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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
T a t b e s t a n d
2Streitig ist der Vorsteuerabzug aus Eingangsumsätzen, für die vom leistenden Unternehmer an die Klägerin keine Rechnung erteilt worden ist.
3Die Klägerin betrieb in den Streitjahren seit dem 01.09.2014 einen Kiosk. Sie führte damit das zuvor von ihrem Ehemann, Herrn BC, ausgeübte und zum 31.08.2014 abgemeldete Unternehmen bis zum 03.02.2016 fort. Die Umsatzsteuern für die beiden Streitjahre wurden gegen die Klägerin zunächst erklärungsgemäß festgesetzt (2014: 1.291,35 €; 2015: 8.709,35 €).
4Der Beklagte führte bei der Klägerin beginnend am 15.06.2016 für die Streitjahre eine Betriebsprüfung durch. Anlass waren strafrechtliche Ermittlungen des Finanzamtes für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung (StrafaFA) J gegen die Verantwortlichen der G GmbH, welche gewerblichen Kunden die Möglichkeit eingeräumt hätte, Waren gegen Barzahlung und ohne ordnungsgemäße Rechnung zu beziehen, wobei die entsprechenden Umsätze von der G GmbH nicht erklärt worden seien. Die Prüferin des Beklagten kam auf der Grundlage der Ermittlungsergebnisse des StrafaFA J zu der Feststellung, dass die Klägerin Eingangsumsätze i.H.v. 49.085,42 € (2014) und 102.218,24 € (2015) aus Lieferungen der G GmbH sowie die entsprechenden Ausgangsumsätze nicht in ihrer Buchführung erfasst habe (Schwarzeinkäufe und Schwarzverkäufe). Die Klägerin habe die Waren der G GmbH bar bezahlt und auf die Ausstellung ordnungsgemäßer Rechnungen verzichtet. Zwar hätte die Klägerin die Vorwürfe bestritten, dem sei wegen der entgegenstehenden Zeugenaussagen von Mitarbeitern der G GmbH jedoch nicht zu folgen. Die mit diesen Eingangsumsätzen im Zusammenhang stehenden, bisher nicht erklärten Ausgangsumsätze seien unter Anwendung eines einheitlichen Aufschlagsatzes von 22% zu ermitteln. Die so ermittelten Ausgangsumsätze unterlägen der Umsatzsteuer, und zwar anteilig nach dem Verhältnis der erklärten Umsätze teilweise zum Regelsteuersatz (19 %) und teilweise zum ermäßigten Steuersatz (7 %). Die festgestellten Schwarzeinkäufe seien als Betriebsausgaben zu berücksichtigen. Ein Vorsteuerabzug sei für die Schwarzeinkäufe nicht zu gewähren. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Prüfungsbericht vom 12.10.2016 Bezug genommen.
5Der Beklagte folgte den Feststellungen der Prüferin und setzte die Umsatzsteuern mit geänderten Bescheiden vom 01.12.2016 auf 10.513,98 € (2014) und 8.709,35 € (2015) fest.
6Gegen die geänderten Umsatzsteuerbescheide legte die Klägerin Einspruch ein und begründete diesen dahingehend, dass die Hinzuschätzungen zu hoch ausgefallen seien.
7Im Laufe des Einspruchsverfahrens wurde der Umsatzsteueränderungsbescheid für 2015 wegen eines Erfassungsfehlers nach § 129 Abgabenordnung (AO) mit Bescheid vom 28.07.2017 geändert und die Umsatzsteuer 2015 auf 24.355,59 € festgesetzt. Später setzte der Beklagte die Umsatzsteuern mit weiteren Änderungsbescheiden vom 16.11.2017 auf 10.445,54 € (2014) und auf 24.344,88 € (2015) fest. Im Rahmen seiner Einspruchsentscheidung vom 22.06.2020 half der Beklagte dem Einspruch darüber hinaus dahingehend insoweit ab, dass ein einheitlicher Aufschlagsatz von 14 % auf die festgestellten Schwarzeinkäufe angewendet wurde. Die Umsatzsteuern setzte er danach mit der Einspruchsentscheidung auf 9.840,69 € (2014) und auf 23.082,22 € (2015) fest. Im Übrigen wies der Beklagte den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung vom 22.06.2020 Bezug genommen (Gerichtsakte Bl. 2 ff.).
