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Der Bescheid für 2017 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 17.08.2020 wird dahingehend geändert, dass zusätzlich Sonderbetriebsausgaben der Beigeladenen i.H.v. 47.900 € gewinnmindernd berücksichtigt, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb auf 34.226 € festgestellt und anteilig in Höhe von 33.726 € der Beigeladenen zugerechnet werden.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet.
Die Revision wird zugelassen.
Hinweis betreffend die Neutralisierung: Die im Text enthaltenen Beträge entsprechen nicht den tatsächlichen Werten. Sie wurden proportional zu einander verändert.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte (das Finanzamt -FA-) zu Recht den Abzug der von der Kommanditistin gezahlten Schuldzinsen i.H.v. 47.900 € zur Refinanzierung ihrer Kapitaleinlage als Sonderbetriebsausgaben (nachfolgend: SBA) versagt hat.
3Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG mit Sitz in E. Unternehmensgegenstand der Gesellschaft ist [...]. Im Streitzeitraum war die in den Niederlanden ansässige C- B.V. als Kommanditistin zu 100 % an der Klägerin beteiligt. Komplementärin der Klägerin war die D GmbH, die selbst keine Anteile am Kapital der Klägerin hält.
4An der C- B.V. war die ebenfalls in den Niederlanden ansässige F- B.V. zu 100 % beteiligt. Die beiden niederländischen Gesellschaften, also die F- B.V. als auch die C- B.V., befanden sich in den Niederlanden im Streitzeitraum in einer sog. niederländischen Gruppenbesteuerung für ertragsteuerliche Zwecke (sog. „fiscale eenheid“).
5Mit bereits vor dem Kalenderjahr 2015 geschlossenen Darlehensverträgen gewährte die F- B.V. der C- B.V. mehrere Darlehen. Es handelt sich hierbei um Tilgungsdarlehen mit einem Gesamtfinanzierungsvolumen von ca. ... Millionen €, die dazu dienten, der C- B.V. die Mittel zu verschaffen, um die Klägerin mit entsprechenden Geldbeträgen auszustatten. Die Darlehenszinsen wurden von der C- B.V. monatlich an die F- B.V. gezahlt. Die Klägerin passivierte die Verbindlichkeiten aus den von der F- B.V. gewährten Darlehen in einer Sonderbilanz der C- B.V. und berücksichtigte die Schuldzinsen als deren SBA. Für das Streitjahr 2017 machte die Klägerin Zinsaufwendungen der C- B.V i.H.v. 47.900 € als SBA geltend und erklärte für die Klägerin einen Gesamthandsgewinn von 34.226 €, der in Höhe von 33.726 € auf die C- B.V. als Kommanditistin und in Höhe von 500 € auf die Komplementärin entfiel.
6Mit Feststellungsbescheid vom 06.02.2019 stellte das FA die Besteuerungsgrundlagen für 2017 antragsgemäß fest. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO).
7Im Rahmen einer nachfolgenden Betriebsprüfung für die Jahre 2015 - 2017 vertrat die Betriebsprüfung die Auffassung, die von der Kommanditistin gezahlten Darlehenszinsen stellten zwar SBA nach deutschem Recht dar, da die Darlehen als notwendiges Sonderbetriebsvermögen II der Begründung bzw. Stärkung der Beteiligung der Kommanditistin an der Klägerin dienten. Die Ergebnisse der C- B.V. würden aber im Rahmen des niederländischen Rechtskonstrukts der „fiskalischen Einheit“ (Gruppenbesteuerung) für steuerliche Zwecke mit den Ergebnissen ihrer Muttergesellschaft, F- B.V., konsolidiert. Durch diese Konsolidierung käme es dazu, dass der Zinsaufwand sowohl in Deutschland im Rahmen des SBA-Abzugs als auch in den Niederlanden durch die Konsolidierung der Betriebsausgaben der C- B.V. mit den Zinseinnahmen der F- B.V. Berücksichtigung finden würde. Daher sei eine Minderung der Steuerbemessungsgrundlage sowohl im Inland als auch in den Niederlanden gegeben. Denn hierfür sei keine effektive Steuerminderung im anderen Staat erforderlich, sondern ausreichend sei vielmehr die tatsächliche Minderung der Bemessungsgrundlage, was auch in Fällen der Konsolidierung im Rahmen einer Gruppenbesteuerung zu bejahen sei (vgl. Schmidt/Wacker, 38. Aufl. 2019, EStG § 4i Rn. 13). In den Abschlüssen der C- B.V. fänden sich sowohl die Verbindlichkeiten als auch die Zinsaufwendungen für die betreffenden Darlehen. Die spätere Konsolidierung erfolge lediglich im Rahmen der Ertragsbesteuerung. Diese Konsolidierung stelle nicht den Zustand einer “Nicht-Minderung“ der Steuerbemessungsgrundlage wieder her, sodass zumindest rechnerisch ein doppelter Abzug vorgenommen worden sei. Die Ausnahme gemäß § 4i S. 2 EStG greife nicht, da keine Erträge desselben Steuerpflichtigen (hier der C- B.V.) in unmittelbarem Zusammenhang mit den Aufwendungen stünden. Die festzustellenden Einkünfte der Klägerin für 2017 seien gemäß § 4i S. 1 EStG um die bisher geltend gemachten SBA in Höhe von 47.900 € zu erhöhen. Für die Jahre 2015 und 2016 seien keine Einkommenskorrekturen hinsichtlich der Zinsaufwendungen vorzunehmen, da § 4i EStG erst ab dem Streitjahr 2017 Anwendung fände.
