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Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
2Streitig ist, ob eine zu eigenen Wohnzwecken erfolgte Nutzung i. S. des § 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 Einkommensteuergesetz – EStG – vorliegt, wenn das Wirtschaftsgut von der ehemaligen Ehefrau sowie den zwei gemeinsamen Kindern genutzt wurde.
3Der Kläger war seit dem 00.00.1989 mit Frau P. E. (nachfolgend „Kindesmutter“) verheiratet. Aus der Ehe entstammen die Kinder E. E., geboren am 00.00.1994, und F. E., geboren am 00.00.2000. Die Ehe wurde am 00.00.2014 geschieden.
4Die Eheleute waren je hälftige Miteigentümer des Grundstücks S-Straße in N-Stadt. Zur endgültigen Vermögensauseinandersetzung im Zusammenhang mit der Ehescheidung schloss der Kläger mit der Kindesmutter am 00.00.2014 eine Scheidungsfolgenvereinbarung mit Grundstücksübertragung, durch welche die Kindesmutter ihren Miteigentumsanteil mit Wirkung zum 00.00.2014 auf den Kläger übertrug. Im Gegenzug stellte der Kläger die Kindesmutter von allen gemeinsamen privaten Verbindlichkeiten inklusive der Darlehensverbindlichkeiten, für die Grundschulden bestellt worden waren, frei und leistete einen zusätzlichen Ausgleichsbetrag in Höhe von 359.000,00 EUR.
5Ferner wurde in der Scheidungsfolgenvereinbarung eine Nutzungsregelung zur Immobilie mit folgendem Inhalt getroffen:
6- Die Kindesmutter habe das Recht, das Hausgrundstück bis zum 00.00.2018 unentgeltlich zu nutzen. Falls der jüngste Sohn, F., unmittelbar nach dem Abitur ein freiwilliges soziales Jahr in N-Stadt absolviere und dann noch im mütterlichen Haushalt lebe, verlängere sich das Nutzungsrecht bis zum 31.12.2019.
7- Sofern der Ehemann das Hausgrundstück vor Ablauf der vereinbarten Nutzungszeit veräußere und die Kindesmutter ausziehe, müsse er an die Kindesmutter bis zum Ablauf der vereinbarten Nutzungszeit einen Mietzuschuss von monatlich 1.500,00 EUR zahlen. Wenn die Kindesmutter auf eigenen Wunsch vorzeitig ausziehe, ohne dass das Hausgrundstück verkauft werde, reduziere sich der Mietzuschuss auf monatlich 1.000,00 EUR.
8- Sofern das Einkommen der Kindesmutter in den Kalenderjahren 2015 bis 2021 jeweils unter 80.000,00 EUR liege, werde der Kläger den Differenzbetrag durch entsprechende Unterhaltszahlungen ausgleichen, begrenzt auf maximal 20.000,00 EUR pro Jahr.
9- Das mietfreie Wohnen stelle eine Unterhaltsleistung des Ehemannes dar. Für den Fall, dass der Kläger das begrenzte Realsplitting in Anspruch nehmen werde, verpflichte sich die Ehefrau, die Anlage U zu seiner Einkommensteuererklärung zu unterzeichnen.
10Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Scheidungsfolgenvereinbarung vom 00.00.2014, Urkundenrolle Nr. xxx des Notars S. T., verwiesen.
11Der ältere Sohn, E., mietete im Jahr 2016 eine eigene Wohnung an.
12Mit notariellem Kaufvertrag vom 10.09.2018, Urkundenrolle Nr. xxx des Notars C., verkaufte der Kläger das streitbefangene Grundstück an Herrn S. M.. Als Kaufpreis wurden 1.130.000,00 EUR vereinbart, wovon 30.000 EUR auf das Inventar entfielen. Die Übertragung des Besitzes erfolgte am 00.00.2018.
13Der Beklagte erließ am 13.05.2019 einen Einkommensteuerbescheid für 2018 (Streitjahr), in dem er den Veräußerungsvorgang nicht berücksichtigte. Der Steuerbescheid erging gem. § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Im Erläuterungsteil wurde der Kläger gebeten, zwecks Überprüfung, ob der oben genannte Vorgang bezüglich des 2014 erworbenen hälftigen Miteigentumsanteils eine steuerpflichtige Veräußerung i. S. des § 23 EStG darstelle, Stellung zu nehmen und den Kaufvertrag sowie ggf. eine Berechnung des Gewinns einzureichen.