8Daraufhin hat die Klägerin Klage erhoben.
9Sie trägt zunächst vor, dass ihr der Vorsteuerabzug für die lt. Prüfungsbericht erfolgten Schwarzeinkäufe zustehe. Aus einem Vermerk des beteiligten Fahndungsprüfers L (Gerichtsakte Bl. 25) gehe hervor, dass über die nicht erklärten Eingangsumsätze (Schwarzeinkäufe) dem Beklagten Rechnungen vorgelegen hätten. In dem Vermerk werde ausgeführt, dass dem Fahndungsprüfer L bei Durchsicht der Prüfungsberichte für die Klägerin sowie für ihren Ehemann, Herrn BC, aufgefallen sei, dass die Rechnungen für 2015 im Fall der Klägerin falsch aufaddiert worden seien.
10Auf die Stellungnahme des Beklagten, wonach dem Fahndungsprüfer L keine Rechnungen über die Schwarzeinkäufe vorgelegen hätten, trägt die Klägerin ergänzend vor, dass sie zwar nicht selbst im Besitz von Rechnungen gewesen sei, allerdings sei ihr im vorliegenden Fall ausnahmsweise gleichwohl der Vorsteuerabzug zu gewähren. So werde selbst von der Finanzverwaltung (BMF-Schreiben vom 18.09.2020, III C 2 - S 7286-a/19/10001:001, BStBl. I 2020, 976, Rn. 10) die Auffassung vertreten, dass der Vorsteuerabzug unter Anwendung eines strengen Maßstabes auch zu gewähren sei, wenn die Finanzverwaltung über sämtliche Angaben verfüge, um die materiellen Voraussetzungen zu überprüfen. Im Fall der Klägerin gehe aus den Verwaltungsakten des Beklagten sowie des Finanzamts für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung (StrafaFA) J hervor, dass die Schwarzeinkäufe durch Wiederherstellung des Debitorenkontos der Klägerin bei der G GmbH ermittelt worden seien. In diesem seien auch die von der G GmbH auf die einzelnen Umsätze anzuwendenden Steuersätze aufgeführt. Danach verfüge der Beklagte über sämtliche Angaben, die ihm eine abschließende Prüfung der materiellen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug ohne Vorlage der jeweiligen Rechnung ermögliche. Der Beklagte selbst gehe auch davon aus, dass die Leistungen der G GmbH an die Klägerin für ihr Unternehmen bezogen worden seien. Der Kontrollfunktion der Rechnung komme hier keine weitere Bedeutung zu, da die Finanzbehörden im Fall der Klägerin bezüglich der von ihr von der G GmbH erhaltenen Leistungen über alle erforderlichen Informationen verfügten.
11Die Klägerin beantragt,
12den geänderten Umsatzsteuerbescheid 2014 vom 01.12.2016 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 16.11.2017 sowie der Einspruchsentscheidung vom 22.06.2020 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer 2014 um 7.559,61 € gemindert und auf 2.281,08 € festgesetzt wird
13den geänderten Umsatzsteuerbescheid 2015 vom 01.12.2016 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 28.07.2017 und vom 16.11.2017 sowie der Einspruchsentscheidung vom 22.06.2020 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer 2015 um 15.046,09 € gemindert und auf 7.436,13 € festgesetzt wird.
14Der Beklage beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Er nimmt zur Begründung Bezug auf den Inhalt seiner Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, dass auf Nachfrage sowohl das StrafaFA J als auch die ehemalige Betriebsprüferin mitgeteilt hätten, dass nur eine Excel-Tabelle über die bezogenen Eingangsleistungen und keine tatsächlichen Rechnungen vorgelegen hätten. Da die Klägerin nicht im Besitz einer Rechnung sei bzw. gewesen sei, sei der Vorsteuerabzug zu versagen. Die in dem Vermerk benannte fehlerhafte Addition von Belegen hätte die Eintragungen in der Excel-Tabelle und keine Rechnungen betroffen. So seien fehlerhaft nicht die gesamte Tabellenspalte, sondern nur die letzten Werte in einer Gesamtsumme zusammengefasst worden.