8Das FA folgte den Feststellungen der Betriebsprüfung und erließ unter dem 17.08.2020 einen entsprechend geänderten Feststellungsbescheid für 2017. Darin stellte es den Gewinn der Klägerin auf nunmehr 82.126 € fest und rechnete der Kommanditistin in Höhe eines Betrags von 81.626 € Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu. Gleichzeitig hob es den Vorbehalt der Nachprüfung auf.
9Unter dem 16.09.2020 hat die Klägerin eine Sprungklage gemäß § 45 der Finanzgerichtsordnung (FGO) erhoben, mit der sie sich weiterhin gegen den Nichtabzug der in Rede stehenden Zinsaufwendungen als SBA wendet. Zur Begründung führt sie wie folgt aus:
10Ihre Kommanditistin, die C- B.V., habe die hier in Rede stehenden Refinanzierungszinsen im Zusammenhang mit ihrer Kommanditistenstellung an ihre Muttergesellschaft, die F- B.V., gezahlt. Mit der F- B.V. befinde sich die Kommanditistin für Zwecke der Besteuerung in den Niederlanden in einer Gruppenbesteuerung mit Vollkonsolidierung. Dementsprechend lägen die Voraussetzungen des § 4i S. 1 EStG im Streitfall nicht vor. Denn nach dieser Vorschrift sei der Abzug der SBA nur dann ausgeschlossen, soweit diese Aufwendungen auch die Steuerbemessungsgrundlage in einem anderen Staat mindern würden. Davon seien solche Fälle nicht erfasst, in denen die Aufwendungen (und die zugehörigen Erträge) steuerlich unbeachtlich seien. Dies sei bei der niederländischen Gruppenbesteuerung mit Vollkonsolidierung der Fall. In diesem System werde das steuerliche Ergebnis nicht auf der Ebene der einzelnen Gesellschaft ermittelt, sondern auf Basis einer Vollkonsolidierung für beide Gesellschaften gemeinsam. Gruppeninterne Rechtsbeziehungen zwischen den einbezogenen Gesellschaften würden daher nicht berücksichtigt. Demzufolge seien die Voraussetzungen der Norm eindeutig nicht erfüllt, da die streitigen Zinsaufwendungen der Kommanditistin wegen der Gruppenbesteuerung in den Niederlanden steuerlich gar nicht erst berücksichtigt würden und folglich auch nicht eine dortige Steuerbemessungsgrundlage gemindert hätten. Dies werde auch in der Literatur so vertreten. So habe unter anderem Loose in Littmann/Blitz/Post, § 4i EStG, Rn. 6 hierzu ausgeführt, dass aufgrund des klaren Wortlauts des § 4i EStG seines Erachtens eine Minderung der ausländischen Bemessungsgrundlage auch dann ausscheide, wenn aus ausländischer Steuersicht bereits dem Grunde nach keine Aufwendungen vorliegen würden. Auch Rüsch, Finanz-Rundschau (FR) 2018, S. 299 ff. habe hierzu die Auffassung vertreten, dass die Vorschrift des § 4i S. 1 EStG keine Anwendung finden würde, wenn die Aufwendungen steuerlich erst gar nicht erfasst würden (z.B. bei einer fehlenden Steuerbarkeit, persönlichen Steuerbefreiungen oder gruppeninternen Zahlungen bei einem konsolidierenden Gruppenbesteuerungssystem, vergleichbar mit der niederländischen „fiscale eenheid“). Die Regelung des § 4i Satz 1 EStG könne entgegen ihres Wortlauts auch nicht im Wege einer Analogie zu Lasten der Klägerin angewandt werden. Gegen eine analogiefähige Regelungslücke spreche insbesondere die Gesetzesbegründung, wonach „durch § 4i S. 1 EStG der Abzug in Deutschland beschränkt [wird], soweit der nämliche Aufwand in einem anderen Staat nochmals von der Bemessungsgrundlage abgezogen wird“ (so BT-Drucksache 18/9956 vom 12.10.2016, Seite 3 „Zu Satz 1“). Auch die herrschende Ansicht in der Literatur sehe den Anwendungsbereich des § 4i Satz 1 EStG auf den vorliegenden Sachverhalt (Vollkonsolidierung bei Gruppenbesteuerung) als nicht eröffnet an (Hinweis auf Bodden in: Korn, § 4i EStG, Rn. 25.1; Loose in Littmann/Blitz/Pust, § 4i EStG, Rn.6; Kahle/Braun in Deutsche Steuer-Zeitung 2018, S. 381).