14Der Kläger teilte mit, dass er das Hausgrundstück zusammen mit der Kindesmutter und seinen Kindern bis zur Trennung als Familienwohnung gemeinsam bewohnt habe. Im Rahmen der Scheidungsfolgenvereinbarung habe man sich darauf verständigt, dass der minderjährige Sohn F. das Objekt zusammen mit seinem Bruder E. und der Mutter unentgeltlich bewohnen dürfe. Als Vater sei er, der Kläger, gegenüber seinen unterhaltsberechtigten Söhnen verpflichtet, für die Unterbringung zu sorgen. Dem sei er durch die Überlassung des Objektes nachgekommen. Zur Beaufsichtigung des minderjährigen Sohnes habe die Mutter aus dem Betreuungsgedanken heraus unentgeltlich im Objekt bleiben dürfen. Da F. im Streitjahr das Abitur abgelegt habe und volljährig geworden sei, seien die Söhne und auch die Kindesmutter ausgezogen. Anschließend habe er, der Kläger, das Objekt veräußert. Da das Objekt nach der Trennung der Eltern von den Kindern weiterhin unentgeltlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt worden sei, er kindergeldberechtigt gewesen sei und keine Mieteinnahmen erzielt habe, sei die Nutzung bis zum Veräußerungszeitpunkt als Nutzung zu eigenen Wohnzwecken anzusehen. Ein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn sei nicht zu berücksichtigen.
15Mit Schreiben vom 17.06.2019 führte der Beklagte aus, es sei davon auszugehen, dass es sich bei der Veräußerung des im Jahr 2014 erworbenen Miteigentumsanteils um ein privates Veräußerungsgeschäft i. S. des § 23 EStG handele. Grundsätzlich stelle die unentgeltliche Überlassung an ein Kind, für das ein Anspruch auf Kindergeld bestehe, zwar eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken dar. Sofern das Kind das Objekt jedoch zusammen mit dem anderen Elternteil nutze, stehe die unentgeltliche Überlassung an diesen und damit an einen Dritten im Vordergrund (unter Bezugnahme auf das BMF-Schreiben vom 05.10.2000, BStBl. I 2000, 1383, Rn. 23).
16Hierauf teilte der Kläger mit, dass nach seiner Auffassung durch das Bewohnen der Kinder eine teilweise Eigennutzung vorliege. Die Nutzung durch die Söhne könne nicht der Kindesmutter zugerechnet werden, da diese keinerlei Rechtsposition an dem Objekt innegehabt habe. Eine schädliche unentgeltliche Überlassung an einen Dritten sei demnach nur teilweise gegeben. Der erzielte Veräußerungsgewinn in Höhe von insgesamt 155.716,00 EUR entfalle somit zu 2/3 auf die Söhne, sodass der steuerpflichtige Anteil lediglich 51.854,00 EUR betrage. Wegen der Berechnung des Veräußerungsgewinns wird auf die vom Kläger während des Verwaltungsverfahrens vorgelegte Ermittlung Bezug genommen.
17Am 17.09.2019 erließ der Beklagte einen gem. § 164 Abs. 2 AO geänderten Einkommensteuerbescheid, in welchem Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 155.716,00 EUR berücksichtigt wurden. In den Erläuterungen heißt es, bei einer unentgeltlichen Überlassung an den anderen Ehegatten liege kein Fall der Eigennutzung vor. Dies gelte insbesondere auch für den Fall, dass die Überlassung an ein unterhaltsberechtigtes Kind, für welches ein Anspruch auf Kindergeld bestehe, zur gemeinsamen Nutzung mit dem geschiedenen Ehegatten erfolge. Die Nutzung durch die Kindesmutter stehe hier im Vordergrund, sodass auch keine anteilige Kürzung vorzunehmen sei.
18Hiergegen legte der Kläger am 20.09.2019 Einspruch ein und verfolgte sein Begehren aus dem Veranlagungsverfahren weiter. Der Argumentation des Beklagten könne zwar insoweit gefolgt werden, als die Nutzung durch das minderjährige Kind nicht die Überlassung an die Mutter überlagern könne. In Bezug auf das volljährige Kind liege jedoch ein eigener Tatbestand vor, der die teilweise Nutzung zu eigenen Wohnzwecken begründe. Da der minderjährige Sohn keinen eigenen Tatbestand verwirklichen könne – also als nutzende Person gar nicht zählen könne –, sei der Veräußerungsgewinn nur zur Hälfte steuerlich zu berücksichtigen.
19Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 04.12.2019 als unbegründet zurück. Der Ausnahmetatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG sei nicht erfüllt. Die „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ sei bei § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG so zu verstehen wie in § 10e EStG und in § 4 des Eigenheimzulagegesetzes (EigZulG). Danach diene ein Wirtschaftsgut eigenen Wohnzwecken, wenn es vom Steuerpflichtigen selbst tatsächlich und auf Dauer angelegt bewohnt werde. Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken sei auch insoweit anzuerkennen, als eine Wohnung nicht nur vom Eigentümer (= Veräußerer), sondern auch von seinen Familienangehörigen zu Wohnzwecken genutzt werde; dazu gehörten insbesondere auch sein Ehegatte und seine unterhaltsberechtigten Kinder. Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken sei selbst dann anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige einem Kind, für das er Anspruch auf Kindergeld oder einen Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG habe, eine Eigentumswohnung unentgeltlich zur alleinigen wohnlichen Nutzung überlasse. Die unentgeltliche Überlassung von Wohnungen an andere – auch unterhaltsberechtigte – Angehörige erfülle hingegen nicht die Voraussetzungen. Wenn das Kind die Wohnung zusammen mit dem anderen Elternteil nutze, stehe die unentgeltliche Überlassung an diesen und damit an einen Dritten im Vordergrund.