17E n t s c h e i d u n g s g r ü n de
18Der Senat hält den Fall für geeignet, ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid zu entscheiden (§ 90a Abs. 1 Finanzgerichtsordnung – FGO).
19I. Die Klage hat keinen Erfolg.
20Der geänderte Umsatzsteuerbescheid 2014 vom 01.12.2016 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 16.11.2017 sowie der geänderte Umsatzsteuerbescheid 2015 vom 01.12.2016 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 28.07.2017 und vom 16.11.2017, alle Bescheide in Gestalt der der Einspruchsentscheidung vom 22.06.2020, sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
211. Der Beklagte hat der Klägerin zu Recht den Vorsteuerabzug aus den streitgegenständlichen Eingangsumsätzen versagt, da die Klägerin nicht im Besitz einer Rechnung gewesen ist.
22a) Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Diese Vorschrift beruht auf Art. 167, 168 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL), wonach der Steuerpflichtige, der Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet, befugt ist, die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert oder erbracht werden, von der von ihm geschuldeten Steuer abzuziehen. Das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht danach, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht.
23Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG weiter voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Diese Vorschrift beruht auf Art. 178 Buchst. a MwStSystRL. Danach kann das Recht zum Vorsteuerabzug nur ausgeübt werden, wenn der Steuerpflichtige eine im Einklang mit den Art. 220 bis 236 und 238 bis 240 MwStSystRL ausgestellte Rechnung besitzt.
242. Die vorgenannten Vorschriften setzen nach ständiger EuGH- und BFH-Rechtsprechung, der sich der erkennende Senat aus eigener Überzeugung anschließt, voraus, dass die Ausübung des Vorsteuerabzugsrechts den Besitz einer Rechnung voraussetzt.
25a) Nach der EuGH-Rechtsprechung legt Art. 178 Buchst. a MwStSystRL zu den Einzelheiten der Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug, die formalen Bedingungen gleichstehen, fest, dass der Steuerpflichtige eine gemäß den Art. 220 bis 236 und 238 bis 240 MwStSystRL ausgestellte Rechnung besitzen muss (EuGH, Urteile vom 11.11.2021, C-281/20, Ferimet, UR 2022, 65, Rn. 26; vom 15.09.2016, C-518/14, Senatex, UR 2016, 800, Rn. 28 f., vom 21.11.2018, C-664/16, Vădan, UR 2018, 962, Rn. 39 f.; vom 22.10.2015, C-277/14, PPUH Stehcemp, UR 2015, 917, Rn. 29; vom 01.03.2012, C-280/10, Polski Trawertyn, UR 2012, 461, Rn. 41). Das Recht auf Vorsteuerabzug ist grundsätzlich für den Zeitraum auszuüben, in dem zum einen dieses Recht entstanden ist und zum anderen der Steuerpflichtige im Besitz einer Rechnung ist (EuGH-Urteile vom 15.09.2016, C-518/14, Senatex, UR 2016, 800, Rn. 35; vom 29.04.2004, C-152/02, Terra Baubedarf-Handel, UR 2004, 323, Rn 34; vgl. hierzu auch BFH, Beschluss vom 16.05.2019, XI B 13/19, BStBl II 2021, 950, Rn. 29).
26Zwar hat der EuGH die Erfüllung der Voraussetzung einer ordnungsmäßen Rechnung dahingehend eingeschränkt, dass das Grundprinzip der Mehrwertsteuerneutralität verlangt, dass der Vorsteuerabzug gewährt wird, wenn die materiellen Voraussetzungen erfüllt sind, selbst wenn der Steuerpflichtige bestimmten formellen Voraussetzungen nicht genügt hat (EuGH, Urteile vom 21.11.2018, C-664/16, Vădan, UR 2018, 962, Rn. 41; vom 15.09.2016, C-516/14, Barlis 06, UR 2016, 795, Rn. 42;). Diese Einschränkungen betrafen jedoch jeweils die formellen Anforderungen der Art. 220 bis 236 und 238 bis 240 MwStSystRL an den Inhalt einer Rechnung, nicht hingegen die sich unmittelbar aus Art. 178 Buchst. a MwStSystRL ergebende Voraussetzung, dass der Steuerpflichtige im Besitz einer Rechnung sein muss.