11Die Klägerin beantragt,
12den Bescheid für 2017 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 17.08.2020 dahingehend zu ändern, dass zusätzlich Sonderbetriebsausgaben der Beigeladenen i.H.v. 47.900 € gewinnmindernd berücksichtigt, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb auf 34.226 € festgestellt und anteilig i.H.v. 33.726 Euro der Beigeladenen zugeordnet werden,
13hilfsweise,
14die Revision zuzulassen.
15Das FA beantragt,
16die Klage abzuweisen,
17hilfsweise,
18die Revision zuzulassen.
19Nach seiner Auffassung steht dem Abzug der Zinsaufwendungen die Regelung des § 4i S. 1 EStG entgegen.
20Die Ergebnisse der C- B.V. würden im Rahmen des niederländischen Rechtskonstrukts der fiskalen Einheit (Gruppenbesteuerung) für steuerliche Zwecke mit den Ergebnissen ihrer Muttergesellschaft, der F- B.V., konsolidiert. Die führe dazu, dass der Zinsaufwand sowohl in Deutschland als SBA als auch in den Niederlanden durch die Konsolidierung der Zinsaufwendungen der C- B.V. mit Zinserträgen der F- B.V. berücksichtigt würde.
21Entgegen der Darstellung der Klägerin würden die Zinsen im Einzelabschluss der Kommanditistin und der zugehörigen Gewinn- und Verlustrechnung als Aufwand erfasst. Die spätere Konsolidierung erfolge lediglich im Rahmen der Ertragsbesteuerung. Um § 4i S. 1 EStG auszulösen, genüge eine wirtschaftliche Abzugsfähigkeit „durch Verrechnung" mit den entsprechenden Erträgen (vgl. Gosch in Kirchhof, 19. Auflage 2020, EStG § 4i Rn. 6). Durch die Konsolidierung der Darlehensbeziehung auf Konzernebene über die Nichtberücksichtigung der Zinsaufwendungen bei der Kommanditistin hinaus erfolge ebenfalls eine Nichtberücksichtigung der Zinserträge, die von deren Muttergesellschaft vereinnahmt würden. Auch darin begründe sich die Minderung der steuerlichen Bemessungsgrundlage in den Niederlanden.
22Die Gesetzesbegründung zu § 4i S. 1 EStG, die von der Klägerin angeführt werde, sei eher als Argument für die Anwendung des § 4i EStG im vorliegenden Fall zu sehen: Der „nämliche" Aufwand stelle in erster Linie „denselben" Aufwand dar - was aus Sicht des FA der Zinsaufwand aus der konzerninternen Darlehensbeziehung sei, der faktisch doppelt zum Abzug gebracht werde. An dieser Stelle sei vielmehr auf einen anderen Passus aus der Gesetzesbegründung hinzuweisen: „Der doppelte Abzug einer Ausgabe widerspricht der Steuersystematik und ist nicht gewollt. Er führt zudem zu Wettbewerbsvorteilen gegenüber anderen Unternehmen, die nur im Inland oder nur im Ausland besteuert werden."(BT-Drucksache 18/9956 vom 12.10.2016, Seite 3 „Zu Satz 1"). Eben jene durch die Gesetzgebung ausdrücklich nicht gewollten Wettbewerbsvorteile ergäben sich im vorliegenden Fall dadurch, dass die Zinsaufwendungen ohne eine Anwendung des § 4i S. 1 EStG faktisch sowohl einen Abzug in Deutschland und in den Niederlanden finden würden. Ob dies durch Doppelabzug oder fehlenden Einbezug von Einnahmen und Ausgaben geschehe, führe zum gleichen Ergebnis und sollte für die Rechtsanwendung des § 4i EStG keine Rolle spielen.
23Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten in der Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen.
24Mit Beschluss vom 19.07.2023 ist die C- B.V. als Kommanditistin der Klägerin gemäß § 60 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Verfahren beigeladen worden.
Die Klage ist zulässig und begründet.
26I. Die Klage ist als Sprungklage gemäß § 45 FGO zulässig. Zwar hat die Klägerin kein Einspruchsverfahren durchgeführt, sondern von dieser ist nach dem Ergehen des Änderungsbescheids unmittelbar Klage beim Gericht erhoben worden. Die Voraussetzungen für eine Sprungklage i.S.d. § 45 FGO sind vorliegend aber erfüllt.
27Gemäß § 45 Abs. 1 FGO ist eine Klage auch ohne Vorverfahren zulässig, wenn die Behörde, die über den außergerichtlichen Rechtsbehelf zu entscheiden hat, innerhalb eines Monats nach Zustellung der Klageschrift dem Gericht gegenüber zustimmt. Im Streitfall ist die Klage am 16.09.2020 beim Gericht erhoben worden. Mit Schreiben vom 23.09.2020 und damit innerhalb der Monatsfrist des §§ 45 Abs. 1 FGO hat das Finanzamt seine Zustimmung zu dieser Sprungklage erteilt.
28II. Die Klage ist auch begründet.
29Der angefochtene Feststellungsbescheid für 2017 vom 17.08.2020 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, soweit das FA den SBA-Abzug versagt und den Gewinn der Klägerin aus Gewerbebetrieb entsprechend erhöht festgestellt hat (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Entgegen der Auffassung des FA liegen die Voraussetzungen des § 4i S. 1 EStG im Streitfall nicht vor, so dass die von der Klägerin geltend gemachten SBA der Kommanditistin in voller Höhe den Gewinn der Klägerin mindern.
301. Nach § 4i Satz 1 EStG dürfen Aufwendungen nicht als Sonderbetriebsausgaben abgezogen werden, soweit sie auch die Steuerbemessungsgrundlage in einem anderen Staat mindern. Satz 1 gilt nicht, soweit diese Aufwendungen Erträge desselben Steuerpflichtigen mindern, die bei ihm sowohl der inländischen Besteuerung unterliegen als auch nachweislich der tatsächlichen Besteuerung in dem anderen Staat (Satz 2).
31Die Vorschrift des § 4i ESt ist gemäß Art. 19 Abs. 2 des Gesetzes zur Umsetzung der Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnahmen gegen Gewinnkürzungen und –verlagerungen (AmtsHRLÄndUG) vom 20.12.2016 (BGBl. I. 2016, 3000, geändert durch das Gesetz zur Bekämpfung Steuerumgehung und zur Änderung weiterer Vorschriften (StUmgBG) v. 23.06.2017 (BGBl. I 2017, 1682) am 01.01.2017 in Kraft getreten und ist erstmals für den Veranlagungszeitraum 2017 und damit für das Streitjahr anzuwenden. Ausweislich der Gesetzesbegründung steht die Einführung des § 4i EStG im Zusammenhang mit Qualifikationskonflikten, die im Zusammenhang mit der Beteiligung von Steuerausländern an inländischen Mitunternehmerschaften auftreten können (vgl. BT-Drucks. 18/9956, S. 3). Dem liegt der Umstand zugrunde, dass das deutsche Besteuerungskonzept von Mitunternehmerschaften nach Maßgabe des sog. Transparenzprinzip erfolgt. Das bedeutet, dass in dem für die Mitunternehmerschaft festzustellenden und den Gesellschaftern – entsprechend ihrer Beteiligungsquote zuzurechnenden – Gesamtgewinn (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG) neben dem Ergebnis des Gesamthandbereichs der Gesellschaft auch das Ergebnis des sogenannten Sonderbereichs, also des Sonderbetriebsvermögens I und II, des Gesellschafters eingeht. Während das deutsche Steuerrecht demnach die Sonderbetriebsausgaben im Inland steuerlich berücksichtigt, kennen die Steuersysteme anderer Länder das Konzept des Sonderbetriebsvermögens entweder überhaupt nicht oder nur in modifizierter Form. Diese unterschiedlichen Besteuerungssysteme können im Fall eines im Ausland ansässigen Mitunternehmers einer deutschen Personengesellschaft dazu führen, dass vom Gesellschafter getätigte Aufwendungen sich prinzipiell zweifach als Betriebsausgaben steuermindernd auswirken. Einmal im Rahmen der inländischen Gewinnermittlung der Mitunternehmerschaft in Form von Sonderbetriebsausgaben im Rahmen des Sonderbetriebsvermögens II und gleichzeitig im Ausland als mit der inländischen Beteiligung in Zusammenhang stehende Betriebsausgaben (sog. Double-Dip). Da ein entsprechend doppelter Betriebsausgabenabzug den Zielsetzungen einer an der Leistungsfähigkeit und Wettbewerbsneutralität ausgerichteten Besteuerung widerspricht, hat der Gesetzgeber die Vorschrift des § 4i EStG eingeführt, um diesem doppelten Betriebsausgabenabzug entgegen zu wirken (vgl. im Einzelnen hierzu Hick in Hermann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 5/2023, § 4i EStG Rz. 4 f.)