20Im Rahmen seiner hiergegen erhobenen Klage begehrt der Kläger die vollständige Nichtberücksichtigung eines steuerbaren Veräußerungsgewinns. Eine Nutzung durch das Kind des Eigentümers sei als eigene Nutzung zu werten, da es dem sorgeberechtigten Elternteil obliege, für die Unterbringung des Kindes zu sorgen. Dies entspreche der unterhaltsrechtlichen Verpflichtung. Entsprechend stelle sich die unentgeltliche Nutzung der Immobilie durch die unterhaltsberechtigten Söhne als Nutzung zu eigenen Wohnzwecken dar. Eine Nutzungsüberlassung auch an die Kindesmutter für einen vorübergehenden, befristeten Zeitraum erweise sich demgegenüber als unschädlich. Kern der getroffenen Überlassungsregelung im Rahmen der Scheidungsfolgenvereinbarung sei aus seiner, des Klägers, Sicht die Überlassung an die beiden unterhaltsberechtigten Söhne gewesen. Das der Kindesmutter eingeräumte Nutzungsrecht habe entsprechend der ergänzenden Formulierung eindeutig auf das Wohnrecht des jüngsten, damals minderjährigen, Sohnes F. abgezielt. Die Erwähnung der Kindesmutter sei im Hinblick auf die Aufsichtspflicht geboten gewesen. Der ältere Sohn sei nicht gesondert erwähnt worden, da er bereits volljährig gewesen sei – man sei aber selbstverständlich von einer weiteren Nutzung des Familienheimes ausgegangen. Das Wohnrecht der Kindesmutter resultiere somit ausschließlich aus dem Nutzungsrecht der Kinder und stelle keinen werthaltigen Gegenstand der Scheidungsfolgenvereinbarung dar. Der Kindesmutter sei als selbständig tätige Zahnärztin ein umsatzabhängiger, nachehelicher Unterhalt in Höhe von maximal 20.000,00 EUR jährlich gewährt und bis einschließlich 2019 auch geleistet worden.
21Mit der fortgesetzten Überlassung an die Kinder habe er in deren Sinne die Familienimmobilie, jedenfalls bis die Kinder einen eigenen Hausstand begründen würden, erhalten wollen. Ein solches Verhalten habe der Gesetzgeber mit der Ausnahmeregelung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG unterstützen wollen. Sinn und Zweck der Ausnahmeregelung sei es, ungerechtfertigte Besteuerungen von Veräußerungsgewinnen bei Aufgabe des Wohnsitzes, bspw. wegen Arbeitsplatzwechsels, zu vermeiden (Verweis auf BT-Drucks. 14/23, S. 180). Im Streitfall habe er, der Kläger, zwar nicht seinen Arbeitsplatz gewechselt, aber im Rahmen der Auflösung einer Lebensgemeinschaft das gemeinsame Familienheim verlassen. In diesem Zusammenhang sei der Schutz von Ehe und Familie gem. Art. 6 Grundgesetz – GG – zu berücksichtigen. Bei einem anderen Verständnis der Ausnahmeregelung würde der grundgesetzlich garantierte Schutz der Familie im Rahmen der Auseinandersetzung von trennungswilligen Eltern konterkariert werden. So würde es zu gravierenden familiären Nachteilen führen, wenn man von Eltern verlangen würde, ein Haus alleine zur Vermeidung von steuerlichen Nachteilen unmittelbar nach der Scheidung zu veräußern. Die familiäre Folge wäre für die Kinder, dass sie, zusätzlich zu den emotionalen und gesundheitlichen Folgen einer Scheidung, ihres vertrauten Umfeldes beraubt würden. Demgegenüber sei das Kindeswohl auch beim Hausverkauf nach Scheidung zu schützen; dieses habe mit Rücksicht auf Art. 6 GG Vorrang. Der ältere Sohn (E.) habe im Wesentlichen bis zum Auszug des jüngeren Sohnes (F.) im Elternhaus gewohnt. Auf Empfehlung des betreuenden Kinderpsychologen habe der ältere Sohn dem jüngeren Sohn eine Stütze bieten sollen. Das Haus verfüge über ein zu Wohnzwecken ausgebautes Dachgeschoss sowie ein separat zugängliches (Kinder-) Bad. Die Kinder hätten die einzige Küche im Haus gemeinsam mit der Kindesmutter genutzt, sich dort aber im Wesentlichen selbst versorgt. Die Kindesmutter habe nur zeitweise für die Kinder mitgekocht. Nach seinem 18. Geburtstag (am 00.00.2018) sei der jüngere Sohn zeitnah im Februar 2018 in die bereits von dem älteren Bruder angemietete Wohnung gezogen. Dies zeige die enge Verbundenheit der Geschwister. Das vertraute räumliche Umfeld im Elternhaus sei für die Kinder zum Zwecke der Stabilisierung sehr wichtig gewesen.