27Auch soweit der EuGH in seinem Urteil in der Rs. Vӑdan ausführte, dass "ein Steuerpflichtiger, der nicht in der Lage ist, durch Vorlage von Rechnungen oder anderen Unterlagen den Betrag der von ihm gezahlten Vorsteuer nachzuweisen, nicht allein auf der Grundlage einer Schätzung in einem vom nationalen Gericht angeordneten Sachverständigengutachten ein Recht auf Vorsteuerabzug geltend machen" kann (EuGH, Urteil vom 21.11.2018, C-664/16, UR 2018, 962, Rn. 48), sagt dies nichts zur Entbehrlichkeit einer Rechnung oder bestimmter Rechnungsinhalte aus. Vielmehr bestätigte der EuGH mit dieser Entscheidung die Bedeutung einer Rechnung oder anderer Abrechnungsunterlagen für das Recht auf Vorsteuerabzug (BFH, Urteil vom 12.03.2020, V R 48/17, BStBl II 2020, 604, Rn. 38; vgl. auch BFH, Urteil vom 15.10.2019, V R 14/18, BStBl. II 2020, 596, Rn. 39 f.).
28Unter Fortsetzung seiner bisherigen Rechtsprechung hat der EuGH jüngst in der Rs. Wilo Salmson France tenoriert, dass „ein Steuerpflichtiger, der nicht im Mitgliedstaat der Erstattung, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, den Anspruch auf Erstattung der Mehrwertsteuer, mit der eine Lieferung von Gegenständen belastet wurde, nicht geltend machen kann, wenn er keine Rechnung (…) über den Erwerb der betreffenden Gegenstände besitzt“ (EuGH, Urteil vom 21.10.2021, C-80/20, UR 2021, 876). Zwar betraf diese Entscheidung nicht unmittelbar den Vorsteuerabzug, sondern die Erstattung von Vorsteuerbeträgen im Vorsteuervergütungsverfahren (vgl. Art. 170 MwStSystRL), für das aber identische Grundsätze gelten. Der EuGH hat selbst darauf hingewiesen, dass der Erstattungsanspruch ebenso wie das Recht auf Vorsteuerabzug ein Grundprinzip des durch das Unionsrecht geschaffenen gemeinsamen Mehrwertsteuersystems darstellt und als integraler Bestandteil des Mechanismus der Mehrwertsteuer grundsätzlich nicht eingeschränkt werden kann (EuGH, Urteil vom 21.10.2021, C-80/20, UR 2021, 876, Rn. 67).
29b) Unter Bezugnahme und in Übereinstimmung mit der EuGH-Rechtsprechung sieht der BFH ebenfalls in seiner ständigen Rechtsprechung den Besitz einer Rechnung als Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs an (jeweils mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen BFH, Urteil vom 15.10.2019, V R 14/18, BStBl II 2020, 596, Rn. 28 ff.; Beschluss vom 16.05.2019 – XI B 13/19, BStBl II 2021, 950, Rn. 29). Danach ist in Übereinstimmung mit der EuGH-Rechtsprechung der Vorsteuerabzug zu versagen, wenn der Unternehmer lediglich über ein Dokument verfügt, das die Anforderungen an eine berichtigungsfähige Rechnung nicht erfüllt (vgl. BFH, Urteil vom 12.03.2020, V R 48/17, BStBl II 2020, 604, Rn. 37; BFH, Beschluss vom 20.07.2012, V B 82/11, BStBl II 2012, 809, Rz 33).