322. Dies zugrunde gelegt ist im Streitfall der persönliche Anwendungsbereich des § 4i Satz 1 EStG eröffnet, da es sich bei der Klägerin um eine Personengesellschaft handelt, an der die in den Niederlanden ansässige Beigeladene, die C- B.V., als Kommanditistin beteiligt ist. Die letztgenannte Gesellschaft unterliegt aus ihrer inländischen Mitunternehmerschaft (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG) im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht im Inland der Besteuerung (§§ 1 Abs. 4, 2 Nr. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG); § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG).
333. Ebenfalls ist der sachliche Anwendungsbereich des § 4i Satz 1 EStG im Streitfall eröffnet. Bei den hier in Rede stehenden von der Beigeladenen an ihre Muttergesellschaft geleisteten Refinanzierungszinsen in Höhe von 47.900 € handelt es sich – was zwischen den Beteiligten unstreitig ist – um SBA der beigeladenen Kommanditistin. Diese haben im Rahmen der Mitunternehmerschaft als (Sonder-)Betriebsausgaben den Gewinn der Kommanditistin nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG gemindert.
344. Im Streitfall liegen die Voraussetzungen für ein Abzugsverbot im Sinne des Satzes 1 aber nicht vor. Der Anwendung des Abzugsverbots des § 4i Satz 1 EStG steht im Streitfall entgegen, dass die hier in Rede stehenden SBA – entgegen der Auffassung des FA - in den Niederlanden nicht eine Steuermessungsgrundlage gemindert haben. Die von der C- B.V. an die Muttergesellschaft gezahlten Refinanzierungszinsen sind zwar im Inland bei der Ermittlung der Einkünfte gem. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG als SBA mindernd berücksichtigt worden. In den Niederlanden sind diese Refinanzierungszinsen bei der Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage aber unberücksichtigt geblieben und haben diese nicht gemindert.
35a. Weder der Begriff „Steuerbemessungsgrundlage“ noch die „Minderung“ dieser Steuerbemessungsgrundlage ist im Gesetz näher konkretisiert. Für die Beurteilung, ob im Streitfall die hier in Rede stehenden Refinanzierungszinsen der Beigeladenen zu einer Minderung der Steuerbemessungsgrundlage in den Niederlanden geführt haben, geht das Gericht mangels anderweitiger Anhaltspunkte davon aus, dass der Begriff der ausländischen „Steuerbemessungsgrundlage“ insoweit aus dem Verständnis des nationalen Rechts zu entwickeln ist (so auch Martini in Kichhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 4i Rz. B 24; Rüsch, FR 2018, 299 f., einschränkend Oertel in Betriebs-Berater (BB) 2018, 351 ff., anders Kanzler in Kraft u.a., Einkommensteuergesetz, § 4i EStG Rz. 21, wonach alle denkbaren ertragsteuerlichen Bemessungsgrundlagen in Betracht kommen).
36b. Von einer „Minderung“ der Steuerbemessungsgrundlage ist nach der überwiegenden Auffassung in der Literatur auszugehen, wenn die Aufwendungen auch in dem anderen Staat dem steuerbaren Bereich zuzuordnen sind. Daher soll dann keine Minderung der Steuerbemessungsgrundlage vorliegen, wenn die Aufwendungen im Ausland – bedingt durch eine sachliche oder persönliche Steuerbefreiung – nicht zum Abzug zugelassen oder dem nicht steuerbaren Bereich zugeordnet werden. In diesen Fällen scheidet eine Anwendung des § 4i Satz 1 EStG aus (u.a. im Ergebnis so auch Kußmaul/Schäfer/Engel, Der Steuerberater (StB) 2021, 41; Rüsch, a.a.O.). Dieses Verständnis hält der Senat für zutreffend.
