Nr. 4 AO, so gilt sie als von Anfang an nicht ausreichend (§ 63 Abs. 2 i.V.m. § 61 Abs. 3 Satz 1 AO). § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass Steuerbescheide erlassen, aufgehoben oder geändert werden können, soweit sie Steuern betreffen, die innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre vor der Änderung der Bestimmung über die Vermögensbindung entstanden sind (§ 63 Abs. 2 i.V.m. § 61 Abs. 3 Satz 2 AO).
1752. Der nachträglichen schädlichen Änderung der Vermögensbindung im Bereich der formellen Satzungsmäßigkeit stellt § 63 Abs. 2 AO eine tatsächliche Geschäftsführung gleich, die materielle Verstöße gegen den Grundsatz der Vermögensbindung beinhaltet (Urteil des Finanzgerichts Münster vom 11.3.2005 – 9 K 1220/00 G, 9 K 1567/00 K, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2005, 1003).
176III. Nach diesen Maßgaben mussten die Körperschaftsteuerbescheide 2008 bis 2017 geändert werden, weil die Klägerin gegen den Grundsatz der Vermögensbindung verstoßen hat und auch weiter fortlaufend verstößt.
1771. Zwar mag es sich bei der in § 7 Ziffer 3 der Satzung der Klägerin als Anfallberechtigte genannten Gesellschaft Y. e. V. in K um eine steuerbegünstigte Körperschaft handeln. Ebenso mag diese über § 7 Abs. 2 Satz 1 der Satzung auch für den Fall der Aufhebung als Fall des sonstigen Erlöschens der Klägerin als Anfallberechtigte genannt worden sein, so dass auch insoweit die satzungsgemäße Vermögensbindung für den Fall der Aufhebung der Klägerin gewährleistet ist.
1782. Die Klägerin verletzt indes durch ihre tatsächliche Geschäftsführung den Grundsatz der Vermögensbindung, indem sie zwar unter dem xx.xx.2018 aufgehoben worden ist und damit ihre Rechtsfähigkeit verloren hat, bislang aber (und damit seit deutlich mehr als fünf Jahren) ihr Vermögen nicht zur Sicherung an die anfallberechtigte Gesellschaft ausgekehrt hat und auch nicht absehbar ist, dass dies geschehen wird.
179Mit Schreiben vom 10.8.2020 --also mehr als zwei Jahre nach der Aufhebung und dem Verlust ihrer Rechtsfähigkeit-- wies die Klägerin allein darauf hin, sich in Abwicklung zu befinden. Eine endgültige Auflösung könne derzeit nicht erfolgen, da zugunsten Frau Z.s ein Rentenvermächtnis bestehe. In der Vergangenheit habe es mehrmals Versuche gegeben, das Rentenvermächtnis durch eine Einmalzahlung abzulösen. Hierzu habe der Betreuer indes seine Zustimmung verweigert. Daher liefen die Zahlungen bis zum Tode Frau Z.s weiter. Weiterhin habe sich Frau Z. in der Vereinbarung vom xx.xx.2000 ebenfalls verpflichtet, im Zeitpunkt ihres Todes vorhandene Vermögenswerte an die Stiftung herauszugeben. Daher seien eine vorzeitige Auflösung und Auszahlung des Vermögens nicht möglich. Weitere Fortschritte hat die Liquidation bis heute nicht gemacht, so dass die Klägerin seit ihrer Aufhebung keine gemeinnützigen Zwecke mehr verfolgt, sondern allein die individualnützigen Rentenzahlungen bedient. Bei ungehindertem Fortgang wird dies dazu führen, dass das Stiftungsvermögen um das Jahr 2037 vollständig verbraucht worden sein wird.
1803. Dass sich der Liquidator der Klägerin aufgrund des Vermächtnisses an Frau Z. und der fehlenden Mitwirkung des Betreuers hinsichtlich einer Ablösung der Rentenverpflichtung in einem Dilemma befindet, vermag an der rechtlichen Beurteilung nichts zu ändern. Die Nachversteuerung gemäß § 63 Abs. 2 i.V.m. § 61 Abs. 3 AO knüpft allein an eine objektive Verletzung des Grundsatzes der Vermögensbindung an und setzt kein Verschulden voraus. Ebenso wenig räumen die Vorschriften dem FA ein Ermessen ein, bei dessen Ausübung derartige Gesichtspunkte eine Rolle spielen könnten (Brandl in AO – eKommentar, § 61 Rz. 7). Das FA hat auch zu Recht eine Änderung der Körperschaftsteuerbescheide für 2008 bis 2017 vorgenommen, da die Klägerin im Jahre 2018 dadurch gegen den Grundsatz der Vermögensbindung verstoßen hat, dass sie das gemeinnützigen Zwecken dienende Vermögen nach ihrer Aufhebung nicht an die Gesellschaft Y. e. V. ausgekehrt hat.