30Der Unternehmer, der den Vorsteuerabzug geltend macht, hat die Darlegungs- und Feststellungslast für alle Tatsachen, die den Vorsteuerabzug begründen (BFH, Beschluss vom 16.05.2019, XI B 13/19, BStBl II 2021, 950, Rn. 19 m.w.N.). Danach hat der Unternehmer auch darzulegen und nachzuweisen, dass er eine ordnungsgemäße Rechnung in Besitz hatte. Der fehlende Nachweis des Rechnungsbesitzes kann dagegen nicht durch eine Schätzung ersetzt werden (BFH, Urteil vom 23.10.2014 – V R 23/13, BStBl II 2015, 313, Rz. 23 m.w.N.)
313. Unter Berücksichtigung der vorgenannten unionsrechtlichen und nationalen Vorschriften sowie der hierzu ergangenen Rechtsprechung kann die Klägerin in den Streitjahren den Vorsteuerabzug aus den im Rahmen der Betriebsprüfung festgestellten Eingangsumsätzen nicht in Anspruch nehmen. Die Klägerin ist in den Streitjahren nicht im Besitz einer oder mehrerer Rechnungen der G GmbH gewesen.
32a) Die G GmbH hat der Klägerin über die streitgegenständlichen Leistungen keine Rechnung ausgestellt. Die Klägerin verfügte im Streitjahr auch nicht über die unter ihrem Debitorenkonto gespeicherten Daten in elektronischer Form oder auf Papier ausgedruckter Form.
33b) Zur Wahrung des Rechtsfriedens wird darauf hingewiesen, dass es sich bei dem im Rahmen der steuerstrafrechtlichen Ermittlungen technisch wiederhergestellten Debitorenkonto der Klägerin auch dann nicht um eine Rechnung handeln würde, wenn es der Klägerin in elektronischer Form oder ausgedruckt auf Papier vorläge.
34aa) Rechnung ist nach § 14 Abs. 1 Satz UStG jedes Dokument, mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird, gleichgültig, wie dieses Dokument im Geschäftsverkehr bezeichnet wird. Eine Rechnung kann aus mehreren Dokumenten bestehen, aus denen sich die nach § 14 Abs. 4 UStG geforderten Angaben insgesamt ergeben (§ 31 Abs. 1 Satz Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung – UStDV). Nach Art. 218 MwStSystRL erkennen für die Zwecke der Mehrwertsteuersystemrichtlinie die Mitgliedstaaten als Rechnung alle auf Papier oder elektronisch vorliegenden Dokumente oder Mitteilungen an, die den Anforderungen der Art. 217 bis 240 MwStSystRL genügen.
35bb) Bei einem Buchführungskonto des leistenden Unternehmers – im Streitfall ein Debitorenkonto – handelt es sich nicht um ein Dokument, mit dem gegenüber einem Leistungsempfänger über eine erbrachte Leistung abgerechnet wird. Die Buchführung dient den eigenbetrieblichen Dokumentationszwecken des leistenden Unternehmers.
364. Da der Klägerin bereits wegen des fehlenden Besitzes von zum Vorsteuerabzug berechtigenden Rechnungen der Vorsteuerabzug zu versagen war, bedarf es – auch wenn nach den, von der Klägerin bestrittenen, Prüfungsfeststellungen des Beklagten sowie des StrafaFA J ein solcher Fall vorliegen würde – keiner weiteren Entscheidung darüber, ob der Klägerin darüber hinaus der Vorsteuerabzug auch deswegen zu versagen gewesen wäre, weil sie wusste oder hätte wissen müssen, dass sie sich durch den Umsatz, auf den sie sich zur Begründung ihres Vorsteuerabzugsrechts beruft, an einer im Rahmen einer Lieferkette begangenen Mehrwertsteuerhinterziehung beteiligt hat (vgl. zu der entsprechenden EuGH- und BFH-Rechtsprechung hier nur EuGH, Urteil vom 18.12.2014, C-131/13 u. a., Italmoda, UR 2015, 106, Rn. 50 m.w.N.; BFH, Beschluss vom 16.05.2019, XI B 13/19, BStBl II 2021, 950, Rn. 20).
37II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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