22Ergänzend führt der Kläger aus, dass er nicht mit Gewinnerzielungsabsicht gehandelt habe. Ein Hausverkauf zum Scheidungszeitpunkt wäre von finanziellem Vorteil gewesen. Der Zeitraum bis zum endgültigen Hausverkauf habe für ihn, den Kläger, zu einer erheblichen finanziellen Mehrbelastung durch die eingegangenen Kreditverbindlichkeiten geführt. Infolgedessen hätte er 2018 fast Insolvenz anmelden müssen, dies durch Ablösung aller Verbindlichkeiten aber noch abwenden können.
23Der Kläger beantragt,
24den Einkommensteuerbescheid 2018 vom 17.09.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 04.12.2019 dahin zu ändern, dass bei den Besteuerungsgrundlagen Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i.H.v. 0 EUR berücksichtigt werden,
25hilfsweise, die Revision zuzulassen.
26Der Beklagte beantragt,
27die Klage abzuweisen.
28Zur Begründung verweist er auf seine Einspruchsentscheidung.
29Am 08.03.2022 ist ein Erörterungstermin vor dem ehemaligen Berichterstatter durchgeführt worden. Am 19.05.2022 hat der Senat die Sache mündlich verhandelt. Auf das Protokoll des Erörterungstermins sowie auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
30Entscheidungsgründe
31Die zulässige Klage ist unbegründet.
321. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2018 und die Einspruchsentscheidung sind rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten (§100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –). Denn der Beklagte hat den Gewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften gem. §§ 22 Nr. 2 i. V. m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zutreffend in Höhe von 155.716,00 EUR der Besteuerung unterworfen.
33a) Nach § 22 Nr. 2 i. V. m. § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG sind private Veräußerungsgeschäfte u.a. Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Diese Voraussetzungen sind im Hinblick auf den vom Kläger anlässlich der Scheidung erworbenen Miteigentumsanteil an dem Grundstück erfüllt.
34aa) Der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung betrug nicht mehr als zehn Jahre. Der Kläger hat den streitbefangenen hälftigen Grundstücksanteil erst im Rahmen der Scheidungsfolgenvereinbarung vom 00.00.2014 angeschafft, indem er den hälftigen Miteigentumsanteil von der Kindesmutter erwarb. Dadurch hat er Alleineigentum begründet (zum Erwerb von Miteigentumsanteilen vgl. Ratschow in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, 160. Lfg. 12/2021, § 23 EStG Rn. 42; Bundesfinanzhof – BFH –, Urt. v. 17.12.1997, X R 88/95, BFHE 185, 40, BStBl. II 1998, 343). Der anschließende Verkauf des Grundstücks erfolgte am 10.09.2018 und damit innerhalb der Zehnjahresfrist.
35bb) Der Besteuerung steht auch nicht der klägerische Vortrag, dass er nicht mit Gewinnerzielungsabsicht gehandelt habe, entgegen. Dass ein privates Veräußerungsgeschäft i. S. des § 23 EStG überhaupt das Vorliegen einer Einkunftserzielungsabsicht erfordert, wird in der Literatur zum Teil verneint (so u.a. Levedag in Schmidt, EStG, 41. Aufl. 2022, § 23 Rn. 3; Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 309. Lfg. 02/2022, § 23 EStG Rn. 82). Demgegenüber entspricht es der ständigen Rechtsprechung des BFH, dass das alle Einkunftsarten kennzeichnende Merkmal der Einkünfteerzielungsabsicht zwar auch im Rahmen des § 23 EStG vorliegen müsse, jedoch einkunftsarts- und bereichsspezifisch auszugestalten und damit für die Einkünfte gem. § 23 EStG durch die verhältnismäßig kurzen Fristen in typisierender Weise objektiviert sei (u.a. BFH, Urt. v. 02.05.2000, IX R 74/96, BFHE 192, 88, BStBl. II 2000, 469; Urt. v. 22.04.2008, IX R 29/06, BFHE 221, 97, BStBl. II 2009, 296; Urt. v. 25.08.2009, IX R 60/07, BFHE 226, 252, BStBl. II 2009, 999; Urt. v. 01.08.2012, IX R 8/12, BFHE 238, 129, BStBl. II 2012, 781). Aus dieser Typisierung folgt, dass eine Veräußerung des Steuerpflichtigen innerhalb der Frist steuerbar ist. Subjektive Merkmale sind hingegen nicht zu prüfen (BFH, Urt. v. 22.04.2008, IX R 29/06, BFHE 221, 97, BStBl. II 2009, 296; Urt. v. 01.08.2012, IX R 8/12, BFHE 238, 129, BStBl. II 2012, 781; Urt. v. 20.08.2013, IX R 38/11, BFHE 242, 386, BStBl. II 2013, 1021). Ebenso wenig ist eine Spekulationsabsicht Tatbestandsvoraussetzung (u.a. BFH, Urt. v. 22.04.2008, IX R 29/06, BFHE 221, 97, BStBl. II 2009; Beschl. v. 30.12.2011, IX B 66/11, BFH/NV 2012, 738). Nach diesen Grundsätzen ist es daher nicht von Relevanz, ob für den Kläger möglicherweise ein Verkauf seines zum Scheidungszeitpunkt im Jahr 2014 noch bestehenden Miteigentumsanteils finanziell vorteilhafter gegenüber dem tatsächlichen Ablauf – also dem zunächst erfolgten Erwerb des Miteigentumsanteils von der Kindesmutter und späteren Verkauf des nun bestehenden Alleineigentums – gewesen wäre.