37c. Im Streitfall bildet die beigeladene C- B.V. zusammen mit ihrer Muttergesellschaft in den Niederlanden – was zwischen den Beteiligten unstreitig ist - eine sog „fiscale eenheid“, d.h. beide Gesellschaften werden als einheitliches Steuersubjekt betrachtet und unterliegen im Rahmen der niederländischen Besteuerung einer sog. vollkonsolidierenden Gruppenbesteuerung.
38Hinsichtlich der Rechtslage nach niederländischem Recht betreffend die vorgenannte „fiscale eenheid“ geht der Senat von Folgendem aus:
39Bei der sog. „fiscale eenheid“ erfolgt die Konzernbesteuerung nach dem Prinzip der Einheitstheorie. Nach den in den Art. 15 ff. Wet op de vennootschapsbelasting (VPB; Körperschaftsteuergesetz der Niederlande) niedergelegten Grundsätzen wird dabei eine Fusion der teilnehmenden Gesellschaften fingiert, so dass die Gruppe körperschaftsteuerrechtlich als ein einziges Unternehmen behandelt wird. Dies bedeutet, dass die Gruppengesellschaften steuerrechtlich behandelt werden, als seien sie ein einziges Unternehmen. Dabei werden die gruppeninternen Transaktionen, also die schuldrechtlichen Beziehungen zwischen den Gruppengesellschaften, grundsätzlich nicht berücksichtigt, d.h., gegenseitige Forderungen und Schulden innerhalb dieser Gruppe sind steuerlich nicht mehr existent. Formell erfolgt daher keine separate Gewinnermittlung auf der Ebene der teilnehmenden Gesellschaften und eine anschließende Verrechnung dieser Zwischengewinne. Stattdessen werden während des Bestehens der fiskalischen Einheit alle Geschäftsergebnisse der Tochtergesellschaft als Ergebnisse der Muttergesellschaft betrachtet. Für die fiskalische Einheit ist insoweit kennzeichnend, dass nur eine Konzernbilanz und eine konzernweite Gewinn- und Verlustrechnung anstelle mehrerer Einzelbilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen für jede beteiligte Gesellschaft aufgestellt werden. Die Besteuerung der fiskalischen Einheit erfolgt also nicht aufgrund einer „konsolidierten“ Konzernsteuerbilanz mit einem zusammengeführten Konzernergebnis (vgl. zu den Einzelheiten der niederländischen Gruppenbesteuerung im Rahmen der „fiscale eenheid“ insoweit Jungnitz, Internationales Steuerrecht (IStR) 2006, 266; Elsweier/Grave, IStR 2013, 91; Boer, IStR 2011, 61).
40d. Bezogen auf den Streitfall bedeutet dies, dass die C- B.V. und ihre Muttergesellschaft in den Niederlanden als einheitliches Steuersubjekt behandelt werden; es wird daher nur eine (einheitliche) Konzernbilanz aufgestellt. Hierbei bleiben gruppeninterne Transaktionen, im Streitfall also die gegenüber der Muttergesellschaft bestehenden Darlehensverbindlichkeiten der C- B.V. und die damit in Zusammenhang stehenden Zinszahlungen der C- B.V. sowie die entsprechenden Darlehensforderungen der G- B.V. und die Zinseinnahmen der G- B.V. (*) bei der Aufstellung der einheitlichen Konzernbilanz unberücksichtigt bzw. außer Ansatz. Es erfolgt somit gerade keine Verrechnung von Gewinnen zwischen der Beigeladenen und ihrer Muttergesellschaft. Vielmehr werden sämtliche konzerninternen Transaktionen von vornherein außer Acht gelassen.