181Dass die Rechtsfolge des § 63 Abs. 2 i.V.m. § 61 Abs. 3 AO im vorliegenden Fall zu einem übermäßigen Ergebnis führt, das eine einschränkende Auslegung erforderlich machen würde, wie dies bisweilen in der Literatur überlegt wird (in diesem Sinne etwa Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 61 AO Rz. 5; a.A. Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 61 Rz. 8), überzeugt den Senat nicht. Das „Damoklesschwert“ der Nachversteuerung ist gleichsam der „Preis“, den die Körperschaft für die freie Verwendung des bereits steuerbegünstigt gebildeten Vermögens zahlen muss (Brandl in AO – eKommentar, § 61 Rz. 7). Eine bloße ex-nunc-Wirkung, mit der die Gemeinnützigkeit aberkannt würde, hätte zur Folge, dass nicht effektiv verhindert werden könnte, dass steuerbegünstigt gebildetes Vermögen gemeinnützigkeitsschädlich verwandt wird (so auch Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 3. Aufl. 2015, Rz. 4.146). Im vorliegenden Fall darf darüber hinaus nicht unberücksichtigt bleiben, dass das Zurückgehen des Stiftungsvermögens dadurch mitveranlasst war, dass keine strikte Vermögenstrennung dergestalt durchgeführt worden ist, dass ein Vermögensteil allein den gemeinnützigen Zielen dienen sollte und ein anderer separierter Teil der Erfüllung des Vermächtnisses. Die Handhabung der Klägerin einerseits und die zurückgehenden Erträge andererseits führten vielmehr dazu, dass die Klägerin die Rentenverpflichtung nur erfüllen konnte, indem sie fortschreitend auf gemeinnützigen Zwecken dienende Vermögenswerte zugriff und die Verfolgung gemeinnütziger Ziele schließlich einstellte. Als weiteres Problem trat hinzu, dass bereits vor ihrer Aufhebung unter dem xx.xx.2018 mehr Mittel zum Zwecke der Rentenzahlung ausgekehrt worden waren --insgesamt 946.009,96 € zum 30.6.2018-- als zum 31.12.2004 als Verbindlichkeit (Rentenbarwert) passiviert worden waren (852.534,49 €). Dass bereits von Anfang an keine Deckelung des Vermächtnisses der Höhe nach vorgesehen war, führte daher dazu, dass die Klägerin auch aus diesem Grunde immer weiter auf Vermögen zurückgreifen musste, das eigentlich dem gemeinnützigen Bereich hätte dienen sollen.
182Aus denselben Gründen scheidet auch eine Abmilderung aus Billigkeitsgesichtspunkten gemäß §§ 163, 227 AO (angedacht etwa bei Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 61 AO Rz. 5; Unger in Gosch, § 61 Rz. 34), über die aber ohnehin in einem gesonderten Verfahren zu entscheiden wäre.
1834. Schließlich kann der Klägerin nicht dahingehend gefolgt werden, dass die tatsächliche Geschäftsführung deshalb nicht mit dem Grundsatz der Vermögensbindung in Konflikt geraten konnte, weil das auf die Stiftung übertragene Vermögen von Anfang an mit einem Vermächtnis belastet war, das den Wert des übertragenen Vermögens gemindert habe. Soweit sich die Klägerin hierfür auf ergangene BFH-Rechtsprechung stützt (BFH-Urteil vom 21.1.1998 II R 16/95, BFHE 185, 54, BStBl II 1998, 758), vermag dies im vorliegenden Fall nicht zu verfangen. In dem Fall, der dem BFH zur Entscheidung vorlag, ging es allein um die Auslegung des § 58 Nr. 5 AO a.F. (heute § 58 Nr. 6 AO), nach dem insbesondere nicht mehr als 1/3 des Einkommens zum angemessenen Unterhalt des Stifters oder der nächsten Angehörigen verwandt werden darf. Bei der Auslegung dieser Vorschrift sind ggf. höher ausfallende Vermächtnisse nicht schädlich, weil sie von vornherein das Stiftungsvermögen mindern. Anders zu beurteilen ist indes der Fall, dass eine --wie hier-- zunächst ordnungsgemäß errichtete Stiftung, die auch zunächst ihre gemeinnützigen Ziele erfüllt, wegen des späteren Wegfalls ausreichender laufender Einkünfte und der unvorhergesehen langen Dauer der Rentenzahlung ihren eigentlichen Zweck nicht mehr erfüllen kann und allein die Rentenverbindlichkeit erfüllt. Zwar ist auch hier der Klägerin zuzustimmen, dass das übertragene Vermögen von vornherein aufgrund des Vermächtnisses gemindert ist. Eine solche Minderung ist allerdings nur in der Höhe des auch von der Klägerin in den Jahresabschlüssen angesetzten Rentenbarwerts anzunehmen. Dann obliegt es ihr allerdings auch, sicherzustellen, dass der restliche Teil des Vermögens allein dem gemeinnützigen Bereich zugeordnet bleibt.
184IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
185V. Die Revision war mangels Revisionszulassungsgrundes nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO nicht zuzulassen.
186... ... ...