36cc) Die Veräußerung des 2014 erworbenen Miteigentumsanteils unterliegt auch in voller Höhe der Einkommensteuer, da keine „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ i. S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG vorliegt.
37(1) Nach dieser Regelung sind von dem steuerbaren Veräußerungsgeschäft Wirtschaftsgüter ausgenommen, die im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken (1. Alternative) oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangen Jahren zu eigenen Wohnzwecken (2. Alternative) genutzt wurden. Eine „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ setzt in beiden Alternativen voraus, dass eine Immobilie zum Bewohnen geeignet ist und vom Steuerpflichtigen bewohnt wird. Der Steuerpflichtige muss das Gebäude zumindest „auch“ selbst nutzen; unschädlich ist, wenn er es gemeinsam mit seinen Familienangehörigen oder einem Dritten bewohnt. Eine „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ liegt hingegen nicht vor, wenn der Steuerpflichtige die Wohnung entgeltlich oder unentgeltlich an einen Dritten überlässt, ohne sie zugleich selbst zu bewohnen (BFH, Urt. v. 27.06.2017, IX R 37/16, BFHE 258, 490, BStBl. II 2017, 1192 m.w.N.; Urt. v. 21.05.2019, IX R 6/18, BFH/NV 2019, 1227).
38Der Begriff der „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ ist im Rahmen des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG so zu verstehen wie in § 10e EStG und in § 4 Satz 1 EigZulG (BFH, Urt. v. 21.05.2019, IX R 6/18, BFH/NV 2019, 1227 m.w.N.). Danach liegt eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken auch vor, wenn der Steuerpflichtige die Wohnung insgesamt einem einkommensteuerlich zu berücksichtigenden Kind (§ 32 EStG) unentgeltlich zur alleinigen Nutzung überlässt (BFH, Urt. v. 26.01.1994, X R 94/91, BFHE 173, 345, BStBl. II 1994, 544). Die Nutzung der Wohnung durch das Kind ist dem Eigentümer in diesem Fall als eigene zuzurechnen, weil es ihm im Rahmen seiner unterhaltsrechtlichen Verpflichtung obliegt, für die Unterbringung des Kindes zu sorgen (BFH, Urt. v. 18.01.2011, X R 13/10, BFH/NV 2011, 974 m.w.N.; Urt. v. 21.05.2019, IX R 6/18, BFH/NV 2019, 1227).
39Demgegenüber ist die Überlassung an andere – auch unterhaltsberechtigte – Angehörige sowie an sonstige Personen nicht begünstigt (Hessisches FG, Urt. v. 30.09.2015, 1 K 1654/14, EFG 2016, 201 m.w.N.). Ebenso liegt keine „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ vor, wenn nach dem Auszug des Steuerpflichtigen aus dem Familienheim eine gemeinsame Nutzungsüberlassung an nicht begünstigte Personen und einkommensteuerlich zu berücksichtigende Kinder erfolgt. Denn in dieser Konstellation erfolgt die Überlassung an die Kinder gerade nicht zur alleinigen Nutzung (u.a. FG Münster, Urt. v. 21.06.2000, 7 K 5576/97 F, juris; Hessisches FG, Urt. v. 30.09.2015, 1 K 1654/14, EFG 2016, 201; FG München, Urt. v. 11.03.2021, 11 K 2405/19, EFG 2021, 1625 – Rev. BFH unter IX R 11/21; Niedersächsisches FG, Urt. v. 16.06.2021, 9 K 16/20, EFG 2022, 670 – Rev. BFH unter IX R 28/21).
40(2) Ausgehend von diesen Grundsätzen liegt im Streitfall keine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken vor, da die Mitnutzung des streitbefangenen Wohngrundstücks durch die Kindesmutter die alleinige Nutzung der Kinder E. und F. und somit die Selbstnutzung des Klägers ausschließt.
41(a) Das Nutzungsrecht der Kindesmutter ist nach Auffassung des Senats auch nicht ausschließlich auf die Nutzungsüberlassung an die gemeinsamen Kinder und auf den Betreuungsgedanken zurückzuführen.