41aa. Ob diese sog. vollkonsolidierende Gruppenbesteuerung im Fall von Darlehensbeziehungen zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft zu einer Minderung der niederländischen Steuerbemessungsgrundlage führt und daher der § 4i Satz 1 EStG Anwendung findet, wird innerhalb der Literatur unterschiedlich beurteilt. So wird teilweise die Auffassung vertreten, eine Minderung der Steuerbemessungsgrundlage sei auch dann anzunehmen, wenn die Aufwendungen (hier also die SBA der Beigeladenen) und die damit korrespondierenden Einnahmen (Zinseinnahmen der Muttergesellschaft) im Rahmen eines ausländischen Gruppenbesteuerungssystems steuerlich unbeachtlich bzw. unberücksichtigt bleiben. Eine Minderung der Steuerbemessungsgrundlage sei in diesem Fall im Ergebnis dennoch gegeben, da ohne die Aufwendungen die hierzu korrespondierenden Einnahmen insoweit steuerlich zu beachten gewesen wären (so Martini in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, Rz. B 25; Wacker in Schmidt, EStG, 41. Aufl. 2022, § 4i Rz. 13). Dagegen wird auch die Auffassung vertreten, dass aufgrund der bei der vollkonsolidierenden Gruppenbesteuerung steuerlichen Unbeachtlichkeit der gruppeninternen Transaktionen die im Zusammenhang mit einem konzernintern aufgenommenen Darlehen angefallenen Schuldzinsen bei der Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage unberücksichtigt bleiben und somit keinen Einfluss auf die ausländische Steuerbemessungsgrundlage haben. Aufgrund der Negierung dieser gruppeninternen Darlehen könne die Nichtberücksichtigung der Zinsaufwendungen auch nicht zu einer Minderung der Steuerbemessungsgrundlage führen (so u.a. Kanzler in Kanzler/Kraft u.a., Einkommensteuergesetz, § 4i Rz. 21, Rüsch, FR 2018, 299 f., Schnitker, IStR 2017, 214 f.; Kraft/Uhage, Ubg 2019, 305).
42bb. Der Senat schließt sich im Streitfall der letztgenannten Auffassung an. Danach liegt aufgrund der steuerlichen Nichtberücksichtigung der hier in Rede stehenden Schuldzinsen in der niederländischen Einheitsbilanz des Konzerns keine Minderung der Steuerbemessungsgrundlage in den Niederlanden vor. Das Gericht ist insoweit der Ansicht, dass die vorliegende Sachverhaltskonstellation mit der Negierung der konzerninternen Transaktionen und damit einhergehend die Nichtberücksichtigung der damit in Zusammenhang stehenden Aufwendungen im Rahmen einer vollkonsolidierenden Gruppenbesteuerung, mit der Fallkonstellation vergleichbar ist, bei der das Abzugsverbot des § 4i Satz 1 EStG nicht eingreift, da die Aufwendungen im Ausland dem nichtsteuerbaren Bereich zugerechnet werden. In beiden Fallvarianten, der Negierung der gruppeninternen Transaktionen und der Nichtsteuerbarkeit der einzelnen Aufwendungen, führt die jeweilige steuerliche Behandlung der Aufwendungen im Ergebnis dazu, dass die Aufwendungen tatsächlich keinen Einfluss auf die steuerliche Bemessungsgrundlage im Ausland haben.
43Dafür, dass bei der Beurteilung der Frage, ob eine Minderung der Steuerbemessungsgrundlage vorliegt, neben den Aufwendungen auch ggf. damit korrespondierende Einnahmen im Wege einer Gesamtbetrachtung einzubeziehen sind, sieht das Gericht – anders als das FA - keine Veranlassung. Hierfür ergibt sich insbesondere kein Hinweis aus dem Wortlaut des § 4i Satz 1 EStG, sondern die Regelung des § 4i Satz 1 EStG spricht ausdrücklich nur von Aufwendungen, die zu einer Minderung der Steuerbemessungsgrundlage in einem anderen Staat führen müssen. Insoweit handelt es sich sowohl bei den Zinsaufwendungen der C- B.V. als auch den Zinserträgen der G1- B.V. (*) nach Ansicht des Gerichts um zwei verschiedene Sachverhalte, die auch steuerlich getrennt voneinander zu würdigen sind. Im Übrigen sprechen für die vom Gericht vertretene Rechtsauffassung auch systematische Überlegungen. So hat der Gesetzgeber in Satz 2 des § 4i EStG – im Gegensatz zum Satz 1 - ausdrücklich den Begriff „Erträge“ erwähnt und hierzu als Ausnahmeregelung zu Satz 1 ausgeführt, dass ein Abzugsverbot dann nicht eingreift, soweit die Aufwendungen Erträge desselben Steuerpflichtigen mindern, die bei diesem sowohl der inländischen Besteuerung als auch nachweislich der tatsächlichen Besteuerung in einem anderen Staat unterliegen. Wenn vom Gesetzgeber aber in Satz 2 des § 4i EStG ausdrücklich auf die Erträge, die durch die Aufwendungen gemindert werden, abgestellt wird, ist für das Gericht kein nachvollziehbarer Grund ersichtlich, warum in Satz 1 des § 4i EStG für die Beurteilung, ob eine Minderung der steuerlichen Bemessungsgrundlage vorliegt, - entgegen dem ausdrücklichen Wortlaut dieser Vorschrift – ebenfalls auf mit den Aufwendungen in Zusammenhang stehenden Erträge abzustellen sein sollte.