42(aa) Die erweiternde Auslegung der „Eigennutzung“ rechtfertigt sich dadurch, dass bei einer Nutzungsüberlassung im Rahmen der unterhaltsrechtlichen Verpflichtung an ein Kind i. S. des § 32 EStG zur alleinigen Nutzung die Nutzungs- und Verfügungsherrschaft über die Wohnung beim Steuerpflichtigen verbleibt. Das aus der Unterhaltsverpflichtung abgeleitete Nutzungsrecht ist jedoch nicht auf andere Mitbewohner übertragbar oder erweiterbar (so zutreffend Niedersächsisches FG, Urt. v. 16.06.2021, 9 K 16/20, EFG 2022, 670, Rn. 45 ff. – Rev. BFH unter IX R 28/21), sodass bereits aus rechtlicher Sicht kein steuerlich unschädliches, abgeleitetes Nutzungsrecht der Kindesmutter bestehen kann.
43(bb) Es liegt auch in tatsächlicher Hinsicht kein bloß von den Kindern abgeleitetes Nutzungsrecht, sondern ein selbständiges Nutzungsrecht der Kindesmutter vor. Zwar spricht für das Vorliegen eines abgeleiteten Nutzungsrechts, dass sich das Nutzungsrecht der Kindesmutter verlängert hätte, wenn der jüngste Sohn (F.) nach dem Abitur ein freiwilliges soziales Jahr in N-Stadt absolviert und im mütterlichen Haushalt geblieben wäre. Die Einordnung des Nutzungsrechts der Kindesmutter als eigenständiges Nutzungsrecht resultiert jedoch daraus, dass das mietfreie Wohnen laut Scheidungsfolgenvereinbarung eine Unterhaltsleistung des Klägers darstellte. Hierbei handelt es sich auch um eine Unterhaltsleistung unmittelbar an die Kindesmutter und nicht an die gemeinsamen Kinder. Denn ansonsten hätte sich die Kindesmutter im Zusammenhang mit der Vereinbarung über das mietfreie Wohnen nicht zur Unterzeichnung einer der Einkommensteuererklärung des Klägers beizufügenden Anlage U verpflichtet. Unerheblich ist dabei, ob der Kläger (weitere) Unterhaltszahlungen an die Kindesmutter leistete, welche bereits den steuerlichen Abzugsbetrag i. S. des § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG (13.805 EUR) überstiegen. Denn weitere Unterhaltsleistungen führen nicht zu einer Änderung des Charakters des der Kindesmutter eingeräumten Nutzungsrechts. Im Übrigen wies dieses auch einen eigenständigen wirtschaftlichen Wert auf. So wäre der Kläger bei vorzeitigem Verkauf des Wohngrundstücks bzw. bei Auszug der Kindesmutter auf eigenen Wunsch zur Zahlung eines monatlichen Mietzuschusses in Höhe von 1.500,00 EUR bzw. 1.000,00 EUR verpflichtet gewesen. Diese Mietzuschussverpflichtung war auch vertraglich nicht dahingehend begrenzt, dass die weitere Betreuung der Kinder durch die Kindesmutter vorausgesetzt wurde. Wären beide Kinder bspw. zum Kläger oder bereits vor Volljährigkeit des jüngsten Kindes in eine eigene Wohnung gezogen, hätte die Kindesmutter das Hausgrundstück gleichwohl weiternutzen können. Insoweit ist die vorliegende Konstellation mit einer Fremdvermietung vergleichbar. Ebenso hätte die Kindesmutter bei eigenem Auszug einen Anspruch auf Zahlung des vertraglich vereinbarten Mietzuschusses gehabt. Diese Umstände belegen ein eigenständiges Nutzungsrecht der Kindesmutter, durch das der Kläger in seiner Verfügungsmöglichkeit faktisch beschränkt wurde. Denn selbst wenn eine andere Nutzung (bspw. Vermietung oder Verkauf) schuldrechtlich möglich gewesen wäre, hätte der Kläger Ausgleichszahlungen leisten müssen.
44(b) Ferner kommt auch keine anteilige Ausnahme von der Besteuerung aufgrund (anteiliger) Eigennutzung durch den volljährigen Sohn (E.) in Betracht.
45(aa) Denn diesem wurde das Wohngrundstück ebenso nicht zur alleinigen Nutzung – auch nicht teilweise – überlassen. Er hat vielmehr keinen eigenständigen Haushalt auf dem streitbefangenen Hausgrundstück geführt. Zwar hat die bisherige Rechtsprechung – soweit erkennbar – überwiegend Fälle entschieden, in denen eine gemeinsame Nutzungsüberlassung an nicht begünstigte Dritte und minderjährige Kinder erfolgte, in denen bereits aufgrund der Minderjährigkeit keine Begründung eines selbständigen Haushaltes durch die Kinder und somit auch keine Alleinnutzung durch die Kinder in Betracht kam (vgl. u.a. Hessisches FG, Urt. v. 30.09.2015, 1 K 1654/14, EFG 2016, 201; FG München, Urt. v. 11.03.2021, 11 K 2405/19, EFG 2021, 1625 – Rev. BFH unter IX R 11/21). Nach Auffassung des Senats ist jedoch nicht die Minderjährigkeit das entscheidende Kriterium. Vielmehr begründet auch ein volljähriges Kind bei gemeinsamem Wohnen mit der Kindesmutter – selbst wenn es zu einer eigenständigen Haushaltsführung in der Lage wäre – keinen eigenständigen Haushalt.
46Die „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ erfordert regelmäßig das Führen eines eigenständigen Haushalts (FG München, Urt. v. 11.03.2021, 11 K 2405/19, EFG 2021, 1625, – Rev. BFH unter IX R 11/21; Ratschow in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, 160. Lfg. 12/2021, § 23 EStG Rn. 51; Wernsmann in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, 323. Lfg. 10/2020, § 23 Rn. 46). Hierbei kann dahinstehen, welche konkreten Anforderungen an den Begriff der „Haushaltsführung“ zu stellen sind und ob der Sohn E. diese erfüllte. Denn unabhängig davon kann ein eigenständiger Haushalt bereits deshalb nicht vorliegen, da es sich bei den genutzten Räumen um gemeinsame und nicht um von der Kindesmutter jeweils abgetrennte Wohnräume handelte. So hat der Kläger angegeben, dass das Haus über ein zu Wohnzwecken ausgebautes Dachgeschoss und ein separat zugängliches (Kinder-) Bad verfügte, jedoch nur über eine einzige Küche, die gemeinsam mit der Kindesmutter genutzt wurde. Es handelt sich gerade nicht um zwei separate Wohnungen, sodass mangels räumlicher Trennung – unabhängig davon, ob die Kinder sich selbst versorgt haben oder die Versorgung durch die Kindesmutter erfolgte – ein gemeinsamer Haushalt mit der Kindesmutter vorlag. Entsprechend kann auch dahinstehen, ob der Sohn E. nach Anmietung seiner eigenen Wohnung im Jahr 2016 überhaupt noch das gemeinsame Familienheim bewohnte.
47(bb) Zudem sind die einzelnen Bereiche des gemeinsam genutzten Wohnhauses nicht unabhängig voneinander veräußerbar, sodass – zumindest im Rahmen der Überschusseinkünfte – ein einheitliches Wirtschaftsgut vorliegt (vgl. dazu Niedersächsisches FG, Urt. v. 16.06.2021, 9 K 16/20, EFG 2022, 670 – Rev. BFH unter IX R 28/21; so im Ergebnis auch zum häuslichen Arbeitszimmer FG Köln, Urt. v. 20.03.2018, 8 K 1160/15, EFG 2018, 1256; FG Baden-Württemberg, Urt. v. 23.07.2019, 5 K 338/19, EFG 2020, 46; offen gelassen zuletzt BFH, Urt. v. 01.03.2021, IX R 27/19, BFHE 272, 393, BStBl. II 2021, 680). Da das Wirtschaftsgut als solches Steuerobjekt i. S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ist, kommt auch unter diesem Gesichtspunkt keine anteilige Ausnahme von der Besteuerung für die alleine durch den volljährigen Sohn genutzten Räume in Betracht (vgl. auch Niedersächsisches FG, Urt. v. 16.06.2021, 9 K 16/20, EFG 2022, 670, Rn. 54 ff. – Rev. BFH unter IX R 28/21).
48(c) Sofern der BFH in seinem Urteil vom 21.05.2019 ausführt, dass die Überlassung von Teilen einer zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung oder die Wohnung insgesamt an ein einkommensteuerlich zu berücksichtigendes Kind zur teilweisen oder alleinigen Nutzung die „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ begründe (BFH, Urt. v. 21.05.2019, IX R 6/18, BFH/NV 2019, 1227), ist dies dahingehend zu verstehen, dass mit der „teilweisen“ Nutzung die Überlassung der vom Steuerpflichtigen selbst bereits zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung zur gemeinsamen Nutzung mit ihm und nicht eine gemeinsame Nutzungsüberlassung an begünstigte Kinder und nicht begünstige Dritte ohne unmittelbare Selbstnutzung gemeint ist (wie hier Niedersächsisches FG, Urt. v. 16.06.2021, 9 K 16/20, EFG 2022, 670, Rn. 44 – Rev. BFH unter IX R 28/21). Eine Aufhebung des Kriteriums der „Alleinnutzung“ ist daraus nicht erkennbar.