44Der Einwand des FA im Klageverfahren, in den zwischenzeitlich dem Gericht vorgelegten Jahresabschlüssen der C- B.V. fänden sich sowohl die Darlehensverbindlichkeiten als auch die Zinsaufwendungen für die betreffenden Darlehen, führt gleichfalls zu keiner anderen Entscheidung in der Sache. Denn allein die formale Bilanzierung dieser schuldrechtlichen Verpflichtungen zwischen der Kommanditistin und ihrer Muttergesellschaft im Jahresabschluss der Kommanditistin führt – aufgrund der rechtlichen Negierung der gruppeninternen Transaktionen im Rahmen der niederländischen vollkonsolidierenden Gruppenbesteuerung – gerade nicht zu einer Minderung der Steuerbemessungsgrundlage des Konzerns in den Niederlanden. Wie bereits unter I. 4. c im Einzelnen ausgeführt, wird nach niederländischem Recht bei der sog. vollkonsolidierenden Gruppenbesteuerung für Zwecke der Besteuerung eine Einheitsbilanz des Konzerns aufgestellt, bei der die schuldrechtlichen Transaktionen unberücksichtigt bleiben; insbesondere erfolgt für Zwecke der Besteuerung des Konzerns weder eine Gewinnermittlung für die einzelnen Konzerngesellschaften noch eine anschließende Verrechnung dieser Zwischengewinne innerhalb der einheitlichen Konzernbilanz. Nach niederländischem Recht wird im Rahmen der sog. vollkonsolidierenden Gruppenbesteuerung nur eine Einheitsbilanz für den Gesamtkonzern unter Außerachtlassung der konzerninternen Vertragsbeziehungen aufgestellt und auch nur diese Einheitsbilanz bildet die Grundlage/Steuerbemessungsgrundlage für die Besteuerung des Konzerns für ertragsteuerliche Zwecke in den Niederlanden.
45III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
46IV. Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung. Höchstrichterliche Entscheidungen zur Auslegung des § 4i Satz 1 EStG sind bisher noch nicht ergangen. Im Streitfall ist die Frage klärungsbedürftig, ob im Fall der vollkonsolidierenden Gruppenbesteuerung nach niederländischem Recht (sog. „fiscale eenheid“), bei der die gruppeninternen Transaktionen unberücksichtigt bleiben, eine Minderung der Steuerbemessungsgrundlage i.S.d. § 4i Satz 1 EStG vorliegt.
47(*) Am 29.09.2023 erging folgender Berichtigungsbeschluss:
48Das Urteil des Senats vom 31.08.2023 wird dahingehend berichtigt, dass auf Seite 13 (zweiter Absatz im Großdruck, Zeilen 6 und 7) die Angabe der „Darlehensforderungen der G- B.V. und die Zinseinnahmen der G- B.V.“ durch die Angabe der „Darlehensforderungen der F- B.V. und die Zinseinnahmen der F- B.V.“ sowie auf Seite 14 (dritter Absatz im Großdruck, Zeilen 8 und 9) die Angabe „Zinserträgen der G1- B.V.“ durch die Angabe „Zinserträgen der F- B.V.“ ersetzt werden.
In den Entscheidungsgründen des Urteils vom 31.08.2023 war auf der Seite 13 (zweiter Absatz im Großdruck, Zeilen 6 und 7) und auf der Seite 14 (dritter Absatz im Großdruck, Zeilen 8 und 9) als Bezeichnung der in den Niederlanden ansässigen Muttergesellschaft der Beigeladenen irrtümlich die Bezeichnung G- B.V. bzw. G1- B.V. angegeben. Die tatsächliche Bezeichnung der in den Niederlanden ansässigen Muttergesellschaft der Beigeladenen lautet tatsächlich F- B.V.. Es handelt sich hierbei um einen Schreibfehler, der nach § 107 FGO zu berichtigen war.