49(d) Der Auffassung des Senats steht auch nicht der Sinn und Zweck des Gesetzes entgegen. Sinn und Zweck des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG ist es, ungerechtfertigte Besteuerungen von Veräußerungsgewinnen bei Aufgabe des Wohnsitzes (z.B. wegen Arbeitsplatzwechsels) zu vermeiden (vgl. BT-Drucks. 14/23, S. 180). Im Streitfall hat der Kläger jedoch nicht seinen Arbeitsplatz gewechselt, sondern das gemeinsame Familienheim verlassen, einen neuen, eigenständigen Wohnsitz begründet und anschließend – nachdem er das Familienheim mehrere Jahre nicht unmittelbar selbst bewohnt hatte – veräußert. Die Fallkonstellation ist somit von der Zielrichtung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG nicht erfasst (vgl. auch FG München, Urt. v. 11.03.2021, 11 K 2405/19, EFG 2021, 1625, Rn. 26 – Rev. BFH unter IX R 11/21).
50(e) Zudem verstößt die Besteuerung nicht gegen die verfassungsmäßig garantierten Grundsätze zum Schutz der Familie nach Art. 6 GG. Denn erst der Verkauf – und gerade nicht die Beibehaltung des Familienheims zugunsten der gemeinsamen Kinder – löst den Besteuerungsvorgang aus. Auch trifft es zumindest in der im Streitfall vorliegenden Konstellation nicht zu, dass von in Trennung lebenden Eltern alleine zur Vermeidung von steuerlichen Nachteilen die Veräußerung des Familienheims unmittelbar nach der Trennung verlangt werde, da in diesem Zeitpunkt noch eine Eigennutzung vorliegen würde: Denn der Besteuerung wird in der vorliegenden Konstellation lediglich der anteilige Verkauf des hinzuerworbenen Miteigentumsanteils unterworfen und gerade nicht der im Zeitpunkt der Scheidung bereits vorhandene – und somit damals überhaupt nur veräußerbare – Miteigentumsanteil. Bezüglich des der Besteuerung unterworfenen Anteils ist der Sachverhalt somit vergleichbar mit der Konstellation, dass der Steuerpflichtige eine Wohnung erwirbt und sodann ohne je erfolgtes unmittelbares Selbstbewohnen zur gemeinsamen Nutzung an begünstigte und nicht begünstige Personen überlässt, sodass mangels alleiniger Nutzung der begünstigen Person keine „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ i. S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG vorliegt (ständige Rechtsprechung, s.o.). Die Besonderheit der vorliegenden Scheidungsfolgenvereinbarung ist es, dass der den Miteigentumsanteil erwerbende Ehegatte das Grundstück nicht selbst bewohnt, sondern (anteilig) an den veräußernden Ehegatten überlässt. Bei dem umgekehrten Fall – also dem Erwerb durch den weiterhin das Familienheim bewohnenden Ehegatten – würde der spätere Verkauf des Familienheims vollständig unter die Ausnahmeregelung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG fallen. Im Übrigen geht die herrschende und vom Senat geteilte Auslegung, wonach eine „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ auch dann vorliegt, wenn der Steuerpflichtige die Wohnung einem einkommensteuerlich zu berücksichtigenden Kind zur alleinigen Nutzung überlässt, bereits über den reinen Gesetzeswortlaut hinaus (vgl. Niedersächsisches FG, Urt. v. 16.06.2021, 9 K 16/20, EFG 2022, 670, Rn. 39 – Rev. BFH unter IX R 28/21). Für eine noch weitergehende Ausdehnung der Ausnahmeregelung sieht der Senat – trotz der grundsätzlich weit zu fassenden Auslegung (vgl. BFH, Urt. v. 01.03.2021, IX R 27/19, BFHE 272, 393, BStBl. II 2021, 680) – keine Rechtfertigung.
51b) Der Gewinn aus dem Veräußerungsgeschäft ist der Unterschied zwischen dem Veräußerungspreis einerseits und den Anschaffungskosten und den Werbungskosten andererseits, § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG. Die Ermittlung des Veräußerungsgewinns in Höhe von 155.716,00 EUR erfolgte unter Anwendung dieser Grundsätze. Wegen der Einzelheiten der Ermittlung des Veräußerungsgewinns wird auf den Schriftsatz des Klägervertreters aus dem Verwaltungsverfahren vom 27.08.2019 Bezug genommen. Hierbei wurden zutreffend die Anschaffungskosten des 2014 erworbenen Miteigentumsanteils und nicht die hälftigen Anschaffungskosten des gesamten Alleineigentums berücksichtigt (vgl. FG Hamburg, Urt. v. 15.03.2012, 1 K 248/10, EFG 2012, 1448 m.w.N.). Dahinstehen kann, ob die im Zuge der Scheidungsfolgenvereinbarung übernommenen „privaten Verbindlichkeiten“ in Höhe der übernommenen Steuerschulden für 2012 und 2013 (wie geschehen) hälftig als Anschaffungskosten zu berücksichtigen sind oder – trotz Übernahmeverpflichtung gegenüber der Kindesmutter – dem Abzugsverbot nach § 12 Nr. 3 EStG unterliegen. Denn die Nichtberücksichtigung würde zu einer im finanzgerichtlichen Verfahren ausgeschlossenen Verböserung führen.
522. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).